Zusammenhänge zwischen Irak-Krieg und Mittelmeerunion
Tripoli: Mehr und mehr verdichten sich die Hinweise, dass die plötzlich ausgerufene Mittelmeerunion der Verwicklung europäischer Staaten in US-geführte Kriege im arabischen Raum dient. Während der US-Diplomat Galbraith nun die „Bosnien Option“ zieht (wir berichteten am 08.12.2006) und die Zerschlagung des Irak in drei Teile ankündigt, findet in Lybien ein Treffen von Ministern aus Ägypten, Jordanien, Syrien, Türkei und dem Irak statt. Ziel: die Verknüpfung der Stromnetze.
ENERGIE: VON EUROPA BIS IRAK
Auf dem mittlerweile 12. Treffen des operativen Kommitees vom „Septet Electricity Network“ genannten Verbund wird u.a. der Antrag Palästinas bearbeitet, in das Energienetz aufgenommen zu werden.
Auch die „sozialen, kulturellen und Handelsbeziehungen“ zwischen der Türkei und Syrien wachsen laut Angaben der regierungsnahen syrischen Nachrichtenagentur Sana stetig.
Den demnächst stattfindenen arabischen Gipfel in Damaskus, auf dem möglichst viele arabische Staaten für eine Lösung im Gazakrieg und Palästina eingebunden werden sollen, unterstützen auch jordanische Diplomaten.
DRUCK: VON EUROPA AUF IRAN
Das fällt zusammen mit einem Plan der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem israelischen Premier Ehud Olmert, eine Anti-Iran-Konferenz einzuberufen, um das mehrheitlich von Schiiten bewohnte Land wegen des nicht-existierenden militärischen Atomprogramms weiter unter Druck zu setzen. Sie hoffen dabei, wie sie sagen, auf die Kollaboration der „sunnitischen“ Staaten.
Weiterer Hintergrund: ein offenbar bevorstehender neuer Libanonkrieg.
EIN NEUER LIBANONKRIEG UND DIE MÖGLICHE ROLLE SYRIENS
Die Rolle Syriens ist hierbei auch unter den israelischen Geheimdiensten umstritten.
Während der Chef des Mossad, Meir Dagan, es als sehr unwahrscheinlich ansieht dass Syrien sein Bündnis mit Iran aufgibt, sieht der Chef des Militärgeheimdienstes, Amos Yadlin, die Möglichkeit die Syrer einzubinden, falls sich die US-Aussenpolitik anders ausrichte und die israelische Regierung sich darauf einlässt über eine eventuelle Rückgabe der Golan-Höhen zu reden.
Angeblich soll der Iran über Syrien Waffen an die Hizb-Allah (Hisbollah) im Libanon liefern. Wie das rein geografisch Sinn machen sollte, erschliesst sich dem Beobachter nicht, trotzdem wird dies von israelischer Seite immer wieder behauptet.
Der Hintergrund könnte ganz simpel sein: ein scheinbar öffentlich ausgetragener Disput zwischen „Moderaten“ und „Falken“ im Westen um das syrische Regime zu desorientieren, anzulocken und dann im Zuge eines Militärschlages gegen die Hizb-Allah im Libanon mit einem plötzlichen Feldzug aus der Türkei, Jordanien, Israel und dem Irak gleich mit zu überfallen.
Denkbar ist natürlich auch die offensichtliche Variante: Syrien, dessen Polizei gerade gestern wieder 3 Kurden erschoss weil sie Kerzen auf einer Strasse angezündet hatten um das Neujahrsfest „Newroz“ zu feiern, einigt sich mit dem Westen, tritt der Mittelmeer- bzw. Abendlandunion bei, hält sich aus einem neuen Libanonkrieg der Israelis und der US-UNIFIL-Flotte gegen die libanesische Opposition um General Aoun und die Hizb-Allah heraus und kassiert dafür Geld und die Golan-Höhen.
G8,EU,UN: „MEHR ENGAGEMENT“ IM IRAK
New York am 22.September letzten Jahres: Bei einem Treffen der Weltelite einigten sich die G-8 Staaten, die EU, die Atommächte des Weltsicherheitsrates, die UN-Verwaltung, einflussreiche Finanzkreise („major donors“), die Arabische Liga und Vertreter von Nachbarländern des Irak auf gemeinsame „Aktionen“ im westlich besetzten Zweistromland am Persischen Golf.
„Wir sehen uns einer Reihe Herausforderungen im Irak gegenüber und heute war klar, dass die Zeit für entschlossene gemeinsame Aktionen gekommen ist“, so UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon nach dem Treffen.
„Es gab einen sehr positiven und unterstützenden Tonfall von allen Teilnehmern des Treffens. Und es gab starke irakische Unterstützung für eine erweiterte Rolle der UN im Rahmen des neuen Mandats der Resolution 1770 vom Weltsicherheitsrat“, so Ban Ki-Moon weiter.
Im August war das UN-Mandat für einen Einsatz im US-kontrollierten Irak „UNAMI“ für ein weiteres Jahr verlängert worden. Ausserdem sah es eine „erweiterte Rolle“ der UN im Irak vor, wie es hiess.
Auch der irakische Premierminister Al-Maliki war sehr zufrieden. „Das Treffen war sehr positiv“, so Maliki. Die Teilnehmer hätten den Fortschritt des Irak unterstrichen und ihre Unterstützung angeboten.
„GLOBALE ROLLE“ DER EU
Bereits Anfang März 2007 hatte der ehemalige französische ex-Generalsstabschef General Henri Bentegeat, Chef des militärischen Flügels der EU unter dem „Außen- und Sicherheitsbeauftragtem“ Javier Solana, in einem Interview vor dem EU-Gipfel der Verteidigungsminister in Wiesbaden bemerkt, daß angesichts 16 zivilen und militärischen EU-Missionen weltweit, darunter Bosnien, Darfur, Palästina und Irak, die EU sich „langsam, aber sicher darauf vorbereitet, sich selbst zu organisieren, um eine globale Rolle zu spielen“.
Am 4.März hatten Merkel und der französische Präsident Sarkozy ihre Pläne für die Schaffung einer „Mittelmeerunion“ mit den Grenzen zu Kanada, dem Iran und dem Tschad verkündet.
Das ist aber noch nicht das Ende der ozeanischen Fahnenstange.
Eine „Abendlandunion“, ein riesiger NATO-Staat soll her.
EIN NEUES WEST-IMPERIUM
Der ehemalige französische Premierminister Edouard Balladur, ein enger und alter Vertrauter Sarkozys, veröffentlichte Anfang dieses Jahres einen 120-seitigen Strategie-Entwurf mit der Überschrift “Für eine Abendlandunion zwischen Europa und den USA” (”Pour une Union occidentale entre l’Europe et les États-Unis”).
Da das Gebilde der EU nun in der Mittelmeerunion aufgehen soll, ist klar was das heisst.
Balladur bezeichnete dies übrigens ganz offen als nötigen und konsequenten Weg gegen Russland und China und berief sich dabei u.a. auf alte Pläne des damaligen US-Aussenministers James Baker aus den 80er Jahren.
Er benannte ausdrücklich Merkel als Verbündete und wichtige Figur in diesen Plänen.
Nun zeichnet sich aber ab, dass der Irak – bzw. was von ihm übrig ist – offenbar in dieses Gebilde mit eingebunden werden soll.
Die religiöse, fanatische Unterfütterung dieses Prozesses besorgt in den USA vorneweg die evangelische Kirche.
Der praktisch feststehende Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner John McCain liess Anfang März verkünden, er sei stolz, dass der ihn unterstützende Pastor John Hagee «tausenden Menschen spirituelle Weisungen» gebe und sich «für die Freiheit des Staates Israel« einsetze.
Hagee geht von einem Ende der Welt in den nächsten 20 Jahren und einem Einmarsch von 200 Millionen Chinesen im Irak aus, Wladimir Putin werde eine Verschwörung mit sämtlichen arabischen Staaten gegen Israel leiten, wo dann Armageddon stattfinden werde.
Ausserdem fordert Hagee, den McCain selbst um Unterstützung gebeten hat, einen Atomangriff auf den Iran, gilt als Wortführer des sogenannten „christlichen Zionismus“, bezeichnet die katholische Kirche als „grosse Hure“ und „Kult“ der sich mit Adolf Hitler für die Auslöschung aller Juden verschworen habe, warnte im Falle einer nicht bedingungslosen Unterstützung der Olmert-Regierung vor einem „Blutbad“ in den USA und glaubt, dass der Hurrikane Katrina eine Strafe Gottes für die Gay Parade von New Orleans war.
Und in Hessen haben sie Angst vor den „Linken“.
UND MORGEN DIE HALBE WELT..
Wenn man jetzt die US-gestützen Monarchien im arabischen Raum neben EU/Mittelmeerunion zur beeinflussbaren Hegemonie dazurechnet, dann stört mittendrin eigentlich nur noch der Iran vor der Landgrenze zu China und Pakistan.
Afghanistan ist bekanntlich bereits seit 2001 besetzt. Am Hindukusch (also der chinesischen Grenze) operieren Dank der SPD-Bundestagsfraktion und den bellizistischen Teilen der Grünen nicht nur über 3000 Soldaten der Bundeswehr, sondern auch unsere Luftwaffe mit ihren Tornado-Bombern.
Vor Libanon und Syrien sind deutsche Flottenteile stationiert, die dort nicht ein einziges Mal irgendetwas getan haben ausser über Fernmeldegeräte und Luftwaffeneinsätze die Region und Schiffsbewegungen zu überwachen.
Ein deutscher Flotteneinsatz vor Gaza ist bereits in Planung.
LÖSUNG FÜR PALÄSTINA
Derzeit sieht es danach aus, als ob sich in Palästina eine Lösung anbahnt, das ist die gute Seite der Angelegenheit.
Der russische Aussenminister Lawrow, der in Israel mit Olmert und Aussenminister Livni zusammentraf, deutete Gespräche von Hamas und Abbas zur „Wiederherstellung der Einheit unter verschiedenen politischen Kräften in Palästina“ an.
Er schlug u.a. eine Konferenz in Moskau vor, um auch Gespräche mit Israel und Syrien zu forcieren.
Zuvor hatte Lawrow mit Vertretern der Hamas in Damaskus konferiert. Wer nach Moskau durch die russische Diplomatie eingeladen wird, dass behielt sich Aussenminister Lawrow noch vor.
Klar ist – zur Zeit herrscht ein wildes diplomatisches Tauziehen um die weitere Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten.
DIE RETTUNG FÜR DEN IRAK-KRIEG: DIE „NEUE WELTORDNUNG“
Eine friedliche Lösung in Palästina und auf den Golan-Höhen – etwa durch eine formelle Rückgabe an Syrien mit dem Verbleib der israelischen Siedlungen und strategischer Militärstutzpunkte – liegt auch im Interesse für die meisten Kreise in Europa und den USA, allerdings aus unterschiedlichen Gründen.
Für Paris und Sarkozy wäre es die Verwirklichung altfranzösischer Grossmachtpläne, die von napoleonischen Dimensionen bis zu einer Art Eurasien reichen.
Für die Bush-Regierung könnte eine Befriedung im Hinterland des Irak-Krieges die ideale Möglichkeit infrastukturell die Teile des zerschlagenen Irak an die verbündeten arabischen Monarchien zu ketten, die sich wiederum mit der EU zur Mittelmeerunion verschmelzen.
Das wäre auch die Erklärung dafür, warum die vollkommen überdehnten US-Streitkräfte überhaupt noch im Irak sind. Ein Eingreifen der Europäer wäre das ideale Versprechen, mit dem man demoralisierte und fertige Feldkommandeure in Bagdader Bunkern zum Durchhalten bequatschen könnte.
Am 20.August 2007 war der französische Aussenminister Bernard Kouchner zu einem interessanten Besuch im Irak gelandet.
„Nun wenden wir das Blatt. Es gibt eine neue Perspektive,“ sagte er.
Was meinte der erklärte Bellizist damit? Kouchner wollte schon 2003 Frankreich als Teil der „Koalition der Willigen“, um an der Invasion des Irak teilzunehmen.
Ging es schon 2003 – vielleicht sogar schon beim ersten Irak-Krieg 1991, dem dann allerdings 8 Jahre zeitraubende Präsidentschaft Bill Clintons folgten – um diese Vision eines neuen westlichen Imperiums bis nach Arabien hinein?
War das die „neue Weltordnung“, von der der Vater des jetzigen US-Präsidenten gesprochen hatte, und der 11.September 2001 der Startschuss für einen ganz normalen Weltkrieg um dieses Ziel zu erreichen?
UND DIE DEUTSCHEN GUCKEN STUMM..
Niemand hat die Deutschen, noch irgendein anderes Volk gefragt, was sie von diesen imperialen Träumen eines Westens bis zum Iran und mittleren Afrika halten.
Aber das wundert auch nicht weiter.
Die Mehrheit der Bevölkerung Europas und der Vereinigten Staaten, von der deutschen Republik ganz zu schweigen, tut im Augenblick nur eines:
blind, taub und stumm, aber immer fröhlich und schick angezogen in der Gegend rumzustehen, wenn sie nicht gerade ihr Leben mit der Arbeit zu verbringen die dieses globale Schachspiel der Eliten überhaupt finanziert.
(…)
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