Schweiz: Blocher liess Bundesrat Akten über CIA-Agenten und Atomschmuggler vernichten
Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlamentes war informiert
Bern: Durch Nachhaken eidgenössischer Journalisten wurde vor kurzem öffentlich, dass die Schweizer Regierung Bundesrat auf Antrag des ehemaligen Vorstehers des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) Christoph Blocher (damals einer von 7 gleichberechtigten Ministern des Schweizer Bundesrates) etwa 100 von 200 Aktenordnern an vorhandenen Daten über den Fall des seit 3 Jahren in Untersuchungshaft sitzenden mutmasslichen Atomschmugglers Urs Tinner vernichten liess.
Tinner ist verdächtig als CIA-Agent Teil des internationalen Atomschmuggler-Rings um den „Vater der pakistanischen Atombombe“, Abdul Quader Khan (A. Q. Khan), zu sein.
Er lieferte in die USA u.a. Informationen, die – so steht es jedenfalls in den Schweizer Gerichtsakten – den dortigen „Behörden..bei der Aufdeckung und Zerschlagung des libyschen Atomwaffenprogramms behilflich“ waren.
Im Februar hatte die Schweizer Bundesanwaltschaft nach drei Jahren endlich den Fall an das Eidgenössischen Untersuchungsrichteramt übergeben – nach der Aktenvernichtung.
Mühsam und peu á peu recherchierten nun Schweizer Journalisten und Abgeordnete und fanden heraus, dass nicht nur der Bundesrat selbst auf Antrag des damaligen Justiz- und Polizeiministers Blocher die Vernichtung angeordnet hatte, sondern dass die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Schweizer Parlamentes – die Bundesrat, Bundesverwaltung und Geheimdienste kontrolliert – über die Beseitigung der Unterlagen voll informiert war.
GPDel-Präsident Hugo Fasel am Montag vor der Presse:
„Die Geschäftsprüfungsdelegation wird grundsätzlich über alles informiert, was der Bundesrat im Geheimbereich beschliesst. Ich bestätige also die EJPD-Information über die Aktenvernichtung.“
FBI-DOLMETSCHERIN: US-REGIERUNG VERKAUFTE ATOMTECHNOLOGIE WELTWEIT AUF DEM SCHWARZEN MARKT
Am 6.Januar dieses Jahres veröffentlichte die „Times“ die Zeugenaussage der ehemaligen FBI-Dolmetscherin Sibel Edmonds. Diese sagte vor der Öffentlichkeit aus, dass hochrangige US-Regierungsbeamte brisante Atomtechnologie jahrelang auf dem Schwarzen Markt u.a. an Saudi-Arabien, Israel, über türkische Geheimdienstler an den pakistanischen ISI und über den offenbar auch an Bin Laden und terroristische Gruppen verkauft hatten.
Edmonds beschrieb in ihren Aussagen – die mehrere Quellen im FBI und CIA bestätigten – wie ausländische Agenten, vornehmlich türkische und israelische, ungehindert in den USA ein ganzes Netzwerk von Maulwürfen in atomaren Technologiezentren wie Los Alamos installierten und dort Beamte in Schlüsselpositionen bestachen. Laut Edmonds gehörte dazu mindestens ein hochrangiges Mitglied des US-Aussenministeriums:
“Er unterstützte ausländischen Agenten gegen die Interessen der USA, indem er ihnen hochgeheimes Material verschaffte, nicht nur aus dem Aussenministerium, sondern auch aus dem Pentagon, und zwar gegen Geld, Ämter und politische Ziele“, so ex-FBI-Agentin Sibel Edmonds zur „Times“.
Ihr Job 2001-2002 war es abgehörte Gespräche von FBI-„Zielen“ (z.B. türkische “Diplomaten” und Politiker) zu übersetzen, Tausende von Stunden langes Material. Ein Berg hatte sich aufgestaut, es ging um Abhördaten ab 1997.
Als Edmonds 2002 das FBI verliess, hatte sie unfangreiche Beweise über Geldwäsche, Drogenschmuggel und den Handel mit konventionellen Waffen, sowie mit Atomtechnologie abgehört.
“Was ich fand, war verdammenswert”, so Edmonds, “während das FBI ermittelte deckten verschiedene Teile der US-Regierung, was da vor sich ging”. Im Monatsrhythmus sei Atomtechnologie (oder Material…) verkauft worden, das Netzwerk habe Zugang zu jeder atomaren Einrichtung der USA gehabt, eingeschlossen Los Alamos.
Unter anderem hätte regelmässig der Auslandsgeheimdienst Pakistans ISI über türkische Geheimdienstler eingekauft. Die Gelder seien über das “American Turkish Council” in Washington gelaufen.
Laut den Aussagen der ehemaligen FBI-Dolmetscherin schien damals so etwas wie Geheimhaltung bei sämtlichen US-Behörden überhaupt nicht zu existieren.
Sogar die Tochter eines ISI-Spitzels in der pakistanischen Botschaft Washingtons bekam eine Stelle als Dolmetscherin beim FBI, bei höchster Geheimhaltungssufe, trotz Protesten von Edmonds.
Die Operationen leitete laut Edmonds der damalige Chef des pakistanischen Geheimdienstes ISI, General Mahmoud Ahmad. (Mahmoud Ahmad, Mahmood Ahmed).
Dieser wies vor den Attentaten des 11.Septembers 2001 seinen Agenten Ahmed Omar Saeed Sheikh (alias Omar Sheikh, Sheikh Omar, Sheik Syed, Mustafa Muhammad Ahmad) – der laut einem 2006 von Pakistans Machthaber Pervez Musharraf veröffentlichtem Buch auch für den britischen MI6 gearbeitet haben soll – an, Mohammed Atta persönlich 100.000 Dollar zu überweisen.
Laut Aussage der ex-FBI-Dolmetscherin Edmonds leitete der damalige ISI-Chef Mahmoud Ahmad (Mahmood Ahmed) nicht nur den Ankauf der Atomtechnologie aus den USA, sondern er stand auch in engem Kontakt mit Abdul Qadeer Khan.
Khan wiederum benutzte gleich ein ganzes Netzwerk von Firmen in Grossbritannien und den USA für seinen Aufbau der pakistanischen Atommacht, ausserdem verkaufte er jahrzehntelang Atomtechnologie nach Lybien.
Hier schliesst sich der Kreis zum Fall des Schweizer CIA-Agenten und mutmasslichen Atomschmugglers Urs Tinner.
Er soll in die USA insbesondere Informationen über Libyen geliefert haben.
Laut Sibel Edmonds ermittelte das FBI auch gegen auch gegen die höchste Leitungsebene des Pentagon. “Wenn all die Informationen publik werden, die das FBI in dieser Sache hat, werden Sie erleben, dass sehr hochrangige Leute als Kriminelle vor Gericht gestellt werden”, so die ehemalige US-Beamtin. Sie berichtete, dass sowohl das Britain’s Revenue & Customs, als auch das FBI jahrelang untätig den Atomschmuggel beobachteten, aber nicht eingriffen – aus “diplomatischen” Gründen, wie es hiess.
Khans Leute trafen sich auch mit dem seit Jahren spurlos verschwunden Osama Bin Laden. Die CIA wusste davon. „Wir waren uns der Kontakte zwischen Khans Leuten und Al-Qaeda bewusst“, so ein ex-CIA-Agent laut der „Times“. „Es brach absolute Panik aus, als wir dies bemerkt hatten, aber irgendwie legte sich das wieder“.
Abdul Qadeer Khan hatte von 1972 bis 1975 in den Niederlanden im Stab des “Physical Dynamics Research Laboratory” (FDO) in Amsterdam gearbeitet. Diese war eine Zulieferfirma der Atomanlage URENCO in Almelo, die gemeinsam von West-Deutschland, Grossbritannien und den Niederlanden errichtet worden war, um eine Versorgung von eigenen Atomkraftwerken mit angereichertem Uran sicherzustellen.
Im Dezember 1975 war Abdul Qadeer Khan aus den Niederlanden verschwunden und tauchte dann 1976 wieder in Pakistan auf.
Der ehemalige niederländische Minsterpräsident, Ruud Lubbers, sagte später, die Regierung habe gewusst, dass Khan Atomgeheimnisse gestohlen habe.
Sie habe ihn trotzdem laufen lassen – und zwar auf Druck der CIA.