Frontalangriff auf Schäuble
Bündnis 90/Die Grünen wollen Aufnahme des Datenschutzes in 5 Artikel der Verfassung – gegen „alle Schäubles dieser Welt“.
Berlin: Wiewohl man erst einmal nichts glauben kann, was irgendeine Partei angeblich vorhat, zeigt jedoch die Reaktion von Innenminister Dr.“Seltsam“ Schäuble, dass es ihn unangehm erwischt hat. Offenbar ohne sein Vorwissen liessen die Grünen jetzt zu seinen Ungunsten eine Politbombe platzen: der angehende Koalitionspartner nach der Bundestagswahl 2009 plant offensichtlich ohne ihn.
Laut der von irgendwem bei den Grünen gut informierten „Süddeutschen“ plant die ehemalige Bürgerrechtspartei eine ganz ungewohnte Rückbesinnung auf alte Werte. Gleich 5 Artikel unserer rechtsgültigen Verfassung Grundgesetz sollen für die Aufnahme des informellen Selbstbestimmungsrechtes der Deutschen verändert oder ergänzt werden.
Zuerst einmal heisst diese Presseankündigung gar nichts. Erst wenn der Gesetzentwurf am 17.Juni von der grünen Bundestagsfraktion beschlossen und dann veröffentlicht ist, kann er von den Bürgern überprüft werden. Trauen kann man niemandem mehr, weder im Parlament, noch in der Berliner Bürokratie und schon gar nicht in der Bundesregierung, dessen Kanzlerin Merkel ja von Teilen der Grünen wiedergewählt werden will.
Aber wer sich gefragt hat was hinter der sinnfreien Luftblase des Innenministers über die „Direktwahl des EU-Präsidenten“ steckt welche „eines Tages“ erfolgen solle, so ist klar dass Schäuble schlicht seinen Namen bezüglich eines ganz anderen Themas in den Google News Schlagzeilen dieses Informations-Jahrhunderts sehen wollte.
Wie immer fleischgewordener Zynismus forderte er nun durchsichtig mehr „Transparenz“ (!) in Europa, nachdem gestern vormittag die Story der SZ erschienen war.
Es wird ihm nichts nützen.
„Es geht um eine Antwort auf die Schäubles dieser Welt, die jeden zum Verdächtigen machen wollen„, so die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast.
Künast versucht gerade ihren Vertrauten Volker Ratzmann als zweiten Grünen-Vorsitzenden gegen Cem Özdemir durchzusetzen, der als Chef der rechten Berliner Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus für eine hemmungslose Anbiederung an das Bürgertum steht. Interessant ist daran, dass offenbar auch die schwarzgrüne Fraktion bei den Grünen kein Interesse mehr an einem republikweit äusserst unbeliebten Innenminister Schäuble hat.
Auch die ordentliche Gesetzgebung für den Schutz der Bürger soll nun endlich in Schwung kommen. Das Thema Konzerngeheimdienste (oder „Konzernsicherheit“ bzw. Sicherheitsateilungen, etc) ist nach jahrzehntelangem Tabu in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, wenn auch nicht in den Fokus der Schnüffler und ihrer Kollaborateure in den Massenmedien.
Die Sicherheitsabteilungen der Konzerne hätten „längst ein eigenes Regelungswerk abseits des Staates geschaffen“, warnte jetzt die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Silke Stokar.
„Das ist eine Parallelgesellschaft, in der nationales Recht außer Kraft gesetzt wird.“ Das „abgeschottete Machtkartell“ der Sicherheitsabteilungen sei demokratiegefährdend, so Stokar. „Parlamentarische Kontrolle reicht in diesen Bereich nicht hinein.“
Die liberale „Frankfurter Rundschau“ berichtete am Donnerstag in einem ungewohntem Rückfall in alte Zeiten über enge personelle Verflechtungen der bundesweit ebenso verschwiegen wie eng vernetzten „Konzernsicherheit“ mit Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Bundeswehr. „Personenschutz“, „Werkschutz“, „IT-Sicherheit“ der Grosskonzerne operieren laut diesem Bericht in Deutschland als grossflächiges, kommerzielles Spionagenetzwerk ohne jede parlamentarische oder juristische Kontrolle.
Mit der Exekutive des Staates Bundesrepublik Deutschland arbeiten die Konzerne und ihre Geheimdienste aber bestens zusammen. Zweimal im Jahr bittet der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, die Sicherheitschefs der „Global Player“ gleich direkt nach Wiesbaden. Dort treffen sich dann u.a. die Geheimdienstler von Daimler, BASF, Telekom und der Bahn AG, um von den staatlichen Kollegen aus der Exekutive auch noch Informationen zu erhalten.
Sogar die Frage nach der Kontrolle der staatlichen Schnüffler aus den Exekutivorganen stellt sich nicht mehr. Der zuständige parlamentarische Kontrolleur Schäubles, der Vorsitzende des Innenausschusses Sebastian Edathy („SPD“), gibt nach allgemeiner Einschätzung eine maximal jämmerliche Figur ab.
So kommt die erste ernstzunehmende bürgerrechtliche Initiative der Grünen seit weit über 10 Jahren für die Spionagebranche und ihre staatlichen Kompagnons zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Ausgerechnet am 17.Juni, dem Tag des Volksaufstandes im ostdeutschen Polizeistaat DDR, will nun zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine frei gewählte Parlamentsfraktion ein Grundrecht der Deutschen vor Schutz gegen Spionage durch die eigene Regierung sowie internationale Dienste und Konzerne auf den Weg bringen.
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siehe auch:
30.05.08 Telekom-Affäre wird zur Staatsaffäre
18.04.08 Zypries und Schäuble: Das Ende vom Anfang
18.04.08 Parlament wusste von Spionage gegen Unschuldige durch Länderpolizei
02.04.08 Der Private Schnüffelstaat im Weltstaate
03.11.07 Blackwater: Globaler Konzern-Geheimdienst “Total Intel” ausser Kontrolle
07.10.07 Spionage-Affäre: Der lange Putsch durch die Institutionen
16.04.07 Ex-NATO-Offizier zu Schäuble:”kalter Staatsstreich”