Kein Geld ohne Gegenleistung oder was ist "Workfare"?
Bewertung des Gutachtens des wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen Existenzsicherung und Erwerbsanreiz Zusammenfassung: Quelle: Gegenüberstellung von Vorschlägen zu einer Reform des SGBII, vom Mai 2008, Modellberechnungen: Sachverständigenrat (Fünf Weisen) Bofinger, Walwei und andere IZA BMWi BMWi Beirat Option I BMWi Beirat Option II Kölner Kombilohn Bürgergeld Grundaussage: Es wird herausgestellt, dass es ein Dilemma gäbe zwischen der Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit, dem Sozialstaatlichen Anspruch, einen Mindestlebensstandard zu finanzieren und andererseits wesentlich mehr Langzeitarbeitslose in eine Erwerbstätigkeit zu bringen. Der Bereich des Niedriglohnsektors wird als die entscheidende Wegmarke betrachtet, um Arbeitslosigkeit zu beenden. Um diesen Bereich für Arbeitslose und Unternehmer attraktiv zu gestalten werden verschiedene Ansätze der Expertengruppen gemacht. Formen von bedingungslosem Grundeinkommen oder ähnlichem Alternativen werden als „Abschied vom Solidaritätsprinzip der Bundesrepublik“ bezeichnet, weil unterstellt wird, dass nur ein Sanktionierungssystem genügend „Druck“ aufbauen würde, um genügend Langzeitarbeitslose zu motivieren, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Einerseits sollen niedrig qualifizierte Langzeitarbeitslose eine Jobchance erhalten, andererseits bedingt sind damit geringe Aufwendungen für potentielle Arbeitgeber, durch staatliche Subvention. Die niedrige Attraktivität steht der Ausweitung eines Niedriglohnsektors im Wege. Im wesentlichen liegt das daran, dass zu zahlende Löhne kaum Anziehungskraft für Langzeitarbeitslose ausüben (und deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht wesentlich verbessern). Für Unternehmer ist der Niedriglohnsektor nur bedingt interessant, weil dieser Bereich seit Jahrzehnten ins billigere Ausland verlagert wird. Auch existiert der Niedriglohnsektor nicht in der gewünschten Größenordnung, um Langzeitarbeitslosigkeit im Bereich geringer Qualifikation zu beenden. Durch die Einrichtung staatlicher Subventionen soll der Niedriglohnsektor attraktiver gestaltet werden. Mehr Beschäftigung im Niedriglohnsektor kann prinzipiell auf drei Wegen erreicht werden. · Erstens durch eine Reform der Anspruchsvoraussetzungen (negative Anreize), · zweitens durch eine Reform der positiven Anreize zur Arbeitsaufnahme sowie · drittens durch ein Setzen von positiven Anreizen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Für jeden dieser Wege liegen Vorschläge auf dem Tisch, wobei die konkreten Modelle zumeist zwei oder drei dieser Wege kombinieren. Wesentliche Inhalte: Die überwiegende Zahl der Expertenvorschläge umfasst die Einschränkung staatlicher Leistungen, zugunsten eines subventionierten Niedriglohnsektors und zulasten der finanziellen Leistungen für Arbeitslosengeld 2 Empfänger. Teilweise sollen Einsparungen die Subventionen finanzieren oder Steuerbeiträge absenken. Staatliche Leistung im Rahmen von SGBII und III sollen verstärkt nur noch bei einer erhöhten Eigenbeteiligung (durch geleistete Arbeit) gezahlt werden, um Fehlentwicklungen im Sinne „Sozialhilfekarieren bzw. Dynastien“ zu begegnen (man beachte die Wortwahl!). Weil im Gutachten der Wortlaut „Arbeitslosengeld“ benutzt wird, ist zu vermuten, dass auch künftig das ALG1 davon betroffen sein könnte, Einsparungen sind auch in diesem Bereich vorgesehen. Bei Ein-Euro Jobs soll die Zahlung der Mehraufwandspauschale entweder ganz abgeschafft werden oder nur noch sehr eingeschränkt. Mehraufwandspauschalen sollen auf das ALG2 angerechnet werden. ALG2 Bezieher, vor allem „echte Langzeitarbeitslose“ sollen dazu gezwungen werden eine Lohnarbeit anzunehmen, wobei egal ist, ob diese unter dem sozialen Existenzminimum liegt oder nicht. Hier wäre der „Sozialstaat“ bereit, entsprechende Ergänzungsleistungen zu erbringen. Finanziellen Anreize, Ein-Euro Jobs oder geringfügiger Beschäftigung nachzugehen sollen abgeschafft werden, weil sich Langzeitarbeitslose damit begnügen würden, statt ihre Notlage durch eine Erwerbsarbeit zu beenden. Generell wird ein rigoroses Vorgehen durch die Leistungsträger angemahnt, um die Bedürftigkeitszeiträume der Betroffenen zu verkürzen oder sie ganz zu beenden. Der Mangel an einfachen Arbeitern bzw. der Fachkräftemangel wirkt sich in gesetzlichen Regelungen aus. Durch Zwangsrekrutierung sollen neue Arbeitskräfte zugeführt werden oder für die Bundeswehr Soldaten. Der Begriff der Vollbeschäftigung wird durch eine Zwangsbeschäftigung ersetzt. Die Wirtschaftslobby hat erreicht, dass die politische Kaste von ihr abhängig ist, weil sie deren Parteien und Wahlkämpfe finanziert und „alt gedienten“ Entscheidungsträgern eine lukrative Berufsperspektive bietet. Hauptzielrichtung der Reformvorschläge ist die Kostenersparnis bei den Kosten im Bereich SGBII und SGBIII. Neuerlich werden dazu auch Jahresvereinbarungen mit den Jobcentern abgeschlossen, um dies sicherzustellen. Die Oberste Dienstbehörde aus Nürnberg erhält ihre „politischen Aufträge direkt vom Arbeitsminister Olaf Scholz. Kaum bekannt aber mindestens genauso erstaunlich ist die Tatsache, dass die Arbeitsagenturen durch ihren „Obersten Dienstherrn“ politisch gewollte, jahresbezogene Zielvorgaben erfüllen müssen. Durch wirtschaftliche und Beschäftigungspolitische Vorgaben werden sie zu „Profitcentern“ umgebaut. Erstaunlich bei den Vorschlägen ist die fortgesetzte Ausklammerung der aktuellen Rechtsprechung oder die gesetzliche Situation im Zusammenhang mit der EU Mitglied schafft nehmen (Sozialcharta etc.). Es macht den Eindruck, dass wieder einmal Zulasten der Bevölkerung Wirtschaftliche Interessen umgesetzt werden sollen, entgegen der Verpflichtungen aus dem Grundgesetz. Einschätzung: Die Reformvorschläge sind durch Fachgruppen gestaltet worden, in denen mehrheitlich Vertreter Neoliberaler Interessengruppen (Bertelsmann, INSM u.v.a.) besetzt sind. Seit längerem arbeitet die Wirtschaft durch ihre Stiftungen, Institute usw. daran, soziale Schutzwälle im abzubauen und einen quasi rechtsfreien Raum zu schaffen, um ihre Profite zu erhöhen. Der Ausbau der Zeitarbeit und ihre Ersatzfunktion als Arbeitskräftevermittlung sind Belege dafür. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Staatsquote unter 40% abzusenken. Ein Drittel der Staatsquote (ca. 30%) nimmt das Sozialbudget ein (Summe aller Sozialleistungen). Die Bundesregierung sieht im Bereich des Sozialbudgets ein großes Potential für Einsparungen und Privatisierungen. Die Agenda 2010 hat in diesem Bereich großflächig angesetzt und einen Teil der Bedingungen gesetzlich geschaffen, die jetzt nur noch weitergeführt und erweitert werden müssen. In diesem Zusammenhang wurden in der großen Koalition bereits umfängliche gesetzliche Änderungen entweder bereits umgesetzt oder es ist beabsichtigt dies bis zum Ende der Legislaturperiode zu tun. Das gesamte Sozialsystem wird unter Stichworten wie: Effizienz, Kosten, Aufwand, Wirkung und Perspektive, nicht nur einem Wettbewerbsgedanken unterworfen, sondern ist in der Absicht, mehr Geld für Rüstung frei zu machen und mehr Bereiche ungeschützt der Wirtschaft zu öffnen, werden grundgesetzliche, Sozialstaatliche und internationale Abkommen in Serie gebrochen, so als ob sie entweder gar nicht existierten oder diese für Deutschland nicht binden wären. Dies gilt z.B. auch für den so genannten Verfassungsvertrag der EU. Deshalb darf es nicht wundern, wenn zum wiederholten Male der Bereich der Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe (zusammengefasst im ALG2) ins Auge der Betrachtungen gerät. Es besteht die Gefahr, dass bisher nicht Niedriglohnbereiche durch Absc
hmelzung der Löhne zu solchen werden und bisher existierende Schutzfunktionen wie Kündigungsschutz, Betriebsverfassung etc. weiter ausgehöhlt werden. Dazu passt z.B. auch die Situation, dass die Altersteilzeit abgeschafft werden soll. Transferleistungen sollen minimiert werden und selbst geringste Lohnzahlungen, die der Arbeitende erhält sollen als positives Signal an die Gesellschaft verstanden werden, damit zu suggerieren „dieser Mensch hat Bewertung des Gutachtens des wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen für unsere Gemeinschaft etwas Wert“ (Verwertungsgedanke). Dies entspricht der Wiedereinführung der allgemeinen Dienstpflicht von Sozialleistungsempfängern. Unter dem Stichwort "Workfare statt Wohlfahrt“ werden diese Verschärfungen als Verbesserung gepriesen, weil damit erreicht würde, dass die Leistungsempfänger aus ihrer Litargie oder dem „nur Leistungsempfang“ heraus aktiviert würden um damit letztendlich deren Integration in einen Erwerbsarbeitprozess zu beschleunigen bzw. zu ermöglichen (Stichwort Fördern und fordern). Der Mangel an einfachen Arbeitern bzw. der Fachkräftemangel wirkt sich insoweit bis zu den gesetzlichen Regelungen im sozialen Bereich aus; In diesem Bereich soll durch Sanktionierungsdruck eine größere Menge rekrutierbarer Arbeitskräfte in die Wirtschaft geprasst werden. Die durch die Fachgremien eingereichten Vorschläge führen in eine Art „Zwangsarbeit“, weil die Möglichkeiten, sich gegen eine „Zwangsrekrutierung“ zu wehren weitestgehend abgeschafft werden. Eine „echte“ Vollbeschäftigung gab es zuletzt im Dritten Reich, als Arbeitskräfte entweder an die Front oder in der Rüstungsindustrie schuften mussten; Mehr als 13 Millionen Menschen mussten Zwangsarbeit leisten. Darunter sehr viele als KZ Insassen. Unter dem Vorwand die „Vollbeschäftigung“ erreichen zu wollen, wird in Wahrheit die Umverteilung der Geldmittel Zulasten der Bevölkerung weiter vorangetrieben und staatliche Leistungen durch Zwangsverpflichtungen erzwungen. Der Sozialstaat als Schutz- und Ausgleichsfunktion wird dem Kapitalinteressen untergeordnet. Sollen in der heutigen Zeit wieder "Beschäftigungseffekte" durch Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften erzielt werden, ist ein Zusammenhang mit der deutschen Geschichte nicht nur sinnfällig, sondern offensichtlich, trotz aller moralischen Beteuerungen und Abwehrhaltungen von Wirtschaft oder Politik Jede Form der Verweigerung wird als Begründung genutzt, um staatliche Leistungen zu verweigern. Weder persönliche Gründe, noch Eignung oder Bildung sollen als Verweigerungsgründe geeignet sein, angebotene Arbeit zu verweigern; Ist dies nicht eine Form von Verwertungsgesellschaft? Neu daran ist, dass solche Arbeit nicht mehr die Integration in den „Arbeitsmarkt“ verbessern muß. Zwar sollen berufliche Aspekte (Weiterbildung, Vorkenntnisse) mit in die Vermittlung einbezogen werden (weil es ja sonst keinen Sinn machen würde, für Trägervereine etc.), sie sollen aber nicht ausschlaggebend sein. Die Mängelberichte des Bundesrechnungshofes sind in diesem Gutachten noch nicht einmal berücksichtigt. Es scheint nicht beabsichtigt zu sein, diese einzubeziehen; Damit hält man sich die Hintertür offen, um weitere Verschärfungen umzusetzen, weil diese Aspekte ja bisher nicht berücksichtigt wurden. Es ist damit zu rechnen, dass im Bereich der Kosten der Unterkunft mit weiteren Absenkungen, des „als zumutbar“ angesehenen Wohnraumes zu rechnen ist, weil dies bereits seit längerem kritisiert wird, vor allem in Berlin. Wohnungseigentümer und Verwaltungen wünschen sich eine finanzkräftige Klientel, da passen Sozialhilfeempfänger nicht in ihre Überlegung, Gettoisierung als Schlüsseleffekt wird die Folge sein. Ist das alles, was aus den Erfahrungen des „Dritten Reichs“ übrig geblieben ist, die „soziale Unterschicht“ soll wieder für „die hohen Herren“ durchs Feuer gehen – Schon wieder! Thomas Marschner Soziales Bündnis Berlin