Asterix vor Wien
Die Große Koalition in Österreich ist beendet, jetzt beginnt der Wahlkampf gegen das EU-Imperium. Eine geile Sache – und eine Denksportaufgabe.
First they take Manhatten, then they take Berlin … heißt es bei Leonard Cohen. Aktuell gewendet: First they take Dublin, then they take Vienna, last not least they take Berlin.
Soll heißen: Zuerst fiel der Lissabon-Vertrag bei der Volksabstimmung in Irland durch. Dann machten die SPÖ-Sozis in Österreich einen Salto nach vorne: Künftig müsse jede wichtige EU-Reform auch in der Alpenrepublik in einem Referendum genehmigt werden. Verkündete Kanzler Gusenbauer vergangene Woche, pikanterweise in einem Brief an das Boulevardblatt Kronenzeitung. Die „Krone“, wie sie jeder Ösi nennt, ist das reichweitenstärkste Printmedium zwischen Bregenz und Beijing: Etwa drei Millionen Leser in einem Völkchen von grade acht Millionen.
Die Österreichische Volkspartei (ÖVP), der Koalitionspartner der Sozis, war schwerst empört über den „Populismus“ der Sozzen und zog am Montag die Reissleine: Schluß mit lustig, Ende von Schwarz-Rot, Neuwahlen im September.
Das verspricht heiß zu werden: Mit der „Krone“ im Rücken und angesichts von 72 Prozent EU-Skeptikern in der Bevölkerung könnte die SPÖ die ÖVP deklassieren. Das wäre zwar kein weiterer Schlag gegen den Lissabon-Vertrag, der von Wien bereits ratifiziert wurde. Trotzdem wäre es ein weiteres Waterloo für die Brüsseler Kommissare, wenn die SPÖ ihre neue Referendumsposition zum Programm einer neuen Regierung macht.
Wenn … Das Problem: Eine absolute Mehrheit wird die SPÖ auch im besten Fall nicht bekommen. Also braucht sie einen Koalitionspartner. Am schönsten wäre Rot-Rot, aber das scheidet in Österreich leider aus: Die KPÖ ist chronisch schwindsüchtig, vor allem, weil ihre Wiener Zentrale – im Unterschied zu den Steiermärkern – von EU-Fans beherrscht wird.
Möglichkeit zwei wäre eine Wiederauflage von Schwarz-Rot. Das käme einer Katastrophe gleich, denn die ÖVP würde von der SPÖ verlangen, wieder auf Pro-EU-Linie umzuschwenken. Da die Sozis korrupt sind, müßten sie mit Geld von der „Kronen“-Zeitung vorm Rückfall bewahrt werden, aber im Zweifelsfall kann Brüssel mehr Schmiergeld mobilisieren.
Bleibt Möglichkeit drei: Rot-Blau. Also ein Bündnis der Sozis mit der FPÖ, die vehement gegen die EU, aber leider auch rechtsradikal verseucht ist. Was tun? Sollen die Sozis mit der FPÖ koalieren, um Brüssel einen Schlag zu versetzen? Darf man den Teufel mit dem Belzebub austreiben? Sind Rechtsradikale – wie es die slowakischen Sozis mit der Nationalpartei SNS vorgemacht haben – auch in Österreich domestizierbar? Mit diesen kniffligen Fragen gehen aufgeklärte Linke in den Sommer.
Für die Lektüre am Strand füge ich den Kommentar an, den ich im „Neuen Deutschland“ nach dem Irland-Referendum geschrieben habe (14. Juni 2008 – Auszüge):
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Das keltische Dorf trotzt dem Imperium
Irische Volksabstimmung über den EU-Vertrag endet mit klarem Sieg für das Nein. Schwere Schlappe für die Eurokraten. Von Jürgen Elsässer
Wir befinden uns im Jahre XVIII der Neuen Weltordnung. Ganz Europa ist vom Imperium besetzt. Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Kelten bevölkertes Inselchen hört nicht auf, den Imperialisten Widerstand zu leisten. Sie spotten den Befehlen der Legionäre: Sie trinken Guiness und rauchen. Sie nehmen das Geld aus den Brüsseler Säcken und behalten trotzdem ihren eigenen Kopf. Sie wollen nicht für fremde Herren in deren Kriege ziehen und wissen, wo sie ihre alten Knarren vergraben haben Sie verlangen, dass die Kirche in ihrem Dorf bleibt – und keine Kreuzzüge auf anderen Kontinenten führt. Sie machen frauenfeindliche Witze gegen Angela Merkel. Mann, was sind die rückständig! Mann, was sind die sympathisch!
(…)
Mit dem 12. Juni hat das kleine Völkchen auf der grünen Insel Weltgeschichte geschrieben. Die irische Trikolore ist das Banner der Freiheit für ganz Europa geworden . Nun ist es an der Zeit, dass die Gallier, die Germanen, die Wikinger, die Römer, die Hellenen und alle anderen, die noch einen Arsch in der Hose haben, dem keltischen Beispiel folgen. Hören wir nicht auf die neunmalklugen Grünen, die uns weismachen werden, die Nein-Sager in Dublin und anderswo seien Reaktionäre, Abtreibungsgegner, Schwulenfeinde, Klerikale und Nationalisten, mit denen sich Linke nicht verbrüdern dürfen. Dazu hat ein gewisser Wladimir Iljitsch Asterix bereits das notwendige gesagt: „Denn zu glauben, dass die soziale Revolution denkbar ist ohne Aufstände kleiner Nationen in den Kolonien und in Europa, ohne revolutionäre Ausbrüche eines Teils des Kleinbürgertums mit allen seinen Vorurteilen, ohne die Bewegung unaufgeklärter proletarischer und halbproletarischer Massen (…) – das zu glauben heißt der sozialen Revolution entsagen. (… ) Wer eine ‚reine‘ soziale Revolution erwartet, der wird sie niemals erleben.“