BKA-Gesetz: Überwachen bis der Baum kommt

„Was ist der Unterschied zwischen einem Kondom und dem Grundgesetz? Na klar – ohne Grundgesetz ist sicherer“.
So oder so ähnlich könnte ein Flurwitz im Innenministerium von Wolfgang Schäuble und August Hanning, oder irgendeiner anderen Bundesbehörde lauten.
Das BKA-Ermächtigungsgesetz, was heute mit williger 2/3-Mehrheit durch das ehrloseste Parlament abgenickt wird was die Deutschen jemals hatten, bedeutet u.a. die faktische Aufhebung des Artikels 13 unseres Grundgesetzes.
Ab sofort werden unter dem technischen wie infrastrukturellen Witz von der „Onlinedurchsuchung“ Bundespolizisten des BKA (neben weiteren Vollmachten) willkürlich jede Wohnung ohne irgendeinen richterlichen Beschluss in Deutschland aufbrechen, dort Kameras und Mikros installieren und rund um die Uhr, wie im Käfig, ausspionieren dürfen.

Aus dem heute zur Abstimmung stehenden Original-Gesetzentwurf nach Empfehlung des Innenausschusses:

„§ 20h Besondere Bestimmungen über den Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen
(1) Das Bundeskriminalamt kann zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen

1. das nichtöffentlich gesprochene Wort einer Person abhören und aufzeichnen,
a) die entsprechend § 17 oder § 18 des Bundes- polizeigesetzes verantwortlich ist,
b) bei der konkrete Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen die begründete Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 begehen wird, oder
c) die eine Kontakt- und Begleitperson einer Person nach Buchstabe a oder Buchstabe b ist und
2. Lichtbilder und Bildaufzeichnungen über diese Person herstellen,
wenn die Abwehr der Gefahr auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Die Maßnahme darf sich nur gegen die in Absatz 1 genannte Person richten und nur in deren Wohnung durchgeführt werden. In Wohnungen anderer Personen ist die Maßnahme nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
1. sich eine in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a oder Buchstabe b genannte Person dort aufhält und
2. die Maßnahme in der Wohnung dieser Person allein nicht zur Abwehr der Gefahr nach Absatz 1 führen wird.
Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.

§ 20t Betreten und Durchsuchen von Wohnungen
(1) Das Bundeskriminalamt kann eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn
1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die nach § 20f Abs. 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 25 Abs. 3 des Bundespolizeigesetzes vorgeführt oder nach § 20n in Gewahrsam genommen werden darf,
2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Sache befindet, die nach § 20s Abs. 1 Nr. 1 sichergestellt werden darf oder
3. dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung in öffentlichem Interesse geboten ist, erforderlich ist. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(2) Während der Nachtzeit (§ 104 Abs. 3 der Strafprozessordnung) ist das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung nur in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 zulässig.“

Neben all dem Verweisen auf andere Abschnitte, Unterabschnitte, Absätze und Sätze, bei all der sich gegenseitig begründenden, perpetuierten Ermächtigung – was soll denn das da in §20t Abs.1 Satz 1?

„Das Bundeskriminalamt kann eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn..Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die nach.. § 20n in Gewahrsam genommen werden darf“.

In §20n wird die „Identifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkkarten und – endgeräten“ festgelegt.

„§ 20n Identifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkkarten und – endgeräten

(1) Das Bundeskriminalamt kann unter den Voraussetzungen des § 20l Abs. 1 durch technische Mittel
1. die Gerätenummer eines Mobilfunkendgerätes und die Kartennummer der darin verwendeten Karte sowie
2. den Standort eines Mobilfunkendgerätes ermitteln.“

Nur zum Verständnis: das ist hier der Gesetzentwurf, der im Bundestag liegt und von den dort nebenberuflich tätigen Nullen (nach Erfahrungswerten gemessen) sehr wahrscheinlich nie gelesen worden ist.
Wenn diese Worte hier beschlossen werden, dann sind sie Gesetz. Da gibt es keine Versehen, Verschreiber, Umdeutungen oder Gequatsche. Dann zählt nur noch das, was geschrieben steht.

Und in diesem Gesetzestext steht, dass jede Wohnung und jeder Geschäftsraum ohne Gerichtsbeschluss aufgebrochen werden darf, wenn dort eine Spraydose vermutet wird oder das geortete Handy des mutmasslichen Besitzers einer Spraydose mit der mutmasslich ein Gebäude besprüht werden könnte.

DAS ZAUBERWORT „ABWEHR“ UND „VERHÜTUNG VON STRAFTATEN“

„Zur Abwehr einer dringenden Gefahr..für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist“ kann demnächst jede mutmassliche Graffitti-Gang durchleuchtet und überwacht und ihre Wohnungen, ihre Eltern, ihre Freunde, Mitschüler, Kommilitonen, Kollegen, Bekannten sowie irgendwelche zufällig anwesenden Partybesucher bespitzelt werden.

In Grossbritannien, welches ja laut Innenminister Schäuble so hervorragend mit den deutschen Exekutivbehörden kooperiert, stürmte man schon mal präventiv eine Halloween-Party von Studenten weil man sie für ein Terroristen-Treffen hielt. Der Hausmeister wurde nach „Anti-Terror“-Gesetzen verhaftet, das Gebäude abgesperrt, Anti-Drogen-Teams herbeigekarrt, alles von oben bis unten durchsucht und die Partygäste in Handschellen festgesetzt. Man hielt Plastikgerippe und alte wissenschaftliche Geräte für die Ausrüstung von Terroristen und Produktionsmaterial für Drogen.

DAS ZIELEN AUF DIE „ANFÜHRER“

Das BKA-Gesetz ist kein Gesetz mehr, es ist eine Vollmacht. Ihr Ziel ist die Einschüchterung.

Die Möglichkeit alles und jeden immer und überall zu überwachen heisst eben nicht, dass alles und jeder immer überall überwacht wird. Das hat schon immer und überall die Kapazitäten jeder Diktatur gesprengt. Es ist die Angst davor, die dem ungezügelten Pferdchen „Bürger“ mal ein bisschen Respekt vor dem Reiter Polizei lehren und den willigen Untertan auch ohne das Kondom Grundgesetz mal so richtig sicher zur Verhütung von zukünftigen, potentiellen Straftaten seiner selbst beschützen soll.

Dabei wird auf die (im reaktionären Jargon) „Alphatierchen“ gezielt, mögliche Initiatoren und Avantgarde einer möglichen gesellschaftlichen Veränderung.

Auch in der dunklen Dystopie George Orwells „1984“ werden nur 15% der Bevölkerung überwacht. Der Rest muss es nicht, weil er niemals eigenständig die Initiative ergreift, niemals politisch wird und niemals die herrschenden Verhältnisse gegen eine (scheinbare) Mehrheit in Frage stellt.

Journalisten, Ärzte, Akademiker, Richter, Künstler und die Angehörigen der mittleren Parteienschicht (meist Spiessbürger die bei jeder Konfrontation mit Autoritäten sofort zurückzucken), sie sollen im Auge behalten und im Zweifelsfalle, falls sie sich aus dem Mittelmass hervorheben und nicht eingekauft werden können, politisch, moralisch, menschlich und gebrochen in der Öffentlichkeit hingerichtet werden. Seit Jahrzehnten geht das schon so.

Das ist auch der Grund weshalb sich hier seit Jahrzehnten im Parteienspektrum nichts mehr bewegt hat und wenn, dann hinter die 70er Jahre zurück.

Gerade die Besten, Klügsten, Innovativsten, Stärksten, Keativsten und in ihrem Metier Erfolgreichsten werden identifiziert, auf ein mögliches „Gefährdungspotential“ für die Stabilität der herrschenden Verhältnisse hin überprüft und – falls man sie nicht einkaufen und für die eigenen Zwecke einbinden kann – unblutig beseitigt. Noch unterscheidet dies die Wirtschaftsdiktatur Deutschland von einer offenen. Doch es fehlt nicht mehr viel zum letzten Schritt.

DAS BKA: „STILLE KOMPLIZENSCHAFT“ MIT DIKTATUREN WELTWEIT

Der ehemalige BKA-Kriminaldirektor Dieter Schenk sprach im Zuge einer Buchveröffentlichung von einer „stillen Komplizenschaft“ des Bundeskriminalamtes mit Diktaturen weltweit.  Anstatt mitzuhelfen einen Rechtsstaat zu schaffen,  stabiliere das BKA Diktaturen, in denen oft korrupten Machthaber Polizei und Geheimdienste gegen politische Gegner einsetzen, diese auch misshandeln oder gar foltern lassen.

Namentlich nannte der ehemalige BKA-Direktor ua. Äthiopien, Sudan, Indonesien, China, Ägypten, Peru, Usbekistan,  Kolumbien, Jemen und Azerbaidschan.

UNKONTROLLIERTE KONTROLLEURE SIND DIKTATOREN

Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof Wolfgang Neskovic in einem Interview:

Frage: Die neuen BKA-Kompetenzen stehen den Länderpolizeien aber doch schon heute zu.

Neskovic: Das ist zwar inhaltlich richtig, aber es macht trotzdem einen gewaltigen Unterschied, ob ein kleines Landeskriminalamt etwas darf oder eine Großbehörde wie das BKA mit seinen personellen, finanziellen und technischen Möglichkeiten – das noch dazu länderübergreifend agieren kann. Dadurch wird ein wichtiger Schutzmechanismus beseitigt, den die Mütter und Väter des Grundgesetzes nach den Erfahrungen der NS-Zeit geschaffen hatten, um zu verhindern, dass nochmal in Deutschland eine zentrale Sicherheitsbehörde entsteht; eine Spitzelzentrale, die alles weiß und alles darf.

Frage: Eine Spitzelzentrale?

Neskovic: Ja, das BKA wird künftig Kompetenzen von Geheimdiensten und Polizei unter einem Dach besitzen. Es darf bei Terrorverdacht, also im Vorfeld einer möglichen Straftat tätig werden, darf heimlich Wohnungen abhören, mit Kameras überwachen und Privatcomputer ausspähen – und kann dann anschließend Verdächtige gleich noch selbst verhaften…

Frage: Aber doch nur mit richterlicher Genehmigung!

Neskovic: Ein richterlicher Beschluss wird in solchen Diskussionen immer als das wirksame Kontrollinstrument angeführt, dass alle anderen Kontrollmechanismen ersetzen kann Doch das ist er nicht. In der Praxis werden die Anträge auf Überwachung überwiegend von jungen, unerfahrenen und zeitlich überlasteten Richtern bearbeitet. Da bleibt oft gar kein Raum mehr für eine eingehende Prüfung. Ich plädiere daher dafür, künftig nur noch erfahrene Richter mit solchen Fällen zu betrauen.

Frage: Muss auch das BKA ihrer Meinung nach künftig besser kontrolliert werden?

Neskovic: Wir brauchen auf jeden Fall eine parlamentarische Kontrolle des BKA. Es ist völlig widersinnig, dass der Bundestag Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst kontrolliert, dass BKA aber unkontrolliert bleibt – obwohl es bald geheimdienstliche wie auch operative Befugnisse besitzt.“

Niemand wird mehr sicher sein vor Überwachung und Inlandsspionage der Polizeibehörden. Dabei sind ist es bereits jetzt niemand, wie immer wieder als Sekret des journalistischen Zynismus aufgeführt wird.

Was das BKA an Überwachung will, darf (unbemerkt von der verschlafenen Öffentlichkeit) bereits die Landespolizei, das ist korrekt. Nur ist das eben abhängig von der jeweiligen Landesregierung und Landesgesetzgebung, und die kann sich schon dadurch sehr praktisch für den Bürger ändern wenn er sich nur eine halbe Stunde ins Auto setzt.

Wenn aber diese Massnahmen auf Bundesebene greifen, vernetzt mit sämtlichen Geheimdiensten und Polizeibehörden im NATO-Raum und darüber hinaus, dann gibt es kein Halten mehr, gerade was die Personenortung und die ganze Ausspähung von Kontakten und Verbindungen angeht.

Die Bundesregierung ist, genauso wie das BKA, letzten Endes nur ausführendes Organ. Fragt sich nur, von wem eigentlich. Verfassungsgemäss ist das nicht mehr, was hier passiert.

WER KONTROLLIERT EIGENTLICH DIESE BUNDESREGIERUNG?

Der „Verhütung von Straftaten“ würde es objektiv und juristisch sauber dienen, Berlin gleich ganz dicht zu machen – ausser dem Regierungsviertel natürlich, weil dort ja keine Straftaten begangen werden, potentiell, zukünftig, allerhöchstens bisher, aber dafür ständig.

Dieser ganze kranke, faschistische Mist ist nicht nur auf dem Haufen von 2 Männern, von zwei Figuren gewachsen, aber sie haben ihn elementar ermöglicht:
Der sich selbst vorstellende SPD-Kanzlerkandidat Frank Steinmeier und der sich selbst ernennende SPD-Vorsitzende Franz Müntefering.
Sie haben, zusammen mit dem schlechten Witz Brigitte Zypries (SPD-Justiz) und Peter Struck (SPD-Fraktionsbeschaller), dafür die Konsequenz zu tragen.

Die Hoffnung der Republik – na, sagen wir mal: die Zuversicht – ruht wieder einmal auf einem klassischen Liberalen der alten Schule: ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP). Er hat angekündigt, wieder vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen das von der Bundesführung von CDU, SPD und CSU entwickelte BKA-Polizeigesetz zu klagen.

Und die Freiheit könnte im Zweifel wieder einmal siegen.

(…)

16.04.08 Frei wie ein Baum
07.10.2007 Spionage-Affäre: Der lange Putsch durch die Institutionen