Die Angelegenheit ist so ungeheuer, dass selbst die ARD ausser dem gestrigen Artikel auf „tagesschau.de“ bisher nicht in den Fernsehnachrichten darüber zu berichten wagte. Auch in den Konzernmedien wurde der Vorgang komplett totgeschwiegen.
Was war gestern Abend geschehen?
In letzter Sekunde hatten die Führungen der Regierungsfraktionen SPD, CDU und CSU den Antrag mit der Kennzeichnung „Drucksache 10846“ klammheimlich verschwinden lassen, nur Stunden vor der nach Mitternacht angesetzten Abstimmung.
In dem Gesetzentwurf wurde in der für die Fraktionsführungen der Bundesregierung im Parlament typischen Heuchelorgie unter dem Titel „Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen kontrollieren“ versucht, den Einsatz von Söldnern im Auftrag des deutschen Staates gesetzlich zu verankern.
Der durch und durch verfassungsfeindliche Gesetzentwurf stellt u.a. das staatliche Gewaltmonopol der Bundesrepublik in Frage. Wörtlich heisst es im vorläufig aus Eis gelegten Antrag (Drucksache 10846):
„I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts und den damit geänderten weltpolitischen Rahmenbedingungen erleben private Anbieter von Sicherheitsdienstleistungen (private Sicherheitsunternehmen, private Militärfirmen, Mietarmeen) in bewaffneten Konflikten einen kontinuierlichen Aufschwung. Ihr Aufgabenfeld ist breitgestreut und reicht von Beratung, Training und logistischer Unterstützung über Minenräumen bis hin zu Kampfeinsätzen. Die Übergänge zwischen militärischen und zivilen Aufgaben sind oft fließend…
Diese Privatisierung militärischer Funktionen kann langfristig zu einem fundamentalen Wandel im Verhältnis zwischen Militär und Nationalstaat führen. Das Gewaltmonopol des Staates könnte in Frage gestellt werden, gegebenenfalls ganz aufgegeben werden.“
Die Antragsteller (darunter der ex-Juso-Vorsitzende Nils Annen und die ehemalige Greenpeace-Aktivistin, Umweltministerin in Niedersachsen und Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentages Monika Griefahn) nehmen den systematischen weltweiten Bruch des Völkerrechtes u.a durch die rotgrüne Bundesregierung Gerhard Schröders bei der Bombardierung Yugoslawiens während des Kosovokrieges 1999 zum Anlass, auch dieses als erledigt zu betrachten. Eine „Fortentwicklung rechtlicher Normen unter der Ägide der Vereinten Nationen“ erscheine „dringend geboten“. Gerade weil „private militärische Sicherheitsunternehmen..ein großes Interesse an der Verlängerung des Konfliktes haben“ könnten, müsse man sie legalisieren, „da manche schwache Staaten sowie Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, UN-Organisationen und andere in Entwicklungsländern tätige Personen und Organisationen auf den von diesen Unternehmen gewährten Schutz angewiesen sind. „
Ein striktes Verbot von „privaten militärischen Sicherheitsunternehmen“, von Söldnern, sei nun mal „nicht durchsetzbar“, so die Bundestagsabgeordneten der SPD, CDU und CSU.
Im Beschlusstext heisst es dann:
„II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
national
1. die Registrierung von privaten militärischen Sicherheitsunternehmen einzuführen und diese zur Mitteilung ihrer Vertragsabschlüsse zu verpflichten;
2. ein Lizenzierungssystem für militärische Dienstleistungen von Unternehmen einzuführen;
3. eine Selbstregulierung (!) der privaten militärischen Sicherheitsunternehmen
durch einen Verhaltenskodex zu fordern;
4. zu bekräftigen, dass Auslandseinsätze privater militärischer Sicherheitsunternehmen im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland an dieselben Regeln gebunden sind, wie sie für Auslandseinsätze der Bundeswehr (Parlamentsvorbehalt) und deutscher Polizeikräfte gelten;“
Die einzig relevanten Passagen beinhalten die Worte „einführen“. Alles, was mit den Worten „bekräftigen“ oder „fordern“ in Gesetzesentwürfen auftaucht ist Blendwerk und rechtsunwirksames Geschwafel. Es bedeutet nichts. Deswegen wird es hineingeschrieben. Sinn und Zweck ist es, die sowieso auf den Status von Legasthenikern befindlichen Allerwertesten der Republik im Bundestag einzulullen und vom eigentlichen Inhalt abzulenken, was in den ersten 60 Jahren Grundgesetz bisher auch immer gelang.
Wenn in diesem Zusammenhang im Gesetzestext steht, die Söldnerfirma seien „zur Mitteilung ihrer Vertragsabschlüsse zu verpflichten“ ist das so ziemlich der Gipfel des Zynismus.
Söldner müssen also ihre Deals bei der Regierung melden, die sie engagiert. Was für eine „Verpflichtung“…
„international
1. die internationale Konvention gegen die Rekrutierung, Verwendung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern von 1989, in Kraft getreten am 20. Oktober 2001, zu ratifizieren;
2. bei den Vereinten Nationen darauf hinzuwirken, die der VN-Konvention zu Grunde liegenden Begrifflichkeiten zu spezifizieren, um eine konkrete, zeitgemäße, auch auf private militärische Sicherheitsunternehmen anwendbare Norm zu schaffen;
3. die Bestrebungen der Vereinten Nationen zu unterstützen, um die bestehenden Völkerrechtsinstrumente zum Söldnertum durch weitere eigenständige völkerrechtliche und nationale Regelungen zu ergänzen, insbesondere durch:
–eine internationale Registrierung der privaten militärischen Unternehmen,
–eine internationale Einrichtung, die bei dem UN-Sonderberichterstatter über das Söldnertum angesiedelt sein könnte, zur Kontrolle der privaten militärischen Unternehmen und der von ihnen abgeschlossenen Verträge,
-die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den privaten militärischen Sicherheitsunternehmen und deren Auftraggebern;
4. die Legalisierung des Geschäftsbereichs durch gesetzliche Regelungen in Form der Registrierung, Lizenzierung und Bindung an die in Verträgen festzulegenden Rahmenbedingungen für den jeweiligen Einsatz voranzutreiben.“
Hier geht es um eine weltweite Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols. Eines der letzten staatlichen Monopole überhaupt, was der Allmacht des Kapitals offiziell noch nicht gewichen ist.
Was hier gefordert wird, ist die genau die „faschistische Konzern-Wüste“, vor der im Mai 2007 die US-Friedensaktivistin Cindy Sheehan, zutiefst verbittert von der US-Partei der sogenannten „Demokraten“, in ihrem „Brief an Amerika“ warnte.
Was hier gefordert wird, ist Ausdruck eines so grenzenlosen Verrates an der Demokratie, an der 3.Republik und am Deutschen Volke, dass bei konsequenter Anwendung des Grundgesetzes alle diejenigen die diesen Antrag unterschrieben haben nach verfassungsgemäßer Aufhebung ihrer Immunität auf der Stelle verhaftet werden müssten.
Und damit kommen wir zum Punkt: mindestens ein Abgeordneter wusste nach eigener Aussage gegenüber „tagesschau.de“ nichts davon, dass sein Name als Antragsteller in der Drucksache 10846 überhaupt auftauchte.
Der als wertkonservativer Verfassungspatriot und Pazifist weit über das bürgerliche Lager geschätzte Willy Wimmer (CDU) erklärte, er habe erst durch die ARD-Recherchen davon erfahren dass sein Name unter dem Gesetzentwurf stand.
Auch bei anderen Abgeordneten, wie beim in den letzten Jahren vom Obersaulus zum Republik-Saulus gewandelten Dr.Peter Gauweiler (CSU), kann man sich die Unterschrift unter dieses Söldnergesetz nur schwer vorstellen.
Hier die Namen der Abgeordneten, die als Antragsteller in Drucksache 10846 genannt werden. Es sind grösstenteils die üblichen Verdächtigen:
(Abgeordnete der CDU-CSU-Fraktion:)
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Eckart von Klaeden, Anke Eymer (Lübeck), Erich G. Fritz, Dr. Peter Gauweiler, Hermann Gröhe, Manfred Grund, Holger Haibach, Joachim Hörster, Hartmut Koschyk, Eduard Lintner, Ruprecht Polenz, Hans Raidel, Dr. Norbert Röttgen, Bernd Schmidbauer, Karl-Georg Wellmann, Willy Wimmer (Neuss), Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer
(Abgeordnete der SPD-Fraktion:)
Dr. Rolf Mützenich, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Gerd Andres, Gregor Amann, Niels Annen, Elvira Drobinski-Weiß, Detlef Dzembritzki, Monika Griefahn, Gabriele Groneberg, Petra Heß, Stephan Hilsberg, Iris Hoffmann (Wismar), Brunhilde Irber, Johannes Jung (Karlsruhe), Hans-Ulrich Klose, Dr. Bärbel Kofler, Walter Kolbow, Ute Kumpf, Lothar Mark, Markus Meckel, Ursula Mogg, Thomas Oppermann, Johannes Pflug, Dr. Sascha Raabe, Walter Riester, Otto Schily, Frank Schwabe, Dr. Ditmar Staffelt, Hedi Wegener, Andreas Weigel, Dr. Wolfgang Wodarg, Uta Zapf, Dr. Peter Struck
Es bleibt festzuhalten: dieser Antrag, dieser unglaubliche Vorgang, wurde durch die Recherche der öffentlich-rechtlichen ARD aufgedeckt. Dafür hat sich die Republik zu bedanken.
Kein Abgeordneter, von keiner Partei, machte dies öffentlich. Bestenfalls hat das zu bedeuten, dass die Abgeordneten des deutschen Bundestages weder die Tagesordnung, noch die darin aufgeführten Anträge kennen und dass in diesem Fall die Gesetzgeber erst in letzter Sekunde durch die Ermittlungen der Presse aufgeschreckt wurden und Widerspruch bei ihren gewissensfreiheitlich-amtlichen „Fraktionsführern“ anmeldeten.
Das allein schon ist ein Skandal.
Wenn aber, und so ist derzeit die Beweislage, Unterschriften von Abgeordneten ohne ihr Wissen unter Gesetzesanträgen auftauchen – durch wen auch immer – dann erfüllt das mehrere Straftatbestände und muss Ermittlungen durch das Parlamentspräsidium nach sich ziehen, wenn es sich nicht selbst in den Ruch bringen will bei diesem offensichtlichen Manipulationsversuch des Gesetzgebers kollaboriert zu haben.
Nachtrag: bereits am 13.November lag der Antrag 10846 dem Bundestag vor.
(…)
26.05.2007 Irak, Bush, Blackwater und das Ende des staatlichen Kriegsmonopols
22.05.2007 BND, SPD und CDU reden über Anschläge in Deutschland
Berlin: „Wir müssen damit rechnen, dass Leute nach Afghanistan oder in den Irak zum Kämpfen gehen und dann zurückkommen“, so der Chef des Auslandsgeheimdienstes BND, Ernst Uhrlau, heute zu drohender „Terrorgefahr“ in der Republik. Ob er jetzt z.B. Söldner von Blackwater oder anderen Kriegskonzernen meinte, oder gar deutsche KSK-Soldaten, ward nicht ganz ersichtlich.
Ergänzung zur Quelle, 22.01.2014:
Da die ARD / tagesschau.de ihre Meldung mittlerweile verschwinden ließ, hier deren Dokumentation