Bundesregierung dementiert Wissen über Waffentransport nach Israel: Chronologie der "Wehr Elbe"-Affäre
Am 10.Januar berichtete Radio Utopie über eine Meldung der Nachrichtenagentur „Reuters“, welche eine bevorstehende massive US-Waffenlieferung an Israel über Griechenland meldete.
Ausführender Transporteur: eine deutsche Firma.
Die Meldungen über den bevorstehenden Waffentransport schlugen hohe Wellen, in Griechenland rechtfertigte sich der Premierminister vor dem Parlament, das Pentagon zog Aufträge für Waffentransporte nach Israel „aus Sicherheitsgründen“ zurück, die britische Amnesty-Chefin Kate Allen schrieb einen in der Presse dokumentierten Brief an den Londoner Aussenminster, in welchem sie diesen bat ausdrücklich auch die deutsche Regierung aufzufordern den ominösen Waffentransport zu stoppen.
Nur in Berlin bekam man natürlich von all dem nichts mit. Das behauptete jedenfalls die Bundesregierung als Antwort auf eine kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Inge Höger, die auch im Verteidigungsausschuss sitzt.
Besonders brisant: laut Amnesty International hat das deutsche Schiff „MS Wehr Elbe“ Phosphorwaffen an Bord.
DIE US-WAFFENLIEFERUNG AN ISRAEL: EIN PUZZLESPIEL MIT ZEITTABELLE
Freitag, 9.Januar:
Die Affäre wird durch die bereits vielzitierte Meldung von „Reuters“ öffentlich.
Diese besagt, dass laut vorliegenden Frachtpapieren das US-Militär am 31.Dezember eine Anfrage nach der Charterung eines Frachtschiffs für den Transport von „Hunderten Tonnen von Waffen“ aus dem griechischen Hafen Astakos in den israelischen Hafen Ashdod gestartet habe.
Der Transport von insgesamt 325 Standard 20ft Containern mit als „Munition“ deklarierten 3000 Tonnen Waffenmaterial solle in zwei getrennten Lieferungen zwischen dem 25.Januar und Ende des Monats erfolgen.
Desweiteren wird über die bereits erfolgte Charterung eines deutschen Schiffes durch das US Navy Military Sealift Command (MSC) schon Wochen vor Beginn des Gazakrieges berichtet.
Anfang Dezember, so Reuters, sei das für den Transport von 989 Standard-Containern (20 ft) geeignete Schiff durch das MSC gemietet worden, um ab dem 15.Dezember beladen zu werden. Der Charterauftrag umfasse 42 Tage.
Laut Frachtpapieren seien die Anforderungen des US-Militärs an das Transportschiff gewesen genügend Kapazitäten „für 2.6 Millionen Kilogramm Explosivstoffe“ zu besitzen.
Ausgangspunkt der geplanten „Explosivstoffe“: Sunny Point im Bundesstaat North Carolina, USA.
Zielhafen: Ashdod, Israel.
Die deutsche Firma habe den Auftrag bestätigt, so „Reuters“.
Bereits in dieser Meldung vom 9.Januar wurde auf die im September 2008 erfolgte Genehmigung des US-Kongresses zum Verkauf von 1000 GBU-39 Bomben an Israel verwiesen. Diese „Bunkerbrecher“ („bunker busters“) mit unterirdisch detonierendem Sprengkopf waren zum Zeitpunkt der „Reuters“-Meldung bereits im Gazakrieg eingesetzt worden, dies hatte die „Jerusalem Post“ schon am 29.Dezember berichtet.
Sonntag, 11.Januar:
Michel Chossudovsky verweist in „Global Research“ darauf, dass die für Ende Januar in zwei Transporten aus Griechenland geplante Lieferung von 3000 Tonnen US-Waffenmaterial für Israel schwerlich nur die angesprochenen 1000 GBU-39 Bomben umfassen könne.
Bei einem Stückgewicht von 130 kg ergäben diese nur einen Bruchteil des Frachtgewichts.
Chossudovsky legt vielmehr nahe, dass die geplante Waffenlieferung nicht im Zusammenhang mit dem Gazakrieg stünde und stellt den Zusammenhang mit einem möglichen Angriffskrieg gegen den Iran her.
Es könne vermutet werden, so der seit Jahren zu diesem Thema recherchierende Professor an der Universität von Ottawa, dass die Waffenlieferung eher die pro Stück 2200 Kilogramm wiegende GBU-28 Bombe umfasse, deren US-finanzierte Lieferung an Israel bereits Teil eines Agreements im Jahre 2004 gewesen sei.
Montag, 12.Januar:
Die Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion Inge Höger, Mitglied im Verteidigungsausschuss, startet bei der Bundesregierung eine kleine Anfrage. Sie lautet wörtlich:
„Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung zu Transporten von Rüstungsgütern einer deutschen Reederei, die laut Reuters (Meldung vom 9.1.2009) in zwei Lieferungen als „Munition“ deklarierte Güter, aus dem US-Hafen Military Ocean Terminal Sunny Point bzw. dem griechischen Astakos ins israelische Ashdod verbracht hat. (bitte auflisten nach genutzten Schiffen, Reederei, Art der Ladung, Produzent der Rüstungsgüter, Genehmigungspflichtigkeit, erteilte Genehmigungen)“
Dienstag, 13.Januar:
In Griechenland gibt es einen akurraten Skandal.
Die oppositionelle Partei PASOK, die hellenischen Sozens, stellen wegen den Presseberichten eine offizielle parlamentarische Anfrage in welcher es heisst:
„Hat das Aussenministerium oder haben relevante Ministerien diese Schiffslieferungen unterstützt oder wurde griechisches sowie internationales Recht ersetzt durch Praktiken welche die Souveränität dieses Landes schwächen könnten?“
Die griechische kommunistische Partei sowie „eine linksradikale Koalition“ (Originalton „Reuters“) kündigen Demonstrationen für den nächsten und übernächsten Tag in Astakos an.
Die regierende Nea Dimokratia rudert mit den Armen und erklärt, nie habe sie irgendeinem US-Waffentransport nach Israel über Griechenland zugestimmt.
„Die griechische Seite erlaubte einen solchen Transport nicht“,
so Athens Regierungssprecher Evangelos Antonaros. Laut der PASOK aber wurden die Transporte über den Stützpunkt des US Navy´s Military Sealift Command (MSC) in Griechenland organisiert worden.
Und solche Stützpunkte sind bekanntlich, wie auch wir gern beharrlich vergessen wollen, in allen US-Kolonien… (Stille) …in allen NATO-Staaten exterritorital.
Damit das aber auch in Griechenland schnell wieder kein Thema ist und bleibt, sagt das Pentagon urplötzlich die geplanten zwei seperaten Lieferungen von insgesamt 325 Containern Waffenmaterial aus dem griechischen Astakos ab. Das US-Verteidigungsministerium gibt dazu eine kryptische Erklärung heraus:
„Der Schiffs-Transfer..über den griechischen Hafen von Astakos wird nicht stattfinden“,
so Pentagon-Sprecher Col. Patrick Ryder (ausgerechnet von der Air Force.)
Wohlgemerkt: von dem Anfang Dezember ab dem 15. gecharterten deutschen Schiff und seinem Auftrag ist dabei nie die Rede.
Später stellt sich heraus – es fuhr noch am gleichen Tag heimlich aus Astakos ab, wo es am 1.Dezember eingetroffen war.
Unterdessen schweigt die deutsche Bundesregierung beharrlich zur eingereichten kleinen Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Inge Höger.
Donnerstag, 15.Januar:
Amnesty International macht den Namen des deutschen Schiffes sowie den Namen der Transportfirma öffentlich, welche Anfang Dezember vom US-Militär den Auftrag zur Verschickung des Waffenmaterials nach Israel bekommen hatte. Der Amnesty-Direktor für Nordafrika und den Mittleren Osten, Malcolm Smart:
„Wir wissen, dass die Wehr Elbe, ein Frachtschiff aus deutschem Besitz, am 20. Dezember 2008 die USA mit einer großen Lieferung – 989 Container – hoch explosiver Sprengmaterialien und anderer Rüstungsartikel verlassen hat. Das Schiff wurde von der US-militärischen Seetransportführung angemietet und steht rechtlich nun unter ihrer Kontrolle. Bestimmungsort ist der israelische Hafen von Ashdod, den das Schiff planmäßig über Griechenland hätte anlaufen sollen. Seine zuletzt gemeldete Position weist jedoch darauf hin, dass sich die Transportroute womöglich geändert hat.“
Am gleichen Tag meldet der britische „Guardian“, dass die „MS Wehr Elbe“ – Eigentümer: die Hamburger Oskar Wehr KG – am 1.Januar vor dem griechischen Hafen Astakos angekommen war um ihre „1000 Container“ umfassende Fracht auf ein anderes Schiff zwecks Verfrachtung nach Israel in den Hafen Ashdod umzuladen.
Doch nach Protesten in Griechenland sei die „MS Wehr Elbe“ dann am 13.Januar spurlos aus dem Hafengebiet von Astakos verschwunden. Das Schiff, so der „Guardian“, habe seine Transponder ausgeschaltet um eine Ortung zu vermeiden, sei aber noch in griechischen Gewässern.
Das US-Militär lässt verkünden, „die Reise des Schiffs“ nach Ashdod in Israel sei „aus Sicherheitsgründen“ verschoben worden. „Die“ Lieferung der „Munition“ sei letzten Sommer vorbereitet und im Oktober genehmigt worden. Überdies sei „die“ Waffenlieferung nur für ein US-Depot in Israel bestimmt, welches von US-Truppen genutzt werde.
Was das US-Militär hier abermals verschweigt: es handelt sich bei diesem Lieferstopp nicht um die Mission der deutschen „MS Wehr Elbe“ – deren Charterauftrag am 15.Dezember begonnen hatte – sondern um den seperaten Auftrag des Waffentransportes von zwei kleineren Schiffslieferungen (von insgesamt 325 Containern) aus Griechlands Hafen Astakos, welcher am 31.Dezember durch das US-Militär angefordert worden war.
Amnesty International, Auszug aus einem deutschsprachigem Statement vom 16.Januar:
„Am 31. Dezember 2008, vier Tage nach dem Beginn der gegenwärtigen israelischen Angriffe auf Ziele im Gazastreifen, bewilligte das Pentagon die Ausschreibungen für zwei weitere Waffenlieferungen von insgesamt 325 Containern mit US-Rüstungsartikeln. Diese beiden Lieferungen hätten von Astakos in Griechenland nach Ashdod, Israel, befördert werden sollen. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen des Kommandanten der Abteilung Militärseetransporte ist jedoch gerade diese Ausschreibung jetzt zurückgenommen worden. Aus den Ausschreibungsunterlagen geht hervor, dass diese Lieferungen weißen Phosphor enthielten.“
Abgesehen von dieser nicht unwesentlichen Aussage was den Inhalt der Waffenlieferung angeht: hier wurde also nicht der Auftrag der „MS Wehr Elbe“ gecancelt, sondern eben der seperate Auftrag über die Lieferung von 325 Container aus Griechenland nach Israel.
Das belegt auch der Frachtauftrag, den die US-Regierung frei Haus ins Internet stellte, mit einem deutlichen „Canceling: 16 January 2009“ versehen. Was laut Angaben des Pentagon selbst eine Verspätung von drei Tagen bedeutet.
Was die Sache aber noch obskurer macht: in der Meldung des britischen „Guardian“ vom 15.Januar ist ein Brief der Amnesty International-Chefin von Grossbritannien, Kate Allen, an den britischen Aussenminister David Milibandt anlässlich eben der Mission der deutschen „Wehr Elbe“ zitiert. In diesem Brief verlangt die britische Amnesty-Vorsitzende von ihrem Aussenminister
„die dringende Aufforderung gegenüber den Regierungen von USA, Deutschland und Griechenland dies zu verhindern, oder jeden anderen zukünftigen Schiffstransporte von Waffenladungen, solange bis sichergestellt ist dass diese nicht an die israelischen Streitkräfte oder andere Parteien im Gaza-Konflikt geliefert werden“
„urgent approaches to the US, German and Greek governments to prevent this, or any pending or future shipments of weaponry until it can be verified that they will not be transferred to the Israeli Defence Forces or other parties to the conflict in Gaza.“
Desweiten verlangt Amnesty-Chefin Kate Allen, so der „Guardian“, in ihrem Brief an die Regierung in London,
„ein umfassendes Waffenembargo gegen Israel, Hamas und bewaffnete palästinensische Gruppen, bis effektive Mechanismen eingesetzt worden sind um sicherzustellen dass Waffen und Munition sowie andere militärische Ausrüstung nicht benutzt werden um damit schwere Verletzungen der Internationalen Menschenrechte zu begehen.“
„for a comprehensive arms embargo on Israel, Hamas and Palestinian armed groups until effective mechanisms are in place to ensure that weapons and munitions and other military equipment will not be used to commit serious violations of international humanitarian law“.
Dieses Zitat ist aber sowohl auf der englischsprachigen, als auch der deutschsprachigen Webseite von Amnesty International nirgends zu finden.
Auch eine Google Suche nach den jeweiligen Zitaten ergibt zwar jede Menge Ergebnisse – nur nicht auf einer Seite von Amnesty International (AI).
Es hat ganz den Anschein als wäre bei Amnesty International irgendjemand aufgeschlagen, um explizit den direkten Hinweis der britischen Amnesty-Chefin Kate Allen auf die deutsche Bundesregierung in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Dafür tauchte der schlagzeilenträchtige Vorwurf des Weissen Phosphors an Bord auf, der die israelische Regierung deswegen kalt lassen kann, weil speziell dieses Waffenmaterial ja demzufolge durch sie nicht benutzt worden sein könnte.
Aber angenommen, Michel Chossudovsky und „Global Research“ lägen mit ihrer These von der Vorbereitung eines weiteren Angriffskrieges gegen den Iran richtig. Dann würde da ein sehr grosser Schuh draus, in den Radio Utopie sich mit Mühe noch hineinzwängen könnte.
In der Büttelpresse der Bananenrepublik Deutschland steht bis zu diesem Zeitpunkt, dem 15.Januar, sowohl von dem ganzen Tohuwabohu in und um Griechenland als auch dem Brief der britischen Amnesty-Chefin an Aussenminister Miliband natürlich sowieso kein Wort. Wo auch. Schliesslich hatte Radio Utopie grad mal keine Zeit, weil es irgendwelchen Technik-Mist zu lösen hatte, sich zwei DJs stritten, usw, usw, ach ich könnte Ihnen erzählen..
Aber wo waren wir stehengeblieben?
Genau.
Freitag, 16.Januar:
„Hintergrund.de“ schreibt in einer Kurzmeldung:
„Dem Leiter des „Berliner Informationszentrums für Transnationale Sicherheit“ (BITS), Otfried Nassauer, zufolge ist auch die deutsche Waffenindustrie in erheblichem Maße in den israelischen Angriffskrieg verwickelt. Die Firma Rheinmetall, Düsseldorf, entwickelte beispielsweise die 120 Millimeter-Glattrohr-Kanone der israelischen Panzer, Rheinmetall und IDB Deisenroth in Lohmar entwickelten die Panzerung. Israels moderne Merkava-Kampfpanzer fahren mit MTU-Motoren (Motoren- und Turbinen-Union, ein ehemaliges deutsches Unternehmen), die in den USA in Lizenz produziert werden. Ihre Getriebe stammen vom Augsburger Unternehmen Renk. Auch die Motoren der israelischen Schnellboote und Korvetten, von denen aus Gaza beschossen wird, stammen von MTU. Solche Exporte erfolgen nur nach einer vorherigen Genehmigung durch die Bundesregierung. Auch wenn es sich um Komponenten für Waffensysteme oder Lizenzvergaben handelt, bedürfen sie einer Genehmigung durch die Bundesregierung.“
Unterdessen muss sich in Griechenland Ministerpräsident Kostas Karamanlis höchstselbst vor Parlament und Öffentlichkeit wegen der Wellen schlagenden Affäre rechtfertigen.
„Um eine lange Geschichte kurz zu machen. Ja, es gab da eine Anfrage. Ja, das Schiff fuhr aus Astakos aus. Aber es gab keinen Schiffs-Transfer und das Schiff stach in See“
Karamanlis spricht von einer Anfrage des US-Militärs bereits im November 2008, lässt aber unerwähnt wann denn die Absage der griechischen Rechtsregierung erfolgte. Ebenso muss sich Karamanlis und die griechische Regierung für ihr Schweigen und Nichtstun im Gazakrieg rechtfertigen.
Auf Druck der Opposition muss er schliesslich erklären:
„Kein griechischer Hafen oder griechischer Flughafen wurde jemals in der laufenden Krise im Mittleren Osten benutzt“
Schön wenn man das sagen kann.
In Deutschland derweil von der Bundesregierung zur am 12. gestellten kleinen Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Inge Höger: immer noch kein Wort.
Dafür unterzeichnen Israels Aussenministerin Tzipi „Die Schreckliche“ Livni und die kurz vor ihrer Verabschiedung stehende US-Aussenministerin Condoleeza Rice quasi stellvertretend für die deutsche Regierung die Absichtserklärung NATO-Truppen unter deutscher Beteiligung an die Grenze zum Gazastreifen zu schicken. Das „Handelsblatt“:
„Das in Washington unterzeichnete Abkommen sieht nach Angaben israelischer Regierungsvertreter vor, dass die Nato unter US-Führung gegen Waffenlieferungen in den Gazastreifen vorgeht.“
Und wie die „New York Times“ am Abend des 16. schrieb, sei
„das Ende des Schmuggels von Waffen aus Ländern wie Iran eine von den Bedingungen für einen Waffenstillstand und dass europäische Alliierte, einschliesslich Grossbritannien, Deutschland und Frankreich, wahrscheinlich an den Überwachungs-Bemühungen teilnehmen würden„
Sonntag, 18.Januar:
Ein, nun ja, umstrittenes Video wird durch die berüchtigt-witzige US-Propagandafirma „IntelCenter“ veröffenlicht. Es beinhaltet das angeblich authentische Drohvideo einer angeblich authentischen „Al Kaida“ durch einen angeblich authentischen Mann (dessen angeblicher bzw. authentischer Name zu diesem Zeitpunkt noch nicht Tagesgespräch in der Radio Utopie Redaktion ist), was in deutscher Sprache abgehalten einen Bogen von Bankenpaketen, Afghanistan, den ach so „leichtgläubigen und naiven“ Deutschen und der Furcht vor dem grossen Rohr des Schreckens im Allgemeinen schlägt.
Sollten die Deutschen auf „diesem unnötigen Krieg“ beharren, heisst es da, so werde die Rechnung nicht aufgehen. „Es stehen nicht nur Menschenleben auf dem Spiel, sondern auch Arbeitsplätze“, sagt der Mann weiter.
Gemeint ist natürlich Afghanistan und nicht etwa der Gazakrieg und Israel. Und man wollte auch nur sagen, dass dies ein kleiner Warnschuss ist. Falls man gewissen Leuten irgendwie auf die Nerven ginge.
Am gleichen Abend verliert die „grosse Koalition“ der Berliner Bundesregierung aus SPD, CDU und CSU ihre grosse, nein, doch nur die absolute Mehrheit im Bundesrat.
Dienstag, 20.Januar:
Der neue Präsident der USA, Barack Obama, wird in Washington etwas holprig vereidigt. Immerhin ist er im Amt.
Und siehe da: die deutsche Bundesregierung antwortet – jetzt schon – auf die Anfrage der linken Abgeordneten Inge Höger im Verteidigungssausschuss.
Nach all den Wirren, Verlautbarungen und Demonstrationen in Griechenland, dem Brief der britischen Amnesty-Chefin an den britischen Aussenminister doch bitte auch die deutsche Bundesregierung aufzufordern den Waffentransport nach Israel mitten im blutigen Massaker an den Palästinensern zu unterbinden, nach all den höchst öffentlichen Drehungen und Dementis des Pentagon, wie heisst es nun (mit handschriftlich eingefügtem Datum) durch Staatssekretär Dr.Walther Otremba aus dem Bundeswirtschaftsministerium unter Michael Glos:
„Nur die Beförderung von kriegswaffen auf Schiffen, die die deutsche Flagge führen, bedarf einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Eine derartige Genehmigung ist für die o.a. Beförderungsvorgänge nicht erteilt worden. Weitere Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu dem Sachverhalt nicht vor.“
Donnerstag, 22.Januar:
Die Abgeordnete Inge Höger dazu in einer Radio Utopie vorliegenden Presseerklärung:
„Ein deutsches Frachtschiff ist mit 989 Container hoch explosiver Sprengmaterialien und andere Rüstungsartikel beladen auf dem Weg nach Israel, während dessen Militär Phosphorgranaten auf Zivilisten abschießt. Es fährt im Auftrag der US-militärischen Seetransport Führung. Die Bundesregierung hat keine Kontrolle darüber.
Das israelische Militär hat zugeben, dass Phosphormunition im Angriff auf den Gaza-Streifen eingesetzt wurde. Es wurde zugeben, dass 20 diese für den Einsatz gegen Menschen verbotenen Granaten auf die Ortschaft Beit Lahiya abgefeuert wurden..
Am 23. Januar 2009 nimmt nun die UN-Arbeitsgruppe für die Entwicklung eines globalen Waffenhandelsvertrags (Arms Trade Treaty, ATT) in New York ihre Arbeit auf. Am 24. Dezember 2008 hatte die 63. UN-Generalversammlung mit großer Mehrheit (133 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme, 19 Enthaltungen) eine Resolution beschlossen, die das UN-Procedere hin zu einem Abkommen zur Kontrolle des Handels mit konventionellen Rüstungsgütern regelt. Damit wird eine langjährige Forderung von Amnesty International, Oxfam, hunderter anderer NGOs wie das Internationale Aktionsnetzwerk zu Kleinwaffen aufgegriffen.
Die EU-Staaten sind nach den USA und Russland weltweit vorne bei Rüstungsexporten. Waffenhandel ist das große Geschäft unserer Zeit. Rüstungsexporte verletzen Menschenrechte und töten Menschen weltweit. Diese Geschäfte müssen aufhören.“
Heute, Freitag, der 23.Januar:
Otfried Nassauer im „Tagespiegel“ unter der Überschrift „Ein Frachter wird seine Fracht nicht los“:
„Am 6. Dezember 2008 gewann die Hamburger Reederei Oskar Wehr KG eine Ausschreibung des Seetransportkommandos der amerikanischen Marine. Für 635 900 Dollar sollten die Hamburger 989 Container mit Munition von Sunny Point im US-Bundesstaat North Carolina ins Mittelmeer bringen. Am 20. Dezember holte die „Wehr Elbe“, ein 208 Meter langes Vollcontainerschiff mit eigenen Verladekränen, die explosive Fracht an der amerikanischen Ostküste ab. Anfang Januar erreichte das Schiff die Gewässer um den westgriechischen Hafen Astakos. Seither ist die „Wehr Elbe“ ein Problemfall. Sie wurde die Munitionscontainer nicht mehr nicht los..
Wenige Tage vor Ankunft der „Wehr Elbe“ bei Astakos begann der israelische Angriff auf den Gazastreifen. Griechenland verweigerte die Erlaubnis, die Munitionsladung in Astakos zu löschen, um sie vor der Weiterreise nach Israel auf kleinere Schiffe umzuladen. Das Seetransportkommando zog zwei Ausschreibungen für kleinere Munitionstransporte von Astakos nach Ashdod zurück. Fast zwei Wochen später, am 12. Januar, verließ die „Wehr Elbe“ die griechischen Gewässer unverrichteter Dinge und mit unbekanntem Ziel. Das Schiff hat seither seinen Transponder abgeschaltet. Sein aktueller Standort kann deshalb nicht mehr verfolgt werden. Auch das zunächst auskunftsbereite Pentagon wurde wortkarg: Man suche nach alternativen Wegen, um die Munition nach Israel zu bringen. Diese seien noch nicht gefunden. Zuständig sei nunmehr das europäische Büro des Seetransportkommandos in Neapel.
Auch die geringere Auskunftsbereitschaft hatte ihren Grund. Amnesty International hatte von dem Munitionstransport Wind bekommen und berichtet, in den Ausschreibungsunterlagen sei auch von Granaten mit weißem Phosphor die Rede.“
(…)
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