Mit gekaperten Tankern gegen Kriegsschiffe

Der spannendste Seeräuberabenteuerroman ist nichts im Vergleich zu einer „Realität“, die uns die Nachrichten auf Grund von Informationen der Militärs im Augenblick mitteilen. Es geht um die Entführung des gekaperten und wieder befreiten 17000-Tonnen-Tanker „Maersk Alabama“ im Golf von Aden.

Die Berichte über den gefangen genommenen Kapitän, der in der vorletzten Nacht versuchte, seinen Wächtern mit einem Sprung ins Meer zu entkommen, um das in Sichtweite befindliche Kriegsschiff „USS Bainbridge“ schwimmend zu erreichen und nach einer halben Stunde von den Piraten wieder eingefangen wurde, lässt an Dramatik nichts zu wünschen übrig.

Wie die NavyTimes schreibt, haben über diesen Vorfall Beamte des US-Verteidigungsministeriums unter der Bedingung der Anonymität berichtet, denn sie sind nicht berechtigt, diese sensiblen Vorfälle bekannt zu geben – was sie hiermit wohlweislich getan haben, erhöht es doch die ungeteilte Aufmerksamkeit und Mitleid der Öffentlichkeit.

Zuvor hatte die Besatzung des gekaperten US-Tankers die Piraten überwältigen können. Anschliessend wiederum konnten die Piraten sich mit dem gekidnappten Käpitän in ein Rettungsboot flüchten. Wäre das ein Drehbuch für einen drittklassigen Spielfilm, keine Filmproduktionsfirma würde es dem Autor abkaufen.

Die „Maersk Alabama“ setzte unterdessen ihre Fahrt fort, um ihre Ladung Hilfsgüter in den kenianischen Hafen Mombasa zu bringen, wo sie heute erwartet wird.
Mit anderen Worten, sie lässt ihren Kapitän im Stich.

Diese Meldungen sind schon sehr spannungsgeladen, aber sie lassen sich noch erhöhen:

Was machen denn diese Piraten, sind die jetzt vollkommen übergeschnappt? Rufen sie andere Freibeuter über Satellitentelefon zu Hilfe und wollen mit den anderen gekaperten Tankern einen Seekrieg mit der mit modernster Technik bewaffneten Kriegsarmada aufnehmen?

Dem Publikum wird hier nun doch einiges abverlangt, diese gesamte Piratenfarce droht an ihrer zugespitzten Übertreibung aufzufliegen.

Ein Diplomat in Nairobi, natürlich auch wieder unter der Bedingung der Anonymität, denn er sei nicht berechtigt, mit den Medien zu sprechen – wirklich erstaunlich, wer da so alles anonyme Statements zu unserer Information bereithält – weiss, dass ein Mutterschiff und andere Boote zur Unterstützung der Piraten von der Küste zum Rettungsboot aufgebrochen ist.
„The pirates have summoned assistance — skiffs and mother ships are heading towards the area from the coast“

Man vermutet, dass die sich in Bewegung gesetzten gekaperten Tanker als Schutzschild für das Rettungsboot mit dem gefangenen Kapitän dienen sollen. Wenn die Piraten nach Medienberichten mit den Millionen Dollar oder Euros Lösegeld der vergangenen Aktionen Waffen, Satellitenkommunikationstechnik und schnelle Boote kaufen, haben sie nichts anderes zu tun, als die von ihnen erbeuteten Schiffe an eine einzige Stelle ins offene Meer zu bringen, wo die Kriegsschiffe der Westmächte sie in Empfang nehmen wie auf dem Präsentierteller. Und das alles aus uneigennütziger Solidarität zu ihren Piratenkumpels, nicht zu vergessen die über alles gehende Piratenehre, da verzichten sie auf ihre Beute? Wirklich eine edle Gesinnung, da kann sich manch einer eine Scheibe abschneiden.

Washington, u.a. Robert Gates, betont doch in diesem speziellen Fall, dass das Leben des Kapitäns über alles geht und eine gewaltsame Befreiungsaktion vollkommen ausgeschlossen ist. Diese Art Schutzschild ist damit unnötig.

Die mit Lenkraketen bestückte Fregatte USS Halyburton „ist vor Ort am Freitag eingetroffen und befindet sich in der Nähe“ des kleinen Rettungsbootes, in dem die Piraten den Kapitän Richard Phillips als  Geisel halten, so sagte US Defense Department-Sprecher Bryan Whitman. Das Schiff hat Hubschrauber an Bord, um Flüchtige verfolgen zu können.

Der US-Zerstörer USS Bainbridge, wurde zur Überwachung des Rettungsbootes eingesetzt, hat aber keine Hubschrauber (so etwas gibt es also auch, wenn man mit einem Kriegsschiff auf Piratenjagd ist, die bekanntlich nach Angaben der Medien ihre Attacken mit Schnellbooten durchführen) an Bord, sagte ein anderer US-Beamter zu AFP aus unter der Bedingung der Anonymität.

Desweiteren wurde das Amphibienschiff und Hubschrauberträger USS Boxer in einiger Entfernung zu den anderen beiden US-Kriegsschiffen in die Region beordert.

USS Boxer ist das Flagschiff der multinationalen anti-piracy task force. Die Crew hat eine Stärke von 1000 Mann, Raketenwerfer, über zwei Dutzend Helikopter und Angriffsflugzeuge an Bord.

Inzwischen teilte Vice Admiral William Gortney, der Kommandant der Fünften US-Flotte in Bahrain dem Sender CNN mit, dass die Verhandlungen zwischen den Beamten auf der Bainbridge von FBI-Experten und den Piraten fortgesetzt werden.
Jack Cloonan, ein ehemaliger FBI-Agent, dessen in Virginia ansässiges Unternehmen Clayton Consultants Inc. Griffe die Geisel-Verhandlungen führt, sagte der The Associated Press, dass die Präsenz von anderen entführten Schiffen in dem Gebiet die Verhandlungsstrategie verkomplizieren könnte.
„Wir wissen, dass sie Informationen austauschen.  Wir wissen, dass sie miteinander reden. Sie sind nicht dumm. Sie sind sehr intelligent.“

Diese ganze Inszenierung führt die merkwürdige Piratenproblematik ad absurdum, man übertreibt jetzt zu sehr, um ein Argument in die Hand zu bekommen, militärische Einsätze an Land in Somalia selbst durchzuführen, um die Piratennester wie Haradhere,Hobyo, Caluula oder Eyl auszuräuchern, wie auch der Experte Peter Chalk fordert.

Man weiss auch genau, wie die Piraten in Erfahrung bringen, welches Schiff sich zu kapern lohnt, denn sie benutzen das Computersystem AIS, meinen Marineoffiziere. Weiterhin weiss man, dass die Piraten ihre Zentrale im Jemen haben und sie haben Spione in Europa; und es ist bekannt, dass es mindestens drei Mutterschiffe in den Seegebieten gibt, die man natürlich nicht aufspüren kann, obwohl man genau weiss, dass von ihnen aus die Schnellboote starten „Diese lenken die kleinen schnellen Booten der Piraten geradewegs ins Ziel“ berichtete ein – wir wissen schon: anonymer –  US-Geheimdienstler in Djibouti.

Alles Bestens bekannt, man weiss um die Anzahl der Mutterschiffe, man sieht startende Schnellboote, man weiss, die Zentrale ist im Jemen, man weiss ganz genau um die Spione in Europa und schaut zu. Und man muss eine neue Seeregion für Überfälle ausfindig machen, in der bisherigen kriegsschiffübersäten Region würde niemand mehr einen Piratenüberfall abkaufen.

Wenn man die „real existierenden“ oder erfundenen Mutterschiffe ernsthaft bekämpfen wollte, hätte man ein grosses Problem: Man müsste sich nach der Beseitigung dieses Übel aus diesen Seegewässern entfernen. Das wäre tatsächlich sehr unangenehm für die Militärstrategen – jetzt, wo man einmal mit selbsternannter Berechtigung in der Region ist. Einen solchen strategischen Vorteil aufgeben wäre mehr als dumm, es könnte den Begehrlichkeiten und Einflussnahme anderer Nationen Platz machen.

Jetzt wissen wir auch, wozu die Meldungen der letzten Woche von sechs entführten Schiffen dienten. Man braucht noch mehr „Vorfälle“, um noch mehr Kriegsschiffe in der Region zusammenzuziehen und das Kriegsgebiet auszudehnen. Denn die Piraten wären ausgewichen und haben ihre Kaperungen in die noch ungeschützte Region bis zu den Seychellen südöstlich von Somalia vor die kenianische Küste erweitert. Selbstverständlich kann sich Washington die Kaperung eines unter ihrer Flagge fahrenden Schiffes nicht bieten lassen und die Piraten werden sich auf das über sie „hereinbrechende Feuerwerk bestimmt wundern“, wird ein, wir ahnen es schon, anonymer CIA-Mitarbeiter zitiert.

Zu dem nicht stattgefundenen GSG9-Einsatz zur Befreiung der Besatzung des am 4. April entführten Containerschiffes „Hansa Stavanger“ gibt es natürlich die unterschiedlichsten Erklärungen. Die eine weiss über einen Zuständigkeitsstreit zwischen Innenministerium und Verteidigungsministerium Bescheid. Der Bundesinnenminister will in Bezug auf den GSG9-Einsatz „alles auf meine Kappe zu nehmen“. Die Befreiung deutscher Geiseln sei Sache der Bundespolizei und damit der GSG9. Die Marine müsse Hilfe leisten. Das sieht diese anders und beansprucht die Einsatzleitung für sich. Somit fällt der Einsatz eben einfach aus.
Die andere Erklärung dazu meint, die Seeräuber haben das Containerschiff zu schnell zu ihrem Stützpunkt in die Bucht von Haradhere an der somalischen Küste gebracht. Man kann sich aussuchen, was hier eigentlich vorgeht.

Die deutsche Fregatte «Mecklenburg-Vorpommern» ist nach dem Piratenüberfall bis auf Sichtweite an die «Hansa Stavanger» herangefahren, habe aber abdrehen müssen, weil die Piraten gedroht hätten, die Besatzung zu töten. Das Schiff liege nun in Haradhere neben anderen gekaperten Schiffen vor Anker. Es werde von der «Mecklenburg-Vorpommern» aus sicherer Entfernung beobachtet, schreibt die Presse.

Piraten greifen ein deutsches Versorgungsschiff der Bundesmarine mit Handfeuerwaffen an? Was für einen Erfolg versprechen sie sich von einer solchen Aktion?
Webseite der Bundeswehr vom 8. April:
„Am 29. März gegen 15 Uhr wurde der Betriebsstoffversorger Spessart der Deutschen Marine von einem Boot (Skiff) mit sieben mutmaßlichen Piraten an Bord angegriffen und mit Handfeuerwaffen beschossen. Die an Bord der Spessart befindlichen Marineschutzkräfte, das sogenannte Mobile Protection Element, erwiderten das Feuer mit Schüssen vor den Bug des Piratenschiffs, woraufhin dieses abdrehte und ablief. Die Spessart, die von einer zivilen Stammbesatzung gefahren wird, verfolgte das Boot. Schiffe der im Gebiet operierenden EU-Operation EU NAVFOR ATALANTA und eines Ständigen Maritimen Einsatzverbandes der NATO haben die Spessart unterstützt und es gelang gemeinsam das Piratenboot auf seiner Flucht zu stoppen.“

Schauen wir uns genau diese Fotos an, muss man an dem Geisteszustand der somalischen Besatzung zweifeln, ein solches Unternehmen zu starten. Fotos mit den Piraten, die diese mit ihren Waffen zeigen,  sind wieder nicht aufgenommen worden.

Die Fregatte „Rheinland-Pfalz“ hatte in einem anderen Überfall Piraten festgenommen.
Weshalb eigentlich werden hier wichtige Beweismittel – die Waffen der Piraten – im Meer versenkt, die Piraten anschliessend nach Kenia überstellt, wo ihnen nach einem internationalen Abkommen der Prozess gemacht wird? Und ihre Verteidigung übernimmt dann ein deutscher Anwalt?

Dem Bundesinnenminister nutzt die Somaliahysterie so wie andere suspekte Terrormeldungen als Bestätigung des überall herrschenden internationalen Terrorismus. Er kann die Aufgaben der Bundespolizei im Ausland, aber vor allem im Inland, verstärken und erweitern, der Bundestag lässt jede Gesetzesänderung im Namen der Sicherheit passieren.

Nehmen Sie sich die Zeit und lesen Sie in Ruhe das BKA-Gesetz „Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus“das im Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksache 16/10121) enthalten ist, wie auch in der schliesslich vom Bundesrat abgelehnten Version (Drucksache 860/08)

Artikel 1 § 4a
(1) Das Bundeskriminalamt kann die Aufgabe der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus in Fällen wahrnehmen, in denen…
1. eine länderübergreifende Gefahr vorliegt
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Es kann im Rahmen dieser Aufgabe auch Straftaten verhüten, die in § 129a Abs.1 und 2 des Strafgesetzbuchs bezeichnet und dazu bestimmt sind,
die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern,
EINE Behörde oder EINE internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen, oder sozialen Grundstrukturen EINES Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können.

Das Gesetz beinhaltet die Überwachung der Bürger – eine Liste, die Ihnen das Fürchten lehren muss, aber nicht vor „Terroristen“:

§20a Allgemeine Befugnisse
§20b Erhebung personengebundener Daten
§20c Befragung und Auskunftspflicht
§20d Identitätsfeststellung und Überprüfung von Berechtigungsscheinen
§20e erkennungsdienstliche Massnahmen
§20f Vorladung
§20g Besondere Mittel der Datenerhebung
§20h besondere Bestimmungen über den Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen, polizeiliche Beobachtung,
§20i Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung
§20j Rasterfahndung
§20k verdeckter Eingriff in informationstechnischer Systeme
§20l Überwachung der Telekommunikation
§20m Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten und Nutzungsdaten
§20n Idendifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkendgeräten
§20o Platzverweisung
§20p Gewahrsam
§20q Durchsuchung von Personen
§20r Durchsuchung von Sachen
§20s Sicherstellung
§20t Betreten und Durchsuchung von Wohnungen
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Hier das am 19.November 2008 vom Bundestag beschlossene BKA-Gesetz (Drucksache 16/10121) und die am 19.Dezember vom Bundesrat beschlossenen Änderungen (Drucksache 971/08)

Lassen Sie sich nicht von Terrormeldungen beeinflussen. Sie dienen einzig und allein der totalen Kontrolle der Bevölkerung, wie Sie sich beim Lesen des BKA-Gesetzes „Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus“ überzeugen konnten. Informieren Sie auch Ihre Freunde und Bekannten über diese Zusammenhänge, denn ich weiss aus persönlicher Erfahrung, wie erschreckend wenig der Eine oder Andere über die Inhalte des BKA-Gesetzes Bescheid weiss.

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