Gefährliche radikale und späte Art des Arbeitskampfes: gekündigte französische Arbeiter „verminen“ ihre Fabrik mit explosiven Gasflaschen:
Das es zu den nachfolgenden Ereignissen in Frankreich kommen konnte, die deutlich zeigen, dass die Arbeiter es ernst meinen und sich von den Konzernen an die Wand gedrückt fühlen, ist ein Ergebnis des verschärften Gewinnstrebens der Konzerne, die sich trotz staatlicher Fördergelder „schlankmachen“. Genügend neu entstehende Arbeitsstellen sind selten in Aussicht.
Auf der anderen Seite ist auch der Arbeiterschaft der Vorwurf zu machen, die letzten Jahrzehnte weggeschaut zu haben, wenn der eine oder andere entlassen wurde. Nicht auffallen beim Chef mit Solidaritätsbekundungen, froh sein, dass es nicht einen selber getroffen hat. Wer bei der Firmenleitung als aufmüpfig gilt, könnte ja bei der nächsten Entlassungswelle als unliebsamer Mitarbeiter rausfliegen.
Eine Arbeiterschaft, die zusammenhält, scheint es nur zu geben, wenn es allen dreckig geht. Mit einem gewissen Lohn in der Tasche oder vorhandenem Arbeitsplatz ist man sich selbst der Nächste, so ist die Devise unserer Gesellschaft und überall bis auf wenige Ausnahmen zu beobachten.
Die schwachen Gewerkschaften spielen keine grosse Rolle mehr in der Lösung von Sozialkonflikten.
Wäre es anders, hätten die Grosskonzerne niemals diese Macht und Diktatur über die Ware Humankapital in der Arbeitswelt erreichen können. Ein gewisser Wohlstand in der breiten Bevölkerung der europäischen westlichen Länder und Produktionsverlagerungen ins Ausland – abgesegnet und belohnt staatlicherseits – hat die klassische Arbeiterbewegung in die Vergangenheit verwiesen.
Doch das wird sich mit der weiteren Verelendung grosser Bevölkerungsschichten wieder ändern.
Denken wir an den 14.Juli 1789 in Frankreich vor 220 Jahren, an den Sturm auf die Bastille, den Anfang der Französischen Revolution (1), die in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (3) mündete und mit der die Demokratie und Freiheit in Frankreich begründet wurde.
Frankreich heute:
Dreihundertsechsundsechzig französische Arbeiter des Zulieferbetriebes New Fabris im westfranzösischen Chatellerault für Autoteile für die Konzerne Renault und PSA Peugeot Citroën, die im Juni per e-mail ihre Entlassung ohne Abfindung zugeschickt bekamen, haben ihre Fabrik mit Gasflaschen bestückt, die mit einander durch Zündschnüre verbunden sind und drohen diese in die Luft zu sprengen. Wegen mangelnder Auftragslage wurde ihre Produktionsstätte liquidiert.
Bei einer ähnlichen Schliessung im Konzern Rencast, die in Lizenz Giessereiprodukte aus Aluminium für Renault und PSA produzierten, zahlten diese für die rund 200 entlassenen Arbeitnehmer des Konzerns Rencast 30000 Euro Abfindung.
„Acht Gasflaschen sind an strategisch wichtigen Positionen stationiert“ warnt Guy Eyermann, Gewerkschaftsvertreter der CGT Logistik, der seit neun Jahren im Unternehmen ist.
Anders als auf diese Art und Weise kann man mit den Konzernleitungen nicht mehr verhandeln, meinte er „Dann passiert nämlich gar nichts!“
Zur Demonstration, das sie es ernst meinen, haben die Arbeiter in einer ersten Aktion auf dem Betriebsgelände Anlagen verbrannt. Symbolisch wurden Kreuze in die Erde gerammt, wie hier (2) in dieser Videodokumentation von France24 zu sehen ist.
Die Arbeiter geben der Unternehmensleitung bis zum 31.Juli Zeit. „Wir werden nicht bis August oder September warten, bis PSA und Renault die gelagerten Teile und Maschinen aus der Fabrik holen“, sagte Eyermann. „Wenn wir nichts bekommen, werden sie auch nichts bekommen.“
Der Wert der Teile in der Fabrik wird von den Autoherstellern auf rund zwei Mio. Euro geschätzt. Hinzu kommen laut Gewerkschaften nochmals – teils neue – Maschinen im Wert von zwei Mio. Euro, die Renault gehören. Die Arbeiter verlangen nun, dass die bestellten und produzierten Teile von den beiden Autokonzernen bezahlt werden.
„Der Direktor für Beschaffung von PSA Peugeot Citroën hat uns die Übernahme der Teile für 1,2 Millionen Euro – seiner Meinung nach eine „faire un geste“ – angeboten. Dies entspricht 3 000 Euro pro Mitarbeiter, das reicht nicht aus“ sagte der CGT-Gewerkschaftsvertreter.
„Wir verkauften die Teile für 9 Euro pro Stück an die PSA, die es dann dem Konzessionär für 266 Euro in Rechnung stellen. Wir fordern, dass sie es nun für 50 Euro pro Stück kaufen. Dann haben sie immer noch Spielraum für eine grosse Gewinnmarge.“
Am vergangenen Dienstag hatte eine Delegation, bestehend aus einhundertfünfzig Arbeitern, zwecks Verhandlungen vergeblich in der PSA- Direktion vorgesprochen. Am kommenden Donnerstag begibt sich eine Arbeiterabordnung zu Renault. Am 20.Juli haben sie einen Termin mit dem französischen Industrieminister Christian Estrosi, um die beiden Autokonzerne im Sinne ihres Anliegens unter Druck zu setzen.
Die Konzerne Renault und PSA Peugeot Citroën hatten vom französischen Staat Fördergelder für die Autoproduktion in Frankreich erhalten.
Der Präfekt hat der Polizei noch keine Anweisung erteilt, die Aktion der Arbeiter gewaltsam zu beenden. Verhandlungen mit den örtlichen Behörden haben noch nichts Konkretes erbracht. Die Fabrik ist seit dem 16.Juni, dem Tag der Entlassungsverkündung und Abwicklung des Unternehmens, von der Arbeiterbelegschaft okkupiert. (2)
Die Besetzung der Fabrik erinnert ein wenig an die Aufsehen erregenden Ereignisse Mitte der Siebziger Jahre in Frankreich, als die Arbeiter der Uhrenfirma Lip nach deren Konkurs kurzerhand ihre Fabrik besetzten und mit grossem Erfolg die Uhren weiterproduzierten und in Eigenregie verkauften. Diese Uhren fanden damals reissenden Absatz, denn der Kauf einer Lip verkörperte die Solidarität mit den mutigen Arbeitern.
Und mehr noch an den Aufstand der Schlesischen Weber, die die Produktionsmaschinen zerstörten, in denen sie die Ursache für ihre Armut sahen und ihre mühselige Heimarbeit überflüssig machten. (4)
Quellen:
(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sische_Revolution
(2) http://www.france24.com/fr/20090712-usine-new-fabris-salarie-menace-explosion-indemnite-liquidation-judiciaire-renault-psa-chatellerault
(3) http://de.wikipedia.org/wiki/Erkl%C3%A4rung_der_Menschen-_und_B%C3%BCrgerrechte
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Weberaufstand#Schlesischer_Weberaufstand_1844