Karzai ohne absolute Mehrheit der Besatzungsmächte

Vor der Afghanistan-Konferenz Ende November in Japan droht das Land im Krieg der Fürsten zu versinken.

Wie heute die „New York Times“ (1) berichtet, soll ein aus 5 Ausländern bestehendes „Wahlprüfungskommitee“ 9 Wochen nach der afghanischen Präsidentenwahl mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt sein, dass der amtierende „Präsident“ der Nato-Besatzungszone Afghanistan, Hamid Karzai, bei der Präsidentenwahl nur 48 % der abgegebenen Stimmen erhalten habe.
Das Ergebnis, so die NYT, werde das Kommitee nun der afghanischen „Wahlkommission“ weiterleiten. Was dann passieren wird und soll, das weiss zur Zeit keiner so genau.

Wie Infokriegernews (2) am 20.September berichtete, haben sich die Besatzungsmächte auf eine Afghanistan-Strategiekonferenz Ende November in Japan verständigt. Ziel soll ein umfangreicher Waffenstillstand im seit fast 8 Jahren von Invasionstruppen besetzten zentralasiatischen Land sein, in welchem nach der zweiten Präsidentenwahl ein Machtkampf zwischen dem seit Ende 2004 amtierenden Hamid Karzai und dem von mehrheitlich tadschikisch-usbekisch-stämmigen Milizenführern unterstützten Präsidentschaftskandidaten Abdullah Abdullah tobt.

Leiten wird die Friedenskonferenz Ende November der Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari, ehemaliger Präsident Finnlands. Teilnehmen an der Konferenz sollen neben Vertretern aus der Europäischen Union, den USA und Pakistan; auch die neu gewählte afghanische Regierung sein, wer diese nun repräsentieren soll ist völlig unklar.

Derweil droht der versteckte Machtkampf von jeweils mit den verschiedenen Besatzungsmächten verbündeten (und finanzierten) Warlords, Milizen und Drogenbaronen, Afghanistan in einen blutigen Bürgerkrieg zu stürzen. Im September war deutlich geworden, dass die EU-Staaten hinter Abdullah stehen; entsprechend warfen sie seinem Konkurrenten, dem amtierenden Hamid Karzai, massive Wahlfälschung vor, während andererseits der Chef der US-amerikanischen Auslandsspionage, CIA-Direktor Leon Panetta, bereits am 19.September öffentlich Hamid Karzai als Sieger der Wahl bezeichnet hatte. In einem weiteren, durchaus als brisant zu bezeichnenden Schritt, hatte Panetta den Ausbau weiterer CIA-Basen in Afghanistan angekündigt.

Afghanistan ist in der Fläche in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Deutschland kontrolliert die nördliche, Italien die westliche Besatzungszone, die USA kontrolliert den Osten Afghanistans und die drei traditionell verbündeten Seemächte Kanada, Grossbritannien und die Niederlande den Süden. An der Grenze zur US-Besatzungszone unternimmt das pakistanische Militär zur Zeit eine Militäroffensive, um, wie es sagt, den Nachschub für „die Taliban“ aus der amerikanischen Besatzungszone nach Pakistan hinein zu unterbinden. Dass und warum dies denn nun seit 8 Jahren Besatzung aus einer US-Zone heraus geschieht, muss auch der Chef des US-Zentralkommandos, General David Petraeus, wieder einmal nicht erklären, obwohl er nach einer ganzen Reihe blutiger Attentate in Pakistan und Iran heute zufällig Islamabad besucht (4). Wahrscheinlich hat ihm einfach noch nie jemand diese Frage gestellt. Aber es ist ja noch Zeit.

Derweil sagte das kanadische Militär auf die Frage, ob sie vielleicht neben dem italienischen Militär- und Auslandsgeheimdienst Sismi (mittlerweile umbenannt in „“Agenzia Informazioni e Sicurezza Esterna“, AISE) auch Gelder an „die Taliban“ ihrer Besatzungszone zahlen, laut und deutlich „Nein“ (5). Immerhin hatte man 8 Jahre später mal diese Frage gestellt. Schwamm drüber.

Die US-Regierung lehnt jedenfalls den weiteren Ausbau der militärischen US-Streitkräfte vor Ort ab und will den vom völligen Zerfall bedrohten Staat Afghanistan durch den Aufbau einheimischer Militärs stärken. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN (welches in Deutschland irgendwie unter den grossen Tisch der Kriegslobby fiel), betonte dazu am Sonntag der Stabschef von US-Präsident Barack Obama, Rahm Emanuel, die US-Regierung werde vor einer Entscheidung über die Truppenstärke des eigenen Militärs in der Besatzungszone Antworten verlangen.

„Der Präsident stellt die Fragen bezüglich der zivilen Seite, der politischen Seite, der militärischen Seite und der strategischen Seite, die noch nie gestellt wurden“.

Der Präsident werde

„sich nicht hetzen lassen eine Entscheidung zu treffen, ohne harte Fragen zu stellen und die Annahmen herauszufordern.“

Das ist als Antwort auf immer dreistere Forderungen des eigenen Militärs zu verstehen, welches – wie in einer Militärdiktatur – vor der Presse die Klappe aufriss und mehr Soldaten verlangte, anstatt vor der zivilen Regierung die Schnauze zu halten und morgens zu salutieren.

Zu dem immer noch offenen Ergebnis der Präsidentenwahl in Afghanistan sagte Stabschef Emanuel, es gäbe zwei Möglichkeiten für Karzai und Abdullah: eine Stichwahl oder Verhandlungen. Das Endresultat müsse eine „legitime und glaubwürdige“ afghanische Regierung einer Besatzungszone des nordatlantischen Militärpaktes in Zentralasien sein. Wie das gehen soll, erschien auch nach Emanuels Interview nicht vollständig plausibel.

Unterdessen versuchen verzweifelt die verschiedenen Geheimdienste diverser (Heimat-)Frontstaaten, Milizen und Kriegsparteien irgendwie ihre unter „Creative Commons“-Lizenz des Nachrichtenwesens entwickelten Attentats-Label „Al Kaida“ und „Taliban“ zu retten.

In Deutschland flachten allerdings die entsprechenden Video-Veröffentlichungen der letzten Wochen vor und nach der Bundestagswahl urplötzlich ab. Man mochte mit innerer Sicherheit meinen, irgendwie von Ferne dazu eine liberale (bayrische) Koalitions-Schalmei zu hören.

(…)

10.09.2009 Samstag Morgen: Entführung eines NYT-Reporters, 5 Kilometer vom deutschen ISAF-Stützpunkt entfernt

Quellen:
(1) http://www.nytimes.com/2009/10/20/world/asia/20afghan.html
(2) http://www.infokriegernews.de/wordpress/2009/09/20/afghanistan-konferenz-in-japan-geplant/
(3)
http://edition.cnn.com/2009/POLITICS/10/18/emanuel.afghanistan/
(4) http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/8313699.stm
(5) http://www.abc.net.au/news/stories/2009/10/17/2716859.htm?section=justin

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