(Foto: United States Congress / Wikipedia)
Der ehemalige US-Senator von South Dakota weiss, wovon er redet, wenn er in einem Aufsatz in der Washington Post am gestrigen Sonntag „Toward another Vietnam“ (1) von einem zweiten Vietnam für Amerika spricht.
Er kennt auch die Grauen des 2. Weltkrieges, an dem er als ganz junger Mann teilgenommen hatte.
Der heute 87jährige arbeitete ab 1960 als Sonderberater für Präsident John F. Kennedy. Im Jahr 1962 wurde er US-Senator und wurde zu einem der führenden politischen Gegner des Vietnam-Krieges. Im Jahr 1972 trat er als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei an und wurde von den eigenen Reihen verraten, da er für sie ein zu liberales Reformprogramm aufgestellt und die Beendigung des Vietnamkrieges gefordert hatte. Viele gaben Richard Nixon ihre Stimme und liessen damit McGovern zu Gunsten der Kriegsfortführung fallen.
Am 9. August 2000 überreichte US-Präsident Bill Clinton McGovern die Freiheitsmedaille („The Presidential Medal of Freedom“), die höchste zivile Auszeichnung in den USA. (2)
In seinen Ausführungen in der Washington Post kann er keinerlei Verständnis für Präsident Obama mit der weiteren Eskalation des Krieges in Afghanistan aufbringen und ist bitter enttäuscht über den Kurs des „jungen“ Präsidenten.
Zu der Entscheidung der neuen Strategie meinte er:
„Ich kann nur denken: ein neues Vietnam. Ich hoffe, dass ich falsch liege, aber die Geschichte erzählt mir etwas anderes.
Die Präsidenten John F. Kennedy, Lyndon Johnson und Richard Nixon – alle glaubten, dass der beste Weg, die Regierung in Saigon zu sichern und die Niederlage Ho Chi Minh‘s und seinen Viet Cong-Aufständischen herbeizuführen darin bestehen würde, US-Truppen zu entsenden. Doch der Aufstand wurde damit nur immer stärker, auch nachdem wir mehr als 500.000 Soldaten dahin schickten um zu kämpfen und in Vietnam zu sterben.
Wir haben Zehntausende von Soldaten in Afghanistan seit mehreren Jahren, und wir haben eine noch grössere Zahl von Söldnern beschäftigt (oder „Unternehmer“, wie sie jetzt in diesen Tagen heissen). Wie in Vietnam sind die aufständischen Kräfte stärker denn je, und die afghanische Regierung ist so korrupt wie die, die wir in Saigon unterstützt hatten.
Warum schicken wir junge Amerikaner mit dem Risiko der Gefahr für Leib und Leben dorthin im Namen eines solchen wertlosen Regimes?
Angeblich sind doch nach Mitteilungen der US-Regierung die Al-Quaida-Anhänger in Pakistan. Je mehr US-Truppen wir hinschicken, um so mehr heizt das den Widerstand der Aufständigen dort an.
Seit 1979 versuchten die Sowjets, die Ereignisse in Afghanistan fast ein Jahrzehnt lang zu kontrollieren. Sie verloren dabei 15.000 Soldaten und eine noch grössere Zahl von Soldaten wurden verkrüppelt oder verletzt. Als ihre Ressourcen erschöpft waren, kam es zu dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Ähnliche Schicksale erfuhren auch andere Eroberer, die versucht hatten, ihren Willen in Afghanistan durchzusetzen und stiessen auf den erbitterten Widerstand der Kriegsherren und Stämme in den Bergen.
Selbst wenn wir einen guten Grund für einen Krieg in Afghanistan hätten, können wir es uns einfach nicht leisten, ihn zu führen. Mit 12 Billionen Dollar Schulden und einer schweren wirtschaftlichen Rezession ist dies nicht die Zeit für unnötige Kriege im Ausland. Wir sollten unsere Soldaten nach Hause holen, bevor noch mehr von ihnen getötet oder verwundet werden – und bevor unserer Staatsverschuldung explodiert.
Im Jahr 1964 fragte Johnson bei mehrere Senatoren an, die nicht zur Wiederwahl in diesem Jahr antraten, die Wahlkampfkampagne für ihn zu unterstützen. Er versicherte uns, er sei so wie wir gegen den Krieg in Vietnam, er habe keine Pläne zum Ausbau der weiteren US-Präsenz. Johnson gewann die Wahl in einem erdrutschartigem Sieg.
„Wir werden keine amerikanischen Jungs über neun- oder zehntausend Meilen weg von zu Hause dahin schicken um das zu tun, was asiatische Boys für sich selbst tun sollten“ versicherte er während seiner Kampagne.
Aber kaum gewählt, begann Johnson mehr Truppen zu senden, bis die amerikanischen Streitkräfte die Zahl von 500.000 überschritten. Insgesamt starben in Vietnam mehr als 58.000 Amerikaner, und viele weitere wurden an Leib und Seele verkrüppelt. Ganz zu schweigen von den fast 2 Millionen Vietnamesen, die nach den US-Bombardements gestorben waren.
Johnson hätte eine brillante Politik in den inneren Angelegenheiten machen können, aber Vietnam verhinderte seinen Traum von einer grossen Gesellschaft. Der Krieg war unerträglich geworden, so dass viele Amerikaner – zivile wie militärische – sich von ihm abwandten und den grossartigen Sieger von 1964 vier Jahre später nicht wieder wählten.
Obama hat die Fähigkeit, ein grosser Präsident zu sein, ich hoffe nur, dass Afghanistan nicht seine Botschaft des Wandels beschädigen wird. Nach einem halben Jahrhundert des Kalten Krieges und der heissen Kriege, ist es an der Zeit, unser grosses und aufgewühltes Land wieder aufzubauen. Durch die Beendigung der Konflikte im Irak und in Afghanistan können wir diese riesigen Summen umleiten, um es zur Revitalisierung unserer eigenen Nation auszugegeben.
Der Krieg in Vietnam verursacht auch noch nach Jahrzehnten seiner Beendigung immer noch viele Opfer unter den Menschen, die an den abgeworfenen giftigen Chemikalien heute noch erkranken:
US-Kriegsopfer: immer noch folgenschwere Agent Orange/Dioxin Schäden in Vietnam
Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, welche seelischen und gesundheitlichen Schäden auch nach Jahrzehnten der Beendigung eines Krieges für die betroffenen Bevölkerungen zurück bleiben.
Gerade Kriege, die durch die USA und in jüngster Zeit gemeinsam mit den Allierten Verbänden durchgeführt werden, sind aufs Schärfste zu verurteilen, nicht zuletzt wegen des Einsatzes von Uran-Munition, die lange nach Beendigung der Kriegshandlungen unendliches Leid über die Menschen bringt.
Die Verseuchung der Umwelt durch das im Vietnam-Krieg eingesetzten Dioxin enthaltende Entlaubungsmittel Agent Orange verursacht noch heute schwere Schäden an den Neugeborenen und den Erwachsenen.
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(1) http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2009/12/11/AR2009121102596.html?hpid=opinionsbox1
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/George_McGovern