Kunduz-Affäre kommt bei SPD-Fraktionsführung an
Ex-Aussenminister Frank-Walter Steinmeier empfing offenbar bereits am 4.September Berichte über zivile Opfer des Luftangriffs. Absender: sein Aussenamts-Mitarbeiter und „ziviler Leiter“ des Isaf-Militärstützpunktes in Kunduz.
Am Sonntag veröffentlichte die „Tagesschau“ (1) der ARD vorliegende Informationen über einen vertrauliches Gesprächsprotokoll. Dem Bericht zufolge wurde dieses Protokoll vom Vertreter des Berliner Aussenministeriums und „zivilen Leiter“ des deutschen Militärstützpunktes in Kunduz, Burkhard Ducoffre, in zwei Berichten nach Berlin gesendet. Es dokumentiert ein Treffen vom Nachmittag des 4.September auf dem deutschen Militärstützpunkt. Demnach fand dort
„zwischen 14.45 Uhr und 15.30 Uhr eine Besprechung mit dem Titel „Informationszusammenfassung CAS“ (Close Air Support – Luftnahunterstützung) statt. Bei dieser war auch Burkhard Ducoffre, der Vertreter des Auswärtigen Amtes im Wiederaufbauteam in Kundus, zugegen. Inhalt der Besprechung waren unter anderem Informationen, die deutsche Soldaten durch Gespräche vor Ort gewonnen hatten. Demnach gab es konkrete Hinweise auf sieben verwundete und 14 getötete Zivilisten. Ducoffre hat dies nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios auch in zwei Berichten nach Berlin gemeldet. Bislang hatte der heutige SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende und damalige Außenminister Steinmeier stets betont, lange Zeit nur unklare Informationen über zivile Opfer gehabt zu haben.“
Umgehend spang Steinmeier das mediale Flaggschiff der Kriegspartei in Deutschland bei. Der „Spiegel“ (2) behauptete, nach seinen Informationen habe der „zivile Leiter“ des deutschen Militärstützpunktes Ducoffre zum 4.September die ganze Nacht durchgeschlafen, während man auf Befehl des militärischen Befehlshabers im Kunduz-Stützpunkt, Oberst Georg Klein, nur 5 Kilometer entfernt gezielt eine Menschenmenge zerbombte.
Woher der „Spiegel“ dies ohne Hörensagen wusste, wenn Ducoffre nirgends zu sehen war und durchschlief, blieb dabei offen. In Frage kommen eigentlich nur Ducoffre selbst, oder unerklärliche hellseherische Fähigkeiten, die man dem damaligen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf den ersten Blick gar nicht und auf den zweiten Blick überhaupt nicht zutrauen würde.
Zumindest bot die „Spiegel“-Redaktion der Zeitung ein durchaus erstaunliches Insiderwissen. In der ARD-Reportage war immer nur von zwei „Berichten“ gewesen, die der Regierungsvertreter vom deutschen Militärstützpunkt in Kunduz ans Aussenministerium sendete. Den Zeitpunkt der Übermittlung erwähnte die ARD in ihrem Bericht nicht. Der „Spiegel“ wiederum schrieb:
„Die Erkenntnisse der Gespräche hat der AA-Vetreter am 4. September in zwei E-Mails nach Berlin gemeldet. Dabei weist er in der ersten Mail auf die deutsche Presseberichterstattung hin, durch die er online am Morgen in Kunduz erst über das Bombardement erfahren habe.“
Der „zivile Leiter“ – also der direkte Regierungsbeauftragte – eines deutschen Militärstützpunktes in einer deutschen Besatzungszone in Zentralasien, soll erst am nächsten Morgen „aus der deutschen Presseberichterstattung“ erfahren haben, was in seinem Stützpunkt vor sich ging? Nun, da sieht man mal, was so eine freie Presse an der Heimatfront wert ist. Aber warum sagte dann bis heute der damalige Aussenminister und heutige SPD-Fraktionsführer im Bundestag nicht einfach, dass sein Vertreter in Kunduz seit/am/vor dem 4.September nichts gewusst hatte? Wo schon seit geraumer Zeit theoretisch lesefähige Berichte in der freien Presse aufgetaucht sind. (Bericht: Aussenministerium direkt in Kunduz-Bombardement verwickelt, 11.Dezember)
In Teil I der CHRONIKEN VON KUNDUZ (3) dokumentierten wir den öffentlich gewordenden Stand der Ermittlungen zum tödlichen Luftangriff vom 4.September. Dieser wurde, nur wenige Kilometer vom Bundeswehr-Militärstützpunkt in Kunduz, auf Befehl des lokalen Isaf-Befehlshabers Oberst Georg Klein geführt und forderte mindestens 139 Todesopfer. Nach Informationslage wurde dieser Luftangriff in der asiatischen Besatzungszone im Rahmen eines aus der Berliner Regierung direkt gesteuerten Ablaufplans begangen, dem militärische Spezialkräfte und Spionageeinheiten folgten und umsetzten. Die Operation, welche bereits vor der angeblichen „Entführung“ zweier Tanklaster in unmittelbarer Nähe des deutschen Militärlager am Morgen des 3.September begann, wurde über eine vor mindestens zweieinhalb Jahren geschaffene militärische Struktur durchgeführt, einen „von der allgemeinen Operationsführung im Einsatzland völlig getrennten, parallelen operativen Führungsstrang“, der direkt im Berliner Verteidigungsministerium, bei dessen Staatssekretären und dem oberbefehlshabenden Minister endete.
Es ist immer noch nicht ersichtlich, warum auch die Gruppe 22 – die militärische Abteilung des Kanzleramtes – laut Informationen der “Süddeutschen Zeitung” (4) die CDU-Kanzlerin Angela Merkel nicht über den Ablaufplan des Kunduz-Bombardements, sondern erst hinterher “jederzeit über den Stand der Untersuchungen zu dem Luftschlag” auf dem Laufenden hielt.
Der ehemalige Verteidigungsminister, Franz-Josef Jung (CDU), sein Staatssekretär Peter Wichert, sowie Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, mussten wegen der Staatsaffäre bereits von ihren Ämtern zurücktreten. Jungs Kabinettskollege, der damalige Aussenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), hat sein Wissen über die Vorgänge in Kunduz offenkundug vor der Öffentlichkeit verschwiegen. Was Steinmeier über die Affäre wirklich weiss, wird er nur gezungenermassen herausrücken, oder weiter Nebelkerzen und Ausflüchte absondern.
Vor der Bundestagswahl hatte die FDP am 17.August einen „Rückzugsplan“ für die deutschen Militäs aus Afghanistan ins Spiel gebracht. Nach und nach machten sich die Kriegsbefürworter davon. Steinmeier, der mit Händen und Füssen versuchte den von ihm als Kanzleramtsleiter Gerhard Schröders mitbegonnenen Krieg der SPD „noch 10 Jahre“ weiter führen zu können, stand zum Zeitpunkt des Luftangriffs unter gewaltigem innenpolitischem Druck. (5)
Am Tage des am frühen 4.Septembers erfolgten Luftangriffs lief, wie berichtet, im deutschen Isaf-Stützpunkt von 14.45-15.30 Uhr afghanischer Zeit die „Informationszusammenfassung CAS“. Anwesend war auch Steinmeiers Aussenamts-Beauftragter Regierungsbeauftragter Burkhard Ducoffre. Am Abend des 4.Septembers – nach Berliner Zeit – sagte der damalige SPD-Aussenminister Frank-Walter Steinmeier dann folgendes (6):
„Die Taliban schrecken offensichtlich vor nichts zurück, um die Sicherheit zu destabilisieren und Wiederaufbau unmöglich zu machen.“
Quellen:
(1) http://www.tagesschau.de/inland/truppenaufstockung102.html
(2) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,668196,00.html
(3) http://www.radio-utopie.de/2009/12/18/die-chroniken-von-kunduz-tiefer-staatstreich-in-berlin/
(4) http://www.sueddeutsche.de/politik/936/496254/text/
(5) http://www.radio-utopie.de/2009/08/22/eingeschraenkte-solidaritaet-beim-abzug/
(6) http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/afghanistan-jung-rechtfertigt-nato-luftunterstuetzung_aid_432878.html