Human Rights Watch zum Selbstmord von Abdul Basir
Afghanistan: Untersuchungen zur Todesursache in afghanischer Haftanstalt wurden durch Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC) zu dem Fall eingeleitet – verdächtige Verletzungen am Körper des Verstorbenen festgestellt
Einer der mutmasslichen Verdächtigen des Attentats auf das Gästehaus in Kabul verstarb in afghanischer Haftanstalt. (1)
Der Tod von Abdul Basir am 7. Dezember wirft weiterhin Fragen auf. Nach offiziellen Angaben beging er im Gefängnis Selbstmord, indem er sich plötzlich aus dem Fenster der Anstalt sprang und mehrere Etagen tief stürzte.
Am 8. Dezember übergaben die Behörden den Toten seiner Familie mit der Erklärung, der Vater würde eine Obduktion ablehnen.
Fotografien, die inzwischen Human Rights Watch vorliegen, zeigen den Verstorbenen mit kleinen dunklen Kreisen auf seiner Stirn, Schnitte auf dem Rücken, blaue Flecken an mehreren Stellen sowie einen großen Schnitt an seinem Schienbein. (2)
„Jeder Versuch der Sicherheitsdirektion, die Untersuchungen zur Todesursache zu blockieren, nährt nur eine Fülle von Verdachtsmomenten eines Missbrauchs.
Der Generalstaatsanwalt und die afghanische Unabhängige Menschenrechtskommission sollten unverzüglich die Ursache des Todes untersuchen und der Autopsie-Bericht sollte der Familie zugestellt werden.“
sagte Brad Adams, Direktor des Asienbereiches von Human Rights Watch.
Basir war etwa einen Monat lang im Zusammenhang mit dem am 28. Oktober erfolgten Angriff durch bis jetzt unbekannte Täter auf ein Kabuler Gästehaus, das viele Mitglieder von Organisationen der Vereinten Nationen beherbergte, inhaftiert, Radio Utopie berichtete über einige Ungereimtheiten in diesem Zusammenhang. (3)
Abdul Basirs Vater und zwei seiner Brüder wurden im Zusammenhang mit dem Anschlag ebenfalls festgenommen und befinden sich in Haft.
Ein Beamter der Nationalen Direktion für Sicherheitspolitik (NDS) sagte, dass Basirs Vater, Zalmai, eine Erklärung unterzeichnete, die bestätigt, dass Basir Selbstmord begangen hatte und dass eine Autopsie nicht erforderlich war, hiess es nach Angaben von HRW. Die Familie erzählte Human Rights Watch, dass NDS-Beamten ihnen mitgeteilt hätten, dass, wenn man den Toten bestattet, Basirs Brüder und der Vater freigelassen werden würden.
Die Familienangehörigen, die den Leichnam zur Beerdigung übergeben bekommen haben, waren über die Verletzungen am Körper besorgt und vermuteten darin Spuren von Folter. Sie übergaben den Körper der Forensische Abteilung des Gesundheitsministeriums, wo eine Obduktion durchgeführt wurde. Die Ergebnisse wurden nicht öffentlich gemacht, hiess es. Die Familie berichtete, dass Beamte des Geheimdienstes später zu dem Haus gekommen wären, wo der Tote nach aufgebahrt war und hätten den Befehl gegeben, den Toten nun zu beerdigen.
Die Familie sagte, dass sie versucht hatten, den Leichnam zum Parlament zu bringen, aber ein Auto des Sicherheitsdienstes hätte ihnen den Weg blockiert.
Eine afghanische Medieneinrichtung informierte Human Rights Watch darüber, dass sie vom Sicherheitsdienst NDS Anrufe erhalten hätten, nichts zu dem Vorfall zu berichten, weil er in den afghanischen Medien einer begrenzten Berichterstattung zu unterliegen hat.
Human Rights Watch hat viele Berichte über Folter während der Verhöre durch die Abteilung 17 erhalten. Der NDS verweigert weiterhin regelmässig den Zugang zu all seinen Einrichtungen der afghanischen Menschenrechtskommission und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz.
Die UN-Grundsätze für die wirksame Verhütung und Untersuchung von aussergerichtlichen, willkürlichen und summarischen Hinrichtungen verlangen, dass es
„eine gründliche, rasche und unparteiische Untersuchung“ aller Verdachtsfälle von unnatürlichem Tod im Gewahrsam geben muss.
Die Ermittlungen sollen „die Ursache, die Art und den Zeitpunkt des Todes, die verantwortliche Person, und jedes Muster oder Praxis, die über die Todesursache in Erfahrung gebracht werden können, feststellen. Es ist eine angemessene Autopsie, Erfassung und Analyse aller körperlichen und dokumentarische Beweise durchzuführen und Erklärungen von Zeugen zu belegen.“
Die genauen Methoden und Ergebnisse der Untersuchung müssen öffentlich gemacht werden, und die Regierung sollte sicherstellen, dass die Personen, die durch die Untersuchung ermittelt wurden, an einer rechtswidrigen Tötung teilgenommen zu haben, zur Rechenschaft gezogen werden.
Trotz zahlreicher glaubwürdiger Vorwürfe von Folter in NDS-Haft, machen die afghanische Regierung und die internationalen Geber keine Reform der Inhaftierung und Vernehmungspraktiken zur Priorität.
Die Sicherheitsbehörde betreibt weiterhin ohne klaren rechtlichen Rahmen, der ihre Kompetenzen definiert, ihre Untersuchungen, Verhaftungen und Gewahrsam.
„Die echte Bedrohung für Afghanistan, die durch extremistische Gruppen ausgeht, kann niemals den Rückgriff auf Folter rechtfertigen.
Missbrauch, der vermutet wird untergräbt nur die Legitimität der afghanischen Regierung und dient als Werber für den Aufstand.“
sagte Adams.
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31.10.2009 Afghanistan: Isaf sah Mord an UNO-Mitarbeitern stundenlang tatenlos zu
28.10.2009 NYT: Karzais Bruder organisiert als CIA-Agent Todesschwadronen aus altem “Taliban”-Hauptquartier
Quellen:
(1) http://www.radio-utopie.de/2009/12/10/afghanistan-verdachtiger-zum-anschlag-auf-uno-gastehaus-ist-tot/
(2) http://alertnet.org/thenews/newsdesk/HRW/426ec8e325881cfff1f5ce7bec0bbb1a.htm
(3) http://www.radio-utopie.de/2009/10/31/afghanistan-isaf-sah-mord-an-uno-mitarbeitern-stundenlang-tatenlos-zu/