Der offizielle Einmarsch in Jemen und Somalia ist durch das US-Militär plötzlich abgeblasen – vorerst. FDP-Aussenminister Guido Westerwelle zeigt in Sana´a Statur. Wie geht es nun weiter?
Man sah es Guido Westerwelle in der jeminitischen Hauptstadt Sana´a an, dass er vor Zorn bebte. Sogar SpOn (1), was am Montag extra seinen Korrespondenten Ralf Neukirch ins bis vor kurzem am völlig unbeachtete Nirgendwo am Horn von Arabien geschickt hatte, bekam es mit der Angst zu tun. Der schöne Krieg…
„Es sei „ziemlich direkt und ungeschminkt zur Sache gegangen“, hieß es in der deutschen Delegation. Aus dem Diplomatendeutsch übersetzt heißt das, dass man sich fast angeschrien hat.“
Ali Abdulla Saleh, Jemens Machthaber und Schurke reinsten Wassers, er hatte es einfach übertrieben. In der Erwartung, einen moralischen Steinmeier vor sich zu haben, versuchte er ein bisschen zu direkt im Austausch für die ach-so-unaufffindbaren deutschen Geiseln (denen es aber gut gehe) ein paar Millionen Euro „Hilfe“ zu erpressen.
Doch daraus wurde nichts: Westerwelle äusserte am Montag im Jemen, er setze auf eine „politische Lösung“ der urplötzlich als weltbedrohender Faktor herbergezerrten innenpolitischen Probleme eines Landes, welches auch die meisten Bundesbürger sicherlich immer noch schwer auf einer Landkarte finden würden.
Trotz heftigen Inszenierungsversuchen von allerlei Schrecken und Szenarien in den letzten Wochen: es wurde nichts mit der von manchen ersehnten Verkündung einer deutschen Militärintervention – jedenfalls vorerst. Das Sprungbrett an den Persischen Golf, der geostrategische Fahrkartenschalter an der Meerenge zwischen Asien und Afrika, er bleibt vorerst nur durch die Jeminiten und die geheim operierenden Einheiten der USA und EU-Staaten besetzt. Reguläre Verbände, Bodentruppen, das ganze Geschrei und Getue einer offiziellen dritten Front von USA, EU und Nato, es blieb aus.
Dafür hatten die US-Militärs am Wochenende alle Hände voll zu tun, um einer wochenlang heissgeredeten US-Öffentlichkeit zu erzählen, dass sie die Chips wieder einpacken kann: es werde nach Irak und Afghanistan keinen „dritten Krieg“ im Jemen geben. Nicht einmal ein kleines Massaker, vielleicht mit 140 toten „Verdächtigen“ oder so. Erstmal ist Schluss.
Der Befehlshaber des US-Zentralkommandos und leitende Militärdiktator der USA, General David Petraeus, hatte am Sonntag in seinem Hauptquartier die CNN-Moderatorin Christiane Amanpour zu Gast (2):
Amanpour: Sie waren gerade in Jemen und sind gerade aus dem Jemen zurückgekehrt. Sie hatten Gespräche mit dem Präsidenten von Jemen. Werden die Vereinigten Staaten da eine direkte Verwicklung erleben – anders ausgedrückt, Truppen am Boden oder das Starten von Militärschlägen vom Territorium Jemens aus?
Petraeus: Nun, in der Tat, Sie haben ja auch mit dem jeminitischen Aussenminister gesprochen und er war da sehr deutlich, dass Jemen keine amerikanischen Bodentruppen haben will. Und das ist eine gute — gute Antwort für uns zu hören, sicherlich. Wir..
Amanpour: Sie wollen dort keine Bodentruppen stationieren.
Petraeus: Nein, natürlich nicht, wir würden immer wollen, dass eine gastgebende Nation ein Problem selber löst. Wir wollen helfen. Wir stellen Unterstützung zur Verfügung. Also werden wir im Laufe dieses Jahres mehr Unterstützung bereitstellen, als wir das im letzten Jahr getan haben, nachdem wir, wie ich denke, es ausgeschöpft haben im zurückliegenden Haushaltsjahr 2008, wie Sie sich erinnern werden. Also ist das eine Bemühung von uns ihnen zu helfen, mit einem Problem umzugehen, welches ganz besonders die Durchsetzungsfähigkeit ihrer Regierung und ganz besonders deren Existenz bedroht, so wie wir sie kennen.“
General Petraeus versuchte dann plausibel zu erläutern, warum die US-Subventionen für Jemens Regime von 70 Millionen Dollar auf ebenso läppische 150 Millionen Dollar angehoben werde und machte, wie nebenbei, Geldzahlungen der Saudis an das Regime in Sana´a von immerhin 2 Milliarden Dollar öffentlich – innerhalb eines einzigen Jahres. Laut Petraeus haben ausserdem die Vereinigten Arabischen Emirate „zwischen 600 und 700 Millionen Dollar“ für das Regime Jemens zugesagt. Da sage noch einer, so ein bisschen „al-Qaida“ im Land lohne sich nicht.
Ein wichtiges Stichwort lässt sich der General dann von CNN-Moderatorin Amanpour vorsagen: einem „systemischen Wechsel“ der US-Militärstrategie.
Amanpour:..Stimmen Sie zu, dass diese Leidenschaft für schnelle Resultate, diese Kurzfristigkeit die den Vereingten Staaten oft zugeschrieben werden, sich ändern muss? Denken Sie, es braucht einen systemischen Wechsel für Themen wie den Jemen, wobei es so offensichtlich ist, wie so viele Leute sagen, dass die zermürbende Armut dort ein solches Werkzeug der Rekrutierung ist?
Petraeus: Ich denke, das stimmt genau. Ich denke wirklich, dass wir bei dieser Schlussfolgerung angelangt sind. Ich denke, dass wir erkennen, dass dies keine kurzfristigen Probleme sind. Dies sind keine Kampagnen, in denen Du eine Streitmacht antreten lässt, den Hügel nimmst, die Flagge aufpflanzt und dann nach Hause zur Siegesparade gehst. Dies sind Bemühungen, die in ihrer Natur umfassend sein müssen, und sie müssen andauernd in ihrem Zeitrahmen sein.
Die Vereinigten Staaten von Amerika, welche immer mehr Form und Inhalt einer Militärdiktatur Südamerikas während der 70er Jahre annehmen, sind mit ihrer geplanten Intervention im Jemen gegen die Wand gelaufen und rudern nun zurück.
Bereits am Freitag hatte der formal ranghöchste US-Militär, Generalstäbe-Chef Mike Mullen, in einem am Sonntag ausgestrahlten CNN-Interview hin- und herrudernd erklärt (3):
„Wir haben grossen Respekt für den Präsidenten dort, was seine, seine Beurteilung, was das angeht, was er zu tun gedenkt. Und im Augenblick, was irgendeine Art von Bodentruppen dort angeht, hinsichtlich der Vereinigten Staaten, das ist einfach keine – Möglichkeit. Er ist einfach, wir sind nicht, in diese Diskussionen verstrickt.“
Das hatte sich noch am 7.Januar ganz anders angehört. Da hiess es durch einen Washingtoner Denkpanzer („think tank“), die USA hätten sich mit Jemens Regime auf die Errichtung eines Luftwaffenstützpunktes auf der jeminitischen Insel Soccotra geeinigt (4). Und kurz vorher waren die US-Behörden zwar angeblich vom vermeintlichen Flugzeut-Attentat in Detroit schwer überrascht worden, hatten es aber trotzdem geschafft, schon Tage später „seit längerem“ Ziele für einen Militärschlag ausgespäht zu haben. Der „Süddeutschen Zeitung“ (5) (als eines von vielen mähdialen Hitzeopfern, trotz der dafür so untypischen klimatischen Bedingungen) fiel offenbar gar nicht auf, was sie da am 30.Dezember schrieb:
„Antwort auf den Attentatsversuch: Laut Medienberichten wollen die USA Stellungen von al-Qaida im Jemen bombardieren. Seit längerem wurden bereits Ziele ausgespäht – Präsident Obama muss nur noch den Befehl für einen Angriff erteilen.“
Am gestrigen Montag nun folgte der US-Präsident der neuen Linie seiner Generäle und hielt sich dabei, wie üblich, alle Türen für Kriegsgelegenheiten offen. Gleichzeitig machte Obama deutlich: ohne internationale Unterstützung wird es für die USA schwer möglich sein, noch einen Krieg vom Zaun zu brechen (6):
„Ich schliesse niemals irgendeine Möglichkeit aus, in einer Welt, die so komplex ist..In Ländern wie Jemen, in Ländern wie Somalia, denke ich, ist an diesem Punkt mit internationalen Partnern zu arbeiten das Effektivste“
Am 27. Januar ist nun in London die „Afghanistan-Konferenz“ der Besatzungsmächte. Gleichzeitig findet am selben Ort, mit den gleichen Teilnehmern, eine „Jemen-Konferenz“ statt.
Allerdings: für die Befürworter eines umfassenden eskalierenden Krieges in Asien, mit drei Kriegen in drei Ländern rund um den Iran, dürfte die Luft mit jedem Tag dünner werden.
Artikel zum Thema:
11.01.2010 Geiseln im Jemen als Faustpfand der Regierungsmächte
10.01.2010 Deutsche Kriegsmarine: Kurs nach Südafrika – und Mittelmeer
10.01.2010 Iran Situation: Jemen soll “Thema” bei “Afghanistan-Konferenz” werden
05.01.2010 USA: Statist von Militärdiktator Petraeus kündigt Erklärung an
05.01.2010 Flug 253 Chronologie: Akt III – von Detroit nach Jemen
04.01.2010 Flug 253 Chronologie: Akt II – von London nach Houston
03.01.2010 Flug 253: Chronologie einer Inszenierung
03.01.2010 Jemen: Abzug der Diplomaten der USA und Grossbritannien – Ankunft der Spezial-Einsatzkräfte
03.01.2010 U.S. General Petraeus im Jemen – der Kriegsbogen wird jetzt straff über das Meer nach Somalia gespannt
28.12.2009 Hände weg vom Iran! Kein Krieg im Jemen und in Pakistan! Deutsche Truppen nach Hause!
Quellen:
(1) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,671253,00.htm
(2) http://transcripts.cnn.com/TRANSCRIPTS/1001/10/ampr.01.html
(3) http://www.nytimes.com/aponline/2010/01/08/us/AP-US-Mullen-National-Security.html
(4) http://www.radio-utopie.de/2010/01/07/us-militar-plant-luftwaffenstutzpunkt-im-jemen/
(5) http://www.sueddeutsche.de/politik/679/498965/text/
(6) http://www.nytimes.com/2010/01/11/world/middleeast/11prexy.html