„Halt oder ich schiesse“: Warum die Bundeswehr persisch lernt

Der parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) wird im Bundestag von MdB Inge Höger (Linke NRW) zur Iran Situation befragt. Das Ergebnis ist ein selten offener Einblick in die, trotz Kunduz-Affäre und Kunduz-Spendenskandal, akute Gefahrenlage durch Regierung und Militärapparat.

Es ist der Tag der Rede des israelischen Staatspräsidenten Shimon Perez im Parlament, knapp ein Jahr nach dem Angriffskrieg Israels gegen den Gazastreifen, bei dem über 1000 Palästinenser getötet wurden. Am 27.Januar 2010 nun ergreift die linke Bundestagsabgeordnete Inge Höger aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen das Wort und befragt den parlamentarischen Staatssekretär des Militärministeriums („Verteidigungsministerium“) Christian Schmidt (CSU).

Schmidt, ehemaliger Gebirgsjäger der Bundeswehr, ist seit knapp 20 Jahren im Parlament. Von 1994 bis 1998 war er Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, deren Vorsitzender heute der Abgeordnete Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen) und dessen Vize-Vorsitzender Thomas Oppermann (SPD) ist. Diese Abgeordneten hatten diese Funktion auch zu Zeiten des Gazakrieges vor einem Jahr inne. Sie schwiegen zu den mittlerweile auch im Goldstone-Bericht vor der Weltöffentlichkeit bewiesenen Kriegsverbrechen Israels und zum Massenmord an palästinensischen Zivilisten.

2005 wurde durch die Bundestagsabgeordneten der SPD, CDU und CSU Angela Merkel zur Kanzlerin Deutschlands gewählt. Christian Schmidt kam in sein heutiges Amt durch zwei damals folgende Ernennungen: die Kanzlerin ernannte Franz Josef Jung (CDU) zum Oberbefehlshaber des Militärs und Verteidigungsminister, dieser ernannte Christian Schmidt zu seinem parlamentarischen Staatssekretär.

Als Staatssekretär setzte sich Schmidt, Präsident der „Deutschen Atlantischen Gesellschaft“ und Mitglied der „Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit“, für die Rehabilitierung des Wehrmachts-Piloten Werner Mölders ein. Dieser hatte nach der Machtergreifung des Faschismus in Deutschland als Mitglied der nach Spanien entsandten Legion Condor das dortige verbündete faschistische Regime Francos im spanischen Bürgerkrieg unterstützt.

Durch die Luftangriffe der faschistischen deutschen Legion Condor kamen ungezählte Spanier um´s Leben. Die Zerstörung der Stadt Guernica durch die deutsche Luftflotte ist heute noch ein weltweit bekanntes Symbol des Schreckens (1). Dies zeigte sich zuletzt am 5. Februar 2003 bei den Vereinten Nationen (UNO) in New York. An jenem Tag hatte der damalige US-Außenminister Colin Powell im UN-Weltsicherheitsrat in einer mittlerweile legendären „Präsentation“ Falschmeldungen über angebliche Massenvernichtungswaffen des Irak verbreitet. Anschliessend rief er zu einer Pressekonferenz. Doch bevor er diese Lügen vor den Augen der Welt abermals wiederholte, ließ er die dort befindliche Kopie des Gemäldes „Guernica“ von Pablo Picasso zuhängen. (2)

Bis heute starben nach der Invasion US-geführter Koalitionstruppen, an denen CDU, CSU und FDP eine deutsche Beteiligung gefordert hatten, im Irak etwa anderthalb Millionen Menschen. Motiv für den Einmarsch damals u.a.: der Schutz Israels, welches durch den Irak während des ersten Irak-Krieges („Golfkrieg“) im Jahre 1991 mit Raketen beschossen worden war. In einem Berater-Papier für die Regierung Benjamin Netanjahu vor 14 Jahren wurde der Sturz des Regimes von Saddam Hussein im Irak als „wichtiges israelisches strategisches Ziel“ bezeichnet. Viele jüdische Stimmen aus dem Friedenslager sehen neokonservative Kreise und Israel-Lobbyisten hinter dem forcierten Einmarsch der US-geführten Kriegskoalition im Irak 2003. (3)

Die Regierung Merkel bedroht derzeit den Iran verfassungswidrig und illegal mit einer Seeblockade. Dies wäre ein Akt des Krieges, eines Angriffskrieges. Allein die Vorbereitung eines Angriffskrieges ist durch unsere Verfassung, die von Parlament und Regierung nicht mehr respektiert und regelmässig gebrochen wird, bei Strafandrohung verboten. (CHRONOLOGIE DER IRAN SITUATION: Angela Merkel, die illegale Kriegskanzlerin 19.Januar 2010)

Es ist der 27.Januar 2010 im Parlament der Berliner Republik: (4)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Inge Höger auf: Warum druckt das Bundessprachenamt, das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung gehört, den 61-seitigen „Persisch-Sprachführer für die Bundeswehr“ – Nachdruck: Mai 2008 –, dessen Vokabular sich insbesondere auf den Iran bezieht und militärische Befehle beinhaltet?

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Es geht – damit das jeder nachvollziehen kann – um die Übersetzung von militärischen Befehlen. Die persische Sprache ist eine Sprache, die auch in Afghanistan gesprochen wird. Daraus ergibt sich, dass es im Hinblick auf die Kommunikationsfähigkeit unserer Soldaten Sinn macht, ihnen eine Handreichung zu geben. In Ihrer Frage wird möglicherweise insinuiert – dieser Eindruck entsteht, da ja ein Artikel aus der Jungen Welt die Grundlage für Ihre Frage ist –, dieser Sprachführer sei eine Vorbereitung für was wann wie auch immer. In diesem Sprachführer ist eine Stadt erwähnt, das ist die Stadt Köln. Der Satz „Ich stamme aus Köln“ wird in die Sprache Dari übersetzt; ich kann das leider nicht vortragen.
Wenn die Frau Präsidentin mir das gestattet, möchte ich mir erlauben, darauf hinzuweisen, dass in diesem Hohen Hause vor wenigen Stunden der Bundestagspräsident den israelischen Staatspräsidenten begrüßt hat und dabei auf die Bedrohungslage Israels hingewiesen und das Existenzrecht Israels bekräftigt hat. Der israelische Staatspräsident hat aus der Rede, die die Bundeskanzlerin vor dem amerikanischen Kongress gehalten hat, zitiert: Ein Angriff auf Israel kommt einem Angriff auf Deutschland gleich.
Der missverständliche Eindruck, der aus Ihrer Frage heraus möglicherweise entsteht, ist in diesem Hause heute – Sie gestatten mir diese Bewertung – völlig fehl am Platze.
Zum Inhalt habe ich weiter nichts zu sagen, weil die Frage jeglicher Substanz entbehrt.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin Höger.

Inge Höger (DIE LINKE):
Ich finde, dass ich als Parlamentarierin durchaus das Recht habe, zu fragen, warum die Bundesregierung einen Sprachführer mit militärischem Vokabular in iranischer Sprache druckt.

(Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär: Ich habe doch geantwortet! Ist doch beantwortet! Haben Sie ein Problem? – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn?)

Ich habe jetzt eine Zusatzfrage. Das ist auch mein gutes Recht. Meine Zusatzfrage ist – –

(Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär: Doch, doch! Schon beantwortet!)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat die Kollegin Höger.

Inge Höger (DIE LINKE):
In diesem Sprachführer kommt zum Beispiel der Satz vor: „Der Iran ist ein sehr schönes Land.“ Daher kann man schon den Eindruck haben, dass sich die Bundeswehr auf weitere Auslandseinsätze, zum Beispiel auch im Iran, vorbereitet. Ich hätte gern eine Antwort darauf, ob das so ist.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bleiben Sie gelassen! Das ist nicht einfach! Ich weiß, dass es schwer ist, dabei gelassen zu sein!)

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Frau Kollegin Künast, ich bleibe gelassen. Bleiben Sie auch gelassen! Sie sind gar nicht gefragt; aber auch Sie waren heute dabei: Wir haben in diesem Hause über andere Dinge, über unsere Geschichte und über die Bedrohung, die durch den Iran entsteht, diskutiert. – Frau Höger, hier bleibe ich nicht gelassen und sage: Wenn der Satz „Der Iran ist ein sehr schönes Land“ im Sprachführer steht, dann soll das so sein. Was Sie darin lesen können oder nicht, bleibt Ihnen überlassen. Jedenfalls wird die Bundesregierung hierzu keine Stellung nehmen.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Die Schweiz ist auch ein schönes Land, und kein Mensch will da einmarschieren!)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Inge Höger (DIE LINKE):
Ich möchte gerade nichts hineininterpretieren.

(Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär: Na gut! Dann fragen Sie nicht!)

Deshalb möchte ich diese Frage stellen.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Die Frau Kollegin hat noch die Möglichkeit zur zweiten
Zusatzfrage.

Inge Höger (DIE LINKE):
Es waren weitere Formulierungen in diesem Sprachführer enthalten, zum Beispiel „Wir gehören zu den UNO-Peacekeeping-Kräften“, „Halt oder ich schieße!“, „Die Hände hoch!“ oder „Widerstand ist zwecklos!“ Warum will das Verteidigungsministerium Bundeswehrsoldaten diese Sätze auf Persisch beibringen?

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Weil es in Afghanistan Leute gibt, die als erste Sprache Persisch sprechen. Das ist zwar nicht im Norden der Fall, aber Afghanistan ist ein großes Land. Wer einmal in Herat gewesen ist, der weiß durchaus, dass es dort eine große iranische Minderheit gibt. Das geht übrigens sogar so weit – das will ich bei dieser Gelegenheit sagen –, dass es dort ein durchaus positives iranisches Engagement in der praktischen Entwicklungszusammenarbeit gibt. Ich weiß von einem Projekt im Norden der Provinz Herat, das die deutsche Nichtregierungsorganisation Help betreut, bei dem es ein Investment vonseiten der iranischen Behörden gibt, in Form von Schulbauten. Allerdings muss die Kommunikation in diesen Schulen in persischer Sprache stattfinden.
Ich möchte Sie – wenn ich das noch sagen darf – bei aller Gelassenheit und mit Respekt vor Ihrem Recht, Fragen zu stellen, bitten, zu reflektieren, ob man es nicht beim Komplex der Fragestellung und bei meinen Antworten
bewenden lassen sollte. Man sollte tatsächlich nicht Dinge „hineingeheimnissen“, die nicht da sind. Wir können uns gemeinsam bei anderer Gelegenheit mit dem Autor der Jungen Welt und seinen kruden Vorstellungen
auseinandersetzen.“

Kommentar

Es fällt wirklich schwer, angesichts dieser systematischen Vorbereitung eines weiteren Angriffskrieges, eines weiteren imperialen Massakers aus niederen Bewegunggründen, aus Profitgier der Kriegsindustrie, aus Frofitgier der Banken und Gelderfinder, aus Machtgier und Mordlust der Militärs, sachlich zu bleiben. Man wünscht sich bei diesen Filmaufnahmen nur noch eins: selbst im Parlament zu sitzen und diesem Faschisten da oben zu sagen, dass er seine Schnauze halten und nicht pampig werden soll, weil er gefälligst die Fragen des Parlaments zu beantworten hat. Was für ein verdammter Abgrund der Heuchelei und Lügen.

Es fällt auf, wie zuckersüss der CSU-Condor Schmidt dann auf einmal wird, als MdB Höger in ihrem dritten Nachhaken die weiteren Zitate der hilfreichen Übersetzung für das Militärhandbuch auspackt – für eine Sprache, die in der deutschen Besatzungszone nicht gesprochen wird, aber für die Kommunikation zwischen iranischen Beamten mit „Nichtregierungsorganisationen“ wie  „Help“ (deren Vorstandsmitglied Schmidt ist) im Südwesten Afghanistans wichtig sein soll.

Auch das plötzliche Stocken des netten Militärs im Hintergrund (samt aufmerksamem Blick Richtung linke Ecke/Sozens in der Runde), als die Rede von den „UNO-Peacekeeping-Kräften“ auftaucht, ist durchaus interessant und höchst verständlich:

wenn man weiss, dass in Afghanistan keine „UNO-Peacekeeping-Kräfte“, sondern Nato-Truppen sind.

Und wer es heute immer noch nicht mitbekommen hat: deutsche Kampfbomberpiloten werden in Israel ausgebildet (5). Interessanterweise hat das die israelische Regierung selbst an die deutsche Presse durchsickern lassen. Angeblich geht es um den Einsatz von Drohnen in Afghanistan. Das ist eine weitere zynische Farce obendrauf. Die „Tornado“-Vollmacht für den Einsatz der deutschen Luftwaffe in Afghanistan, welches im März 2007 nach den üblichen „Terror“-Drohungen und Witz-Videos durch´s Parlament gewunken wurde, umfasst auch den Drohneneinsatz. Darüber redet bloss niemand. Und schon lange vorher wurden das deutsche Militär Drohnen eingesetzt: die „CL- 289“ ab Januar 1997 im Kosovo und in Afghanistan die „Luna“ und „Aladin“ vom deutschen Heer, übrigens seit 2005 (6). Also was soll der Blödsinn?

Diese neue Pressekampagne soll die deutsche Öffentlichkeit lähmen, in die Irre führen und den Menschen in der Berliner Republik das Gefühl geben, dass die Jerusalemer Regierung – dieser erbärmliche Verräter aus der „Arbeitspartei“ Shimon Peres und der Kriegsverbrecher und skrupellose Mörder Ehud Barak vorneweg –  hier irgendwas zu melden hätte. Hatsie aber nicht.

Diese rechtsradikale Regierung von Kriegsverbrechern kann jede Sekunde versuchen, wie es ist, wenn man durch noch einen Massenmord und Angriffskrieg den eigenen Staat noch mehr ruiniert und weltweit isoliert. Die Deutschen werden da nicht mitmachen. Das ist so sicher, wie der Himmel selbst.

Das Gleiche gilt für Washington. Dieses abgeschmackte Imperium, was mit seinem Militär versucht seine Luftwährung unter zerstörte Landschaften zu bringen, sollte jetzt ein für allemal begreifen, dass es keinen Krieg mit den Deutschen geben wird – egal für was, egal gegen wen und egal, was noch passiert. Man könnte es in Washington mal mit einem fairen Angebot an den Iran versuchen und dafür diese ganzen aufdringlichen Schlemihls vor der Tür lassen, die nichts lieber tun, als Verträge zu entwerfen die niemand versteht, weil sie niemand mehr richtig durchliest, weil die noch länger werden, wenn es jemand versucht.

Die Deutschen sollten wiederum endlich begreifen, dass man Frieden und Freiheit nicht behält, wenn man diese Werte nicht standhaft verteidigt – wenn es sein muss, auch gegen die eigene Regierung und Vorgesetzten.

(…)

Quellen:
(1) http://www.friwe.at/guernica/GuernicaGeschichte.htm
(2) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/14/14301/1.html
(3) http://www.jewishvoiceforpeace.org/publish/article_237.shtml
(4) http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/plenarprotokolle/17018.pdf
(5) http://www.ftd.de/politik/international/:umgang-mit-drohnen-israel-trainiert-bundeswehr-fuer-afghanistan/50067194.html
(6) http://www.europaeische-sicherheit.de/alt/2005/2005_05/04%20Erbe/2005,05,04,01.html

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