DIE MACHT DER ALBTRÄUME – Der Aufstieg der Politik der Furcht

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Episode I: Baby, es ist kalt da draussen

Übersetzung der Dokumentation „The Power of Nightmares – The Rise of Politics of Fear“, Episode I: „Baby, It´s Cold Outside“
Erstausstrahlung auf BBC 2, am 20.10.2004, 21 Uhr
Geschrieben und produziert von Adam Curtis
Transkript englisch: vaara
deutsche Übersetzung: Mahaf (Radio Utopie)

Download der dreiteiligen Dokumentation auf Archive.org

Sprecher: In der Vergangenheit versprachen Politiker, eine bessere Welt zu erschaffen. Sie bedienten sich diverser Methoden um dies zu erreichen. Aber ihre Macht und Autorität resultierten aus den optimistischen Visionen, die sie ihrem Volk darboten. Jene Träume scheiterten jedoch. Und heute hat die Bevölkerung den Glauben an Ideologien verloren. Zunehmend werden Politiker nur noch als Organisatoren des öffentlichen Lebens angesehen. Doch nun haben sie eine neue Rolle entdeckt, die ihre Macht und Autorität wieder herstellt. Anstelle des Lieferns von Träumen versprechen sie nunmehr, uns zu beschützen – vor Albträumen. Sie sagen, dass sie uns vor entsetzlichen Gefahren retten werden, die wir weder erkennen noch verstehen könnten. Und die allergrößte Gefahr von allen sei der internationale Terrorismus. Ein machtvolles und finsteres Netzwerk, mit Schläferzellen, die sich über die gesamte Welt erstrecken. Eine Bedrohung, die durch einen Krieg über Terror (”war on terror”) bekämpft werden müsse. Aber viel von dieser Bedrohung ist eine Fantasie, welche von Politikern übertrieben und verzerrt dargestellt worden ist. Es ist eine düstere Illusion, die, ohne hinterfragt zu werden, sich durch Regierungen, Sicherheitsdienste und die internationalen Medien verbreitete.

Hier ist also eine Reihe von Filmen, die darüber Aufschluss geben sollen, wie und warum diese Fantasie erzeugt wurde und wem sie nützt. Im Kern der Geschichte geht es um zwei Gruppen: Die amerikanischen Neokonservativen und die radikalen Islamisten. Beide waren Idealisten, die aus dem Scheitern des liberalen Traums geboren wurden, eine bessere Welt zu erschaffen. Und beide hatten eine sehr ähnliche Erklärung dafür, was die Ursache für dieses Scheitern war. Diese beiden Gruppen haben die Welt verändert. Aber nicht in der Art und Weise, wie sie diese jeweils anstrebten. Zusammen erschufen sie die heutige Albtraumvision eines geheimen, organisierten Bösen, daß die Welt bedroht. Eine Fantasie, von der Politiker dann feststellten, dass diese ihre Macht und Autorität in einem desillusioniertem Zeitalter wiederherstellte. Und die mit den düstersten Befürchtungen wurden die Mächtigsten.

[Eröffnung des Titels: Die Macht der Albträume – Der Aufstieg der Politik der Furcht – Erster Teil: Baby, es ist kalt da draussen]

Sprecher: Die Geschichte beginnt im Sommer 1949…

[Titel: Colorado 1949]

…als ein Schulinspektor mittleren Alters aus Ägypten in der Kleinstadt Greeley in Colorado eintraf. Sein Name war Sayyed Qutb. Qutb wurde in die vereinigten Staaten entsandt, um deren Bildungssystem zu studieren und so schrieb er sich ein am örtlichen staatlichen College. Seine Fotografien erscheinen im Jahresbuch des College. Aber Qutb war dazu bestimmt, viel mehr zu werden als nur ein Schulinspektor. Aufgrund seiner Erfahrungen mit Amerika in diesem Sommer machte sich Qutb daran, eine Reihe machtvoller Ideen zu entwickeln, der direkt jene inspirieren sollte, welche die Flugzeuge in den Angriffen des 11. Septembers flogen. Während er durch das Land reiste, wurde er in zunehmendem Maße gegenüber Amerika desillusioniert. Genau die Dinge, die das Land, oberflächlich betrachtet, blühend und glücklich erscheinen ließen, sah er als Anzeichen für innere Korruption und Verfall.

John Calvert, Islamismus-Historiker: „Dies war Trumans Amerika, und heutzutage sehen viele Amerikaner dieses als das goldene Zeitalter ihrer Zivilisation an. Aber Qutb sah eine verborgene Seite dahinter. Überall um ihn herum war Grobheit, Korruption, Gemeinheit, Gerede was sich um  Filmstars und Autopreise drehte. Es machte ihn ausserdem betroffen, daß die Einwohner von Greeley eine Menge Zeit damit verbrachten, ihren Rasen zu pflegen, die Hecken zu stutzen, den Rasen zu mähen. Dies war für Qutb bezeichnend für die selbstbezogene und materialistische Seite der amerikanischen Lebensweise („American way of Life“). Amerikaner lebten dieses isolierte Leben, umgeben von ihrem Rasen. Sie lechzten nach materiellen Gütern. Und das, so sagt Qutb ziemlich lapidar, ist der Geschmack von Amerika.“

Sprecher: Was Qutb zu sehen glaubte, war eine versteckte und gefährliche Wirklichkeit unter der Oberfläche des gewöhnlichen, amerikanischen Lebens. In einer Sommernacht ging er zu einer Tanzveranstaltung einer dortigen Kirche. Später schrieb er, daß dies, was er in jener Nacht sah, seine Vision herauskristallisierte.

Calvert: „Er spricht darüber, wie der Pastor einen der tagesaktuellen BigBand-Hits auf dem Grammophon spielte:“Baby, es ist kalt da draussen“. Er fuhr das Licht herunter um einen traumhaften, romantischen Effekt herzustellen. Und dann, sagt Qutb, berührten Brüste einander, Arme umschlossen Taillen und der Saal war voller Lust und Liebe.“

Sprecher: Für die meisten Leute, die diesen Tanz betrachten würden, hätte dies ein Bild der unschuldigen, jugendlichen Glückseligkeit abgegeben. Aber Qutb sah etwas anderes: Die Tanzenden vor ihm waren tragisch verlorene Seelen. Sie glaubten, frei zu sein. Aber in Wirklichkeit waren sie gefangen durch ihre eigenen, selbstsüchtigen und gierigen Leidenschaften. Die amerikanische Gesellschaft schritt nicht voran, sondern warf die Leute zurück. Sie wurden zu isolierten Wesen, die von primitiven animalischen Kräften gesteuert wurden. Solche Kreaturen, so glaubte Qutb, könnten die wesentlichen Bindungen zersetzen, welche die Gesellschaft zusammenhielten.  Und in dieser Nacht entschloss er sich dazu, diese Kultur des selbstsüchtigen Individualismus daran zu hindern, sein eigenes Land zu übernehmen.

[Titel: Chicago]

Sprecher: Aber Qutb war nicht allein. Zur gleichen Zeit gab es jemand anderen in Chicago, der die selben Befürchtungen bezüglich der zerstörerischen Kraft des Individualismus in Amerika teilte. Er war ein undurchsichtiger, politischer Philosoph an der Universität von Chicago. Aber seine Ideen würden ebenso weitreichende Konsequenzen haben, denn sie würden die formende Kraft hinter der neokonservativen Bewegung werden, die nunmehr die amerikanische Regierung dominiert. Sein Name war Leo Strauss. Strauss ist eine geheimnisumwitterte Figur. Er lehnte es stets ab, gefilmt oder befragt zu werden. Er widmete seine Zeit der Erschaffung einer loyalen Studentenverbindung. Und was er ihnen beibrachte, war, daß die floriende, liberale Gesellschaft, in der sie lebten, die Saat der Selbstzerstörung enthielt.

Professor Harvey Mansfield, „Straussianischer“ Philosoph, Harvard Universität: „Er gab weder Interviews, noch schrieb er politische Essays, oder erschien im Radio – es gab nicht einmal TV oder solche Dinge. Was er jedoch wollte, war Studenten dahingehend zu schulen, zu sehen, was er gesehen hatte: Daß westlicher Liberalismus zu Nihilismus führte und am Ende eine Entwicklung durchgemacht hätte, die sowohl eine Selbstdefinition als auch eine Selbstverteidigung unmöglich gemacht hätte. Eine Entwicklung, die all das Lobenswerte und Bewundernswerte dem menschlichen Wesen entzogen hätte und uns zu zwergenhaften Tieren gemacht hätte. Uns in Herdentiere verwandelnd – kranke kleine Zwerge, zufrieden mit einem gefährlichen Leben, in dem nichts wahr und alles erlaubt ist.“

Sprecher: Strauss glaubte, daß die liberale Idee der individuellen Freiheit die Menschen dazu verleitete, alles infrage zu stellen – alle Werte, alle moralischen Wahrheiten. Stattdessen würden die Menschen dazu verleitet, ihren eigenen, selbstsüchtigen Begehrlichkeiten zu folgen. Und dies drohe, die allgemeinen Werte zu zerreissen, welche die Gesellschaft zusammenhielten. Strauss glaubte jedoch, daß es einen Weg gab, dies zu unterbinden. Es war an den Politikern, mächtige und inspirierende Mythen zur Geltung zu bringen, an die jedermann glauben konnte. Mochten sie auch nicht wahr sein – sie würden notwendige Illusionen sein. Eine davon wäre Religion; eine andere der Mythos von der Nation. Und in Amerika – so die Idee – hätte das Land das einigende Schicksal, die Kräfte des Bösen in aller Welt zu bekämpfen. Dieser Mythos wirke versinnbildlichend, erzählte Strauss seinen Studenten in seinem Lieblings-TV-Programm: „Knarrenrauch“.

Professor Stanley Rosen, 1949 Schüler von Leo Strauss: „Strauss war ein großer Fan des amerikanischen Fernsehens. „Knarrenrauch“ war sein großer Favorit und er eilte vom Seminar, welches um, wissen Sie, um 17:30 h oder so endete, nach Hause und ein hastiges Abendessen zu sich zu nehmen und rechtzeitig in seinem Fernsehsessel zu sein wenn „Knarrenrauch“ kam. Und er fand, daß sie gut war, diese Show. Sie hatte einen heilsamen Effekt auf die amerikanische Öffentlichkeit, weil sie den Konflikt zwischen Gut und Böse auf eine Art darstellte, die jedem unmittelbar einleuchten würde“.

Der Bösewicht in „Knarrenrauch“: “ Mal sehen, was passiert!“
James Arness: „Nein!“ [erschießt den Bösewicht – Bösewicht fällt zu Boden]

Rosen: „Der Held trägt einen weißen Hut; er zieht schneller als der Bösewicht; der Gute gewinnt. Und es nicht nur so, daß der Gute gewinnt, sondern die Werte sind klar. Das ist Amerika! Wir werden über die Bösen von..von…triumphieren, die versuchen uns zu zerstören und die Tugenden der Westlichen Front („Western Frontier“). Gut und Böse.“

Sprecher: Leo Strauss‘ andere Lieblingssendung war „Perry Mason“. Und diese – so erzählte er seinen Studenten – versinnbildlichte die Rolle, die sie als die Elite zu spielen hätten. In der Öffentlichkeit sollten sie die Mythen vorantreiben, die notwendig seien um Amerika vor dem Verfall zu retten. Im Privaten jedoch müssten sie diese nicht glauben.

Rosen:“ Perry Mason unterschied sich von Knarrenrauch. Der äußerst gerissene Mann ist, soweit wir das sehen können, sehr rechtschaffen und nutzt seine hohe Intelligenz und Geistesgegenwärtigkeit, um seine Mandanten aus Gefahren zu erretten. Aber er könnte uns an der Nase herumführen. Weil er clverer als wir ist. Sagt er wirklich die Wahrheit? Vielleicht ist sein Mandant ja schuldig?“

Sprecher: 1950 reiste Sayyed Qutb aus Amerika nach Ägypten zurück. Auch er war entschlossen, einen Weg zu finden, um die Zwänge des selbstsüchtigen Individualismus zu kontrollieren. Und während er reiste, faßte er einen neuen Gesellschaftstypus ins Auge. Er würde all die modernen Vorzüge der westlichen Wissenschaft und Technologie haben, aber ein politischerer Islam würde eine zentrale Rolle dabei spielen, den Individualismus im Zaum zu halten. Er würde ein moralisches Rahmenkonzept vorschreiben, dass die Menschen daran hindern würde, von ihren selbstsüchtigen Begierden überwältigt zu werden. Aber Qutb erkannte, daß sich die amerikanische Kultur bereits auf Ägypten ausdehnte und die Massen ihrem verführerischen Traum in die Falle gingen. Es bedurfte, so glaubte er, einer Elite – eine Avantgarde, welche diese Illusionen von Freiheit, genau der, welche er in Amerika gehabt hatte, durchschauen und dann die Massen führen würde, die höhere Wahrheit zu erkennen.

Dr. Azzam Tamimi, Institut für islamische politische Theorie:“Die Massen müssen angeführt werden. Und es ist diese Avantgarde-Gruppe, die verantwortlich sein wird für die Aufgabe, das Volk aus der Dunkelheit ins Licht des Islam zu führen. Denn die Massen waren ihren selbstsüchtigen Begierden erlegen und er wollte, dass die Avantgarde anders ist, rein, zusammenstehend, ausserhalb dieses ganzen korrupten Zustandes. Um die Menschen wieder zur Wahrheit zurückzuführen.“

Sprecher: Nach seiner Rückkehr wurde Qutb in Ägypten politisch aktiv. Er schloß sich einer Gruppe namens „Muslimischer Bruderschaft“ an, die wollte, daß der Islam eine Hauptrolle dabei spielte, die ägyptische Gesellschaft zu beeinflussen. Und 1952 unterstützte die Bruderschaft die von General Nasser geführte Revolution, die die letzten Überbleibsel der britischen Herrschaft stürzte. Aber Nasser stellte schnell klar, daß das neue Ägypten eine weltliche Gesellschaft sein werde, die westlichen Wertvorstellungen nacheifern würde. Er schmiedete schnell eine Allianz mit Amerika. Und die CIA kam nach Ägypten, um für das neue Regime Geheimdienste zu erschaffen. Angesichts dessen begann sich die Muslimische Bruderschaft gegen Nasser zu organisieren und 1954 wurden Qutb und andere führende Mitglieder der Bruderschaft durch Geheimdienste festgesetzt. Was Qutb dann geschah, sollte für die ganze Welt Konsequenzen haben.

[arabisch sprechende Stimme aus einem Gefangenenlager-Film]

Sprecher: Dieser Film wurde in den siebziger Jahren erstellt und zeigt, was in Nassers Zentralgefängnis während der fünfziger und sechziger Jahre geschah. Er beruht auf Zeugenaussagen Überlebender. Von der CIA angeleitete Folterer entfesselten eine Orgie der Gewalt gegen Mitglieder der „Muslimischen Bruderschaft“, die beschuldigt wurden, Nassers Sturz verabredet zu haben. Einmal wurde Qutb mit Tierfetten bedeckt und dann in eine Zelle zusammen mit Hunden gesperrt, die darauf trainiert waren, Menschen anzugreifen. In der Zelle erlitt er einen Herzanfall.

General Fouad Allam, Verhörender des Innenministeriums von 1958 bis 1987 (arabisch sprechend; in Untertiteln):“ Sayyed Qutb hielt sich für eine besondere Art von Mensch. Er sah sich selbst als einen wichtigen, islamistischen Vordenker und als starken Charakter. Und so weiter und so weiter… Aber schließlich gab er uns im Militärgefängnis doch die genauen Details bezüglich seiner Geheimgruppe und seiner erteilten Befehle. Der gefährlichste davon war, das gesamte Nildelta zu fluten und dieses korrupte Land der Ungläubigen zu ertränken.“

Sprecher: Qutb überlebte, aber die Folter erzeugte einen mächtigen, radikalisierenden Effekt für seine Ideen. Bis zu diesem Punkt hatte er noch daran geglaubt, daß die weltlichen, westlichen Vorstellungen einfach nur die Selbstsucht und Isolation erzeugten, wie er sie in den Vereinigten Staaten gesehen hatte. Aber die Folter, so glaubte er, zeigte, daß diese Kultur ebenso die brutalsten und barbarischsten Seiten des menschlichen Wesens entfesselte. Qutb begann, eine apokalyptische Vision einer sich vom Westen her über die Welt ausbreitenden Krankheit zu haben. Er nannte sie jahilliyah – einen Zustand der barbarischen Ignoranz. Was sie so erschreckend und heimtückisch machte, war der Umstand, dass die Leute es nicht wahrnahmen, dass sie damit infiziert waren. Sie glaubten, frei zu sein und dass ihre Politiker sie vorwärts in eine neue Welt führen würden. Aber tatsächlich führten sie sie zurück in ein barbarisches Zeitalter.

Roxanne Euben, Politikwissenschaftlerin: „Die Bedeutung darin liegt, dass jahilliyah nunmehr so gefährlich ist, weil es nicht nur von westlichen Mächten weiterentwickelt wird, sondern Moslems – so, als würde man falsches Bewußtsein aufladen – Moslems sind mit diesem jahilliyah infiziert worden, so dass nun die Bedrohung für den Islam auch von innen her kommt. Sie kommt von außen und von innen. Es ist ein Notstand, weil jahilliyah jeden und alles durchdringt. Es hat sogar unsere Einbildungskraft infiziert – wir wissen noch nicht einmal, dass wir krank sind! Dass wir nun dem Materialismus huldigen und dem Selbst – und individuelle Wahrheiten über wirkliche Wahrheit. Äh, also deshalb hat dies die unglaubliche Bedeutung einer epischen Konfrontation, in der der Islam an allen Fronten beleidigt wird- von innen, von aussen, kulturell, militärisch, wirtschaftlich, politisch. Und unter diesen Umständen wird jede Form des Kampfes gerechtfertigt und legitimiert und hat tatsächlich existenzielles Gewicht, weil damit irgendwie Gottes Wille auf Erden getan wird.“

Sprecher: Für Qutb war diese Kraft des jahilliyah nun so tief in den Geist der Moslems eingedrungen, dass ein dramatischer Weg gefunden werden mußte, um sie zu befreien. Mit einer Reihe von Büchern, die er im Gefängnis heimlich schrieb und die dann hinausgeschmuggelt wurden, rief er dazu auf, dass sich eine revolutionäre Avantgarde erheben und die Führer stürzen solle, die zugelassen hatten, dass jahlillyah ihre Länder infiziere. Die Schlussfolgerung war, dass diese Führer rechtmäßig getötet werden könnten, weil diese so korrupt geworden geworden seien, dass sie nicht mehr länger Muslime seien, auch wenn sie sagten, sie seien welche. Angesichts dessen entschloss sich Nasser dazu, Qutb und seine Ideen zu zerschlagen und 1966 wurde Qutb vor Gericht wegen Verrat angeklagt. Dies sind die einzigen bekannten Filmaufnahmen von Qutb, die ihn zeigen, wie er seine Strafe erwartet. Das Urteil stand von vornherein fest und am 29. August, 1966 wurde Qutb hingerichtet. Aber seine Ideen lebten weiter. Am Tage nach seiner Hinrichtung bildete ein Schuljunge eine geheime Verbindung. Er hoffte darauf, dass diese eines Tages diese Avantgarde werden würde, auf die Qutb gehofft hatte. Sein Name war Ayman Zawahiri – und Zawahiri sollte der Vertrauenslehrer für Osama bin-Laden werden.

(Titel: Amerika 1967)

Sprecher: Aber genau in dem Moment, da Sayyed Qutbs Ideen tot und begraben zu sein schienen, begannen Leo Strauss‘ Ideen einer Veränderung Amerikas kraftvoll und einflussreich zu werden, weil die liberale politische Ordnung, die Amerika seit dem Krieg dominiert hatte, zu zerfallen begann.

(Titel: 23:00h, 25.Juli, 1967)

Präsident Lyndon B. Johnson: „Gesetz und Ordnung sind zusammengebrochen in Detroit, Michigan. Brandstiftung, Plünderungen, Mord…..“

Sprecher: Vor nur wenigen Jahren hatte Präsident Johnson eine Politik versprochen, die eine neue und bessere Welt in Amerika schaffen sollte. Er nannte das „Die große Gesellschaft“.

(Titel: Präsident Lyndon Johnson, 1964)

Johnson:“ Die große Gesellschaft ist ein Ort, wo jedes Kind Wissen finden kann, um seinen Geist zu bereichern. Sie ist der Ort, in dem die Stadt des Menschen…“

Sprecher: Aber nun schien dieser Traum mit dem Aufflammen einer der schlimmsten Unruhen, die Amerika je gesehen hatte, in Hass und Gewalt ein Ende gefunden zu haben. Ein bekannter liberaler Journalist namens Irving Kristol begann zu fragen, ob nicht möglicherweise die Politik selbst diesen gesellschaftlichen Zusammenbruch verursacht haben könnte.

Irving Kristol:“ Wenn Sie 1960 irgendeinen Liberalen gefragt hätten: wir werden diese Gesetze, diese Gesetze, diese Gesetze und diese Gesetze verabschieden, alle Gesetze aufzählend, die in den 60ern und 70ern tatsächlich verabschiedet wurden, würden Sie sagen, dass die Kriminalität ansteigen wird, dass die Drogenabhängigkeit zunehmen wird, die Unrechtmässigkeit anwachsen wird, oder wird sie abnehmen? Offensichtlich hätte jeder gesagt, dass sie abnehmen werden. Und alle hätten sich geirrt. Nun, die Liberalen haben es nicht fertig gebracht, dem ins Auge zu sehen. Sie haben ihre Reformen gehabt und die haben zu Konsequenzen geführt, die sie nicht erwartet haben und sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.“

Sprecher: In den frühen 70ern wurde Irving Kristol der Brennpunkt einer Gruppe unzufriedener Intellektueller. Sie waren entschlossen, herauszufinden, warum die optimistische liberale Politik gescheitert war. Und sie fanden die Antwort darauf in den Theorien von Leo Strauss. Strauss erklärte, dass es die eigentliche Grundlage der liberalen Idee war – der Glaube an individuelle Freiheit – was das Chaos verursachte, weil dies das gemeinsame moralische Netzwerk untergrub, welches die Gesellschaft zusammenhielt. Individuen verfolgten ihre eigennützigen Interessen und dies führte unausweichlich zum Konflikt. Als die Bewegung wuchs, kamen viele junge Studenten, die Strauss‘ Ideen studiert hatten, nach Washington um sich dieser Gruppe anzuschliessen. Einige wurden in Strauss‘ Ideen an der Universität von Chicago unterrichtet, wie Paul Wolfowitz, ebenso Francis Fukuyama. Wieder andere, wie Irving Kristols Sohn William, hatten Strauss‘ Theorien in Harvard studiert. Diese Gruppe wurde bekannt als die „Neokonservativen“.

William Kristol:“Also, viele von ihnen konnten keine akademischen Jobs bekommen und die Fakultäten der Politischen Wissenschaft und der Philosophie waren zu solchen, mit einer konservativen oder moderat konservativen Ausrichtung, nicht gerade entsetzlich freundlich. Und es ist wahr, dass eine Menge Leute, die in Washington endeten, als Akademiker anfingen. Ich tat es; Paul Wolfowitz; und jene beschlossen, dass sie in an der Akademie möglicherweise keine sehr guten Aussichten hatten. Ich denke, was wir alle gemeinsam hatten, war ein gewisser Zweifel daran, was einstmals als eine Art großer Gewissheit und Vertrauen in liberalen Fortschritt zu sein schien. Der philosophische Nährboden für liberale Demokratie war geschwächt worden. Also ich denke, die Straussianer, die nach Washington kamen, dachten weniger an sich selbst wie Churchill oder Lincoln – lassen Sie mich dies versichern – aber sie taten das, wissen Sie, es gibt da etwas Erhabenes im öffentlichen Leben und in der Politik; und sie versuchten, in vielen verschiedenen Bereichen einen Beitrag zu leisten.“

Sprecher: Die Neokonservativen waren Idealisten. Ihr Ziel war es zu versuchen, den gesellschaftlichen Verfall anzuhalten, dessen Ursachen, wie sie glaubten, durch die liberalen Freiheiten entfesselt wurden. Sie wollten einen Weg finden, das Volk zu einen, indem ihm eine gemeinsame Bestimmung gegeben werden sollte. Einer ihrer großen Einflüsse, dies zu bewerkstelligen, sollten die Theorien des Leo Strauss sein. Sie würden dazu aufbrechen, den Mythos von Amerika als einer einzigartigen Nation wiederherzustellen, dessen Bestimmung es war, das Böse in der Welt zu bekämpfen. Und in diesem Projekt würde der Quell des Bösen Amerikas Feind aus dem Kalten Krieg sein: Die Sowjetunion. Und indem sie dies taten, so glaubten sie, würden sie nicht nur dem Leben der Menschen neue Bedeutung und Sinn bescheren, sondern ebenso das Gute der Demokratie über die Welt verbreiten.

Professor Stephen Holmes, Staatstheoretiker: „Die Vereinigten Staaten würden nicht nur – in Übereinstimmung mit diesen Straussianern – dazu in der Lage sein, der Welt Gutes zu bringen, sondern in die Lage versetzt werden, die fundamentale Schwäche der amerikanischen Gesellschaft zu überwinden, einer Gesellschaft, die gelitten hat, bereits verrottete, in ihrem Sprachgebrauch, an Relativismus, Liberalismus, Mangel an Selbstvertrauen, Mangel von Glauben an sich selbst. Und eines der wichtigsten politischen Projekte der Straussianer während des Kalten Krieges war es, das Selbstvertrauen der Amerikaner und den Glauben daran zu wiederherzustellen, dass Amerika grundsätzliche die einzige Macht des Guten in der Welt sei, die es zu unterstützen galt, da sonst das Böse obsiegen würde.“

Sprecher: Um dieses jedoch bewerkstelligen zu können, machten sich die Neokonservativen daran, einen der machtvollsten Männer der Welt zu besiegen. Henry Kissinger war Außenminister unter Präsident Nixon und glaubte nicht an eine Welt des „Gut und Böse“. Was Kissinger antrieb, war eine unbarmherzige, pragmatische Sichtweise von Macht auf der Welt. Aufgrund Amerikas wachsendem politischen und gesellschaftlichen Chaos wollte Kissinger, dass das Land seine ideologischen Schlachten aufgab. Stattdessen sollte es zu einer Einigung mit Ländern wie der Sowjetunion kommen, um eine neue Art einer globalen, wechselseitigen Abhängigkeit zu erschaffen. Einer Welt, in der Amerika sicher sein würde.

Henry Kissinger, 1975 im Interview: „Ich glaube, dass bei all den Verwerfungen, die wir kennen..nun erfahren haben, ebenso eine außerordentliche Gelegenheit besteht, um zum ersten Mal in der Geschichte eine wirklich globale Gesellschaft aufzubauen, die vom Prinzip der wechselseitigen Abhängigkeit getragen wird. Und wenn wir klug und mit Vision handeln, so denke ich, können wir auf all diese Wirren als Geburtswehen eines kreativeren und besseren Systems zurückblicken.“

Sprecher: Kissinger hatte diesen Prozess 1972 begonnen indem er die Sowjetunion überredete, einen Vertrag zur Beschränkung der Atomwaffen (Anm: SALT/ABM) zu unterzeichnen. Es war der Beginn dessen, was „détente“ (Anm.: Entspannung) genannt wurde. Und Präsident Nixon kehrte nach Washington zurück, um triumphierend zu verkünden, dass das Zeitalter der Angst vorüber sei.

Präsident Richard Nixon am 1. Juni 1972: „Vergangenen Freitag wohnten wir dem Anfang des Endes jener Ära bei, die 1945 begann. Mit diesem Schritt haben wir die Sicherheit beider Nationen verbessert. Wir haben begonnen, die Stufe der Furcht herabzusetzen indem wir die Ursachen der Furcht abbauen – für unser beider Völker und aller Völker auf der Welt.“

Sprecher: Aber eine Welt ohne Furcht war nicht das, was die Neokonservativen gebrauchen konnten, um ihr Vorhaben weiterzuverfolgen. Nun machten sie sich daran, Henry Kissingers Vision zu zerstören. Was ihnen Gelegenheit dazu gab, war der sowohl im Ausland wie auch im Inland wachsende Einbruch der amerikanischen politischen Macht. Die Niederlage in Vietnam und der Rücktritt Präsident Nixons wegen Watergate führten zu einer Vertrauenskrise gegenüber Amerikas politischer Klasse. Und die Neokonservativen ergriffen ihre Gelegenheit. Sie verbündeten sich mit zwei Rechtsaussen in der neuen Regierung von Gerald Ford. Einer war Donald Rumsfeld, der neue Verteidigungsminister. Der andere war Dick Cheney, der Stabschef des Präsidenten. Rumsfeld hielt Reden, in denen er behauptete, die Sowjets würden Kissingers Verträge ignorieren und heimlich aufrüsten, mit der Absicht Amerika anzugreifen.

Donald Rumsfeld, US-Verteidigungsminister, während einer Rede 1976: „Die Sowjetunion ist fleißig gewesen. Sie waren fleißig bezüglich des Niveaus ihrer Anstrengung, sie waren fleißig bezüglich auf die Waffen, die sie konkret hergestellt haben, sie waren fleißig bezüglich auf sich ausdehnende Produktionsraten, sie waren fleißig bezüglich der Ausdehnung ihrer institutionellen Leistungsfähigkeit um zusätzliche Waffen in zusätzlichen Raten zu produzieren, sie waren fleißig bezüglich der Ausdehnung ihrer Fähigkeiten, die Raffinesse dieser Waffen zunehmend zu verbessern. Jahr für Jahr für Jahr haben sie aufgezeigt, dass sie Beständigkeit in ihren Absichten haben. Sie sind zielstrebig in dem, was sie tun. Nun, Ihre Frage ist jetzt, was muss deswegen unternommen werden?“

Sprecher: Die CIA und andere Dienste, welche die Sowjetunion fortlaufend nach jedwedem Zeichen der Bedrohung beobachteten, sagten, dies sei eine komplette Erfindung. Es sei kein Funken Wahrheit an Rumsfelds Beschuldigungen. Aber Rumsfeld nutzte seine Stellung, um Präsident Ford dazu zu überreden, eine unabhängige Untersuchung einzuleiten. Er sagte er würde beweisen, daß es eine versteckte  Bedrohung Amerikas gab. Und die Untersuchung sollte von einer Gruppe Neokonservativer durchgeführt werden, von denen einer Paul Wolfowitz war. Das Ziel war es, die amerikanische Sichtweise auf die Sowjetunion zu verändern.

Melvin Goodman, 1976-87 Amtsleiter für Sowjetangelegenheiten der CIA: „Und Rumsfeld gewann diese zutiefst erbitterte, erbitterte politische Schlacht, die 1975 und 1976 in Washington geführt wurde. Jetzt war es Teil dieser Schlacht, daß Rumsfeld und andere Leute wie Paul Wolfowitz in die CIA hinein wollten. Und es war ihre Mission, ein viel ernsteres Bild der Sowjetunion zu entwerfen, sowjetischer Absichten, sowjetischer Sichtweisen darüber, wie man einen Atomkrieg führen und gewinnen konnte.“

Sprecher: Die Neokonservativen wählten einen bekannten Kritiker und Historiker der Sowjetunion, Richard Pipes, zum Vorsitzenden der Untersuchungsvorsitzenden. Pipes war überzeugt, daß, was auch immer die Sowjets öffentlich sagten, sie insgeheim dennoch Amerika angreifen und erobern wollten. Dies sei ihre verdeckte Denkweise.

Die Untersuchung wurde „Team B“ genannt und das andere Führungsmitglied war Paul Wolfowitz.

Professor Richard Pipes: „Und die Idee war dann, eine Gruppe außenstehender Experten zu benennen, die Zugang zum selben Beweismaterial haben, welches die CIA zu diesen Schlussfolgerungen hatte kommen lassen und zu schauen, ob sie anderen Schlußfolgerungen gelangen könnten. Und ich wurde gebeten, den Vorsitz zu übernehmen, weil ich kein Experte für Atomwaffen war. Ich war, wenn überhaupt, ein Experte für sowjetische Denkweise, aber nicht für die Waffen. Aber das war der wirkliche Schlüssel, war die Frage nach der sowjetischen Denkweise, denn die CIA kümmerte sich nur um…sie waren bekannt als „Erbsenzähler“, die immer nur nach Waffen schauten. Aber Waffen kann man auf verschiedene Art und Weise benutzen. Man kann sie für defensive, oder offensive Zwecke nutzen. Also, nun gut, ich sammelte diese Gruppe von Experten und wir begannen, das Beweismaterial zu durchsuchen.“

Sprecher: Team B begann, alle CIA-Daten über die Sowjetunion zu durchsuchen. Aber egal, wie genau sie auch suchten, es gab wenig Beweise für von den Sowjets entwickelte gefährliche Waffen oder Verteidigungssysteme, wie sie behauptet hatten. Aber anstatt zu akzeptieren, daß dies bedeutete, daß die Systeme nicht existierten, unterstellte Team B, daß die Sowjets Systeme entwickelt hatten, die so hochentwickelt waren, daß sie nicht aufzuspüren waren. Zum Beispiel konnten sie keinen Beweis dafür finden, daß die sowjetische U-Boot-Flotte ein akustisches Verteidigungssystem hatte. Was zu bedeuten hätte, so Team B, daß die Sowjets tatsächlich ein nicht-akustisches System erfunden hatten, welches unmöglich aufzuspüren war. Und dies bedeutete, daß sich die gesamte amerikanische U-Boot-Flotte in Gefahr vor einer unsichtbaren Bedrohung befand, die da war, obwohl es keinen Beweis für sie gab.

Dr. Anne Cahn, Bundesagentur für Rüstungs-, und Abrüstungskontrolle, 1977-80: „Sie konnten nicht sagen, daß die Sowjets akustische Mittel zum Aufbringen amerikanischer U-Boote hatten…“

Interviewer:“..weil sie diese nicht finden konnten.“

Cahn: ..weil sie diese nicht finden konnten. Also sagten sie, gut, dann haben sie vielleicht ein nicht-akustisches Mittel, um unsere U-Bootflotte verwundbar zu machen. Aber da war kein Beweis dafür, dass sie ein nicht-akustisches Mittel hatten.

Sie sagen, wir können keinen Beweis dafür finden, daß sie es auf die Art machen, wie jeder denkt, daß sie es machen, also werden sie es eben anders machen. Wir wissen nicht, wie sie das anders machen, aber sie tun es.“

Interviewer: „Obwohl es dafür keinen Beweis gab?“

Cahn: „Obwohl es dafür keinen Beweis gab.“

Interviewer: „Die sagen da also, daß die Tatsache, daß die Waffe nicht existiert…..“

Cahn:“ …nicht besagt, daß sie nicht existiert. Es heißt nur, daß wir sie nicht gefunden haben.“

– Schnitt –

Pipes: „Ja, aber das ist wichtig. Wenn etwas nicht da ist, so ist dies bedeutend.“

Interviewer: „Durch seine Abwesenheit.“

Pipes: „Durch seine Abwesenheit. Wenn Sie glauben, dass sie (Anm.: die Sowjets) ihre Sichtweise über strategische Waffen teilen und sie darüber nicht sprechen, dann fehlt da etwas. Da stimmt etwas nicht. Und die CIA war sich darüber nicht im Klaren.“

Sprecher: Was Team B der CIA vorwarf, war das Fehlen einer versteckten und finsteren Wirklichkeit in der Sowjetunion. Nicht nur, dass es dort viele geheime Waffen gäbe, die die CIA nicht gefunden hätte, sondern dass sie sich in vielem irrten, was sie hätten beobachten konnten; so z.B. bei der sowjetischen Flugabwehr. Die CIA war davon überzeugt, daß diese sich im Zustand des Zerfalls befand; das wachsende wirtschaftliche Chaos der Sowjetunion widerspiegelnd. Team B sagte, dies sei in Wirklichkeit eine listige Täuschung des Sowjetregimes. Das Luftabwehrsystem arbeite perfekt. Aber der einzige Beleg, den sie vorweisen konnten um dies zu beweisen, war das offizielle Schulungshandbuch, welches stolz behauptete, daß das Luftabwehrsystem voll integriert sei und fehlerfrei funktioniere. Die CIA warf Team B vor, sich in eine Fantasiewelt zu begeben.

Pipes: „Die CIA war sehr abgeneigt, sich mit Themen auseinander zu setzen, die nicht in mathematischer Form dargestellt werden konnten. Ich sagte, sie könnten den leisen Verdacht („soft evidence“) erwägen.

Sie beschäftigen sich mit Realitäten obgleich dies eine Fantasie war. So wurde es wahrgenommen. Und die ganze Zeit gab es Auseinandersetzungen um dieses Sache.“

Interviewer: „Dachten Sie, dass es eine Fantasie war?“

Pipes: „Nein! Ich hielt es für absolute Realität.“

– Schnitt –

Cahn: „Ich würde sagen, daß alles daran Fantasie war. Ich meine, sie schauten aufs Radar da draußen in Krasnojarsk und sagten: „Das ist eine Laserstrahlwaffe“, aber tatsächlich war das nichts dieser Art.

Sie nahmen sogar ein russisches Militärhandbuch, dessen korrekte (Titel-)Übersetzung „Die Kunst des Gewinnens“ ist. Und als sie es übersetzten und Team B sich dessen annahm, hieß es „Die Kunst der Eroberung“. Also, da gibt es einen Unterschied zwischen „Gewinnen“ und „Erobern“.

Und wenn sie die meisten eigentümlichen Behauptungen des Team B über Waffensysteme durchgehen und eine nach der anderen überprüfen, dann waren sie alle falsch.“

Interviewer: „Alle?“

Cahn: „Alle!“

Interviewer: „Nichts davon wahr?“

Cahn: „Ich glaube nicht, daß irgendetwas in Team B wirklich echt war.“

Sprecher: Die Neokonservativen richteten eine Lobbygruppe ein, um die Ergebnisse von Team B zu veröffentlichen. Sie wurde das „Komitee für gegenwärtige Gefahr“ genannt und eine wachsende Zahl von Politikern trat bei; einschließlich des Präsidentenanwärters Ronald Reagan.

[Titel: Der Preis für Frieden und Freiheit / Komitee für gegenwärtige Gefahr, Propagandafilm 1978]

Sprecher: Mittels Film- und Fernsehen zeichnete das Komitee eine Welt, in der Amerika von versteckten Streitkräften, die jederzeit zuschlagen konnten, bedroht war. Kräfte, die Amerika erobern mußte, um überleben zu können.

Alexander Solschenizyn, per Dolmetscher: „Eine Ansammlung des Weltbösen, des Hasses auf Menschlichkeit findet statt. Und es ist voll entschlossen, Eure Gesellschaft zu zerstören. Wollt ihr warten, bis die jungen Männer Amerikas bei der Verteidigung der Grenzen ihres Kontinents fallen?“

Sprecher: Diese dramatische Schlacht zwischen Gut und Böse war präzise die Art von Mythos, die, wie Leo Strauss seine Studenten gelehrt hatte, notwendig sein würde, um das Land vor moralischem Verfall zu retten. Es mochte nicht wahr sein, aber es war notwendig, um die Öffentlichkeit wieder mit einer großen Vision von Amerikas Schicksal zu fesseln, die ihren Leben wieder Bedeutung und Zielsetzung geben würde. Die Neokonservativen waren erfolgreich damit, indem sie eine allzu einfache Fiktion erzeugten – eine Vorstellung von einer Sowjetunion als Zentrum alles Bösen auf der Welt und eines Amerika als einzigem Land, welches die Welt retten konnte. Und diese albtraumhafte Vorstellung war im Begriff, den Neokonservativen große Macht und Einfluß zu verleihen.

Holmes: „Die Straussianer begannen, ein Weltbild zu erzeugen, die eine Erfindung ist. Die Welt ist nicht in Gut und Böse unterteilt. Die Schlacht, die wir führen, ist keine Schlacht zwischen Gut und Böse. Die Vereinigten Staaten – wie jeder, der beobachtet, verstehen wird – haben gute und schlechte Dinge getan. So wie jede Großmacht. So ist die Geschichte eben.

Aber sie wollten eine Welt der moralischen Gewissheiten erzeugen, und deshalb erfanden sie Mythologien – Märchen – die jegliche Kraft auf der Welt, die die Vereinigten Staaten hemmt, als irgendwie satanisch, mit dem Bösen verbunden beschreiben.“

Titel: Ägypten 1979

[ Ausschnitte aus ägyptischen TV-Werbespots westlicher Machart]

Sprecher: In den späten siebziger Jahren war Ägypten transformiert worden. An der Oberfläche war es ein moderner, verwestlichter Staat mit einer wohlhabenden Mittelklasse geworden, die durch eine Flut westlichen Kapitals profitierte, welches ins Land investiert worden war. Ein Mitglied dieser wohlhabenden, ägyptischen Elite war Ayman Zawahiri. Er war nun ein junger Doktor, der gerade seine Karriere begann.

Omar Azzam, Cousin von Ayman Zawahiri: „Ayman war die ideale Person, der ein Arzt aus sehr gutem Hause war. Sein Vater war Universitätsprofessor, sein Großvater war Botschafter, sein anderer Großvater war Scheich von al-Azhar; hoch angesehene Familie. Er war die Sorte Mensch, der sich nach den Regeln verhielt. Der nicht aus war auf Prestige, der nicht aus war auf Geld, der nicht aus war auf Propaganda. Ayman wurde wegen seiner Haltung zum Führer.“

Sprecher: In Wirklichkeit war Zawahiri der Anführer einer islamistischen Untergrundzelle. Die Gruppe, die er als Schuljunge begonnen hatte und die er nach den Ideen von Sayyed Qutb geformt hatte, war gewachsen. Sayyed Qutbs Ideen breiteten sich nun schnell in Ägypten aus – vor allem unter Studenten – weil seine Vorhersagen zur Korruption des Westens wahr geworden zu sein schienen. Die Regierung Präsident Sadats wurde von einer kleinen Gruppe von Millionären kontrolliert, die von westlichen Banken unterstützt wurden. Die Banken wurden hereingelassen durch das, was Sadat seine „Politik der offenen Tür“ nannte. Gegenüber westlichen Medien bestritt Sadat jegliche Korruption. Alle Ägypter wußten, daß dies eine unverschämte Lüge war.

Präsident Sadat, 1977: „Wem kam nun die Politik der offenen Tür zugute? Taxifahrern. Den Liberalen. All diesen kam die Politik der offenen Tür zugute. Es ist nicht so, wie sie sagen, daß hier Millionäre wären und so. Nein, ganz und gar nicht. Dies ist pure, äh, äh, ähm, pure, äh, äh, ähm, äh, ähm, schwarze Propaganda von Seiten der Sowjetunion und ihren Agenten hier im Lande.“

Sprecher: Zawahiri war überzeugt, daß nun die Zeit herannahte, Qutbs Vision zu erfüllen. Die Avantgarde sollte sich erheben und dieses korrupte Regime stürzen. Und der Mann, der den Islamisten die Gelegenheit dazu geben würde, war Henry Kissinger. Als Teil seiner Bemühungen, eine stabile und ausgewogene Welt zu erschaffen, hatte Kissinger Präsident Sadat überredet, Friedensverhandlungen mit den Israelis zu beginnen. Für Kissinger, den schonungslosen Pragmatiker, waren religiöse Unstimmigkeiten und Gehässigkeiten belanglos. Das wichtigste Anliegen war, eine sicherere Welt zu erschaffen. Und 1977 war Sadat nach Jerusalem geflogen, um den Friedensprozess zu beginnen. Für den Westen war das ein heldenhafter Akt. Aber für die Islamisten war es der komplette Verrat. Es zeigte, daß Sadats Verstand vom Westen so verdorben worden war, daß er nun komplett unter dessen Kontrolle stand. Und nach den Theorien Sayyed Qutbs hieß dies, daß er nicht länger Muslim war und deshalb berechtigterweise getötet werden konnte.

Und dann, in 1977, zeigte der Ayatollah Chomeini Zawahiri, dass sein Traum von der Schaffung eines islamistischen Staates möglich war.

[Untertitel der Szene: Gott ist groß!]

Chomeini hatte einen Aufstand gegen den Schah von Persien inspiriert. Der Schah war ein weiterer Führer, der es westlichen Banken gestattet hatte, sein Land zu korrumpieren.

[Untertitel der Szene: Der bewaffnete Kampf ist die Straße zur Freiheit !]

Sprecher: Chomeini hatte die Idee des islamistischen Staates hervorgebracht…

[Untertitel der Szene: Tod der käuflichen Armee des Schahs! ]

Sprecher: …der bemerkenswert den Ideen Qutbs ähnelte. Er bestätigte dies, indem er Qutbs Konterfei auf eine Briefmarke der neuen islamischen Republik brachte. In seiner ersten Predigt richtete er sich an den Westen. „Ja“, sagte er ihnen, „wir sind Reaktionäre und ihr seid erleuchtete Intellektuelle. Ihr wollt Freiheit für alles, die Freiheit, die unser Land korrumpieren, unsere Jugend korrumpieren wird, und Freiheit, die dem Unterdrücker den Weg bereiten wird – Freiheit, die unser Land zu Boden reißen würde.“

Reporter: „Sie klingen sehr unzufrieden mit dem, was gerade im Iran geschieht.“

Präsident Sadat, 1979: „Nicht…mehr als unzufrieden, dies ist schmachvoll! Wirklich! Ich selbst war einmal Generalsekretär des Muslim-Kongresses. Den Namen „Islamische Revolution“ zu benutzen ist ein Verbrechen. Aus eigener Erfahrung, ein Verbrechen gegen den Islam.“

Reporter: „Präsident Sadat, erwarten Sie, daß der Schah die Einladung annimmt? Scheinbar ist dies im Augenblick eine gute Lösung.“

Sadat: „Nehmen sie mich beim Wort: Mein Flugzeug steht bereit, um ihn herzubringen. Jederzeit.“

Sprecher: Ende 1980 trafen sich Ayman Zawahiri und eine Anzahl anderer Anhänger Qutbs, die Zellen gebildet hatten. Sie erschufen eine Organisation, die sie „Islamischen Jihad“ nannten. Deren Anführer war ein Mann namens Abdel Salam Faraj. Und Faraj brachte vor, daß sie Sadat in spektakulärer Weise töten sollten, so daß sie die Massen schockieren würden. Dies würde sie die eigentliche Wahrheit der sie umgebenden Korruption erkennen lassen und sie würden sich erheben und das Regime stürzen.

Kamal Habib, Gründungsmitglied des „Islamischen Jihad“ (arabisch sprechend, untertitelt): „Die Jihadistenbewegung – einige ihrer Führer sind noch am Leben – ich war einer und ebenso Ayman Zawahiri. Wir bildeten die Speerspitze des jihadistischen Geistes anstelle der früheren, moderateren Ideen in der liberalen Ära, als man einfach die Realität akzeptierte. Psychologisch dachten wir, wir wären der Realität überlegen. Wir verachteten die Alltagsvorstellung von der Welt und wir wollten diese Realität transformieren oder ändern. Daher war es unser Traum, Sadat zu beseitigen.“

[Szenen des Attentats auf Sadat]

Sprecher: Diejenigen, welche das Attentat ausführten, waren eine Gruppe von Armeeoffizieren, die Teil des „Islamischen Jihad“ waren. Sie wurden umgehend verhaftet und das Regime setzte eine massive Menschenjagd in Gang, um die Hintermänner der Tat zu finden. Aber der Anschlag hatte nicht den Effekt auf die ägyptische Bevölkerung, den sich Zawahiri erhofft hatte. In jener Nacht blieb Kairo ruhig. Die Massen versagten darin, sich zu erheben. Und in den darauf folgenden Wochen wurden Zawahiri und viele andere Verschwörer festgenommen. Die Attentäter wurden umgehend verurteilt und hingerichtet. Aber dann wurden nahezu 300 Islamisten, unter ihnen Zawahiri, in einem Pavillon in Kairos Industrie-Ausstellungsgelände vor Gericht gestellt. Man war damit einverstanden, daß Zawahiri ihr Sprecher sein würde.

Mann im Käfig, rufend: „…für [unverständlich], für die ganze Welt, dies ist unsere Welt…Doktor Ayman Zawahiri!“

Ayman Zawahiri, im Käfig, rufend: „Jetzt wollen wir zur ganzen Welt sprechen! Wer sind wir? Wer sind wir? Warum haben sie uns hierher gebracht? Und was wollen wir sagen? Zur ersten Frage: Wir sind Moslems! Wir sind Moslems, die an ihre Religion geglaubt haben, von ganzem Herzen, sowohl als Ideologie und als Ausübung. Wir glaubten an unsere Religion, sowohl als Ideologie und als Ausübung. Und daher taten wir unser Bestes zur Errichtung des islamischen Staates und der islamischen Gesellschaft!“

Gefangener, rufend: „La ilahe ill Allah!“

Gefangene: „La ilahe ill Allah“ (…)

Gilles Kepel, Historiker der Islamistischen Bewegung: „Zawahiri, der Mann ist ein Adliger. Er kommt aus einer bedeutenden Ägyptisch-Saudischen Familie. Und er denkt, daß, wissen Sie, er ein Visionär ist und die Mittel keine Rolle spielen, so wie Lenin – ich meine, Revolution in einem Land oder Revolution weltweit. Er war überzeugt, daß dies ein Mittel sei um die Massen zu mobilisieren, daß sie etwas versucht hatten, daß es nicht geklappt hatte.

Dann versagte er, daß, wissen Sie, die Massen, die immer noch im Bann einer Ideologie waren, der Ideologie Amerikas. Und er sucht nach einer neuen Strategie.“

Sprecher: Während der Verhandlung wurde Zawahiri zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, mitsamt vielen anderen des „Islamischen Jihad“. Er wurde in Zellen hinter dem Polizei National Museum gebracht, wo er wie Sayyed Qutb gefoltert wurde. Und unter der Folter begann er, die Theorien Qutbs in einer weitaus radikaleren Weise zu interpretieren. Für Zawahiri war das Rätsel, warum das ägyptische Volk darin versagt hatte, die Wahrheit zu sehen und sich nicht erhob. Sicher deshalb, weil die Ansteckung mit eigennützigem Individualismus so tief in den Geist der Leute eingedrungen war, daß sie nun genau so korrupt waren, wie ihre Anführer. Nun bemächtigte sich Zawahiri einer schrecklichen Doppeldeutigkeit in Qutbs Erörterung. Es waren nicht nur Anführer wie Sadat, die nicht mehr länger richtige Moslems waren, es waren die Leute selber. Und Zawahiri glaubte, daß dies bedeutete, daß auch sie legitim getötet werden konnten. Denn solch ein Töten, glaubte Zawahiri, würde einem erhabenen Zweck dienen, wegen der Furcht und dem Schrecken („terror“), den es im Geist gewöhnlicher Moslems erzeugen würde. Es würde sie schockartig dazu bringen, die Realität auf eine andere Art zu sehen. Dann würden sie die Wahrheit erkennen.

Dr. Azzam Tamimi, Institut für Islamische Politische Theorie: „Ayman Zawahiri kam zu der Überzeugung, daß weil Du etwas hast, von dem Du glaubst es sei ein erhabenes Ziel, die Mittel so… häßlich wie möglich sein können. Du kannst so viele Leute töten, wie Du willst, weil der Endzweck erhaben ist. In dieser Logik: „Wir sind die Avantgarde, wir sind die richtigen Moslems, alle anderen irren. Sie irren nicht nur, sondern jeder andere ist gar kein Moslem und das einzig verfügbare Mittel für uns heutzutage ist, uns unseren Weg zur Vollendung frei zu morden.“

[Titel: Amerika 1981]

Countrysänger: „Ich gehe in eine Stadt, wo die Rosen niemals welken…“

Sprecher: Und genau im gleichen Moment wurde in Amerika Religion politisch mobilisiert, aber zu einem völlig anderen Zweck. Und diejenigen, welche dies förderten, waren die Neokonservativen. Viele Neokonservative waren Berater für die Präsidentschaftskampagne Ronald Reagans geworden. Und während sie sich mehr an der Republikanische Partei beteiligten, schmiedeten sie eine Allianz mit dem religiösen Flügel der Partei, weil der ihre Absicht der moralischen Wiederbelebung Amerikas teilte.

Irving Kristol, Gründer der neokonservativen Bewegung: „Der Gedanke, daß eine rein säkulare Gesellschaft all die schrecklichen Pathologien bewältigen kann, die jetzt unsere Gesellschaft beeinträchtigen, hat sich, so denke ich, als falsch herausgestellt. Und das hat mich kulturell konservativ werden lassen. Ich meine, ich denke wirklich, daß Religion nun eine Rolle dabei spielt, das Land zu erlösen. Und Liberalismus ist nicht bereit dazu, Religion eine Rolle zu geben. Konservativismus ist es, aber er weiß nicht, wie das zu tun ist.“

Sprecher: „In den späten Siebzigern gab es Millionen von fundamentalistischen Christen in Amerika. Aber ihre Prediger hatten ihnen immer gesagt, nicht wählen zu gehen. Das würde bedeuten, Kompromisse mit einer todgeweihten und unmoralischen Gesellschaft zu machen. Aber die Neokonservativen und ihre neuen republikanischen Verbündeten schlossen einen Bund mit einer Anzahl mächtiger Prediger, die ihren Anhängern erzählten, sich zum ersten Mal an der Politik zu beteiligen.

James Robison, fundamentalistischer Prediger, 1980: „Ich bin es leid und müde, von all diesen Radikalen zu hören, und den Perversen, und den Liberalen, und den Linken, und den Kommunisten, die aus dem Wandschrank hervorkommen! Es ist an der Zeit für Gottes Volk aus dem Wandschrank zu kommen, heraus aus den Kirchen und Amerika zu verändern! Wir müssen es tun!“

Paul Weyrich, religiöser Aktivist – Republikanische Partei: „Die konservative Bewegung war bis zu diesem Punkt im wesentlichen eine intellektuelle Bewegung. Sie hatte einige sehr kraftvolle Denker, aber sie hatte nicht viele Truppen. Und wie Stalin vom Pabst sagte, „wo sind seine Divisionen?“ Nun gut, wir hatten nicht viele Divisionen. Als diese Leute aktiv wurden, hatte die konservative Bewegung ganz plötzlich eine Menge Divisionen. Wir waren in der Lage, buchstäblich Millionen von Leuten zu bewegen. Und das ist etwas, wozu wir vorher buchstäblich nicht in der Lage waren zu tun.“

Interviewer: „Buchstäblich Millionen?“

Weyrich: „Buchstäblich Millionen.“

Sprecher: Und Anfang 1981 erlangte Ronald Reagan die Macht in Amerika. Das religiöse Votum war entscheidend bei seiner Wahl, weil viele Millionen von Fundamentalisten zum ersten Mal wählten. Und wie sie gehofft hatten, erlangten viele Neokonservative Macht in der neuen Regierung. Paul Wolfowitz wurde Stabschef der politischen Abteilung im Außenministerium, während sein enger Freund Richard Perle Assistent des Verteidigungsministers wurde. Und der Kopf von Team B, Richard Pipes, wurde einer von Reagans Chefberatern. Die Neokonservativen glaubten, daß sie nun die Chance hätten, ihre Vision von Amerikas revolutionärem Schicksal umzusetzen – die Macht des Landes aggressiv als Kraft für das Gute auf der Welt zu nutzen, in einer gewaltigen Schlacht um die Sowjetunion zu besiegen. Es war eine Vision, die sie mit Millionen ihrer neuen religiösen Verbündeten teilten.

(Unbekannt): „Ich beziehe persönlich und öffentlich Stellung als ein Minister gegen den Kommunismus. Um ihn zu zerstören – ihn vom Gesicht der Erde zu fegen, denn glauben Sie mir, diese Leute haben sich der Zerstörung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Freiheit gewidmet, wie wir sie kennen.“

Sprecher: Aber die Neokonservativen sahen sich immenser Opposition gegen diese Politik gegenüber. Sie kam gerade nicht aus den Bürokratien und dem Kongress, sondern vom Präsidenten selber. Reagan war davon überzeugt, daß die Sowjetunion eine böse Macht sei, aber er glaubte immer noch, daß er mit ihnen eine Beendigung des Kalten Krieges aushandeln konnte.

Professor Richard Pipes, 1980-83 Berater des Präsidenten: „Zuerst verstand Reagan nicht so recht, daß ihre Angriffslust im System verwurzelt ist. Er hatte ein ziemlich harmloses Menschenbild. Er war ein sehr freundlicher Mann und maß anderen freundliche Beweggründe zu. Es war eine andere Art des Wiederspiegelns. Und er sagte bei mehr als einer Gelegenheit so etwas wie: „Wenn ich mich einfach mit den Sowjetführern hinsetzen könnte um ihnen zu erklären, daß sie einer falschen Ideologie folgen und wenn sie die richtigen Ideologien annehmen würden, sie ihr Volk glücklich und wohlhabend machen könnten.“ Also [unverständlich] „Herr Präsident, so wird es nicht gehen! Sie müssen das System verfolgen. Zwingen Sie sie, das System zu reformieren.“ Er brauchte sehr lange, um sich diese Sichtweise einzuverleiben.“

Sprecher: Um den Präsidenten zu überreden, machten sich die Neokonservativen daran zu beweisen, dass die sowjetische Bedrohung viel grösser war als irgendjemand, selbst Team B, vorher gezeigt hatte. Sie würden aufzeigen, daß die Mehrheit terroristischer und revolutionärer Bewegungen rund um die Welt in Wirklichkeit Teil eines geheimen Netzwerkes waren, koordiniert von Moskau, um die Welt zu übernehmen. Der Hauptverfechter dieser Theorie war ein führender Neokonservativer, der Sonderberater des Außenministers war. Sein Name war Michael Ledeen und er war von einem Bestseller-Buch namens „Das Terror-Netzwerk“ beeinflußt worden. Es behauptete, daß Terrorismus nicht das bruchstückhafte Phänomen war, als das es erschien. In Wirklichkeit wären alle terroristischen Gruppen – von der PLO bis zu Baader-Meinhof-Gruppe in Deutschland und der vorläufigen IRA – alle wären sie Teil einer durchgeführten, koordinierten Strategie des Terrors, betrieben von der Sowjetunion. Aber die CIA widersprach komplett. Sie sagten, dies sei einfach nur ein anderes neokonservatives Hirngespinst.

Michael Ledeen, Sonderberater des Außenministers von 1981-1982: „Die CIA bestritt das. Sie versuchten die Leute davon zu überzeugen, daß wir wirklich verrückt waren. Ich meine, sie glaubten nie, daß die Sowjetunion eine treibende Kraft im internationalen Terrornetzwerk sei. Sie wollten immer glauben, daß terroristische Organisationen eben das waren, was sie sagten, was sie wären: lokale Gruppen, die versuchten, schreckliche Grausamkeiten, die man ihnen angetan hatte, zu rächen oder zu versuchen, schreckliche gesellschaftliche Bedingungen zu bereinigen und solcherlei Dinge. Und die CIA kaufte ihnen diese Rhetorik wirklich ab. Ich weiß nicht, was ihr Motiv war. Ich meine, ich weiß kaum jemals, was für Motive die Leute haben. Und ich mache mir wenig Gedanken um Motive.“

Sprecher: Aber die Neokonservativen hatten einen machtvollen Verbündeten. Das war William Casey, und er war der neue Chef der CIA. Casey sympathisierte mit der neokonservativen Sicht. Und als er das Terror-Netzwerk Buch las, war er überzeugt. Er berief ein Treffen der Sowjet-Analytiker der CIA in deren Hauptquartier ein und befahl ihnen, einen Bericht für den Präsidenten zu erstellen, der bewies, daß dieses versteckte Netzwerk existierte. Aber die Analytiker erzählten ihm, daß dies unmöglich sei, da viele der Informationen in dem Buch von „Schwarzer Propaganda“ herrührten, die die CIA selbst erfunden hatte, um die Sowjetunion in den Dreck zu ziehen. Sie wußten, daß das Terrornetzwerk nicht existierte, weil sie es selber erfunden hatten.

Melvin Goodman, Chef für Sowjetangelegenheiten der CIA 1976-87: „Und als wir das Buch durchsahen, fanden wir ganz klar Episoden, in denen „Schwarze Propaganda“ der CIA –  verborgene Informationen, die innerhalb eines verdeckten Aktionsplanes dafür entworfen worden waren, in europäische Zeitungen eingepflanzt zu werden – aufgenommen und ins Buch übernommen wurde. Eine Menge davon war erfunden. Es war einfach an den Haaren herbeigezogen.“

Interviewer: „Haben Sie ihm das gesagt?“

Goodman: „Wir haben ihm das klipp und klar gesagt. Und wir holten sogar die Beteiligten der Operation, um Bill Casey das zu sagen. Ich dachte, vielleicht hat das einen Effekt, aber alle von uns wurden entlassen. Casey hatte sich entschieden. Er wußte, daß die Sowjets in Terrorismus involviert waren und es gab nichts, was wir ihm hätten sagen können, um ihn eines Besseren zu belehren. Lügen wurden Realität.“

Sprecher: Letzten Endes fand Casey einen Universitätsprofessor, der sich selbst als Terrorexperte bezeichnete und er produzierte ein Dossier, welches bestätigte, daß das verdeckte Terrornetzwerk tatsächlich existierte. Unter solch intensiver Lobbyarbeit stimmte Reagan zu, den Neokonservativen zu geben, was sie wollten und 1983 unterschrieb er ein geheimes Dokument, welches die amerikanische Außenpolitik grundlegend veränderte. Das Land würde nun verdeckte Kriege finanzieren um die unsichtbare sowjetische Bedrohung rund um die Welt zurück zu drängen.“

Präsident Ronald Reagan: „Das Gespenst von marxistisch-leninistisch kontrollierten Regierungen mit ideologischer und politischer Loyalität der Sowjetunion gegenüber beweist, daß es eine direkte Herausforderung gibt, auf die wir antworten müssen. Sie sind der Brennpunkt des Bösen in der modernen Welt.“

Sprecher: Es war ein Triumph für die Neokonservativen. Amerika machte sich nun daran, in den Kampf gegen die Mächte des Bösen auf der Welt zu ziehen. Aber was als die Art Mythos begonnen hatte, der, wie Leo Strauss gesagt hatte, notwendig für das amerikanische Volk gewesen sei, entwickelte sich zusehends als von den Neokonservativen angesehene Wahrheit. Sie begannen, ihre eigene Erfindung zu glauben. Sie waren zu dem geworden, was sie „demokratische Revolutionäre“ nannten, die dabei waren, die Welt mit Gewalt zu verändern.

Ledeen: „Wir beabsichtigten die Erweiterung der Zone der Freiheit auf der Welt. Und das hatte teilweise mit dem Kampf gegen den Kommunismus zu tun und teilweise hatte es mit dem Kampf gegen andere Arten von Tyrannei zu tun. Aber darum ging es uns, und darum geht es uns immer noch.“

Interviewer: „Als Sie sagten, Sie waren demokratische Revolutionäre, was meinen Sie?“

Ledeen: „Ich meinte, daß wir die Leute unterstützen wollten, die Revolutionen gegen tyrannische Regime im Namen der Demokratie durchführen wollten, um ein demokratisches System zu installieren.“

Interviewer: „So einfach ist das.“

Ledeen: „Yeah, wissen Sie, das ist keine Atomphysik. Ich meine, Freiheit ist eine recht einfach zu bekommende Sache.“

James Arness in „Knarrenrauch“ (Offstimme): „Es ist ein riskanter Job. Macht einen Mann aufmerksam und ein wenig einsam. Aber jemand muß ihn tun.“

Sprecher: Die Neokonservativen machen sich nun daran, die Welt zu transformieren. In der Episode nächste Woche erleben Sie, wie sie sich in Afghanistan mit den Islamisten zusammenschliessen und gemeinsam schlagen sie eine epische Schlacht gegen die Sowjetunion. Und beide glauben schliesslich, sie hätten das Reich des Bösen besiegt. Aber dieser eingebildete Sieg sollte sie ohne Feind zurücklassen. Und in einer Welt, desillusioniert über große politische Ideen, würden sie neue Fantasien und neue Albträume erfinden müssen, um ihre Macht zu erhalten.

[Abspann – Musik: „Baby, es ist kalt da draussen“]

DIE MACHT DER ALBTRÄUME – Episode II: Der Fantomsieg
DIE MACHT DER ALBTRÄUME – Episode III: Die Schatten in der Höhle

Artikel aktualisiert am 11. September 2012

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