Teil I: „Volkspartei“ und Spannungsfall
Während am morgigen Freitag die „SPD“ im deutschen Parlament die nächste Eskalationsstufe des Afghanistan-Krieges einläutet und weiter wie von Sinnen Selbstvernichtung betreibt, haben in den Niederlanden die Sozialdemokraten der „PdvA“, angesichts des drohenden Zusammenbruchs als Partei, das Ruder herum geworfen. Dank ihnen werden die Truppen der Niederlande Ende 2010 aus der Besatzungszone des Nordatlantikpaktes in Zentralasien abgezogen sein. Dennoch stehen die traditionellen Kriegsparteien der Niederlande bei den kommenden Wahlen vor einer historischen Niederlage: stärkste Kraft werden aller Voraussicht nach die Sozialisten.
Das Ende des Afghanistan-Krieges kommt mit der Aufdeckung eines Komplotts im Jahre 2003 vor der Teilnahme der Niederlande an der Invasion des Irak. Die niederländische Davids-Kommission erklärte im Januar 2010 nach zehn Monate andauernden Untersuchungen den Irak-Krieg für völkerrechtlich illegal und brachte geheime Absprachen zwischen den Regierungen des Vereinigten Königreiches und der Niederlande ans Licht.
ZUSAMMENBRUCH EINER KRIEGSKOALITION
Den Haag, letzten Samstag. Es ist der Morgen des 20.Februar. Nach über einer Woche heftiger Auseinandersetzungen und einer Tagung durch die Nacht, wird offiziell das Ende der „grossen“ Koalition in den Niederlanden verkündet. Trotz umfangreicher Besprech-und Überredungs-Versuche durch die Konservativen vom „Christlich-Demokratischer Appell“ (CDA), mit ihrem Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende, ist die „Arbeitspartei“ (PvdA) mit ihrem Vorsitzenden Wouter Bos hart geblieben: der bereits 2007 durch die Koalition von CDA und PvdA beschlossene Rückzug des Militärs aus Afghanistan bis Ende 2010 wird nicht noch einmal in Frage gestellt. (1)
Entsprechend dem eher auf politischen Brauch als auf einer Verfassung basierenden politischen System der niederländischen Monarchie, hat die Königin inzwischen das Parlament aufgelöst und für den 9.Juni Neuwahlen angesetzt. Bis zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten bleibt Balkenende kommissarisch weiter im Amt.
Im August beginnt nun laut dem schon 2007 getroffenen Beschluss der Abzug der Truppen aus Afghanistan. Nach übereinstimmender Meinung aller Beobachter gibt es keine realistische Chance für die Kriegslobby, bis dahin im Parlament noch einen gegenteiligen Beschluss zu erwirken. Damit sind die 2000 Soldaten der Niederlande bis zum Ende des Jahres zuhause.
Da die Niederländer genauso auf Frieden drängen wie die Deutschen, kann bei den kommenden Neuwahlen davon ausgegangen werden, dass der erwartete Einbruch der sozialdemokratischen PvdA nicht so verheerend werden wird, wie er in den letzten Wochen und Monaten prognostiziert worden war. Dennoch steht die PdvA unter starkem Druck der Sozialistischen Partei (SP). Die Sozialdemokraten der PdvA verloren bei der letzten Parlamentswahl 2006 in der „grossen“ Koalition mit der konservativen CDA sechs Prozent und kamen nur noch auf 21.19 %. Die Sozialisten der SP hingegen gewannen über 10 Prozent hinzu und kamen auf 16.58 %.
Im Gegensatz zu diesen Realitäten, aber entsprechend ihren Vorgaben seitens neokonservativer und bellizistischer Kräfte, bewirbt die Informationsindustrie in Deutschland bis heute immer wieder rechtsradikale und xenophobische Parteien in den traditionell eher toleranten Niederlanden.
Das nahm seinen Anfang 2002 und ist Teil einer zynischen und skrupellosen Posse, die nichts anderem diente als der Kreation von Spannungen im Inneren wie Äusseren – und somit letztlich der Kriegführung.
DIE ERMORDUNG VON PIM FORTUYN
Pim Fortuyn, ehemals Kommunist, dann Mitglied der sozialdemokratischen PvdA, dann bei den Rechtspopulisten der “Leefbaar Nederland” (LN) Spitzenkandidat, flog im Februar 2002 dort hinaus, weil er den ersten Artikel der niederländischen Verfassung abschaffen wollte, der da lautet:
“Alle die sich in den Niederlanden aufhalten, werden in gleichen Situationen gleich behandelt. Diskriminierung aufgrund von Glauben, Lebensanschauung, Politischer Überzeugung, Rasse, Geschlecht oder welchem anderen Grund auch, ist nicht gestattet.”
Fortuyn selbst war bekennend schwul. Seine Hasstiraden gegen den Islam begründeten er u.a. damit, dass er sich durch Äusserungen islamischer Geistlicher gegen Schwule bedroht fühlte. Im gleichen Atemzug lästerte Fortuyn aber auch über Reformierte, einen Zweig der evangelischen Kirche. Fortuyns Äusserungen im Original:
“Ich hasse den Islam nicht”, aber “ich finde es ist eine zurückgebliebene Kultur… Überall wo der Islam das Sagen hat, ist es einfach nur schrecklich. Die ganzen Zweideutigkeiten. Es ist fast ein wenig mit den Reformierten vergleichbar. Reformierte lügen dauernd.”
Nachdem er am 11. Februar 2002, einen Tag nach seinem Rausschmiss bei der LN, seine eigene Partei aufgemacht hatte, diente erst einmal sein neues Buch als Parteiprogramm. Man kann also durchaus behaupten, dass es sich hier nicht gerade um den Anfang einer viel versprechenden Karriere handelte.
Am 6. Mai 2002 wurde Pim Fortuyn dann im Mediapark von Hilversum erschossen – 9 Tage vor den Parlamentswahlen. Der „verwirrte Einzeltäter“ namens Volkert van der Graaf, wurde als voll schuldfähig eingestuft und erzählte etwas von einem Auftrage „Al Kaidas“.
Der tote Pim Fortuyn aber, zu Lebzeiten „verkannt“, durfte nun gewählt werden. Wie es mitleidige Menschen nun mal tun, stimmten sie entsprechend ab – die „Lijst Pim Fortuyn“ (LPF) bekam am 15.Mai 2002 bei den Wahlen aus dem Stand 26%. Die sozialdemokratische PdvA brach strukturell ein und verlor in der überwältigenden Mehrheit der niederländischen Gemeinden den Status der stärksten Partei an die Konservativen.
Mit den Stimmen der LPF wurde anschliessend aus den Reihen der konservativen CDA der Ministerpräsident gewählt, welcher bis heute regiert und nicht einmal ein Jahr später die Niederlande in den Irak-Krieg führen sollte: Jan Peter Balkenende.
Die LFP Fortuyns dagegen beerdigte sich schnell selbst. Bereits ein Jahr halbes Jahr später brach in dem von der Fortuyn-Liste LPF mitgetragenen ersten Kabinett Balkenende Chaos aus. Schon Anfang 2003 gab es Neuwahlen. Bei diesen erreichte die LPF bereits nur noch 8.%. Und schon im Jahre 2004 war die Parlamentspartei LPF keine Parlamentspartei mehr – sämtliche Abgeordneten traten aus der Partei aus. 2006 gab es dann satte 0.2%.
Bei dieser Wahl dann schlug die 5.9%-Stunde der „Partei der Freiheit” (PVV) unter dem Faschisten Geert Wilders – dem einzigen Mitglied seiner Partei. Durch das Fehlen des Wortes „Demokratie“ in der aus dem Jahre 1815 stammenden Verfassung der Niederlande, ist es Wilders möglich, eine Fantompartei zu den Parlamentswahlen antreten zu lassen und über diese Abgeordnete ins Parlament zu bekommen, welche keine Mitglieder der Partei sind, welche die Leute gewählt haben.
Im August 2007 forderte Wilders allen Ernstes ein Verbot der Religion Islam. Das Flaggschiff der neokonservativen Kriegslobby in der deutschen Presse, SpOn, feierte Wilders dafür dankbar als “Nachfolger von Pim Fortuyn” (Das Imperium erhöht die weltweite Spannung III – Niederlande und das Koran-Verbot, 08.August 2007)
Eine lächerliche Übertreibung und falsch dazu. Der lebende Pim Fortuyn hatte nie Erfolg. Erst der Mord an ihm machte Fortuyn posthum für kurze Zeit zu einem politischen Faktor.
Von diesem politischen Faktor des Fortuyn-Mordes aber, neun Tage vor den Wahlen am 15.Mai 2002, profitierte die internationale Kriegskoalition unter Führung der Präsidentschaft George Bushs in Washington. Denn in der politischen Umbruchphase und Verwirrung welche nun die Niederlande erfasste, konnte der an die Macht gelangte Ministerpräsident der konservativen CDA, Jan Peter Balkenende, vom Juli 2003 bis zum März 2005 Truppen in Irak entsenden.
Vorher hatte sich auf höchster internationaler Ebene, sowie in der Regierung der Niederlande, ein Komplott abgespielt.