DIE GRIECHENLAND-KRISE (III): Das „nächste Lehman Brothers“ – die Entstaatlichung der Staaten

Teil I – Goldman Sachs und das China-Syndrom
Teil II – Banken, hört die Signale..

Ende Januar stand die Athener Pasok-Regierung vor einem Trümmerhaufen. Nachdem mitten in einem für Griechenland enorm wichtigen Verkauf von Staatsanleihen am 25.Januar überraschend einen Tag später mehrere brisante Berichte der „Financial Times“ aufgetaucht waren, hatte Griechenland dementiert Goldman Sachs mit einem Ausverkauf der National Bank of Greece (NBG) an China beauftragt zu haben. Nach dem Dementi des Goldman-China Deals durch die Athener Regierung fiel der Wert der griechischen Schuldscheine / Staatsanleihen an den Börsen dramatisch. Mit derem völlig überzinsten Verkauf, der den griechischen Staat auf Jahre Milliarden kosten würde, hatte die Athener Regierung vorher ausgerechnet die NBG beauftragt, ebenso jene Banken, welche systematisch von der Griechenland-Krise profitierten: Goldman Sachs, die Deutsche Bank, Morgan Stanley, Credit Suisse und die EFG Eurobank.

Statt einen Befreiungsschlag zu landen, hatte die Pasok-Regierung unter Giorgos Papandreou Griechenland noch tiefer in den Ausverkauf getrieben. Und nicht nur das: Griechenlands Regierung stand unter enormen Zeitdruck; denn in den brisanten Berichten über den Goldman-China Deal hatte „Financial Times“ (1) am 26.Januar ebenfalls öffentlich gemacht, dass die Athener Regierung noch in diesem Jahr allein 55 Milliarden Euro für die laufende Rückzahlung seiner Schulden benötigen würde.

Griechenland stand hilflos da. Ein Spielball der Finanzkräfte.

WÄHRUNGSZONEN UND IMPERIEN

Im supranationalistischen EU-Apparat witterte man nun in dieser Situation sowohl Chance als auch Gefahr. Als Gefahr sah man einen strategischen Einkauf des chinesischen Wirtschafts- und Kapitalimperiums in die Südflanke des eigenen Machtbereichs. Ebenso erkannte man die Gefahr für den „Euro“: der finanzielle Zusammenbruch eines Staates innerhalb der eigenen Währungszone wäre ein dramatischer Ansehensverlust auf dem Spielfeld der Kapitalkräfte, die Finanz-Cäsaren der Banken könnten an ihren Marktplätzen den Daumen über den Euro senken. Zudem wäre eine dann erfolgende Rettung diese Staates innerhalb der eigenen Währungszone durch konkurrierende Kräfte, wie den von der Dollarzone strukturell beherrschten „Internationalen Währungsfond“ (IWF), ein zusätzlich verheerendes Signal; der Austritt dieses Landes aus der eigenen Währungszone würde den Machtverfall komplett machen.

Gleichzeitig sah man bei den Jüngern der in den letzten 20 Jahren so profitablen und erfolgreichen Neokonservativen Agenda in Berlin und Brüssel auch eine historische Chance: nämlich beim Rennen um die Beute Griechenland als Sieger hervorzugehen, die operative Kontrolle über einen ganzen Staat zu übernehmen, damit einen historischen Präzedenzfall zu schaffen, die Konkurrenz des US-kontrollierten Internationalen Währungsfonds (IWF) und China bei der Leichenfledderei an Griechenland draussen zu halten und gleichzeitig mit aller Gewalt den einzigen Anker rauszureißen, der (auch) die europäischen Länder noch davor schützte zu einem epischen eurasischen Kriegerstaat, imperialen Moloch und „Neuen Rom“ zusammengeschmolzen zu werden – Deutschland und sein Grundgesetz.

GRIECHENLAND ALS NEUES „LEHMAN BROTHERS“

Als die weltweiten mächtigen Ratingagenturen Fitch und Standard & Poor´s nach dem Nein der Griechen zum Goldman Sachs-China-Deal um die National Bank of Greece am 14. und 16.Dezember die Kreditwürdigkeit Griechenlands herabsetzten, trat in Deutschland ein altbekannter Lobbyist und Verarmungs-Prophet auf die Bühne: Hans-Werner Sinn, Leiter des sogenannten „Ifo-Institutes“, welches 1949 u.a. mit ehemaligen Statistikern der Obersten Reichsbehörde für 4-Jahrespläne des Naziregimes gegründet worden war.

Bereits am 15.Dezember 2009, Wochen nach dem Besuch von Goldman Sachs-Chef Gary Cohn in Griechenland und einen Tag vor der Herabstufung Griechenlands durch Standard & Poor´s, kündigte der Chef der Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, einen kommenden neuen Raubzug der Banken an; Griechenland könne „das nächste Lehman Brothers“ werden, so Sinn. Gleichzeitig brachte er von sich aus, einigermassen ungefragt und zum damaligen Zeitpunkt durchaus erstaunlich, einen Zusammenbruch der Eurozone ins Spiel (2):

„Der Euroraum wird an Griechenland nicht zerbrechen, dafür ist das Land zu klein..Es könnte das nächste Lehman Brothers sein“,

Der Ifo-Chef betonte ausserdem, man hätte Griechenland nie in die Eurozone aufnehmen dürfen.

Der Zusammenbruch, der Staatsbankrott eines ganzen Staates wurde also durch einen bekannten Finanz- und Konzernlobbyisten in Deutschland ausdrücklich ins Spiel gebracht; die Ersetzbarkeit dieses Staates für die Eurozone ausdrücklich erwähnt.

Diese Aussage aus dem mächtigsten Land der Eurozone musste für das nun zum finanziellen Todeskandidaten am Abgrund ausgerufene Griechenland wie ein Tritt wirken und die Athener Regierung direkt in die Arme des laufenden Erpressungsversuchs von Goldman Sachs und China treiben.

Der Vergleich Griechenlands mit Lehman Brothers hatte in der Tat so seine Paralellen. Peinlich für Sinn und Konsorten war, welche davon nun herauskamen.

LEHMAN BROTHERS: DER ORGANISIERTE CRASH

Am 11.März erschien ein Bericht des Bankprüfers Anton R. Valukas in der „New York Times“ (3). Wie der Bericht aufzeigte, fälschte „Lehman Brothers“ vor seinem urplötzlichen Zusammenbruch am 15.September 2008 systematisch und (in ominöser Zusammenarbeit mit anderen Banken wie JPMorgan und Citigroup) seine Bilanzen. Beihilfe leisteten die Bankprüfer von Ernst & Young. Man verschob u.a. mit einem Schlag 50 Milliarden Dollar aus den Bilanzen. Laut dem Valukas-Bericht hatten, neben der „investierenden Öffentlichkeit“, angeblich auch „Regierungs-Regulatoren“ und Ratingagenturen bis zum September 2008 absolut keine Ahnung von diesen gigantischen Betrügereien und Bilanzfälschungen. Wenn man das glaubt, kann dies bestenfalls der unleugbare Beweis dafür sein, dass zum damaligen Zeitpunkt der Staat USA im globalisierten Geldsystem keine andere Rolle ausser die des Zuträgers und Notifikanten der Banken spielte. Dementsprechend konnte sich dann nun jeder im Nachhinein ausrechnen, wie der von Ifo-Chef Sinn gezogene Vergleich mit der Griechenland-Krise zu bewerten ist.

Just gestern veröffentlichte das „Handelsblatt“ (4) ein Interview mit dem Insolvenz-Verwalter „Lehman Brothers“, Bryan Marsal. Dieser erklärte, ein Fall Lehman werde sich in der Tat „höchstwahrscheinlich“ wiederholen. Die Zustände seien immer noch die gleichen.

„HB: Aber die Finanzaufseher weltweit ziehen doch gerade die Zügel an …

Marsal: Ach, wirklich? Das ist doch nur Show. Die Aufseher sind überarbeitet und unterbezahlt. Jemand, der 80000 Dollar im Jahr verdient, kann nicht ernsthaft mit jemandem konkurrieren, der 400000 im Jahr dafür bekommt, Wege zu finden, das System auszuhebeln. Und bisher hat auch noch niemand von der Finanzaufsicht SEC, der Einlagensicherung FDIC oder der Regierung bei uns angefragt, wie der Lehman-Kollaps hätte vermieden werden können und welche Gegenmaßnahmen zu ergreifen wären, um eine Wiederholung zu verhindern..

Sehen Sie, Lehman war nicht zu groß, um pleitezugehen, sondern zu komplex. Eine ordnungsgemäße Insolvenz mit Unterstützung der US-Regierung hätte den Investoren Verluste in einer Größenordnung von 75 bis 100 Milliarden Dollar erspart. Eine ähnliche globale Kernschmelze ließe sich nur verhindern, wenn es globale Regulierungen für Unternehmen gäbe, die so komplex und global aufgestellt sind, wie Lehman es war. Lehman sah sich selbst als amerikanisches Kreditinstitut, arbeitete aber in 40 Staaten und verfügte über mehr als 900 Töchter. Demzufolge müssen wir uns mit 80 verschiedenen Insolvenzverfahren in 20 verschiedenen Jurisdiktionen auseinandersetzen. Es fehlt einfach eine übergreifende Koordination der Aufsichten an den internationalen Finanzmärkten. Banken wachsen global, sterben aber lokal, das ist das Problem.“

VERSTAATLICHUNG VERSCHULDETER BANKEN, ENTSTAATLICHUNG VERSCHULDETER STAATEN

Der Vergleich des Staates Griechenland mit der Bank Lehman Brothers durch Ifo-Leiter Sinn macht die ganze Denkweise der Neokonservativen Agenda deutlich: Verstaatlichung verschuldeter Banken, Entstaatlichung verschuldeter Staaten. Es folgt die Übernahme durch die Banken, ein Systemwechsel zum Staatskapitalismus, in denen es keinen Unterschied mehr zwischen Banken und Staat gibt, mit der Aussnahme, dass nur noch Staaten pleite gehen und verschwinden können. Flankierende Massnahmen schützen das neue (eventuell aus ehemaligen Staaten zusammengebastelte) Imperium mit entsprechenden autoritär-totalitären Strukturen, Einsatz des Militärs zur Kontrolle der entmachteten und verfassungslosen Bevölkerung, sowie natürlich ständiger Spannungsfall durch innere und äussere Kriegführung – zur „Sicherheit“.

Die in George Orwell´s Welt von 1984 vor Beginn der Handlung erfolgte Revolution von oben – ein Staatsstreich.

Der ganze Vorgang innerhalb der letzten 2 Jahre war so wahnsinnig und so gross, dass er entsprechend der alten Regel Bertolt Brechts größenwahnsinnig und damit unsichtbar wurde: im September 2008 liess zunächst der ehemalige Goldman Sachs-Chef und damalige US-Finanzminister Henry Paulson Lehman Brothers innerhalb von 5 Tagen aus dem Nichts heraus platzen. Der Wikipedia-Eintrag erdreistet sich zu behaupten, dies sei aus „politischem Druck“ geschehen.

Es ging alles rasend schnell über die Bühne.

Am 1o.September (einen Tag bevor irgendjemandem etwas aufgefallen wäre) hatte die Bankführung von  Lehman Brothers unter Richard Fuld ebenso überraschend wie unnötig verkündet, dass sie Verluste in Höhe von 3,9 Milliarden US-Dollar für das dritte Quartal 2008 erwarte. Vorher hatte die Bank von April bis Juni 2008 noch 9 Milliarden Dollar Kapital eingeatmet.

Nur fünf Tage später erklärte Lehman Brothers die Insolvenz. Und abermals 4 Tage später, nur knapp eine Woche nachdem Lehman Brothers seine Schuldenerwartungen öffentlich gemacht hatte, stand am 19.September 2008 der Finanzminister der USA Henry Paulson vor der Presse und legte einen äußerst detailreichen Gesetzentwurf für den Ausverkauf seines Staates vor: 700 Milliarden Dollar für das Bankensystem, u.a. für Goldman Sachs, deren Vorsitzender er gewesen war.

Und nicht nur das: Paulson versuchte offen, sich kurz vor den US-Präsidentschaftswahlen am 4.November (bei denen die Niederlage des neokonservativen John McCain, sowie seiner begnadeten Kandidatin für das Vizepräsidentenamt Sarah Palin, bereits absehbar war) noch schnell zum faktischen Finanzdiktator ausrufen zu lassen. Nur mit Mühe und weil sich auch Teile der Republikanischen Partei wehrten gegen diese „Heirat von Wall Street und Politikern, die Benito Mussolini stolz machen würde“, scheiterte die finanzielle Ermächtigungsgesetzgebung – im Gegensatz zu Deutschland, nur ein paar verdammte Tage später.

Am 15.September 2008 hatte Lehman Brothers pleite gemacht. Am 19.September legte der US-Finanzminister seinen Bail Out vor. Am 22.September wies man in Berlin bei allen Parteien noch jeden deutschen „Bail out“ weit von sich. Schon am Wochenende vom 26-28. sassen die Regierung aus CDU und SPD mit der BaFin, der Bundesbank und genau den Banken zusammen, die höchstselbst das „Finanzmarktstabilisierungsgesetz“ in Höhe von über 500 Milliarden Euro entwerfen liessen, was der Bundestag bereits am 17.Oktober ohne reguläre Debatte beschloss und dafür mit Zustimmung aller Parteien sogar seine Geschäftsordnung änderte.

Zeitgleich mit dem in dieser Zeit jedes Wochenende über die Bühne gehenden Bankertreffs im SPD-geführten Finanzministerium, beschlossen bei einem Geheimtreff im Kanzleramt am 5.Oktober 2008 Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Aussenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) einen Versuch zur handstreichartigen Verfassungsänderung zwecks Einsatz des Militärs im Inneren. Dieser scheiterte ausschliesslich an dem Nein der FDP. (Die HRE-Staatsaffäre: Chronologie eines Staatsstreichs)

Die Republik hatte zu diesem Zeitpunkt auf des Messers Schneide gestanden. Aber still und starr ruhte nicht nur der See.

Was es in der Berliner Republik – im Gegensatz zu den USA – über die parlamentarische Hürde schaffte, war die Finanzermächtigungsbehörde Soffin, ohne jedwede parlamentarische Kontrolle. Kein Mensch redet mehr darüber, was dieser Laden eigentlich seit anderthalb Jahren anstellt. Völlig verdrängt ist heute ebenfalls, welche Unsummen an Steuergeldern der 500 Millionen EU-Häftlinge die ehrenwerten Herrschaften zu Brüssel  ihren Banken in den Rachen warfen: laut dem damaligen Chef der EU-Kommission Jose Barroso waren es allein im Herbst 2008 zwei Billionen Euro. Damit sei „der Grundstein für eine Erholung“ der Finanzmärkte gelegt, so Barroso (8).

Die Erholung der Staatsfinanzen war offensichtlich etwas langfristiger angelegt, etwa unter einem beschrifteten Grundstein auf dem Friedhof der Volkswirtschaften.

EIN NEUER BAIL OUT BAHNT SICH AN

Nachdem sich nun Anfang 2010 die Finanzsituation Griechenlands nach dem katastrophalen Ablauf der von den Banken am 25.Januar organisierten Platzierung der 5-Jahresanleihen an den Börsen weiter verschlimmert hatte, drangen Pläne über (vermeintlich an Griechenland gehende) geplante Geldzahlungen aus „Euroland“ an die deutsche Öffentlichkeit. Dabei wurde auch der Verbleib Griechenlands in der Eurozone diskutiert.

Die Öffentliche Meinung war eindeutig: es sollte kein Cent mehr zusätzlich von der Berliner Regierung ausgegeben werden, schon gar nicht für die „Pleite-Griechen“. Der geostrategisch-ökonomische Hintergrund der ganzen durch die Banken selbst erzeugten Griechenland-Krise wurde durch die Konzernmedien der Informationsindustrie zu keinem Zeitpunkt erläutert.

Am 29.Januar machte ein „Focus“-Interview (6) die verschiedenen Perspektiven relativ deutlich:

„FOCUS Online: Müssen die deutschen Steuerzahler nach den Banken jetzt die Griechen retten?

Dirk Meyer: Die Staaten der Eurozone werden nicht umhin kommen, den Griechen beizuspringen. Da ein Griff in die Gemeinschaftskasse laut EU-Vertrag verboten ist, wären zwei Alternativen plausibel: Entweder überweisen Staaten einzeln Geld nach Athen – oder einige Euroländer legen gemeinsam mit Griechenland eine Anleihe auf. Jedes Land würde einen Teil der Einnahmen bekommen, jedes Land für Zahlungsausfälle des anderen haften. Die Griechen könnten von dem guten Ruf der Partner profitieren. Für Investoren wäre das Risiko eines Totalausfalls gleich Null.

FOCUS Online: Was würde das kosten?

Meyer: Bei einer gemeinsamen Anleihe zum Beispiel müsste Deutschland höhere Zinsen zahlen als gewohnt. Es gibt Berechnungen, wonach pro Jahr drei Milliarden Euro mehr für Schulden anfallen. Bei einer zehnjährigen Anleihe wären das insgesamt 30 Milliarden Euro….

FOCUS Online: Lachende Dritte wären Spekulanten: Sie kaufen jetzt Anleihen in Griechenland, die doppelt so hohe Zinsen bieten wie in Deutschland. Am Schluss gäbe es kein Risiko – weil die EU eine Staatspleite verhindern wird.

Meyer: Genau davon gehen die Anleger aus – sonst würden die Zinsen für griechische Staatspapiere sicher bei 15 bis 20 Prozent liegen. Griechenland zu retten hätte natürlich den Nebeneffekt, dass der deutsche Steuerzahler auch die Risikofreude von Spekulanten belohnt.“

Das Resumée dieses Interviews, dessen Tenor sich so oder ähnlich überall wiederfand: Griechenland (und andere) sollten mit einem „goldenen Handschlag“ aus der Eurozone austreten. Probleme hätten sowieso nur die Länder,

„die nach wirtschaftlichen Kriterien nicht in die Eurozone gehören.“

Die Möglichkeit eines „goldenen Handschlags“ mit Griechenland – Austritt aus der Eurozone und dafür Unterstützung aus den EU-Mitgliedsländern – musste nun vom geopolitisch-strategischem Standpunkt der EU-Zentristen aus geradezu katastrophal wirken. Im Falle einer Absicherung von Krediten Griechenlands durch oben erwähnte „gemeinsame Anleihen“ der EU-Mitgliedsländer hätten den Druck von Griechenland genommen; der stetige Ausbau der Brüsseler Kompetenzen, eine schleichende Übernahme der (oft herabsetzend) als „Nationalstaaten“ bezeichneten Mitgliedsländer wäre gestoppt und ein Exempel Griechenland würde verhindert. Auch die Banken hätten die Möglichkeit einer Erpressung verloren.

Stattdessen versuchten nun die gleichen Banken, die bereits September / Oktober 2008 in einem gigantischen Raubzug den deutschen Staat geplündert hatten, die gleichen Banken, welche bereits den griechischen Staat über Jahre skrupellos geplündert und dessen Anleihen-Platzierung am 25.Januar „zufällig“ in den Sand gesetzt hatten, jetzt versuchten die gleichen Banken genau dieselbe teure Tour noch einmal abzuziehen.

DER „EUROPÄISCHE WÄHRUNGSFOND“: MITTEL ZUR BANKENDIKTATUR

Am 2.Februar gab der „Chefvolkswirt“ der Deutschen Bank, Thomas Mayer, dem „Manager Magazin“ (9) ein gruseliges Foto und dazu noch ein Interview. Er brachte es ziemlich direkt auf den Punkt, was sich die Banken da so vorstellten:

„mm: Deutschland ist doch jetzt schon einer der große Zahler für die Europäische Union der Subventionen. Glauben Sie, dass es die Bundesbürger klaglos hinnehmen werden, beispielsweise zusätzlich zu den immensen Agrarhilfen für Europas Südstaaten auch noch milliardenschwere Finanzsubventionen zu bezahlen?

Mayer:Wenn es hart auf hart kommt, werden sie es müssen. Schließlich kann man niemanden einfach so aus dem Euro-Club werfen. Das haben Europas Zentralbanker selbst kürzlich ausdrücklich festgestellt…

Die Griechen müssten wohl weit mehr auf sich nehmen, als ein paar Jahre lang niedrige oder keine Lohnsteigerungen. Wollte man auf diese Art zum Erfolg kommen, müssten es wohl gar Lohnkürzungen sein. Die Europäische Kommission ist offenbar auf dem Weg dazu, den Griechen etwas Ähnliches in der kommenden Woche vorzuschlagen.

mm: Herr Mayer, Lohnkürzungen kann man doch eigentlich niemanden wirklich aufzwingen, oder? Schlimmstenfalls provoziert man damit Straßenschlachten.

Mayer: Die Iren sind gerade auf dem Weg zu solch einer Lösung. Auch die Letten kämpfen sehr ähnlich. Aber das ist tatsächlich ein extrem harter Akt. Es wäre wohl der härteste Anpassungsprozess, den ich je beobachtet habe…

Es ist natürlich immer verheerend, wenn Banker gegenüber der Unterschicht einen Wissensvorsprung haben. Da fühlt man sich irgendwie so hilflos.

Wir bräuchten eine Art europäischen Währungsfonds, der Griechenland – ähnlich dem Internationalen Währungsfonds – Überbrückungskredite geben könnte, und zwar unter harten Sanierungsbedingungen

mm: Spätestens dann wäre Griechenland allerdings vom internationalen Finanzmarkt abgeschnitten, oder?

Mayer: Sollten alle Anpassungsprogramme scheitern, wäre das der Fall, ja. Deshalb müsste der gedachte europäische Währungsfonds den Besitzern griechischer Staatsanleihen anbieten können, griechische Anleihen gegen neue des europäischen Hilfsfonds einzutauschen – gegen einen deutlichen Abschlag natürlich. So sollte ein ungeordneter Staatsbankrott vermieden werden. Darüber hinaus allerdings müsste der Europa-Fonds mit dem Tauschgeschäft zugleich Rechte gegenüber Griechenland erhalten.

mm: Um die Sanierungsbedingungen durchzusetzen?

Mayer: Ganz richtig, ja. Der Europa-Fonds erhielte im Gegenzug für seine Hilfe beispielsweise das Recht, über jede griechische Staatsausgabe anstelle der griechischen Regierung zu entscheiden.“

Deutlicher ging es nicht mehr: die Banken planten über Bande zu spielen und über einen neu geschaffenen „Europäischen Währungsfond“ (EWF) die Macht über Griechenland zu übernehmen. Bezahlen sollten den Fonds genau die Völker, die man gegeneinander hetzte und deren Republiken man entstaatlichen wollte. Ausserdem war dies der offene Aufruf zum Bruch des gerade eben mit Mühe und Not gegen die Völker Europas durchgezwungenen Lissabon-Vertrages, sowie ganz nebenbei eine Aufforderung zum Verfassungsbruch der Berliner Republik.

Der Forderung der „Deutschen Bank“ dackelte später natürlich die gesamte deutsche Regierung unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel hinterher, allen voran Finanzminister Wolfgang Schäuble. Nur sollte die Berliner Regierung später damit scheitern, weil sie in der EU alleine stand und zudem absehbar bei der „kleinen Bundestagswahl“ am 9.Mai in Nordrhein-Westfalen ihre Bundesratsmehrheit verlieren wird. Ein Regierungswechsel in Berlin ist mehr als wahrscheinlich; der Stuhl Merkels steht nur noch auf drei Beinen, Schäuble wird sein Amt aller Voraussicht nach abgeben müssen.

Zu dem absurden Theater der in Jahrzehnten auf Kurs gebrachten Pressemafia und Informationsindustrie gehörte, dass die später erfolgende völlige Niederlage der Banken, der Bundesregierung und der Strategie eines Europäischen Währungsfonds als Sieg der neuen „Eisernen Lady“ Merkel verkauft wurde. Denn merke: eine Niederlage der Banken, eine Niederlage der Regierung, einen Niederlage der Eliten, Lobbyisten und Ausbeuter gegen das menschgemeine Volk, das konnte nicht sein, weil es nicht sein durfte. Weil, das wäre nicht vernünftig gewesen. Und wenn es doch so war, dann durfte man es halt nicht sagen. Schliesslich muss man doch auch von was leben.

EUROZONE, 21.JAHRHUNDERT: FLUCHT VERBOTEN

Druck und Erpressung gegen Griechenland waren also das Eine – aber ein tatsächlicher Austritt von Griechenland aus der Eurozone (und damit aus dem Machtbereich der Frankfurter EZB) musste unbedingt verhindert werden, ebenso wie eine Stärkung des souveränen Staates Griechenland.

Eine eigene Währung der Griechen hätte aus Sicht der Banken zudem die verheerende Möglichkeit beinhaltet, dass der griechische Staat direkt die Kontrolle über die eigene Zentralbank und damit über das eigene Geld erlangt hätte; ein mögliches Fallbeispiel für andere Länder mit ebenfalls zunehmend vom Parlament „unabhängigen“ Regierungen, deren Bevölkerungen sich zunehmend fragen, ob der ganze von oben organisierte ökomomische, politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Verfall vielleicht an den „unabhängigen“ Banken und Zentralbanken liegen könnte.

Wichtig und zentral für die Banken war nun die öffentliche Meinung in Deutschland auf die eigene Seite zu ziehen, die politischen Garderobenständer für eine Propagierung des planten EWF nach vorne zu schicken und drakonische Massnahmen gegen die hellenische Republik irgendwie populär zu machen.

AUFTAKT ZUR TREIBJAGD

Am 7.Februar, fünf Tage nach der öffentlichen Forderung nach Installation eines EWF durch die „Deutsche Bank“, folgte nun wieder einmal Ifo-Leiter Hans-Werner Sinn den Vorgaben. Er drehte sich dabei gegenüber seiner Aussage vom 16.Dezember um 180 Grad: anstatt Griechenland als ersetzbar für die Eurozone zu bezeichnen, propagierte Sinn nun folgendes:

„Die EU muss Griechenland retten, weil es sonst Dominoeffekte gibt..Wenn Griechenland nicht gerettet würde, schwände das Vertrauen in Irlands Bonität, und es gäbe vielleicht kein Halten mehr. Schließlich würden auch Italien, Spanien und Portugal wackeln.“

Um einen Zusammenbruch des Euro zu verhindern, so Sinn nun, müsse ein EU-Kommissar in Griechenland ein Vetorecht gegenüber dem Parlament und zudem die Vollmacht erhalten, die griechische Haushaltspolitik zu überwachen. Im Gegenzug solle es dann gleich Geld direkt aus dem EU-Haushalt geben – aber keinesfalls Euro-Anleihen (ähnlich den von Eurex Bonds GmbH gehandelten Schuldscheinen des deutschen Staates.)

Wie beschrieben: das war der offene Aufruf zum Bruch des Lissabon-Vertrages und des Grundgesetzes.

Einen Tag später legte dann ein alter Bekannter nach, schon immer der grösste Freund des Grundgesetzes überhaupt: der (west)deutsche ex-Innenminister (1989-1991 und 2005-2009) und jetzige Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Am 8.Februar verkündete der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble während eines Treffen der Finanzminister der G7-Staaten, die G7 solle sich gefälligst aus der Griechenland-Sache heraus halten, ebenso der IWF. Die Angelegenheit falle in den Einflussbereich der EU. Schliesslich diskutiere man, so Schäuble vielsagend und zaunpfahlschwingend, in den G7-Treffen ja auch

„nicht die finanziellen Probleme des Staates Kalifornien.“ (7)

Ein Vergleich, der allen zeigen musste, wohin die Reise nach Berlin zu enden habe: beim letzten Stuhl der „Vereinigten Staaten von Europa“.

Dabei war auch Schäuble klar – jetzt hieß es alles oder nichts.

DIE GRIECHENLAND-KRISE (IV): Machtergreifung einer neuen kapitalistischen Sowjetunion
DIE GRIECHENLAND-KRISE (V): Politische Monarchie zu verkaufen
DIE GRIECHENLAND-KRISE (VI): Der Plan der Banken von einer europäischen Soffin
DIE GRIECHENLAND-KRISE (VII): Am Anfang war die Statistik

Quellen:
(1) http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=20601087&sid=aaYbS02RTP9A
(2) http://de.ibtimes.com/articles/20091215/eurozone-wegen-griechenland-nicht-zerbrechen.htm
(3) http://dealbook.blogs.nytimes.com/2010/03/11/lehman-directors-did-not-breach-duties-examiner-finds/#reports
(4) http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/interview-lehman-chef-warnt-vor-weiteren-grossen-bankpleiten;2550742;3
(5) http://www.handelsblatt.com/politik/international/griechenland-sinn-fordert-eu-hilfen;2525822
(6) http://www.focus.de/finanzen/news/euro/waehrungsunion-griechenland-muss-den-euro-abgeben_aid_475368.html
(7) http://in.reuters.com/article/businessNews/idINIndia-45990420100208
(8) http://www.bild.de/BILD/news/telegramm/news-ticker,rendertext=6167866.html
(9) http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,675453-2,00.html

Verlinkung und SEO-Daten der Artikelserie erneuert am 09.07.2015

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert