Die „schmutzige Bombe“ ist eine erfundene Fantasie-Gefahr
Der Präsident der USA, Barack Obama, Regierungschefs aus 47 Staaten beim Washingtoner Atomgipfel, eingeschlossen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, sowie fast die gesamte Informationsindustrie warnen vor einer nicht existierenden Bedrohung. Wieder folgen sie der alten, abgetakelten Agenda der Neokonservativen: Panikmache zu politischen Zwecken.
In den letzten Tagen sah und las man überall Warnungen, Grafiken und wilde Szenarien: eine konventionelle Bombe, enthalten darin atomares Material oder radioaktive Stoffe, könnte durch „Terroristen“ irgendwo auf der Welt zur Explosion gebracht werden. Tausende könnten sterben, die „schmutzige Bombe“ läge in ihrer Wirkung irgendwo zwischen einer Atombombe und einem herkömmlichen Sprengsatz: die Welt sei wieder einmal in Gefahr. Nichts davon hat mit der Realität zu tun. Hochrangige Experten haben bereits vor Jahren diese von Behörden und Regierungen erfundene Angst-Fantasie widerlegt.
Dr. Theodore Rockwell (1). Atomwissenschaftler seit er 1943 in einer Elitegruppe von Wissenschaftlern in Oak Ridge, Tennessee, die erste Atombombe entwickelt. Von der US Navy und der US-Atombehörde wegen seiner Arbeit an der Entwicklung am atomaren Antrieb von Kriegsschiffen hoch dekoriert, ebenso von der American Nuclear Society, aufgelistet im „Who is Who“ von America, dem „Who ist Who“ der Welt und dem „Who is Who“ der weltweiten Wissenschaft. Im Jahre 2004 gibt er ein Interview für die BBC-Dokumentation „Die Macht der Albträume – Der Aufstieg der Politik von Furcht“ („The Power of Nightmares – The Rise of Politics of Fear“) (2):
Interviewer: “Wie gefährlich wäre eine schmutzige Bombe?”
Dr. Theodore Rockwell, Nuklearwissenschaftler und Experte für Strahlungsrisiken: “Es würde wenige Tote geben, wenn überhaupt, und die Antwort lautet: vermutlich gar nicht.”
Interviewer: “Wirklich?”
Rockwell: “Ja. Und das ist immer und immer wieder gesagt worden, aber dann sagen die Leute danach unmittelbar: `Aber wissen Sie, die Leute werden das nicht glauben und sie werden alle in Panik ausbrechen.` Wissen Sie, und dann stoßen all die Leute, die an diesem Projekt arbeiten, also die Verteidigung und so weiter, einen Seufzer der Erleichterung aus, weil sie ihr Problem zurück haben, wissen Sie: Wir werden alle in Panik ausbrechen. Ich denke nicht, dass sie irgendjemanden töten würde und ich denke, Sie würden Schwierigkeiten haben, einen seriösen Bericht zu finden, der anderes behauptet. Das Energieministerium hat tatsächlich solch einen Test aufgebaut und sie haben wirklich gemessen, was passierte. Und sie, sie – die Ergebnisse der Messungen waren extrem niedrig. Sie berechneten, dass das am stärksten ausgesetzte Individuum eine einigermassen hohe Dosis abbekommen würde – nicht lebensbedrohlich, aber einigermassen hoch – und ich habe überprüft, wie die Berechnung gemacht wurde und sie setzten voraus, dass nach der Attacke ein Jahr lang niemand umzieht. Ein Jahr. Na, das ist doch lächerlich.”
Lewis Z. Koch (3), investigativer Journalist seit 30 Jahren. Während seiner Arbeit für NBC erhält er zweimal die höchste Auszeichnung der Stadt Chicago für journalistische Arbeit. Er arbeitete desweiteren u.a. für CBS, MSNBC, die US-Weltraumbehörde Nasa, schaffte es als Co-Autor des Buches „The Marriage Savers“ auf das Titelblatt von „Psychology Today“, war Redenschreiber mehrerer Konzernleiter und Autor ungezählter Artikel und Recherchen. Unter anderem schrieb er „Schmutziger Bomber? Schmutzige Justiz“ („Dirty Bomber? Dirty Justice“), welcher im weltweiten „Bulletin of Atomic Scientists“ (4) versandt wurde. Lewis Z. Koch in der BBC-Dokumentation „Die Macht der Albträume“ (2):
„Die dreckige Bombe – die Gefahr von Radioaktivität ist nahe Null. Die Gefahr von Panik allerdings ist horrend. Daher die Ironie. Anstatt dass die Regierung sagt: `Seht mal, das ist keine gravierende Waffe; die gravierende Gefahr daran ist die Panik, die nachfolgen würde, und es gibt keinen Grund für Panik. Keine Panik.`”
Radio Utopie hat heute die Übersetzung des dritten und letzten Teils der vielfach preisgekrönten und in Deutschland nie erschienenen Filmreihe „The Power of Nightmares“ veröffentlicht. (DIE MACHT DER ALBTRÄUME – Episode III: Die Schatten in der Höhle)
Mit welcher plumpen Perfidität die Informationsindustrie Regierungsinteressen weltweit mit Angst-Kampagnen vor virtuellen Gefahren dient, zeigt als ein Beispiel von vielen ein aktueller Artikel von ABC (5):
„Angriff mit schmutziger Bombe `ziemlich wahrscheinlich`trotz Nukleardeal.
Ein führender Nuklearexperte sagt, es ist nur eine Frage der Zeit bevor Terroristen einen Angriff mit sogenannten schmutzigen Bomben starten..
Tilman Ruff, mitarbeitender Professor an der Melbourne Universität und Kopf der Internationalen Kampagne zur Zerstörung von Nuklearwaffen, sagt, die Möglichkeit von Terroristen radioaktives Material zu erhalten und es einem konventionellen Sprengstoff beizufügen ist sehr wahrscheinlich:
`Es in einer Großstadt zur Detonation zu bringen, ist die simpelste und wahrscheinlichste Form des Nuklearterrorismus. Ich denke…es ist ziemlich wahrscheinlich, dass wir irgendwo solche eine Episode sehen werden`, sagte er dem ABC Frühstückfernsehen.“
Der „führende Nuklearexperte“ Tillman Ruff ist Mediziner für infektiöse Krankheiten und öffentliche Gesundheit (6). Seine Tätigkeiten für Kampagnen sind eine andere Sache; unter anderem ist Ruff im Führungsgremium der „Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges“ IPPNW. Ob z.B. der deutsche Ableger dieser Organisation über diese Äußerungen eines Leitungsmitglieds der internationalen Sektion entzückt sein dürfte, welche 1985 immerhin den Friedensnobelpreis erhielt, darf bezweifelt werden.
Der von dem Konzern Bertelsmann kontrollierte „Stern“ in einem gestrigen Artikel:
„Keine strahlende Zukunft: Kanzlerin Merkel warnt vor der `schmutzigen Bombe`
Es ist die Angst vor der „schmutzigen Bombe“, die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Atomgipfel in Washington umtreibt. Die Angst vor einer Bombe also, die nicht Atombombe, auch nicht Sprengbombe ist, sondern in ihrer Wirkung irgendwo dazwischen liegt…
Denkbar sind Verunsicherungen in der Bevölkerung bis hin zu weitergehenden Folgen für die Wirtschaft. Schwach radioaktives Material wird mindestens für den Bau einer „schmutzigen Bombe“ benötigt, und das gibt es auch in Deutschland massenhaft: Insbesondere in Krankenhäusern wird mit dem strahlenden Material hantiert. Dazu kommen noch ein paar Forschungslabore.“
Als einer der wenigen Labels der Informationsindustrie veröffentlichte die „Financial Times“ (7) einen zunächst nachdenklich erscheinenden Artikel, welcher der erfundenen Angst-Fantasie „schmutzige Bombe“ zunächst widersprach, nur um dann diese über Umwege gleich wieder zu beleben:
„Doch selbst eine schmutzige Bombe lässt sich nicht mit beliebigen radioaktiven Zutaten bestücken. Die oft zitierte Gefahr etwa durch Material, das aus Krankenhäusern entwendet wird, ist relativ gering. Laut Bundesamt für Strahlenschutz wäre die Belastung für die Bevölkerung im Einzugsgebiet einer Explosion in vielen Fällen so gering, dass man sie nicht einmal auffordern müsste, im Haus zu bleiben. Gefährlich ist die Strahlung einer schmutzigen Bombe den Strahlenschützern zufolge erst, wenn Stoffe wie Plutonium-239 verwendet werden.“
Wie heuchlerisch die inszenierte und erfundene Gefahr einer „schmutzigen Bombe“ durch die derzeitige US-Regierung unter Präsident Barack Obama – nach den gescheiterten Angst-Kampagnen von einer angeblich tödlichen weltweiten Schweinegrippen-Pandemie, oder dem Witz von einer dramatischen „globalen Erwärmung“ durch die CO2-Religion – derzeit für geopolitische Veränderungen eingesetzt wird, zeigt folgender Artikel, in dem nach der üblichen Panikmache sogar die Virtualität der viel beschworenen Bedrohung umschrieben wird:
„Obama warnt vor den Folgen die Al Qaeda mit nuklearen Waffen anrichten könnte.
Das Risiko eines nuklearen Krieges zwischen Ländern ist gesunken, aber gestiegen ist das Risiko eines atomaren Angriffs von terroristischen Gruppen, warnte der US-Präsident. Obama schätzte die Situation als „grausame Ironie der Geschichte ein…
Die meisten Beobachter glauben, dass solch eine Tat mehr Potential in der Erzeugung von Angst als in der Erzeugung von großem Gemetzel hat“
Bill Durodie, hochrangiger weltweiter Sicherheitsexperte, derzeit an der Nanyang Universität von Singapur, ehemals Direktor des Internationalen Zentrums für Sicherheitsanalysen, des King´s Kollege in London, äusserte sich im Jahre 2004 in der BBC-Dokumentation „The Power of Nightmares“ zur größten Angst-Fantasie unserer Zeit: der „Terrorganisation Al Kaida“ und derem nie existierenden „Netzwerk“ (2):
„Interviewer: “Also gab es kein Netzwerk.”
Bill Durodie, Direktor des Internationalen Zentrums für Sicherheitsanalysen, Kings Hochschulinstitut: “Nein”.
Interviewer: “Niemals.”
Durodie: “Vermutlich nicht.”
Interviewer: “Wir haben das erfunden.”
Bill Durodie: “Erfindung ist ein zu geflügelter Begriff. Ich denke, wir haben es projiziert – ähm, – wir projizierten unsere eigenen schlimmsten Befürchtungen, und das, was wir sehen, ist eine Fantasie, welche erschaffen wurde.”
Zu den gesellschaftlichen Hintergründen unserer Zeit äusserte sich Bill Durodie wie folgt (2):
„In einer Gesellschaft, die an nichts mehr glaubt, wird Angst zur einzigen Agenda. Während das 20. Jahrhundert beherrscht war von einem Konflikt zwischen einer “Freier Markt”-Rechten und einer sozialistischen Linken, selbst wenn beide dieser Ausblicke ihre Grenzen und ihre Probleme hatten, glaubten sie wenigstens an etwas, wohingegen das, was wir nunmehr sehen, eine Gesellschaft ist, die an nichts mehr glaubt. Und eine Gesellschaft, die an nichts glaubt, ängstigt sich besonders vor Leuten, die an irgendetwas glauben und demzufolge bezeichnen wir solche Leute als Fundamentalisten oder als Fanatiker und sie haben viel größeren Einfluss in Form der Furcht, die sie der Gesellschaft einjagen, als sie es wahrlich verdienen. Aber dies ist eher ein Maß dafür, wie sehr wir isoliert und atomisiert geworden sind, als der ihnen anhaftenden Stärke.“
Ergänzung, 19.00 Uhr:
Am 13.April erklärte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu Beginn des Atomgipfels in Washington wörtlich folgendes (8):
„Nuklearmaterial, das gestohlen oder verkauft und in eine Nuklearwaffe verwandelt werden könnte, existiert in Dutzenden von Nationen. Schon die kleinste Menge an Plutonium – ungefähr von der Größe eines Apfels – könnte Hunderttausende von unschuldigen Menschen töten oder verletzen. Terroristische Netzwerke wie Al Qaeda haben versucht, das Material für eine Nuklearwaffe zu erwerben und wenn sie jemals Erfolg haben sollen, würden sie diese sicherlich anwenden. Würden sie das tun, es wäre eine Katastrophe für die Welt – die ausserordentlich viele Menschenleben kosten und globalem Frieden und Stabilität einen schweren Schlag versetzen würden.“
Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI werden derzeit von den Atommächten der Welt, den USA, Frankreich, Großbritannien, China, Russland, Indien, Pakistan und Israel, ständig 2000 Atomwaffen in höchster Alarmbereitschaft gehalten, des weiteren 8000 in Einsatzbereitschaft und 14.900 weitere in Reserve oder auf dem Weg zur Entsorgung. (9)
Was für eine schmutzige Geschichte.
Quellen:
(1) http://members2.authorsguild.net/tedrockwell/
(2) http://video.google.com/videoplay?docid=-1433149975726132762#
(3) http://www.lzkoch.com/lzk_bio.html
(4) http://thebulletin.metapress.com/content/96535n2426g5r807/?p=2fd635c1d55845dcafdfe9de61927e72&pi=0
(5) http://www.abc.net.au/news/stories/2010/04/14/2872242.htm?section=justin
(6) http://www.mapw.org.au/media-profile/associate-professor-tilman-ruff
(7) http://www.ftd.de/politik/international/:atomgipfel-in-washington-warum-die-angst-vor-der-schmutzigen-bombe-ueberzogen-ist/50100366.html
(8) http://www.america.gov/st/texttrans-english/2010/April/20100413110947eaifas0.5714685.html
(9) http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/2010254/index.do