Kurswechsel der SPD: Gabriel verlangt „unabhängige Überprüfung“ von nächstem Afghanistan-Mandat
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hielt heute im Parlament die Gegenrede zu Kanzlerin Merkels Regierungserklärung über die seit achteinhalb Jahren andauernde Besatzung des zentralasiatischen Afghanistan. Er liess dabei eine Bombe platzen, die im Kontext mit anderen Äußerungen auf einen strategischen Schwenk der gesamten, eng mit einander assoziierten Partei- und Gewerkschafts-Nomenklatura im ehemals sozialdemokratischen und nun nur noch schrumpfenden Spektrum in der Republik hindeutet.
Bereits im Vorfeld war die Rede Sigmar Gabriels mit erkennbar viel Nervosität erwartet worden. Denn gehaltene Reden im Bundestag werden vorher von anderen geschrieben. Und sie werden nach politischen Erwägungen geschrieben, die vorher entsprechend machtpolitisch abgeklopft und verhandelt werden müssen. Sowas spricht sich natürlich herum. Bestenfalls haben diejenigen, welche die Rede später als Abgeordnete halten, Einfluß darauf oder sogar eine genaue Vorstellung davon, was dort hinein geschrieben wird. Im Regelfall wissen die Abgeordneten nämlich nicht oder nicht ganz, was sie überhaupt vorlesen und geraten deshalb ständig ins Stocken.
Nun, auch in Sigmar Gabriels Rede gab es Passagen, die er – zugegebenermaßen geübt und fehlerfrei vorgetragen – als Pflichtprogramm runterleierte: dass mit dem 11.September, dass mit der „El Kaida“, das mit den „Taliban“ und das man davon ja nichts gewusst habe was die Geheimdienste wussten..halt, das fehlte. Es fehlte überhaupt viel. Das Wort „Grundgesetz“, „Frieden“, oder der Terminus „achteinhalb Jahre Eures Lebens wurdet Ihr belogen und betrogen von uns und jetzt tun wir das, was wir schon längst hatten tun müssen, aber nun endlich tun müssen, weil es uns die Deutschen mittlerweile so derbe mit dem Wahlzettel geben, dass wir in politischer Inzucht gezüchtete Baggage nun nackte Panik davor haben am 9.Mai in Nordrhein-Westfalen endgültig abzusaufen und deswegen, viel zu spät, Gerhard Schröders jämmerliches Ersatzgehirn Frank-Walter Steinmeier abservieren.“
Aber seien wir nicht kleinlich. Denken wir langfristig. Denn langfristig sind wir alle tot. Was soll also das Gejammere um die paar Jahre? Kommen wir also zu dem, was da drin stand in der Rede Gabriels.
Zuerst einmal stand da drin: der seit achteinhalb Jahren geführte Krieg der Besatzungstruppen des Nordatlantikpaktes in Zentralasien ist ein Einsatz der „Vereinten Nationen“ (UNO). Formal korrekt. Nur kümmert das keinen. Das hat es noch nie. Und da hat auch nie jemand drüber geredet, jedenfalls niemand aus den Kriegsparteien. Denn dieses UNO-Mandat, genauso wie der Nato-Bündnisfall, genauso wie alle Mandate (alias Militärvollmachten) des deutschen Parlamentes, alles, alles beruht letztlich auf dem Wort „Verteidigung“ und zwar gegen Attentate, die bald neun Jahre her sind.
Verstehen Sie das: neun Jahre. Nein, wirklich – verstehen Sie, was das bedeutet: neun Jahre.
Es gab nie einen Angriffskrieg. Und schon gar nicht vor bald neun Jahren. Und wenn, dann ist das schon so lange her, dass es mittlerweile kein Angriffskrieg mehr ist. Wir verteidigen uns alle nur noch. Am Hindukusch. Hilfe, die schießen auf uns, schickt uns mehr Soldaten. Wir wissen zwar nicht, wer da auf uns schiesst und mit was, seit achteinhalb Jahren, und wie das da hinkommt, seit achteinhalb Jahren, und welche Transportmittel die benutzen, wo die auftanken und warum die immer entkommen können. Aber das kümmert einfach nicht. Weil niemand danach fragt. Und weil danach niemand fragt, kümmert es keinen. Und deswegen fragt auch niemand. Bitte wählt uns, weil wir auch noch da sind, in Afghanistan, äh, in Nordrhein-Westfalen.
Aber was stand da noch drin, in der Rede Gabriels?
Es wurde, entsprechend rhetorischer Dramaturgie, am Anfang angekündigt und am Ende ausgesprochen – das Unfaßbare, was achteinhalb Jahre nicht sein konnte, weil es nicht sein durfte: dass mal irgendjemand überprüft, ob das, was da in irgendwelchen Mandaten drin steht – von der Uno, von der Nato, vom Bundestag, oder in der abendländischen Bibel – noch irgendetwas mit dem zu tun hat, was dort wirklich geschieht in Afghanistan.
„Wir debattieren heute erneut eine Regierungserklärung, weil wir zu Recht immer wieder darüber beraten müssen, ob die Gründe, die uns, jedenfalls die übergroße Mehrheit dieses Parlaments, zu diesem Auslandseinsatz der Bundeswehr bewegt haben, wirklich so wichtig, so fundamental und so tragfähig sind, dass wir bereit sind, das Leben anderer zu gefährden.
Das war am Anfang. Am Ende hiess es (1):
„Wir brauchen eine unabhängige, systematische und wissenschaftlich gestützte Überprüfung des bisherigen Engagements, um wissen zu können, ob wir unsere Ziele wirklich erreichen…
Lassen Sie mich abschließend noch einmal etwas zu den Soldatinnen und Soldaten sagen: Wir bekennen uns – das sage ich nochmals – zur internationalen Verantwortung für den Einsatz. Aber wir müssen und wollen auch die Erreichbarkeit der Ziele überprüfen; denn sie sind keineswegs sicher zu erreichen. Das sind wir den Soldatinnen und Soldaten am allermeisten schuldig. Nur so lange, wie wir selbst die Erreichbarkeit der Ziele für möglich halten, dürfen wir Soldaten in den Einsatz schicken. Nur so lange, wie eine klare und unmissverständliche Grundlage für unsere Entscheidungen besteht und diese vor uns selbst zu rechtfertigen ist, können wir es anderen zumuten, in lebensgefährliche Situationen zu geraten. Das ist der Grund, warum die SPD eine solche Überprüfung einfordert, bevor wir das nächste Mal, in circa einem Jahr, über das Mandat entscheiden.“
Gabriel fordert also eine „Überprüfung“ des nächsten Mandates – und zwar nicht in der seit Kriegsbeginn am 11.September 2001 allerbesten abendländischen Tradition der Gewaltensammlung durch die Überprüften selbst, sondern durch eine „unabhängige“ Institution. Allein das trieb den Kriegsparteien in Bundestag, Informationsindustrie und Militär heute schon die Wuttränen in die Augen.
Jürgen Trittin und Renate Künast, seit achteinhalb Jahren Propheten des „zivilmilitärischen“ logischunlogischen Krieges, entglitten heute schon beim zweiten Satz Gabriels die ohnehin verwitterten Gesichtszüge. Bündnis 90/Die Grünen sind heute vom SPD-Vorsitzenden links / menschlich / politisch / progressiv / zivilisatorisch überholt worden und werden sich auf weiterhin abschmierende Umfragen und desaströse Wahlergebnisse gefaßt machen dürfen, auch und gerade am 9.Mai in Nordrhein-Westfalen. Diese Partei, der ich in Westdeutschland im Alter von 14 Jahren an einem humanistischem Gymnasium beitrat (und dabei den ersten von noch vielen folgenden Skandalen auslöste), braucht es so dreckig mit der Bratpfanne, wie noch nie eine Partei abgestraft wurde. Und zwar solange und immer feste drauf, bis sie endlich lernt, dass sie entweder aufhört die neue FDP ohne Bürgerrechtsflügel werden zu wollen oder einfach verschwinden wird.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: auch die SPD muß am 9.Mai abschmieren. Hannelore Kraft ist verbrauchtes Senkblei der Schröder-Jünglinge und Konzerngesetzgeber a la Hartz IV. Ob und wie dann die alte Tante SPD ihre Tränen trocknet, kann der Republik herzlich schnuppe sein. Hauptsache, wir kommen da raus aus diesem Wahnsinn in Afghanistan, der ständige Angriffskrieg gegen die Verfassung Grundgesetz wird endgültig zurückgeschlagen und die Banken werden endlich entmachtet, bevor sie uns hier alles rauben.
Dass es sich bei der heutigen Rede Gabriels um einen in den letzten Tagen organisierten strategischen Schwenk der gesamten Nomenklatura aus SPD und DGB-Gewerkschaftsorganisationen handelt – die als Berufsheuchler und Verräter an 100 Jahren Kampf und Arbeit alles getan haben, um diese Substanz für den eigenen Profit abzuleben – mag man ein paar Beispielen ermessen.
Just gestern, am 21.April, veröffentlichte die „Leipziger Volkszeitung“ (1) ein Interview. Dieses Interview führte sie mit einem Fürsten von immer noch 6 Millionen Untertanen, die ihn seit acht Jahren dafür bezahlen, dass sie ständig immer weniger Lohn bekommen, aber dafür in einem Krieg in Zentralasien sind, den sie nicht wollen.
Der Fürst heisst Michael Sommer. Das Fürstentum heisst „Deutscher Gewerkschaftsbund“ (DGB).
Wie alle Fürstentümer in der Berliner Republik des 21.Jahrhunderts unterscheidet sich auch der DGB von den Fürstentümern des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ im 18.Jahrhundert elementar dadurch, dass der Fürst alle paar Jahre einmal gewählt wird. Und anlässlich eines solchen Ereignisses muss man eben auch mal den Krieg erklären. (2)
Letztes Thema Herr Sommer: Verteidigungsminister zu Guttenberg hat den Deutschen den Krieg erklärt, indem er mit Blick auf den Afghanistankonflikt davon sprach, dass man auch das so nennen muss, was da stattfindet. Wie viel tote deutsche Soldaten verträgt unsere Gesellschaft noch?
Ich bin Sohn einer Kriegerwitwe. Die hat mich zutiefst pazifistisch erzogen. Und ich war immer der Meinung, dass man, um Menschenrechte zu wahren, möglicherweise auch zu Mitteln des Militärs greifen muss. Deswegen war ich zum Beispiel jemand, der für den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo war. Ich habe am Anfang auch geglaubt, dass die deutschen Soldaten in Afghanistan eben mehr machen, als nur – in Anführungsstriche – „Terrorbekämpfung“, sondern zum Beispiel auch aufhelfen, mithelfen, ein zivile Gesellschaft zu errichten. Und nicht nur Warelords zu beschützen. Wenn heute der Bundesverteidigungsminister von Krieg spricht, dann ist er eher erstens nicht mehr der Oberbefehlshaber, sondern dann ist das ja dann wohl die Bundeskanzlerin. Zum zweiten stelle ich mir immer die Frage, was ist denn das eigentliche Kriegsziel? Wann ist denn der Krieg zu Ende? Und ich warne sehr vor dieser Art von Begrifflichkeiten. Und wenn es tatsächlich ein Krieg wäre, ohne dass wir wissen, welchen Krieg wir wofür führen, mit welchem Ziel und wann wir auch diesen Krieg für beendet erklären können, dann sage ich: Entweder, ihr ändert eure Wortwahl oder ihr überprüft eure Mandate – und ihr lasst den Unsinn. Weil ich persönlich der Meinung bin, es gibt auch andere Möglichkeiten als Krieg, um den Kampf gegen den Terror zu gewinnen. Und ich bin da sehr, sehr empfindlich, wenn es um diese Wortwahl geht. Und das hat etwas damit zu tun mit der Empathie für Menschen, die dort sterben, für Menschen, die dort gequält werden. Das hat insbesondere auch etwas damit zu tun, dass ich der Meinung bin, es war ein Zivilisationsfortschritt auch und gerade für Deutschland, dass wir den Krieg eben nicht mehr zum Mittel von Politik erklärt haben. Und das sollten wir, dabei sollten wir bleiben.“
Der ganze geistige Abgrund, dessen Bodensatz man ganz tief unten bzw in diesen Zeilen findet, dieser ganze kleine Tod des semantischen Spruchwider, quasi des Widerspruchs, dieses sich selbst auf dem Kopf stehend den hochgereckten herrrschaftlichen Daumen ins Auge zu stecken und die morituri, die da salutanti machen, grade so noch zu verschonen, diese fleisch gewordene Bräsigkeit, wie ein plumper Tölpel am Markstand den eigenen Wetterhahn zu imitieren um ihn endlich verkaufen zu können, diese zwiedenkerische Willigkeit aus „Wir haben immer gesagt“ und „Erst heute wurde bekannt“, dieses ganze geschichts- und gesichtslose Abziehbild, dieses „Jaja“ und „Nee, nee“, all diese geistige Feudalflucht auf das Sitzkissen im Bereitschaftsraum der freigestellten Funktionäre, wartend auf den Fahrstuhl nach ganz oben, hat den ihnen anvertrauten Zuckerberg in den letzten 20 Jahren systematisch runtergefressen.
Nun tagt vom 16. bis 20. Mai 2010 in Berlin der Bundeskongress des DGB in Berlin. Weil dieser das höchste Legislativgremium des DGB ist, in dem auch der Fürst gewählt werden muss, tagt er nur alle vier Jahre. Michael Sommer ist also besser dran als z.B. die Bundesregierung oder die vielen Landesregierungen. Die haben ja immer noch ein Parlament am Hals, dessen schwer gestressten Nebenberufler so ca 5 Monate im Jahr tagen müssen. Ein Hundeleben. Die würden natürlich auch gern nur ein einziges Mal in vier Jahren tagen, wie ihre lieben Kollegen im Gewerkschaftsparlament. Man beneidet sich. Man kennt sich auch. Man zeugt sogar hi und da ein paar Kinder zusammen, weil man es sich leisten kann.
Nun haben sich der Fürst der SPD und der Fürst des DGB offensichtlich kürzlich abgesprochen. (2)
„Sigmar Gabriel ist jemand, der sicherlich die Verbindungslinien zu den Gewerkschaften sucht und weiß, dass man als Partei der kleinen Leute nur agieren kann, wenn man mit der Interessenvertretung der kleinen Leute zusammenarbeitet. Wie weit das dann in der praktischen Politik Ausformungen hat, warten wir mal ab. Ich habe ihm sehr bewusst eine offene und positive Zusammenarbeit angeboten. Bislang hat er dieses Angebot auch angenommen.“
Und zwar weil nicht nur die „Interessenvertretung der kleinen Leute“, sondern auch die „Partei der kleinen Leute“ immer kleiner wird.
Michael Sommer hat während seiner Regentschaft (2002-2010) über anderthalb Millionen Untertanen vergrault. Die Mitgliederzahlen in den DGB-Gewerkschaften sanken laut eigenen Angaben von 7.7 Millionen Mitglieder (2002) auf 6.2 Millionen (2009). Jetzt will Sommer dafür weitere vier Jahre zum DGB-Fürsten gewählt werden. (DGB: Ich weiss, was der letzte Sommer 2014 getan haben wird, 5.April)
Die SPD hat seit dem Abgang des damaligen Vorsitzenden Oskar Lafontaine im Jahre 1999 nach eigenen Angaben annähernd ein Drittel ihrer Mitglieder verloren. Die Mitgliederzahlen der SPD sanken von 755.000 (1999) auf 593.000 (2009). Bei der Bundestagswahl 2009 verlor sie noch einmal 6.2 Millionen Wähler (3). Im Vergleich zu der Bundestagswahl 1998, die den einzigen vollständigen und legalen Machtwechsel (von einer verfassungsgemäßen Regierung zur nächsten) in der gesamten Geschichte der Deutschen einleitete, sind das 10 Millionen Wähler weniger. Denn diese hatten begriffen, welch unaussprechlichen Verrat die SPD in den darauf folgenden elf Regierungsjahren an diesem historischen Moment verübt hatte.
Doch die Nomenklatura der Partei, welche all dies zu verantworten hatte, krallte sich in einer „fast putschistischen“ Rochade an die noch verbliebene Macht der Fraktionsführung im Bundestag. (Hermann Scheer kritisiert “fast putschistische” Rochade der alten SPD-Regierungslobby, 6.Oktober 2009)
Dort hat sich nun in den letzten Tagen, nach alter feudaler Tradition des Königsmordes, ein Machtkampf abgespielt. Akteure waren Frank-Walter Steinmeier, der ehemalige Kanzleramtsleiter von Gerhard Schröder, welcher 2005 das Aussenministeramt verliegen bekam, und der neue SPD-Fürst Sigmar Gabriel. Dieser hatte, das sei attestiert, mit Franz Müntefering immerhin den ältesten Kaugummi der je an einem SPD-Fürstenamt klebte, nach der Bundestagswahl im September 2009 mühevoll vom Thron bekommen.
Nun sah Gabriel offenbar, dass er irgendetwas unternehmen musste. Vielleicht wollte er das sogar und hatte sich das einfach nie getraut, aber das spielt keine Rolle. Das Einzige, was in der Politik zählt, sind Ergebnisse. Und das Ergebnis des Machtkampfes der letzten Tage war – wenn man den Aussagen der CDU traut, die ausnahmsweise einen logischen Zusammenhang bieten – dass Frank-Walter Steinmeier als Fraktionsvorsitzender der SPD „entmachtet“ wurde (4). Anstelle von ihm, sprach Sigmar Gabriel heute im Bundestag; und zwar als etwas, was in der zehnjährigen Einheitsparteienkoalition von CDU/CSU, FDP, Grünen und SPD schon fast musealen Charakter hat: als Oppositionsführer.
Steinmeier hatte vorher, wie es seine Art ist, im Flaggschiff der Bellizisten wieder mal um den Fortgang des Krieges gebettelt (4).
„„Wir stehen für verantwortliche Politik. Und das bleibt so.“ Statt eine „am Ende ergebnislose Debatte zu führen“, müsse den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan Unterstützung vermittelt werden, sagte er auch mit Blick auf Abzugsforderungen aus der SPD. Die Soldaten müssten bei ihrem Einsatz den bestmöglichen Schutz haben.“
Aha.
Wie ist es zu erklären, dass laut Aussagen von Militärs gegenüber der „Bild“-Zeitung (5) „alle größeren Operationen“ der Bundeswehr 24 Stunden vorher den „afghanischen Behörden“ gemeldet werden müssen?
„..häufig wissen die Taliban deshalb ganz genau, wo sie auf unsere Soldaten warten müssen. Bitterer Kommentar eines deutschen Offiziers: „Das ist das Todesurteil für viele Kameraden.““
Wie war das jetzt mit der letzten Operation bei Baghlan, bei der laut Militärangaben vier deutsche Soldaten ihr Leben lassen mußten, nachdem das im Oktober 2009 erst neu geschaffene Joint Command der Isaf unter General David Rodriguez, dem direkten Untergebenen von Afghanistan-Kommandeur General Stanley McChrystal, trotz schriftlichen Protestes vom Befehlshaber der deutschen Truppen in Afghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger, auf der Operation Taohid bestanden hatte?
1300 afghanische „Soldaten“ waren morgens beim Ausrücken leider nicht erschienen. Stunden später kamen immerhin ein paar Hundert. Aber die afghanische „Regierung“ in Kabul – mit ihrem Massenmörder und skrupellosem Kriegsfürsten seit 30 Jahren, Raschid Dostum als „Generalstabschef“ – sie hatte darauf „bestanden“, dass trotz der fehlenden Truppenverbände die Bundeswehr bei Baghlan ausrückte? Und die deutschen Generäle hatten diesen Befehl des Isaf-Kommandos auch noch ausgeführt?
Ein einziges Mal laut den Mund aufzumachen, vielleicht gegenüber der Presse – und zwar bevor Soldaten oder Zivilisten sterben – hätte auch hier Leben retten können. Nie und nimmer würde das Isaf-Kommando in Kabul im Lichte der Öffentlichkeit solche Aktionen befehlen – es sei denn, diese Aktionen hätten Rückendeckung aus Berlin. Denn eins ist schon mal klar – die „Parteien“ des Bundestages denken nur an sich selbst. Das Leben der Soldaten interessiert sie einen Dreck, sonst hätten sie diesen Wahnsinn niemals zugelassen, gebilligt und beschlossen. Wer die ganze Zeit von Krieg, Krieg, Krieg redet und dann den vermeintlichen Feind (Paramilitärs unter dem Creative Commons Label „Taliban“, mit seit achteinhalb Jahren selbstvermehrender Munition, Treibstoffen und Finanzmitteln) im Vorfeld über jede Militärbewegung informiert, der legt es auf deutsche Opfergänge nicht nur an, der will sie auch, um dann als mörderischer Heuchler ganze Bäche über die Krokodilswangen plätschern zu lassen und vor lauter Buhuhuuuu dann nach ein bisschen mehr Krieg zu flehen.
Die SPD macht sich Hoffnung, nach dem 9.Mai in Nordrhein-Westfalen und in Berlin wieder an die Regierung zu kommen. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die Tradition seiner Vorgänger seit 1999 – mit Ausnahme Kurt Becks – fortgesetzt, indem er ein Verbot für einen SPD-Bundeskanzler und neue SPD-Ministerpräsidenten in Westdeutschland aussprach. Denn es kann nur einen geben, in einem Amt. Und das wird entweder jemand aus SPD oder CDU/CSU. Und wenn man keine Mehrheit hat und auch nicht kriegt, weil man sie nicht will, ja dann wird die „Partei der kleinen Leute“ eben immer kleiner. Und kleiner. Und kleiner. Bis irgendwo nur noch ein Hut rumliegt. Solange macht man auf „groß“, als kleiner Sancho Pansa der CDU/CSU. (Gabriel schliesst SPD-Ministerpräsidentin Kraft aus: grosse Koalition in NRW und Bund, 28.März)
Wenn Sigmar Gabriel Bundeskanzler sein wollte, wäre er es bereits. Wenn Sigmar Gabriel die deutschen Soldaten aus dem Krieg in Afghanistan nach Hause holen wollte, wären sie bereits hier. Solange er aber weiter Krieg spielen und Wahlen verlieren will, solange wird er das auch.
Und zwar ohne Gnade.
Quellen:
(1) http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/plenarprotokolle/plenarprotokolle/17037.txt
(2) http://nachrichten.lvz-online.de/nachrichten/topthema/dgb-chef-bezweifelt-erfolg-der-terrorbekaempfung-in-afghanistan/r-topthema-a-27140.html
(3) http://blog.tagesschau.de/?p=6869
(4) http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/deutschland-steinmeier-will-in-der-spd-keine-neue-debatte-ueber-afghanistan-abzug_aid_500735.html
(5) http://www.bild.de/BILD/politik/2010/04/18/bundeswehr-afghanistan-einsatz/operation-taohid-toedlicher-befehl.html