EU und Indien: Freihandelsabkommen stösst bei UN-Hochkommissariat für Menschenrechte auf Kritik
Hinter verschlossenen Türen wird zur Zeit in Brüssel von der Europäischen Union ein Freihandelsabkommen (FTA) mit Indien verhandelt.
Anand Grover, der Sonderberichterstatter der UN für das Recht auf Gesundheit des UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und die Organisation Ärzte ohne Grenzen befürchten anhand ihrer bisherigen Erfahrungen mit der Europäischen Union das Schlimmste für die einfache Bevölkerung, deren Staaten auf Kosten einer Elite weiter in ihren nationalen Rechten beschnitten werden.
Der Verband der Ingenieure veröffentlichte am 23.April ein ausführliches Interview mit Anand Grover, bei dem dieser kein gutes Haar an dem noch untransparenten kommenden Vertrag lässt. Die Freihandelsabkommen wären
„der Versuch, die letzten Reste von Flexibilität zu beseitigen, die sich Regierungen in nationalen Gesetzen noch erhalten haben bei der Umsetzung internationaler Gesetze zum Schutz des Geistigen Eigentums wie dem „Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum“ (TRIPS). Mit den Freihandelsabkommen wird versucht, neue Schutzrechte einzuführen, sogenannte TRIPS-plus-Regeln.
Diese beinhalten Klauseln, die ausschliesslich den Interessen der Konzerne dienen. Dazu gehören die Verlängerung der Anrechte auf Patente über den Zeitraum von derzeit zwanzig Jahren sowie die Verknüpfung von der Patentzulassung mit der Marktzulassung durchzusetzen und die Sicherung der Datenexklusivität – das bedeutet, dass Behörden in Zulassungsverfahren nicht auf die klinischen Tests von Patentinhabern zurückgreifen dürfen, kritisierte Grover.
„Wenn ich den generellen Trend anschaue, dem die Abkommen folgen, muss ich sagen: Die Menschen werden nicht profitieren. Die Eliten in beiden Territorien sind die Nutznießer. Die Verhandlungspartner haben den Entwurf bislang nicht veröffentlicht. Wenn die EU-Unterhändler erreichen, was in inoffiziell veröffentlichten Versionen steht, etwa längere Laufzeiten, wird die Einführung von Generika verzögert. Viele Medikamentierungen werden dann unerschwinglich für den Großteil der Patienten in Indien, aber auch in vielen anderen Entwicklungsländern. Über 50 % des Medikamentenbedarfs in Entwicklungsländern wird nämlich durch diese generischen Medikamente gedeckt.“
sagte der UN-Sonderberichterstatter und das bedeutet höhere Gewinne der Markenhersteller durch ihr Monopol am Markt.
„Datenexklusivität zwingt Generikahersteller, noch einmal klinische Tests für bereits zugelassene Substanzen zu machen. Es ist wirklich unethisch, Tests zu machen, wenn die Wirksamkeit und Sicherheit einer Substanz lange nachgewiesen ist. Manche der Regeln, die Indien jetzt abverlangt werden, etwa die Verknüpfung von Marktzulassung und Patent, gelten übrigens nicht in der EU. Die Gewinner sind multinationale Unternehmen.“
Grover sagte, dass die HIV-generischen Medikamente mit ihrer Markteinführung um neunundneunzig Prozent im Preis gefallen waren. (1)
„Wenn es stimmt, dass die EU dementsprechende gesetzgeberische Aktivitäten etwa in Uganda beeinflusst hat, wie wir den Aussagen eines ugandischen Ministers gegenüber dem Magazin Lancet entnehmen mussten, wäre das komplett inakzeptabel. Es wäre schockierend, um es mal milde auszudrücken.“
Zu den Bedenken eines Teils von Abgeordneten des EU-Parlamentes wegen des Zuganges zu lebensnotwendigen Medikamenten hätte der EU-Handelskommissar Karel De Gucht den besorgten Anfragen gegenüber versichert, der sei garantiert. Nur leider zeigt die Erfahrung, das letzten Endes nur das zählt, was in Verträgen schwarz auf weiss steht. Mündliche Versicherungen zählen vor Gericht nicht, schon gar nicht die in der Politik abgegeben.
In der am 23.April veröffentlichten Presseerklärung von Médecins Sans Frontières (MSF) – Ärzte ohne Grenzen – wird ebenfalls vor den geheim gehaltenen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Indien zu dem Freihandelsabkommen gewarnt und es werden die gleichen Bedenken zu dem unethischen Abkommen, das im Oktober diesen Jahres abgeschlossen werden soll, geäussert. (2)
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07.02.2010 DER MOLOCH
Aus Brüssel heraus vollzieht sich die epochale Transformation von Staatsgebilden eines Kontinents zu einer sich selbst begründenden Plutokratie, in einer wunderbaren Welt der Supranationalisten. Über einen Baustein in diesem epischen, imperialen Konstrukt, berät derzeit das deutsche Bundesverfassungsgericht. Anlässlich dieser Entscheidung über die “Vorratsdatenspeicherung”, beleuchtet Radio Utopie in einer Artikelreihe Aufbau, Entwicklung und Struktur der sogenannten “Europäischen Union”.
Quellen:
(1) http://www.msf.org.uk/articledetail.aspx?fId=fta_press_20100423
(2) http://www.vdi-nachrichten.de/vdi-nachrichten/aktuelle_ausgabe/akt_ausg_detail.asp?cat=1&id=47319&source=homepage