DIE GUTEN: Chronologie, Thesen und Alternativen zum Staatsstreich der Finanzindustrie
Während des Wochenendes vom 7.-9. Mai versuchte die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Zusammenwirken mit Brüsseler Kommissaren und Räten einen Staatsstreich gegen die Bundesrepublik Deutschland. Nachdem das deutsche Parlament am Freitag, dem 7.Mai nach nur drei Tagen Debatte der Bundesregierung eine Finanzermächtigung der Bundesregierung in Höhe von 22.4 Mrd Euro erteilt, der Bundesrat zugestimmt und ex-IWF-Präsident Horst Köhler unterschrieben hatte, eilte Merkel noch am gleichen Abend nach Brüssel. Den Freitag über hatten sich das Bundesfinanzministerium unter Wolfgang Schäuble (CDU) mit den Finanzministerien in Washington, Ottawa, London, Paris, Rom und Tokio, sowie die „Europäische Zentralbank“ (EZB) mit „kommerziellen Banken“ in Telefonkonferenzen abgesprochen (1).
Innerhalb von nur wenigen Stunden stellten dann alle Beteiligten den Deutschen eine weitere gigantische Summe in Rechnung. Bereits nach Freitag Mitternacht beschlossen EU-Regierungsrat und Kommission Eingriffe in die staatliche Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten und einen gigantischen Transfer von Staatsfinanzen in die Finanzindustrie.
In einer Erklärung der Bundesregierung (2) vom Samstag (8.Mai) waren die Ankündigungen noch vage. Von „massiven Unterstützungsmaßnahmen“ für die Währung Euro war die Rede, man wolle „Gemeinschaftsinstrumente“ schaffen und eine „beschleunigte Haushaltskonsolidierung in unseren Mitgliedstaaten durchführen“. Für den Sonntag (9.Mai) kündigte die Berliner Regierung eine Sondersitzung des Ecofin-Wirtschafts- und Finanzrates der EU-Minister an, der auf dieser Grundlage „spezifische Beschlüsse fassen“ werde. Bereits zu diesem Zeitpunkt überschlugen sich die Staats- und Regierungschefs in ihrem Aussagen zur Situation. Silvio Berlusconi, Ministerpräsident von Italien, sprach von einem „Ausnahmezustand“, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy von einer „Generalmobilmachung“. Der Frage eines Journalisten, auf welcher Rechtsgrundlage nun dieser „ausserordentliche Notstand jetzt erreicht sei“, wich Merkel aus.
Auch alle Wörter mit dem Begriff „Fonds“ vermied die Kanzlerin tunlichst. Dabei hatten explizit ihre Unterhändler während der dramatischen Beratung am Freitag sich für einen „Fonds“ stark gemacht und gleichzeitig die Option Mitgliedsstaaten durch einen Euro-Bond zu helfen vehement bekämpft. Ebenso drangen die deutschen Regierungsvertreter auf einen neuen EU-Vertrag. Allerdings scheiterten sie damit an der Regierung Frankreichs. Mit der Einrichtung eines „Fonds“ aber setzte sich die Merkel-Regierung Deutschlands durch. (3)
Überall in der Presse war von einem „Notfallfonds“ zu lesen, den der Brüsseler Regierungsrat beschlossen habe. Dennoch vermied die deutsche Merkel-Regierung fortan alles, näher zu erläutern, was es denn mit diesem „Fonds“ so auf sich habe.
Am Montag (10.Mai) gaben Kanzlerin Merkel und Aussenminister Guido Westerwelle (FDP) dann ein „beispielloses Paket“ bekannt (4): neben Geldsummen des Internationalen Währungsfonds, die zu diesem Zeitpunkt noch mit 220 Milliarden Euro angegeben wurden, sollten 440 Milliarden Euro „durch Garantien der Mitgliedsstaaten an eine Zweckgesellschaft bereitgestellt“ werden.
Diese „Zweckgesellschaft“ wurde durch die Bundesregierung nicht definiert. Bis heute ist sie das nicht. Später schrieb die Financial Times unter der Überschrift „Das rätselhafte 440-Mrd.-Ding zur Euro-Rettung“: (5)
„Der Begriff der Zweckgesellschaft war 2008 und 2009 in Verruf geraten, als Banken im Zuge der Finanzkrise begannen, auf solche Gesellschaften faule Kredite auszulagern, um diese aus den Bilanzen heraushalten zu können war „Bad Bank“ der gängige Begriff für diese Zweckgesellschaften. Es sei zumindest eigenartig, dass die EU gerade diesen Begriff gewählt habe, da er keinen guten Ruf genieße, betonen Wirtschaftsanwälte.“
Noch Wochen, heisst es, soll in der EU-Plutokratie die Rechtsform dieser Zweckgesellschaft entworfen werden. Was ebenfalls bei allen Finanzexperten sämtliche Alarmglocken läuten müsste: es ist nicht einmal klar, ob diese Zweckgesellschaft („Special Purpose Vehicle“, SPV) von den Ratingagenturen eine AAA Einstufung bekommen wird. Voraussetzung dafür wäre, hieß es, dass mindestens ein Staat samt seinen Steuerzahlern unmittelbar für diese Zweckgesellschaft und ihren „Fonds“ von 440 Milliarden Euro haftet. Dann, nur dann, würden sich die Ratingagenturen zu einem Daumen-hoch herablassen. Die „Financial Times“:
„Aus EU-Kreisen war zu hören, dass für das Vehikel wohl ein „Mischrating“ in Betracht kommt. Um ein „AAA“ zu bekommen, müssten die so gerateten Staaten im Zweifel für alle anderen einspringen, was aber in Deutschland gesetzlich ausgeschlossen werden soll.“
Es „soll“ ausgeschlossen werden, dass der deutsche Staat für die Zweckgesellschaft und ihren 440 Mrd-Fonds haftet?
Der Gesetzentwurf von CDU und CSU, der bereits am morgigen Mittwoch (19.Mai) im Parlament vorgelegt und wieder nur 2 Tage später am Freitag (21.Mai) durch den Bundesrat gepeitscht werden soll (6):
„§ 1 Gewährleistungsermächtigung
(1) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für Kredite, die eine von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes gegründete oder beauftragte Zweckgesellschaft zur Finanzierung von Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes aufnimmt, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 123 Milliarden Euro zu übernehmen, sofern diese Kredite als Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaates erforderlich sind, um die Finanzstabilität in der Währungsunion sicherzustellen.“
In diesem Gesetzentwurf ist klar ersichtlich, dass die Republik für mindestens 123 Milliarden Euro und (zusätzlich weitere 20 Prozent dieses Betrages) haftet. Zudem enthält der Entwurf folgende verheerende Klausel: es kann auch eine Zweckgesellschaft „beauftragt“ werden. Das heisst, dass die Bundesregierung vom Bundestag ermächtigt wird, rund 150 Milliarden Euro Steuergelder der Deutschen nicht nur den Brüsseler Bürokraten, nicht nur den Brüsseler Räten, sondern einfach dem Subkonzern irgendeiner Geschäftsbank als Spielgeld zur Verfügung zu stellen.
Am Dienstag (11.Mai) legte EU-Kommissar Rehn im öffentlichen Feldzug nach. Offensichtlich versuchte man die Republik in einer Art Blitzkrieg zu übertölpeln. Rehn forderte in einem Interview (7) allen Ernstes die Kontrolle der Haushalte aller 27 EU-Mitgliedsländer durch die Brüsseler Räte und Kommissare aus den Staaten der Eurozone. Dies sei im Interesse aller, sicher würden alle gern mitmachen, ein neuer EU-Vertrag sei gar nicht notwendig und
„die Euro-Gruppe sehr weit davon entfernt, ein Diktator zu sein. Sie sollte endlich tun können, was wir schon lange predigen.„
Das kann man eigentlich nur als verwirrte Äußerungen eines Situationskomikers bezeichnen, der Probleme damit hat, morgens im Spiegel nicht den Papst, sondern bloß einen plumpen Plutokraten ohne demokratische Legitimation zu sehen. Doch Kanzlerin Merkel schaffte auch Kommissar Rehn noch zu toppen. Niemand habe vor, die Parlamente zu entmachten, auch wenn diese nichts mehr zu sagen hätten. Pressekonferenz der Kanzlerin am Mittwoch, dem 12.Mai (8):
„Frage: Sind nicht die Vorschläge von Herrn Rehn so, dass die nationalen Parlamente entmachtet werden, wenn es einen permanenten Krisenmechanismus und eine Haushaltspolitik fernab der nationalen Parlamente geben soll?“
Bundeskanzlerin Dr. Merkel: Das muss man ja nicht gleich so interpretieren…Wenn die Parlamente wissen, wie die Stellungnahme des Kommissars bzw. der Kommission dazu ist, dann halte ich das für ein Mittel der Transparenz, das möglich ist, ohne dass den Beratungen im nationalen Parlament vorgegriffen wird.“
Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen-Fraktion im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, haben der Kanzlerin einen Verfassungsbruch attestiert, weil sie nach dem Abnicken der letzten Finanzermächtigung am 7.Mai (mit Zustimmung der Grünen) nur Stunden später in Brüssel im EU-Regierungsrat die Geldforderungen an die eigene Bevölkerung durch neue Beschlüsse exponential steigerte, ohne vorher das Parlament überhaupt zu konsultieren. Trittin und Künast in ihrem Brief an die Kanzlerin (9):
“Das Vorgehen der Bundesregierung verstieß damit gegen verfassungsrechtliche und einfach gesetzliche Vorgaben”
Die Tatsache, dass die Fraktionsführer der Grünen sich nicht etwa vor die Presse stellten oder einfach Klage in Karlsruhe einreichten, sondern sich in einem privaten Brief an die Exekutive über deren Machtmißbrauch beschwerten, zeigt das ganze Versagen unserer schwachen Demokratie gegenüber der globalisierten Finanzindustrie und deren gekaufter Zuarbeiter in den etablierten Parteien und Verfassungsorganen. Ein Parlament entmachtet sich selbst und beschwert sich dann bei denjenigen, an die es die eigene Gewalt abgegeben hat. Das ist surreales Theater, aber kein Parlamentarismus.
Folgende Chronologie soll nun darlegen, wie die deutsche Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel, mit ihrem Berater Josef Ackermann, seit Jahren ausschliesslich daran arbeitet, die zentrale Forderung der Banken zu erfüllen: die Übernahme der Banken-Schulden und wertlosen Schrottpapiere durch den Staat seine Steuerzahler. Vehikel für diese gigantische Umverteilung von unten nach oben soll ein staatlich finanzierter bzw. garantierter „Fonds“ sein, eine „Bad Bank“, aus der sich die kapitalistische Finanzindustrie dann bedienen kann.
Chronologie und Rückblick
Bekanntlich wurden am 17.Oktober 2008 durch einen im Eiltempo durch den Bundestag gebrachten Gesetzentwurf, vor dem sämtliche Parteien einer dafür notwendigen Änderung der Geschäftsordnung zustimmten, der Finanzindustrie über den eingerichteten „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“ (Soffin) bzw „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ (FMS) über eine halbe Billion Euro an Geldmitteln des Staates zur Verfügung gestellt. Durch die Antwort der Bundesregierung (10) auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion vom 4.April 2010 wurde nun bekannt, das sich seitdem die Verschuldung der Republik um knapp 98,6 Mrd. Euro erhöht hat. Die Bundesregierung behauptete, das Bundes- und Landesbehörden im Gegenzug für diese Summen „Aktiva im Wert von insgesamt 91,9 Mrd. Euro erworben“ hätten. Da diese fiktiven „Aktiva“ ihren Wert aus der staatlichen Subvention bezogen, kann dies als Täuschungsversuch des Parlamentes und der Öffentlichkeit gewertet werden. Durch die Anfrage wurde ebenso öffentlich, dass die Geschäftsbanken wie Deutsche Bank oder Commerzbank in den Jahren 2000 bis 2008 lediglich 4,9 Mrd. Euro an Steuern zahlten. Im Vergleich dazu zahlten die Sparkassen 17,85 Mrd. Euro und Kreditgenossenschaften 9,5 Mrd. Euro Steuern. Die Erklärung der Bundesregierung: laut Bundesbank seien die Sparkassen und Kreditgenossenschaften in diesem Zeitraum einfach „die profitabelsten Bankengruppen“ gewesen.
Bereits im Februar 2009 war bereits klar, dass der Finanzindustrie dieser gigantische kleine Finger nicht langte. Über die Springer-Presse wurde die Forderung der Banken nach einer staatlich alimentierten Müllhalde für wertlose Luftpapiere und Schulden der Banken aufgestellt: einer „Bad Bank“. „Schätzungen zufolge“ hätten die „deutschen Banken“ Schulden in Höhe von einer Billion Euro, galant verpackt als „problematische“ oder „toxische“ Papiere. Damals hiess es noch (11):
„Die Bundesregierung ist bislang allerdings keinesfalls bereit, eine staatliche Bad Bank einzurichten. Die maroden Geldinstitute würden versuchen, möglichst viele der faulen Kredite hier zu platzieren, also auf den Steuerzahlern abzuwälzen, so die Befürchtung.“
Allerdings wurde bekannt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Europäische Zentralbank (EZB) „in enger Abstimmung mit der Europäischen Kommission an Leitlinien für Bad Banks in der EU“ arbeiteten. „Richtlinien“ sollten „Standards für die Auslagerung fauler Kredite aus den Bankbilanzen beinhalten, bestätigte eine Sprecherin der Notenbank.“
Am 16.November 2009 gab der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, in einer Rede auf der „Euro Finance Week“ im Frankfurter Bankenviertel die Linie vor. Es ginge für die Finanzindustrie darum, so Ackermann, „die richtigen strategischen Lehren aus der Krise ziehen.“ (12):
„Möglicherweise werden wir am Ende akzeptieren müssen, daß der Staat in systemischen Bankenkrisen der Aktionär der letzten Instanz bleibt. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lohnt es m.E., über einen Fonds nachzudenken, aus dem Banken im Notfall rekapitalisiert bzw. für eine geordnete Abwicklung gestützt werden können. Dies hätte mehrere Vorteile: Erstens, wir könnten mitternächtliche Rettungsaktionen mit all ihren Problemen vermeiden. Zweitens, die Zugangsbedingungen wären ex ante festgelegt, so daß Unsicherheit und moral hazard begrenzt würden. Drittens ließe sich eine Lastenteilung zwischen Finanzindustrie und der öffentlichen Hand besser erreichen, wenn und insoweit der Fonds von beiden gespeist würde. Und nicht zuletzt könnte solch ein Fonds, wenn man ihn auf europäischer Ebene errichtete, ein wesentlicher Baustein zur Lösung des „ewigen“ Problems der innereuropäischen Lastenteilung sein – und uns somit dem Ziel einer wahrhaft europäischen Aufsichtsstruktur näherbringen.“
Danach hiess es aus „Finanzkreisen“, möglicherweise werde man den im Oktober 2008 putschartig durchgepeitschen „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“ Soffin in Höhe von einer halben Billion Euro für den neuen „Notfallfonds“ auf EU-Ebene „weiterentwickeln“. (13)
In diesen mit denkwürdigem bankerischen Weitblick vorgetragenen Vorstellungen Josef Ackermanns aus November 2009 sind im Kern sämtliche Forderungen von Internationalem Währungsfond, Weltbank, Europäischer Union, Think Tanks und Regierungen enthalten, die im Laufe der nun ausbrechenden Griechenland-Krise als vermeintlich „alternativlose“ Lösungen präsentiert wurden; und zwar nachdem (welt)politische Institutionen und Banken eine vermeintliche „Systemkrise“ nicht etwa verhinderten, sondern sie erzeugten.
Ab 2001 halfen u.a. die Banken Goldman Sachs und JPMorgan der damaligen „sozialistischen“ Pasok-Regierung Griechenlands beim systematischen Betrug nicht nur ihrer Staatsbürger; sie schädigten auch die Staatsbürger aller anderen Mitgliedsstaaten in der EU. Bilanzen des griechischen Staates wurden massiv durch heimliche Währungsgeschäfte und Derivate-Handel in Form von sogenannten interest-rate swaps geschönt. Die Banker führten zusammen ähnliche Operationen auch in Spanien, in Italien und „möglicherweise auch woanders“ durch – in „Dutzenden von Deals auf dem ganzen Kontinent“, so die „New York Times“ (14).
Wohlgemerkt: das war nach dem Beitritt Griechenlands zur Eurozone. Vor dem Beitritt im Jahre 2001 hatte die griechische Regierung ebenfalls jahrelang über die finanzielle Situation des ihr anvertrauten Staates gelogen. Nach dem Betritt fälschte die Athener Regierung, deren korrupten Seilschaften sich seit dem Ende der Militärdiktatur in 1975 entweder aus der „sozialistischen“ Pasok, oder der „konservativen“ Nea Dimokratia zusammensetzen, nun mit Hilfe der globalen Finanzmächte weiter systematisch ihre Finanzangaben. Das ging aus einem im Jahre 2004 veröffentlichten Bericht des europäischen Statistikamts Eurostat hervor (15).
Es ist unmöglich, dass derartige Betrügereien ohne die mittelbare Duldung, Zustimmung oder gar Beihilfe der dortigen Regierungen, der Brüsseler EU-Regierungsräte, der Kommissare und deren wichtigster Bestandteil, der Berliner Regierung erfolgten.
Im Dezember 2009, nur Wochen nach dem Strategie-Entwurf Ackermanns in Frankfurt, besuchte der Präsident von Goldman Sachs, Gary D. Cohn, die griechische Hauptstadt, um der seit wenigen Monaten wieder im Amt befindlichen „sozialistischen“ Pasok-Regierung einen brisanten Deal anzubieten: durch ein „Finanzierungsinstrument“ sollte die Athener Regierung neue Schulden aufzunehmen, damit alte Schulden bezahlen und die Gesundheitsversorgung der Bürger in den Deal mit einzubeziehen. (14)
Goldman-Präsident Cohn offerierte der Pasok-Regierung von Ministerpräsident Giorgos Andrea Papandreou ein Angebot aus China. Gegen den Ankauf von griechischen Staatsanleihen in Höhe von 20-25 Milliarden Euro sollte die Athener Regierung einen einen “strategischen Anteil” der “National Bank of Greece” (NGB) an den chinesischen Staat verkaufen, dessen Währungsreserven im staatlichen Devisenfonds zu diesem Zeitpunkt um den gleichen Betrag innerhalb von nur zwei Wochen wuchsen (16). Die National Bank of Greece ist als “Flaggschiff” der Banken Griechenlands und ist in mehreren Ländern des Mittelmeerraums aktiv. Von Anfang an spekulierten die chinesische Regierung, die bereits zu diesem Zeitpunkt in Griechenland große Summen investiert hatte, dass die EU den griechischen Staat auf Gedeih und Verderb mit Geldmitteln zu Rückzahlung von Schulden ausstatten würde. (17)
Die Athener Regierung lehnte den Erpessungsversuch von Goldman Sachs und China ab.
Dann passierte folgendes: die Ratingagentur Fitch senkte den Daumen. Daraufhin gab die Papandreou-Regierung eine zehnprozentige Kürzung aller öffentlichen Ausgaben bekannt. Als Antwort darauf senkte zwei Tage später am 16.Dezember auch noch die Ratingagentur Standard & Poor´s ihre Bewertung Griechenlands. (18)
Die Treibjagd auf einen ganzen Staat begann und das nur knapp zwei Wochen nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages. Man fragt sich diesbezüglich, wer sich heutzutage im Land der Dichter und Denker überhaupt noch an irgendetwas erinnern kann, was vor einem halben Jahr geschah.
Wie unfaßbar die Pasok-Regierung dem Ruin des eigenen Staates zuarbeitete, mag man an der Tatsache ermessen, dass die Athener Regierung für die Platzierung griechischer Staatsanleihen an der Börse am 25.Januar u.a. genau die Bank beauftragte, welche sie skrupellos erpresste: Goldman Sachs. Mit im Boot bei der Platzierung waren ausgerechnet die Deutsche Bank, Morgan Stanley, Credit Suisse, die EFG Eurobank und die umkämpfte National Bank of Greece. An den Börsen stürzten sich die Spekulanten auf die zum diesem Zeitpunkt mit 6.5 Prozent völlig überzinste Anleihe.
Nur einen Tag nach Ausgabe der Anleihen erschienen am 26.Januar in der „Financial Times“ (17) die Berichte über den heimlichen Goldman Sachs-China-Deal. Daraufhin setzte sich der griechische Pasok-Finanzminister George Papakonstantinou ins US-Fernsehen zum Interview und stritt alles ab. Daraufhin krachten die griechischen Staatsanleihen förmlich in sich zusammen. Griechenland war von den Groß- und Finanzmächten förmlich erschossen worden.
Den Brüsseler Räten und Kommissaren wiederum bot sich nun die Gelegenheit, das Trümmerteil Griechenland als Puzzlestückchen für das ganz große Bild der „Vereinigten Staaten von Europa“ zu legen. Wie dieses Spiel im Doppelpass mit den Banken und ihren von Ackermann am 16.November dargelegten „strategischen Lehren“ der Finanzindustrie funktionierte, erläuterte am 2.Februar der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, in einem Interview im „Manager Magazin“ (18). Er legte klar und deutlich offen, was die Banken forderten: die direkte Kontrolle über EU-Mitgliedsstaaten und die Ausschaltung ihrer demokratischen Organe:
„Wir bräuchten eine Art europäischen Währungsfonds, der Griechenland ähnlich dem Internationalen Währungsfonds Überbrückungskredite geben könnte, und zwar unter harten Sanierungsbedingungen…Frage: Spätestens dann wäre Griechenland allerdings vom internationalen Finanzmarkt abgeschnitten, oder? Mayer: Sollten alle Anpassungsprogramme scheitern, wäre das der Fall, ja. Deshalb müsste der gedachte europäische Währungsfonds den Besitzern griechischer Staatsanleihen anbieten können, griechische Anleihen gegen neue des europäischen Hilfsfonds einzutauschen – gegen einen deutlichen Abschlag natürlich. So sollte ein ungeordneter Staatsbankrott vermieden werden. Darüber hinaus allerdings müsste der Europa-Fonds mit dem Tauschgeschäft zugleich Rechte gegenüber Griechenland erhalten.
Frage: Um die Sanierungsbedingungen durchzusetzen?
Mayer: Ganz richtig, ja. Der Europa-Fonds erhielte im Gegenzug für seine Hilfe beispielsweise das Recht, über jede griechische Staatsausgabe anstelle der griechischen Regierung zu entscheiden.”
Nur sechs Tage später veröffentlichte Deutsche-Bank Volkswirt Mayer als Co-Autor einen Entwurf für eben diesen anvisierten „Europäischen Währungsfond“ in einer der zentralen Denkfabriken Brüssels, dem „Centre for European Policy Studies“ (CEPS). Der andere Autor des Papiers: CEPS-Chef Daniel Gros. Der Titel des Entwurfs lautete „How to deal with sovereign default in Europe: Towards a Euro(pean) Monetary Fund“. (19)
Hierzu muss man folgendes feststellen: eine mögliche Übersetzung dieses Entwurfs lautet: „Wie mit einem Bankrott souveräner Staaten umgehen: auf zu einem Euro(päischen) Geldfonds“. Auch die Übersetzung des englischen Namens „International Monetary Fund“ zu „Internationalen Währungsfonds“ ist sprachlich betrachtet falsch; die Abkürzung IWF müsste eigentlich IGF lauten: „Internationaler Geldfonds“.
Der Entwurf goss die Vorstellung einer finanzindustriellen Diktatur Europas nun in konkrete Formen. Das Schlüssel des Ganzen lag darin, den Bankrott einer Bank unter allen Umständen zu verhindern und dafür den Bankrott eines oder mehrerer Staaten nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern gezielt zu ermöglichen.
Zuerst wurde in dem Papier die Frage diskutiert, welche Institution finanziell gekaperte Staaten im Machtbereich der EU am besten zur Verschrottung der eigenen Sozialstruktur zwingen könnte, IWF oder EU selbst. Es wurde der EU den Vorzug gegeben und auf die Entwicklung eines „Europäischen Geld-Fonds“ gedrängt, der später im deutschen Sprachraum als „Europäischer Währungsfonds“ die Runde machte und von den Banken selbst, in typischer Bescheidenheit, als Idee der CDU-geführten Bundesregierung verkauft wurde.
Dieser Fonds, so Deutsche Bank-Volkswirt und CEPS-Chef Gros, solle bei Finanzkrisen aktiviert werden. Gleichzeitig gehe es um die Disziplinierung von EU-Mitgliedsstaaten. Um diese unter Druck zu setzen, sollten ihnen nach Artikel 50 Lissabon-Vertrag ein freiwilliger Austritt aus EU und Eurozone angeboten werden. Ebenso sei möglich, sie nach Artikel 60 der Wiener Konvention über Internationale Verträge bzw Artikel 7 des Lissabon-Vertrages rauszuwerfen. Die Autoren betonten jedoch, dass es ein tatsächliches Schrumpfen des eigenen Macht- und Währungsbereiches tunlichst zu vermeiden gelte. Stattdessen wurde nicht nur die Möglichkeit des Bankrotts eines EU-Mitgliedsstaates einkalkuliert, sondern versucht diese Möglichkeit explizit zu befördern und möglich zu machen. Zitat:
„Unser Vorschlag eines EMF (Anm.: „European Monetary Funds“, Europäischer Geldfonds) kann auch als Ergänzung zu den derzeit diskutierten Ideen angesehen werden, reguläre Pleiten von privaten Finanzinstitutionen zu erlauben und Rettungsfonds für große Banken, die von der Industrie selbst finanziert würden. Die Analogie umfasst, in mehr allgemeinen Begriffen: In der zurückliegenden Finanzkrise hat die Politik ausschliesslich eingegriffen, um das Scheitern von großen Institutionen zu verhindern. In der Zukunft jedoch muss das Schlüsselziel der Politik sein, die Marktdisziplin durch die Möglichkeit eines Scheiterns wieder herzustellen. Für die EMU (Anm.: die Eurozone) heisst das, dass das System robust genug sein sollte die Erschütterung zu minimieren, welche das Scheitern eines ihrer Mitgliedsstaaten auslöst.„
Am 16.Februar übernahmen die EU-Kommissare, namentlich Oliver Rehn, tatsächlich die Kontrolle über die Hellenische Republik und stellten Griechenlands Haushalt unter Zwangsverwaltung (19). Dieser Schritt der „Europäischen Union“ war nicht der eines freiwilligen und von Visionen getragenen föderalen Zusammenschlusses, sondern der einer neuen Sowjetunion mit kapitalistischer Finanz- und Wirtschaftsarchitektur. Die ungeheure Tragweite dieses Vorgangs wurde durch eine eingekaufte und gelenkte Informationsindustrie systematisch vernebelt, welche die Griechen als eigentliche Schuldige einer Zerschlagung des eigenen Staates verkaufte; dessen Trümmerteile, so der Tenor in der deutschen Presse, könnten nur als Brüsseler Zwangsprotektorat überleben.
Jetzt zeigt sich, wie sich das Blatt wendet. Nach dem verächtlichen Eindreschen auf einen südeuropäischen Staat und seine Bürger, steht nun die Berliner Republik selbst im Fadenkreuz der Finanzindustrie.
Deren Ziel ist und bleibt das Gleiche: lieber sollen die Staaten verschwinden, als die eigene Macht. Darin sind die Interessen der Banker deckungsgleich mit den Funktionären der Berliner Parteien und der wesentlich von ihnen bestimmten Brüsseler Räte und Kommissare.
Nach einem chronologischem Überblick über die Geschehnisse ist es wichtig einige Begrifflichkeiten noch einmal zu erläutern.
Grundbegriffe
Eigentum
Das bürgerliche Gesetzbuch nimmt keine Legaldefinition des Eigentums vor; es kennt nur Eigentum als Recht an einer Sache.Für unsere Zwecke hier, nämlich die Einordnung des Eigentums in das was Wirtschaften genannt wird, ist die Beschränkung des Eigentumsbegriffs auf Sachen nicht dienlich. Dementsprechend wird hier ein Eigentumsbegriff zugrunde gelegt, der ein Eigentum (als Quelle von Befugnissen) an Rechten (wie z.B. Forderungen) zulässt: gesellschaftlich (staatlich, hoheitlich) garantiertes Recht einer Person an einer Sache (oder einem Recht).
Besitz
Die tatsächliche Herrschaft über eine Sache.„Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben.“ (§854 (1) BGB)Anmerkung:Juristen unterscheiden Eigentum streng von Besitz. Eine Unterscheidung, die in der Wirtschaftswissenschaft, inklusive in Theorien von z.B. Karl Marx oder auch John Keynes, nie getroffen wurde. Einen wirtschaftswissenschaftlichen Ansatz, der den Unterschied zwischen Eigentum und Besitz in das Zentrum des Erklärungsmodells rückt, liefern die Professoren Gunnar Heinsohn und Otto Steiger der Uni Bremen.
Zahlungsmittel
Hier: Forderung ggü. einem Dritten, die durch Abtretung oder ein vergleichbares Rechtsgeschäft zur Erfüllung eines Verpflichtungsgeschäftes (z.B. Kaufvertrag) akzeptiert wird. Beispiel: Es werden kurzfristige Bankverbindlichkeiten (sog. “Sichtguthaben”) allgemein zur Erfüllung von Geldschulden akzeptiert. Konkret: Kauf von Lebensmitteln im Supermarkt, Bezahlung per EC-Karte. Der Kunde und der Supermarkt schließen einen (mündlichen) Kaufvertrag ab (Verpflichtungsgeschäft). Supermarkt hat die Verpflichtung dem Kunden das Eigentum an den Lebensmitteln, die Teil des Kaufvertrages sind, zu verschaffen. Kunde hat die Verpflichtung dem Supermarkt ein Zahlungsmittel zu übereignen, das vom Supermarkt in Erfüllung der Zahlungsverpflichtung akzeptiert wirdVerfügungsgeschäft 1:Supermarkt verschafft Kunde das Eigentum an den Lebensmitteln. Verfügungsgeschäft 2: Kunde erfüllt seinen Teil der Verpflichtung aus dem Verpflichtungsgeschäft, indem er dem Supermarkt per EC-Karte das Eigentum an einer Forderung ggü. einer Bank (“Sichtguthaben”) verschafft. Der Supermarkt zeigt seinerseits durch Aufstellung der entsprechenden Gerätschaften an, dass er diese Art der Bezahlung akzeptiert.
Solvenz
Für ein Unternehmen als Anleihenemittent ergibt sich aus Nettoeigentumsposition Eigenkapital als Überschuss des Vermögens über die Verbindlichkeiten und damit als Haftungsmasse für Anleiheverbindlichkeiten.Ein Staat als Anleihenemittent kann dagegen auf jedes Eigentum innerhalb der eigenen Jurisdiktion zugreifen, da der Staat, bzw. die Herrschaftsstruktur, das Eigentum als Recht überhaupt erst geschaffen hat. Es unterliegt dabei ausschliesslich den eigenen durch Recht geschaffenen Beschränkungen bzw verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Unser derzeitiges Eigentums-, Geld- und Wirtschaftssystem basiert ganz wesentlich auf der (herrschaftlichen) Einrichtung und Garantie des Eigentums (in Abgrenzung zu bloßem Besitz) und der Verteidigung der Eigentumsposition der einzelnen Person (Person hier im juristischen Sinne: natürliche Person und insbesondere auch juristische Person). Eine netto positive Eigentumsposition, das Vermögen überragt also die Schulden, wird als “Eigenkapital” bezeichnet und ist mithin das was die “Solvenz” der Person ausmacht.
Die Verteidigung der Eigentumsposition geschieht durch mehrseitige Rechtsgeschäfte (= Verträge), durch die sich die Beteiligten eine Verbesserung oder zumindest Erhaltung ihrer Eigentumsposition versprechen. Im weiteren wird von zweiseitigen Rechtsgeschäften ausgegangen. Vertragsabschlüsse (z.B. ein Kaufvertrag) müssen zu Vertragserfüllungen (Übereignung der Ware; Bezahlung) führen. Da sich die Beteiligten jedoch a priori nicht sicher sein können, dass der Kontrahent den Vertrag wird erfüllen können oder gar wollen (Stichwort: “Störungen bei der Vertragserfüllung”), steht grundsätzlich die im Rahmen des Rechtsgeschäftes eingebrachte Haftungsmasse als Sicherheit zur Verfügung, bzw. der drohende Verlust des haftenden Eigentums dient als Anreiz tatsächlich zu leisten. Dass in die Haftungsmasse bei ausbleibender Erfüllung vollstreckt werden kann ist staatlicherseits (hoheitlich) zu gewährleisten. Es ist erst diese (hoheitlich garantierte) Gewissheit der Möglichkeit einer Vollstreckung bei Nichterfüllung, die den Vertragsabschluss zweier sich sonst unbekannter Kontrahenten – und damit die arbeitsteilige Gesellschaft – überhaupt ermöglicht.
Die Solvenz, als zum Vertragsabschluss qualifizierendes Kriterium, und die Insolvenz, hier ist die Verteidigung der Eigentumsposition nicht gelungen, stehen im Zentrum unserer Wirtschaftsordnung.
Mit deutschlandweit rund 1900 eröffneten Insolvenzverfahren von Unternehmen und über 8400 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren im Februar 2010 alleine, ist die Insolvenz als solche offenbar an der Tagesordnung und damit für nicht Betroffene kaum Grund zur Aufregung oder gar Zwang zu politischem Handeln. (Quelle: destatis, Insolvenzverfahren – Fachserie 2 Reihe 4.1 – Februar 2010)Das gilt jedoch nicht für alle Insolvenzen. Die (drohende) Insolvenz ganz bestimmter (juristischer) Personen werden durchaus als Grund wahrgenommen politisch Handeln zu müssen. Warum? Meist ist in diesem Zusammenhang von “Systemrelevanz” die Rede. Doch was bedeutet das eigentlich?
Systemrelevanz
Die Verbindlichkeitsstrukturen juristischer Personen können mit anderen Personen so verzahnt sein, dass die Folge der Insolvenz, der (teilweise) Gläubigerverzicht nämlich, bei einigen (ggf. sogar allen) Gläubigern einen so großen Einschnitt in die Nettoeigentumsposition haben kann, dass nun auch ihre Schulden das Vermögen überragen (= “negatives Eigenkapital” oder negative Nettoeigentumsposition) und sie sich damit ebenfalls gezwungen sehen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Der dann folgende auszuhandelnde Gläubigerverzicht hätte ggf. denselben Effekt auf die nun betroffenen Gläubiger mit der Folge, dass sich eine Art Insolvenzlawine entwickeln könnte.
Systemrelevanz der Banken
Die soeben beschriebene Insolvenzlawine kann prinzipiell von allen Personen ausgelöst werden, die eine ausreichend komplexe Verbindlichkeitsstruktur aufweisen. Besonders betroffen sind allerdings die untereinander durch Verbindlichkeiten stark verzahnten Banken (sog. “Interbankenverbindlichkeiten”), welche jedoch nicht nur eine komplexe Verbindlichkeitsstruktur sondern auch eine – im Vergleich zu sehr großen Unternehmen anderer Branchen – besonders geringe Eigenkapitalquote und damit eine kleine Nettoeigentumsposition aufweisen. (Quelle) Bereits ein auf die Bilanzsumme bezogen kleiner Forderungs-Ausfall (“Abschreibung”) kann damit im Bankensektor die beschriebene Insolvenzlawine auslösen.
Eine weitere Komponente macht nun die Insolvenz von Banken für das Wirtschaftssystem besonders problematisch. Insbesondere das Publikum akzeptiert im täglichen Zahlungsverkehr die kurzfristigen Verbindlichkeiten der Banken weitläufig als Zahlungsmittel (siehe Def. “Zahlungsmittel”). Diese Akzeptanz bedeutet übersetzt auf die Eigentumsebene:
Das Publikum hat überhaupt keinen Zweifel an der Solvenz der Banken – obwohl diese, wie bereits aufgeführt, eine besonders kleine Eigenkapitalquote/Nettoeigentumsposition aufweisen.
Dieser Zustand bedingt sich in der Folge in gewissem Maße gegenseitig: Zahlungsmittel-Akzeptanz im Publikum –> Bodensatz-Theorie –> Nettoeigentumsposition/Bilanzsumme kann reduziert werden (Hebel wird erhöht) –> Banken sind durch Verbindlichkeitsstruktur hochverzahnt, besonders labil –> “Systemrelevanz” –> Staat haftet –> Zahlungsmittel-Akzeptanz im Publikum.
Damit reduziert sich mit jeder insolventen Bank die Möglichkeit durch Verpfändung von Eigentum im Kreditkontrakt an Zahlungsmittel zu gelangen. Diese nicht geschaffenen Zahlungsmittel fehlen nun zur Erfüllung bereits offener (Kauf- und Kredit-)Verträge und zieht damit weitere Zwangsmaßnahmen (Vollstreckung bei Nichterfüllung) nach sich.
Besonderheit des Kreditkontraktes
An dieser Stelle bietet es sich an auf eine Besonderheit des (geldschaffenden) Kreditkontraktes hinzuweisen: der Kreditkontrakt ist ein Verpflichtungsgeschäft, aufgrund dessen der Kreditgeber sofort, der Kreditnehmer erst zu einem späteren Zeitpunkt zu leisten hat. Konkret: die Bank hat die Kreditsumme sofort bereitzustellen, der Kreditnehmer hat zu einem späteren Zeitpunkt Zins und Tilgung aufzubringen. Der Kreditnehmer hat damit während der Laufzeit durch Vertragsabschlüsse mit Dritten dafür zu sorgen, dass er bei Fälligkeit des Kreditvertrages über ausreichend Mittel verfügt, die ihm die Erfüllung desselben erlauben. (Der Kreditnehmer verhindert durch Erfüllung des Kreditkontraktes die Zwangsvollstreckung in sein Eigentum.)
Konsequenz aus der Systemrelevanz der Banken
Die bislang gezogene Konsequenz aus der Systemrelevanz der Banken jedoch ist zunächst den bloßen Fortbestand der Banken zu garantieren, durch eine staatliche Garantieübernahme, Bürgschaften und ähnliches.Um die bisherigen Konsequenzen zusammenzufassen: der Staat springt den als systemrelevant eingeordneten Banken als noch solventer Nachschuldner bei, indem er die eigene Verschuldung erhöht.Bleibt die Frage zu klären:
Bleiben Staaten immer solvent?
Wenn wir zunächst einmal von einem Szenario ausgehen, in welchem die Gläubiger des Staates ausschliesslich Personen sind welchen der Staat selbst jederzeit als Gläubiger gegenüber treten kann, diese Personen sich also – etwa als Staatsbürger – dem Zugriff des Staates nicht entziehen können. Dann bleibt der Staat in der Tat immer solvent, da dieser in extremo seine Gläubiger per Gesetz dazu zwingen kann weiterhin Anleihen zu kaufen oder alternativ der Staat diese Gläubiger, per Besteuerung oder ähnliches, schlichtweg enteignen kann.
Gänzlich anders stellt sich die Situation allerdings dar, sobald der Staat auch Gläubiger hat, die sich seinem Zugriff entziehen können. Diese kann der Staat dann weder dazu zwingen die Anleihen zu kaufen, noch kann der Staat – alternativ zur Anleihenemission – diese Gläubiger höher besteuern.
Auf internationaler Ebene können Staaten also in der Tat ihre Solvenz verlieren.
Wie systemrelevant ist der Staat?
Anhand der Funktionen, die der Staat im Wirtschaftsgeschehen übernimmt, insbesondere die der Durchsetzung der Verträge, bzw. der Zwangsmaßnahmen im Fall der Nichterfüllung, ist klar, dass der Staat selbst zweifellos “systemrelevant” ist.
Der Logik weiter folgend, der man im Rahmen der Bankenrettung gefolgt ist, nämlich die der Garantieübernahme und Bürgschaft durch einen solventeren Schuldner, legt nun die EU ein Konzept vor, das einen solventeren Schuldner als den Staat selbst kreieren soll. Wenngleich die konkrete Ausgestaltung noch offen ist, heißt das in diesem Fall: es soll eine Zweckgesellschaft gegründet werden, die Anleihen begibt, welche mehrere Staaten zu garantieren hätten.
Eine denkbare Konstruktion ist die der gesamtschuldnerischen Haftung eines jeden einzelnen Staates für die gesamten Verpflichtungen dieser Zweckgesellschaft. Da die Gläubiger es sich in diesem Falle aussuchen könnten vor wem und in welcher Höhe sie ihre Forderungen geltend machen, müsste eine solche Konstruktion in der Tat mindestens die Bonitätsstufe des solventesten Schuldners haben.
Thesen
Funktionieren die EU-Konzepte langfristig?
In der Vergangenheit wurde die Staatsverschuldung als Ausweg, bzw. als Ersatz für ausbleibende private Verschuldung eingesetzt. Spätestens anhand der aktuellen Erfahrungen ist jedoch festzustellen, dass auch Staaten insolvent werden können.Bleibt noch der Versuch andere Staaten ebenfalls in Haftung zu nehmen. Auf eine ausformulierte Begründung, dass auch diese Maßnahme keine strukturellen Probleme zu lösen im Stande ist, kann getrost verzichtet werden.
Wurde/Wird durch die EU-Konzepte (irgend-)etwas strukturell geändert?
Falls für den geplanten Fonds/Zweckgesellschaft tatsächlich gesamtschuldnerisch von allen Einzelstaaten gehaftet wird, wären im Insolvenzfalle (z.B. Downgrading der Zweckgesellschafts-Anleihen/EU-Anleihen auf Ramschstatus) alle Einzelstaaten gleichzeitig pleite.Das könnte zu einer weiteren TINA-(„There Is No Alternative“)-Situtation führen: der Schaffung eines neuen Rechtskonstruktes als einzig verbleibende verschuldungsfähige Rechtspersönlichkeit – dem Staat „Europäische Union“, mit seinen ehemaligen Mitgliedstaaten als untergeordneten Rechtspersönlichkeiten / Bundesstaaten.
Welche Richtung muss ein gesellschaftlicher Diskurs haben?
Es sollte ein Diskurs statt finden, der die Besonderheit unseres Wirtschaftssystems, nämlich vollständig von der Verschuldungsfähigkeit seiner Teilnehmer abhängig zu sein, berücksichtigt. Dies heißt nichts anderes, als zu akzeptieren, dass die Verschuldungsfähigkeit im Rahmen der Veränderungen der Eigentumsposition durch Verpflichtungsgeschäfte in einem Maße verloren gehen kann, die das Wirtschaften zum erliegen bringt (“Krise” oder gar “Depression”).
Plastisch ausgedrückt: die Akkumulation und Konzentration von Eigentum kann einen so hohen Grad erreichen, dass letztendlich nur noch eine Umverteilungspolitik (“von oben nach unten”) die Aufrechterhaltung, bzw. gewissermaßen einen Neustart (“New Deal”) des Wirtschaftssystems erlaubt.
Forderungen an das deutsche Parlament
1) Das deutsche Parlament verweigert die Zustimmung zu einer weiteren Finanzermächtigung an die Bundesregierung in Höhe von 123.000.000.000 Euro (plus weiteren möglichen zwanzig Prozent) („Euro-Paket“). Ebenso verweigert es die Zustimmung zur Schaffung oder Beauftragung einer kommerziell bzw. unter Profitprinzip operierenden Zweckgesellschaft, der eine durch die Mitgliedsstaaten der „Europäischen Union“ und ihre Staatsbürger garantierte Summe von 440.000.000.000 Euro zur Verfügung gestellt wird. Das deutsche Parlament verweigert darüber hinaus jede weitere ausserordentliche Finanzermächtigung der Bundesregierung, bis zur ausführlichen, abschliessenden und perspektivischen Klärung des Sachstandes, des Schuldenstandes jedes einzelnen EU-Mitgliedsstandes, der Umstände welche dazu führten, sowie der Gläubiger aus der Finanzindustrie. Diese Klärung wird durch die Mitglieder des zuständigen Haushaltsausschusses des Bundestages persönlich vorgenommen. Es dürfen dabei keine Parteien beratend hinzugezogen werden, welche persönliche Interessen (z.B. Kompetenzuwachs oder Profit) verfolgen, namentlich die „Europäische Kommission“, der „Internationale Währungsfonds“, Geschäftsbanken oder involvierte Banken in staatlichem Besitz, ebenso wenig deren Anwälte und assoziierten Berater. Der Haushaltsausschuss entwickelt diese Gesetzgebung selbst, ausschließlich unter Beratung durch unabhängigen Sachverstand und wird selbst wieder zum Gesetzgeber im eigentlichen Sinne.
2) Das deutsche Parlament entwickelt umgehend und ohne weiteren Verzug die Gesetzgebung für eine Tobin-Steuer („Finanzmarkttransaktionssteuer“), ebenso für das Verbot für Banken Leerverkäufe, Termingeschäfte und Eigenhandel durchzuführen. Ebenso wird die direkte oder indirekte Anteilseignerschaft von Banken an Hedge Fonds und Private Equity-Firmen / Gesellschaften verboten. Für die Entwicklung dieser Gesetzgebung gelten ebenfalls die oben unter 1) genannten Bedingungen.
3) Das deutsche Parlament entwickelt umgehend und ohne weiteren Verzug eine Gesetzgebung, welche die Reduktion der Bedrohung durch eine oben beschriebene Insolvenzlawine sicherstellt, konkret durch eine Stärkung der Eigentumsposition der Banken über neue Eigenkapital-Regelungen. Für die Entwicklung dieser Gesetzgebung gelten ebenfalls die oben unter 1) genannten Bedingungen. Darüber hinaus beendet der Haushaltsausschuss umgehend die Verzögerungstaktik der Banken und nimmt diesen die Entwicklung der Gesetzgebung von Basel III aus den Händen.
4) Das deutsche Parlament entwickelt eine Gesetzgebung, welche eine Maximalgröße von in Deutschland bzw. unter deutschem Recht operierenden Geschäftsbanken definiert. Diese Maximalgröße wird derart definiert, dass eine „Systemrelevanz“ nicht erreicht wird. Erreichen die Geschäftsbanken diese gerichtlich festgestellte Größe, verlieren sie ihre Geschäftslizenz unter deutschem Recht.
5) Das deutsche Parlament entwickelt umgehend und ohne weiteren Verzug eine Gesetzgebung, welche die Banken zur Absicherung der Interbankenverbindlichkeiten durch Verpflichtung zu Wertpapierpensionsgeschäften sicherstellt. (Derzeit erfolgt eine Garantie der Interbankverbindlichkeiten staatlicherseits durch den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung – SoFFin.) Ebenso sorgt das Parlament für eine Reduktion der Abhängigkeit der Wirtschaft von den Banken als Zahlungsmittel-Hersteller.
6) Das deutsche Parlament hört auf, sich selbst ständig weiter zu entmachten und sich vor der Verantwortung zu drücken. Es stimmt keiner Abgabe weiterer Hoheitsrechte an Brüssel mehr zu, weder finanziell, haushaltspolitisch, juristisch, militärisch, wirtschaftlich, noch durch andere Massnahmen. Es lehnt die direkte oder indirekte Kontrolle der Kommissare über den Haushalt des deutschen Staates ab.
7) Das Parlament hört auf die Öffentlichkeit zu belügen. Es tagt solange, bis alle Probleme des Staates mindestens ansatzweise gelöst sind. Es hört auf die Demokratie zu beschädigen und dient ausschließlich dem Wohl der Bürger. Es hält die Verfassung ein – das Grundgesetz – und stellt sie nicht mehr in Frage.
Aufruf
Die Frage, die sich jede einzelne Person stellen muss, ist die nach der eigenen Teilhabe an und Verantwortung für die Demokratie. Derzeit sind Unfähigkeit, Apathie, Beliebigkeit und fehlende Moral der deutschen Bevölkerung schlicht entsetzlich.
Demokratie ist kein bloßes Recht, welches uns vom Grundgesetz gewährleistet wird sondern ein leerer Raum, welcher mit Leben erfüllt werden muss. Demokratie ist kein von sich aus arbeitendes System, welches durch alle Jahre wiederkehrende Wahlen funktioniert, sondern ein täglicher, anstrengender Prozess.
Jeder Person sollte sich fragen, wie er eigene persönliche Vorstellungen von Organisation der Wirtschaft, Werten unserer Gesellschaft, politischer Bildung und gemeinsamem Zusammenleben mit über 80 Millionen Menschen Gewicht verleihen kann. In einer Demokratie müssen die Bürger ständig in einem Prozess der Meinungsbekundung diese Ideen, Werte und Vorstellungen öffentlich vertreten. Nur in einer Demokratie können sie es. Denn nur dort haben sie ein Recht dazu.
Deutschland ist eine repräsentative Demokratie. Die überwältigende Mehrheit seiner Bürger politisch passiv. Dies hat zur Folge, dass große Organisationen – Banken, Konzerne, Lobbygruppen, elitäre Vereine und Zusammenschlüsse und Parteien – den durch die Passivität leer bleibenden Raum der Demokratie mit ihren Möglichkeiten und Privilegien selbst füllen, Meinungen nicht nur bilden, sondern über die Informationsindustrie machen und versuchen, die eigenen Interessen durch Wahlvorschläge mit eigenen Vertretern in den Parlamenten umzusetzen.
Die allermeisten Handlungen der im Bundestag gewählten Volksvertreter entsprechen nicht den Vorstellungen der Mehrheit der Bürgerschaft der Republik. Aus diesem Grund haben wir selbst eine eigene Partei gegründet und versuchen unsere Ideen und Vorstellungen in die demokratischen Prozesse einfließen zu lassen und diese auf lange Sicht auch umzusetzen. Nur wer sich selbst politisch engagiert hat eine Chance auf Veränderung.
Den Deutschen ist in den letzten 20 Jahren seit der Wiedervereinigung systematisch jede Chance auf einen Neuanfang geraubt worden. Durch eine nun gesamtdeutsche Nomenklatura, welche sich aus beiden deutschen Teilstaaten nur das Schlechteste herauspickte, wurden Vereinzelung, Entsolidarisierung, Verarmung, Militärisierung, politischer, moralischer, kultureller und gesellschaftlicher Verfall von oben gepredigt und schliesslich organisiert. Das Grundgesetz wurde in einer Allparteien-Koalition zuerst ignoriert, die vorgeschriebene Volksabstimmung wurde einfach unterlassen. Dann unternahm das Parlament und die Länderkammer, von großen inneren Spannungen und rassistischen Pogromen begleitet, fundamentale „Veränderungen“ am Grundgesetz, die auf dessen Zersetzung und faktische Abschaffung zielten. Die etablierten Parteien scheiterten in den zurückliegenden Jahren jedoch damit, den Kern unserer Verfassung gänzlich ausser Kraft setzen zu lassen.
Unmittelbar nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages am 1.Dezember 2009 wurde nun in Europa nichts besser, sondern alles schlimmer. Die jetzige Entwicklung gibt all denen Recht, welche vor diesem Machwerk gewarnt haben, welches den Völkern Europas aufgezwungen wurde und vom Bundestag beschlossen wurde, ohne dass dieser auch nur vollständig vorlag.
In den letzten Monaten haben die Parlamentarier in der Republik tatenlos mit angesehen, wie eine künstlich von der Finanzindustrie herbei geführte Krise der Merkel-Regierung, den Brüsseler Kommissaren und den Brüsseler Räten dazu diente, die durch den Lissabon-Vertrag geschaffenen Sonderklauseln im „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ anzuwenden. Auf der Rechtsgrundlage dieser Klauseln – welche entgegen aller Grundlagen der Gewaltenteilung nicht nur eine unabhängige Gerichtsbarkeit festgestellt wurde, sondern durch die Funktionäre der Organe des Ausführenden Staates (Exekutive) in den Mitgliedsstaaten der „Europäischen Union“ selbst – sollen nun Massnahmen in die Wege geleitet werden, die abermals nichts besser, sondern alles nur schlimmer machen.
Wir sehen uns der Situation eines finanziellen Blitzkriegs gegen unsere Republik gegenüber. Wer überhaupt noch fähig ist, an irgendetwas Interesse zu entwickeln, der sollte erkennen, dass der Erhalt des Grundgesetzes und dieser Republik sein ureigenes Interesse ist, auf dem alle anderen basieren.