Panettas Erklärung zur CIA-Datenbank „Al-Qaida“
Spionagedirektor als Totengräber und Geburtshelfer definiert sich einen neuen Feind: Krieger Osama Bin Ladens beerdigt – US-Geheimdienstapparat lässt seinen Kreislauf mit der Geburt der cyber warrior weiter evolutionieren
Am Sonntag, den 27.Juni wurde ein Interview mit dem Geheimdienstchef Leon Panetta, geführt von Jake Tapper, in ABC‘s „This Week“ veröffentlicht. Darin gestand Panetta deutlich die Lügen ein, wegen denen ein neunjähriger Krieg in Afghanistan geführt wird, der sich zu einem regelrechten Weltkrieg entwickelt hat. Mehr als vier Dutzend Staaten wurden in diese von der US-Regierung vom Zaum gebrochene Invasion hineingezogen, allein die Vereinigten Staaten von Amerika beteiligen sich mit einhundertundfünfzigtausend Soldaten. Die Alliierten spielen bei diesem Krieg willig mit und verfolgen damit unterschiedliche eigene Interessen.
Panetta gab gestern zu, dass man seit den Anfang der 2000er Jahre über keinerlei Informationen verfüge, wo sich der meist gesuchteste Mann der CIA aufhalten würde. „Zuverlässige“ hauseigene Gerüchte über seinen Verbleib, die von seiner eigenen Geheimdienstorganisation stammten, wiesen zuletzt vor neun Jahren auf das Bergland zwischen Afghanistan und Pakistan.
Nun teilte der Boss des mächtigten Auslandsgeheimdienstes der USA mit, dass „Al-Qaida“ so schwach wie nie zuvor sei und nur noch ca. fünfzig bis einhundert Kämpfer in den Stammesgebieten vermutet werden.
Um diese zu jagen, verlagerte man ganze Armeen und Söldnerhaufen nach Afghanistan. Der Vorwand zum Einmarsch kann nicht mehr länger aufrecht erhalten werden, die Verbündeten der USA brechen reihenweise weg, und die Bürgerproteste sind zu einem nicht mehr zu überhörenden Ruf geworden – also muss die CIA-gesteuerte „Al-Qaida“ jetzt dort „sterben“.
Es war das gleiche Vorgehen wie bei dem Irak-Krieg, als dem Regime Saddam Hussein‘s Massenvernichtungswaffen angedichtet wurden und Kooperationen mit Al-Qaida, um den Einmarsch der US-Truppen zu legitimisieren. Die Internationale Atomenergiebehörde unter El Baradei hatte damals im Vorfeld das Vorhandensein nuklearer Waffen nicht bestätigt.
Ob aber Panetta der Regierung in Washington mit seiner neuesten Feststellung dabei helfen will, das Gesicht zu wahren, um das offensichtliche Scheitern des ISAF-Einsatzes und einen unvermeidlichen Rückzug der Niederlage zu kaschieren, kann man sich nicht so recht vorstellen, aber in diesem miesen Spiel ist alles möglich.
Jedoch wurde dieser Krieg im Jahr 2001 aus diesem Grund begonnen: Die Jagd nach Osama bin Laden in Afghanistan. Wenn man seit neun Jahren nicht weiss, wo er sich verborgen hält und nur noch von einem kleinen Haufen Einzelkämpfer spricht, dürfte dieser selbst zurechtgebastelte Anlass wohl hinfällig sein und in der CIA-Datenbank wurde jetzt mit der Delete-Taste der nicht mehr so verwendbare, selbst produzierte Terrorgrund in den Papierkorb verschoben, wo man ihn bei der nächsten Gelegenheit wieder herausholen kann.
Panetta muss durch die Sommerhitze geritten sein, er ist völlig durch den Wind. Die von der US-Regierung mit aller Macht gegen den Widerstand des gesamten UNO-Sicherheitsrates einseitig verhängten schärferen Wirtschaftssanktionen gegen Teheran bezeichnete der Spionagechef als sinnlos.
Im weiteren Verlauf des Interviews hatte Panetta eine sehr eigenwillige Version des Untergangs der Cheonan parat. Die Versenkung des südkoreanischen Kriegsschiffes hätte dazu gedient, „einen reibungslosen Umbau der Regierung in Nordkorea zu ermöglichen“. Panetta sagte, der Anschlag könnte Teil einer Nachfolgeregelung für den Sohn des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-il, Kim Jong-un, sein – um diesen mit „Glaubwürdigkeit“ zu etablieren. „That makes it a dangerous period“, so Panetta. Als ob Pjöngjang das nötig hätte.
Es ist Hochsommer, und in den USA scheinen manche „to be in a complete tizzy“ vor lauter Ausweglosigkeit der immer hoffnungsloseren Lage der Washingtoner Aussenpolitik zu sein.
Der CIA-Direktor hieb auch auf das Internet als neues Feindbild der CIA ein, in dem ein böser Cyber War toben würde und das zensiert, kontrolliert und überwacht gehöre.
„Wir sind jetzt in einer Welt, in dem der Cyber-Krieg sehr real geworden ist. Dieser könnte sich dazu entwickeln, unser Netz zu bedrohen. Er könnte unser Finanzsystem bedrohen. Man könnte dieses Land lähmen, und ich denke, das ist ein Bereich, dem wir viel mehr Aufmerksamkeit schenken müssen.“
Panetta hat Recht: „Osama bin Laden“, „Al-Qaida“, „Taliban“ – alle hauseigenen Fachbegriffe des für US-Interessen nützlichen Terrorismus verblassen zu Luftnummern, die sie schon immer waren – vor der Macht des Informationszeitalters.
Die Menschen werden durch dieses Netz aufgeklärt, erkennen immer besser die Zusammenhänge politischer und wirtschaftlicher Verflechtungen und mit welchen absurden Begründungen die Mächtigen sich mit der Errichtung von faschistischen Polizeistrukturen vor dem Zorn des Volkes zu schützen suchen.
In der Tat, dafür besteht eine reale Gefahr. Die Revolution eines echten neuen Informationszeitalters hat begonnen, die praktische Auswirkungen auf gesellschaftliche Strukturen haben wird. Für das Establishment ist das logischerweise der Krieg, der ihre Grundfesten der Ausbeutung und des Lebens auf Kosten anderer erschüttern wird.