In Indien kam es am Montag, den 5.Juli zu landesweiten Streiks, die in den verschiedensten Bundesstaaten weitgehend das öffentliche und wirtschaftliche Leben lahmlegten.
Die wichtigste Oppositionspartei Bharatiya Janata Party (BJP) und die kommunistischen Parteien hatten unabhängig voneinander zu bundesweiten zwölfstündigen Ausständen bis 18.00 Uhr aufgerufen und sprachen anschliessend von einem Erfolg der Aktionen, an denen sich viele Millionen beteiligt hatten. (1) Die vier linken Parteien erklärten
„Die Leute haben ihre Wut zum Ausdruck gebracht und nachdrücklich gegen die Anti-Personen-Politik mit den aufeinanderfolgenden Belastungen der Menschen durch Preissteigerungen bei Mineralölerzeugnissen reagiert.“
Der Sender Al Jazeera erstellte eine kurze Dokumentation des Verlaufs des Streiks in einigen Städten Indiens:
Die Streikbeteiligung war in den von der Oppositionspartei BJP und von kommunistisch regierten Bundesstaaten am grössten. Staaten wie Orissa, Bihar und Westbengalen haben massive Arbeitsniederlegungen gemeldet und die Verwaltung hätte wenig Anstrengung unternommen, um die Menschen zur Arbeit zu zwingen, hiess es. (2)
Unterstützt wurden die Aufrufe zum Streik von All India Motor Transport Congress, der 7.000 Lkw- und Logistikunternehmen repräsentiert.
Grund für die heftigen Proteste ist die weit mehr als zehnprozentige Inflationsrate im Land, die mit der jüngsten Erhöhung der Kraftstoffe wieder um ein Prozent gestiegen war, hiess es nach dem wirtschaftspolitischen Chefberater des Finanzministeriums, Kaushik Basu.
Die Reserve Bank of India hob am 2. Juli, fast einen Monat vor der nächsten planmässigen Sitzung der Zentralbank. die Zinssätze an.
Der Benchmark-Index der Grosshandelspreise, eine Massnahme, die am häufigsten verwendet wird, um die Inflation in Indien zu überwachen, war fast auf 13 Prozent in der Woche zum 19. Juni angestiegen, nachdem er sich schon im Mai unerwartet um 10,16 Prozent erhöht hatte – verglichen mit 3,1 Prozent für Industriearbeiter in China. Ein paar Wochen zuvor lag er schon einmal bei 17 Prozent. Die Preise für Hülsenfrüchte, Weizen, Reis und Zucker sind nach wie vor hoch.
Die Preiserhöhung für die Treibstoffe resultiert aus den Kürzungen der Subventionen am 25.Juni durch die Regierungskoalition, die eingeführt worden waren, um die Armen zu schützen.
Die Höhe der Subventionen für die Stützung von Gas, Benzin und Diesel betrug 5,5 Milliarden Dollar.
Diese Massnahme der Streichung der Subventionen durch die Regierung ist Teil einer Konsolidierung des Haushaltsdefizits, dass einen Höchststand seit sechzehn Jahren erreicht hat. Premierminister Manmohan Singh hat sich zum Ziel gestellt, seinem Nachfolger eine gesunde wirtschaftliche Bilanz zu übergeben, bevor er aus dem Amt scheidet und meinte, das Volk wäre mit seinem Denken in dieser Hinsicht vertraut. Nicht alle der wichtigsten Berater Singhs sind jedoch überzeugt, dass die Regierungsentscheidung, die Subventionen zu beschneiden, richtig war auch wenn das Defizit auf ein Sechzehn-Jahres-Hoch aufgelaufen ist.
Betroffen von der Teuerungsrate sind vor allem die armen Bevölkerungsschichten und der Mittelstand. Die Erhöhung der Kraftstoffpreise wirkt sich nicht nur an der Zapfsäule aus – die Ärmsten haben keine Autos – sondern die Preise für Lebensmittel, Nahverkehrsmittel u.v.m. sind mit dem Durchreichen der Erhöhung ebenfalls davon betroffen. Viele Kleinunternehmer betreiben Dieselgeneratoren, um mit der Herstellung von Produkten in Manufakturarbeit ihren kümmerlichen Lebensunterhalt zu verdienen.
Im letzten Monat stiegen die Preise für Diesel, Benzin und Kerosin zwischen zwei Rupien bzw. 3,50 Rupien pro Liter, da die Regierung den Öl-Vertriebsgesellschaften gestattete, die Preise flexibel näher an ihren Kosten zu gestalten. Eine Patrone mit Kochgas jetzt kostet 35 Rupien mehr, als das noch vor zwei Wochen der Fall war.
Murli Deora, Minister für Erdöl und Erdgas rechnete vor, dass sich der höhere Preis von Gas zum Kochen mit weniger als eine Rupie pro Tag für die meisten Familien auswirken würde und die Ausgaben für Kerosin würden etwa mit 50 paise (1,5 Singapore Cent) pro Tag zu Buche schlagen. Scheinbar sehen diese Milchmädchenrechnungen weite Teile der Bevölkerungsschichten, besonders die ärmeren, ganz anders. Am Sonntag, einen Tag vor dem Generalausstand, sagte der indische Finanzminister Pranab Mukherjee noch in Kolkata
„There is no question of a fuel price rollback.“
Bisher hatten die politischen Parteien die Lockerung der Kraftstoffpreiskontrolle vermieden, um die 828 Millionen Menschen, die von weniger als 2 Dollar pro Tag leben und dadurch gestützt wurden, für sich zu gewinnen.
Lokale Fernsehbilder aus dem Technologie-Zentrum in Bangalore im von der Opposition regierten Bundesstaat Karnataka zeigten gestern ungewöhnlich wenig Verkehr am Mittag und viele geschlossene Geschäfte und Büros. (2)
Inlandsflüge wurden gestrichen, so in der östlichen Stadt Kolkata, einer kommunistischen Hochburg, wo private Fluggesellschaften bis 18.00 Uhr ihren Flugbetrieb einstellten.
Auf dem Flughafen Mumbai wurden vierundachtzig Flüge zum Start oder Landung gestrichen. Die staatliche Air India teilte in einer Erklärung mit, dass ihre Inlandsflüge, einschliesslich Kolkata von dem Streik betroffen waren.
Viele Züge fuhren nicht mehr fahrplanmässig oder fielen ganz aus. In der Hauptstadt Neu-Delhi, in der eine Kundgebung mit den Parteichefs der BJP auf dem berühmten Chandni Chowk-Markt stattfand, wurden die Fahrten der U-Bahn-Züge an einigen Stellen unterbrochen. Dilip Kumar, Leitender Sprecher der East Central Railway sagte, dass mehrere Fernzüge, deren Streckenführung durch Bihar verläuft, an verschiedenen Stationen während des zwölfstündigen Streiks angehalten haben.
Büros und Geschäfte wurden geschlossen. Infosys Technologies und Wipro Ltd Ltd, Indiens zweit- und drittgrössten Software-Exporteure schlossen ihre Büros in Bangalore. Vertreter der Unternehmen sagten, die Arbeitnehmer konnten durch die Streiks nicht zur Arbeit fahren.
Amalesh Kumar, Generalmanager bei Mahanadi Coalfields Ltd, einem Geschäftsbereich von Coal India Ltd teilte mit, dass elf Kohlegruben von Talcher in Orissa geschlossen werden mussten.
Die Pharmaziehersteller Sun Pharmaceutical Industries Ltd und Glenmark Pharmaceuticals Ltd in Indiens Wirtschaftsmetropole Mumbai hatten laut Angaben ihrer Sprecher ihr Büropersonal angewiesen, wegen der verstopften Strassen zu Hause zu bleiben.
Die Börsengeschäfte verliefen „sehr gering“, sagte Nilesh Karani, Chef von Business Development bei Magnum Equity Ltd Broking, da Kunden ihr „Wochenende verlängert hatten“.
Der Streik war in den Staaten, die von der Kongress-Partei – die von Sonia Gandhi geführt wird – oder ihren Verbündeten regiert werden wie Maharashtra und Andhra Pradesh, nicht ganz so erfolgreich, hier gab es weniger Massenveranstaltungen. In Mumbai, der Hauptstadt von Maharashtra wurden extra 40.000 Polizisten auf die Strassen geschickt, um den „Frieden zu erhalten“.
In Tamil Nadu wäre der Alltag fast normal verlaufen bis auf einige Flüge in Chennai, der Landeshauptstadt, die verzögert wurden, berichtete die Presse.
In einigen Teilen Indiens kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Aus einigen Bundesländern wurde sporadische Gewalt gemeldet wie das Zerstechen von Reifen an Fahrzeugen oder Blockieren der Eisenbahngleise und Hauptstrassen, aber ansonsten verlief der Streik weitgehend friedlich.
Mahesh Rangarajan, ein unabhängiger politischer Analytiker aus Neu-Delhi sagte am 5.Juli
„Der heutige Streik zeigte, dass es eine ernsthafte öffentliche Unzufriedenheit über steigende Preise gibt.
Das ist ein Test der Entschlossenheit der Regierung, um die nächste Phase der Reformen fortzuführen.“
Die Confederation of Indian Industry berechnete, dass der gestrige Streik dem Land mehr als 30 Milliarden Rupien (641 Millionen Dollar) gekostet hat.
Quellen:
(1) http://www.businessweek.com/news/2010-07-05/nationwide-strike-pressures-india-s-singh-on-prices.html
(2) http://www.mysinchew.com/node/41293