US-Präsident Barack Obama sieht in der Veröffentlichung eine Bestätigung seiner Strategie der Aufrüstung in Afghanistan. Rein zufällig brauchte er für diese gestern wieder einmal 60 Milliarden Dollar mehr von den Amerikanern und die Zustimmung des Kongresses. Der designierte neue Leiter des Zentralkommandos, James Mattis, bezeichnet West-Pakistan als „strategischen Halt“ von „Al Qaida“ und Osama Bin Laden. Die reaktionäre und bellizistische Presse feiert die vermeintliche Entlarvung des Iran als Helfer der „Taliban“ und der „Al-Qaeda“ in den Wikileaks-Files durch den „linksradikalen Terror-Verteidiger“ Julian Assange höchstselbst. Und in Deutschland glotzt eine Horde Untertanen mal wieder dumm aus der Wäsche.
Liebe Leser und Leserinnen. Zuerst müssen sich sich leider dazu bequemen, diesen Artikel zu lesen. (Die Wikileaks-Veröffentlichung und die Afghanistan-Pakistan-Strategie der USA, 26.Juli)
Sie können ihn jetzt natürlich extra nicht lesen. Aber dann haben Sie wieder keine Ahnung, was abgeht. Und das wollen Sie doch ausnahmsweise einmal, oder?
Na also. Dann kann´s ja weiter gehn.
Kapitel 1: The Good, the Bad, and the Democrats
Bereits vor der Veröffentlichung der Dokumente aus der Militärspionage über Wikileaks hatten am Sonntag (25.) die drei eingeweihten Zeitungen der „Spiegel“, die „New York Times“, sowie der „Guardian“, darüber berichtet, dass die Dokumente enge Verbindungen zwischen Pakistan, sowie dessem Geheimdienst ISI und den „Taliban“ in Afghanistan beschrieben.
In der Nacht zu Montag wurden die Files der US-Militärspionage bei Wikileaks veröffentlicht. Am Dienstag las man dann bei den guten alten Bekannten von „Fox News“ (1) folgendes:
Die Kooperation zwischen Iran, Al Qaeda und anderen sunnitischen Extremisten-Gruppen ist umfangreicher als bisher der Öffentlichkeit bekannt, laut Details, die in den Zehntausenden von Dokumenten der Militärgeheimdienst verborgen sind, welche von einer unabhängigen Gruppe am Sonntag veröffentlicht wurden.
US-Offizielle und Mittlerer Osten-Analysten sagten, manches der explosivsten Information in den Wikileaks Dokumenten behandele ausführlich Irans angebliche Verbindungen zu den Taliban und Al Qaeda, sowie die erleichternde Rolle, welche Iran vielleicht bei der Lieferung von Waffen gespielt habe, aus Quellen so vielfältig wie Nordkorea oder Algerien“.
Beim „Examiner“ (2) war man geradezu entzückt. Endlich. Linke, Terroristen, Iraner, Liberale, Taliban, Demokraten, die Al Kaida, ach, alles das gleiche Pack. Und sie sagen es auch noch selbst, die Idioten.
„Als der parteiliche linksradikale Terror-Verteidiger Julian Assange (der Sarah Palin während des Wahlen 2008 angriff und buchstäblich denkt, die USA hätten auf 9/11 dadurch reagieren sollen indem sie absolut nichts tun) jüngst die nationale Verteidigung durch die illegale Enthüllung Zehntausender als geheim klassifizierter Militärspionage-Papiere kompromittierte, bestätigte er des weiteren, dass Liberale seit Jahren über den Iran gelogen haben.
Um die Kriege in Irak und Afghanistan als Fehlschläge hinzustellen, mussten Liberale fast acht Jahre immerfort damit zubringen, trotz aller Hinweise die Tatsache kleinzureden, dass das verrückte islamistische Regime, welches die Demokraten im Iran installiert haben, sowohl die al-Qaida, als auch die Taliban bewaffnet, angeleitet und finanziert hat.“
Mal ehrlich, liebe Leser – macht das nicht irgendwo Spaß, sowas zu lesen? Endlich mal jemand mit einem Standpunkt, den er sich nicht ausreden liesse, selbst wenn ihm der Himmel auf den Kopf fiele. Während andere Idioten sich von diesen islamistischen sunnitisch-schiitischen Fundamentalisten ins Bockshorn jagen lassen. Diese Waschlappen. Diese Terror-Verteidiger. Diese Pazifisten, Freies-Internet-Heinis und Demokraten, mit einem Wort:
diese Zivilisten.
Kapitel 2: „Von Islamabad bis New York, von Ostafrika bis Europa“
Ebenfalls am Dienstag hielt auch der Militärausschuss des US-Senats in Washington eine Anhörung ab. Geladen war der vom Präsidenten Barack Obama als neuer Leiter des Zentralkommandos vorgeschlagene General James Mattis. Auch Mattis lieferte, angesichts der schröcklichen Neuigkeiten seiner Spione via Wikileaks, ein überzeugendes Statement ab (3):
Die „Stammesgebiete Pakistans“, also das nordwestliche Territorium der seit Jahrzehnten eng mit den USA kooperierenden Atommacht, seien weltweit
„die größte Gefahr, da sie ein strategischer Halt für al-Qaeda und seine leitenden Führer Osama Bin Laden und Aiman al-Zawahiri sind. Von Islamabad bis New York, von Ostafrika bis Europa brütete diese Gegend das mörderische Design al-Qaedas aus.
Obwohl die leitenden Führer al-Qaedas in Pakistan unter erheblich mehr Druck stehen als in früheren Jahren, bleiben die Stammesgebiete von Pakistan der Schlüssel für die Bemühungen von Extremisten muslimischen Widerstand weltweit zu sammeln.“
Nochmal in Zeitlupe: dies sagte der designierte neue Oberkommandierende der US-Truppen eines „Verantwortungsbereiches“, der von Pakistan, Afghanistan, über Iran, Irak, bis nach Ostafrika reicht, nur einen Tag nach der Veröffentlichung von US-Militärdokumenten bei Wikileaks, in welchen erstens ein direkter Zusammenhang zwischen Pakistan und der „al-Qaeda“ / „Al Kaida“, sowie den „Taliban“ in der Nato-Besatzungszone hergestellt wurde und zweitens eine finanzielle und militärische Unterstützung des Iran für „Taliban“ in Afghanistan.
Kapitel 3: Auftritt Onkel Obama. Für 60.000.000.000 Dollar mehr.
Gestern Nachmittag war richtig was los. Auch Onkel Obama erzählte ein paar Geschichten. Er brauchte nämlich wieder einmal Geld von einem Parlament, was im Wettbewerb der Schandflecken und Demokratie-Prothesen prompt elegant die Knesset und den Bundestag überholte und auf Platz 1 hüpfte.
Der Präsident des Staates USA, welcher wie alle anderen Staaten seines Einflußbereiches dabei ist sich selbst von oben zerstören zu lassen, äusserte sich zu den am Vortag veröffentlichten 91.000 Dokumenten seines Militärs auf Wikileaks. Barack Obama teilte dabei erstens mit, er sehe sich durch die Veröffentlichungen bestätigt, eine neue Afghanistan-Strategie entwickelt und 30.000 Soldaten mehr in die Besatzungszone entsandt zu haben. (4)
Zweitens teilte er mit, dass diese Dokumente ihn zwar in seiner neuen neuen Afghanistan-Strategie bestätigen und die Entsendung von 30.000 Soldaten in eine Besatzungszone rechtfertigen würden – aber:
„Diese Dokumente enthüllen keinerlei Sachverhalte, welche die öffentliche Debatte nicht bereits über Afghanistan informiert hätten.“
Natürlich. Jeder auf dem Planeten wusste schon immer, dass die „Taliban“ aus Pakistan und dem Iran finanziert und unterstützt werden. Selbstverständlich wussten wir alle das, schon immer. Seit wir zuließen, dass unsere Soldaten nach Attentaten in den USA vor fast neun Jahren in ein Land in Zentralasien einrückten und anfingen dort Menschen umzubringen, in einem Land was weder uns noch ein anderes Land angegriffen hatte, seitdem war uns schon immer allen klar, dass der wahre Feind in der Atommacht Pakistan und in der, im Grunde, Atommacht Iran zu finden seien. Da musste man was tun. Ganz klar.
Sie wissen das. Sie haben es immer gewusst. Sie müssen sich nur richtig in Hirn pimpern, immer feste, so wie sie es gewohnt sind, jeden einzelnen gottverdammten Tag – dann wissen Sie´s. Das ist Information. Das ist Wahrheit. Das ist Realität. Das ist Ihr Gehirn. Das kann alles, wenn Sie sich nur richtig anstrengen. Immer feste rein.
Barack Obama stand da gestern im Rosengarten des Weissen Hauses zusammen mit „Führern des Kongresses“. Also mit leitenden Funktionären der „Republikaner“ und der „Demokraten“. Er brauchte Geld für Krieg und Militär und zwar in einer beschleunigten Gesetzgebung, welche die Zweidrittelmehrheit erfordert. Die Summe splittete sich wie folgt auf: 33.5 Mrd direkt für den Afghanistan-Krieg, 6.2 Mrd für „Programme“ des Aussenministeriums in Afghanistan, Pakistan, Irak and Haiti, 5.1 Mrd für die Katastrophenbehörde Fema und 13.4 Mrd für Hilfsprogramme für US Veteranen aus dem Vietnamkrieg.
Nun kann man sich denken, warum diese noblen Unternehmungen zusammen in einen Gesetzentwurf gepackt wurden. Wer kann dazu schon sein sagen: Hilfe für Veteranen 35 Jahre nach dem Krieg, Katastrophenhilfe in Haiti, na gut, ein paar Katastrophen hi und da nehmen wir da auch noch mit.
Barack Obama stand unter Druck: der Senat hatte zwar letzte Woche bereits zugestimmt, doch im Repräsentantenhaus stimmten Anfang Juli immerhin 162 Demokraten für eine Resolution, welche eine deutliche Truppenreduzierung in Afghanistan forderte. Hätten diese 162 Demokraten nun ihren Standpunkt ein paar Wochen lang behalten – also gegen noch mal 33.5 Milliarden Dollar für den Afghanistan-Krieg gestimmt – wäre der Sonderetat nicht über die notwendige Zweidrittelmehrheit gekommen.
Aber natürlich kam er gestern doch. Mit 308 zu 114 Stimmen beschloss das Repräsentantenhaus (5), dass die Amerikaner, welche diesen Kongress gewählt hatten damit er die Kriege in Irak und Afghanistan beendet, dem Militär noch einmal Milliarden zur freien Verfügung in die Hand drücken mussten.
Kapital 4: Auftritt Julian Assange
Dienstag Abend. Wikileaks-Gründer Julian Assange in einem der vielen Plätze, die es nicht in Deutschland gibt / geben darf, dem Londoner Frontline Club. Hier der Mitschnitt.
Assange ging in seinem Statement gleich zu Anfang explizit auf die in den Dokumenten enthaltenen Beschuldigungen gegen Pakistan und den ISI ein, ohne den Inhalt der US-Geheimdienst-Dokumente irgendwie in Zweifel zu ziehen. Er ging auf das weltweite Presseecho ein. Man könne die Wirkung der Veröffentlichung noch gar nicht absehen.
Die Quelle dieser Dokumente, so der Wikileaks-Gründer Assange, kenne man nicht, die kenne man nie. Das ganze Zugangssystem der Informationsplattform sei darauf angelegt, dass man nicht wisse, wer die Quelle sei und so dieses Geheimnis auch nicht preisgeben könne. Mehrere Systeme seien miteinander verbunden, u.a. ein System, welches die Militärspionage der US Navy entwickelt habe, um die Herkunft von Informationen seitens der Marinespione zu verbergen. Assange wörtlich zum Informationssystem von Wikileaks: „Das ist wirklich etwas, was es sonst auf der Erde nicht gibt“.
Das „Office of Naval Intelligence“ (ONI) ist, so vermerkt es sogar der dt-Sprachige Wikipedia-Eintrag, unter der Verwaltung der „Defense Intelligenc Ageny“ (DIA) – also genau der Agentur des Pentagon, welche solche Lücken wie die nun erfolgte Übertragung von 91.000 Militärdokumenten verhindern soll.Die DIA ist im mittlerweile außer Kontrolle geratenen Spionage-Komplex der USA eng mit einer ganzen Reihe von IT-Konzernen verknüpft. (TOP SECRET AMERICA (II): “Nationale Sicherheit AG”, 24.Juni)
Assange bezeichnete einiges in den veröffentlichen Dokumenten von Unteroffizieren der US-Militärspionage, die weitgehend auf den Aussagen bezahlter Informanten beruhen, selbst als „exotisch“; etwa Berichte, dass Osama Bin Laden sich regelmäßig einmal im Monat mit seinen Freunden zum Tee in einem bestimmten Teehaus in Afghanistan treffe.
Bisher sei Wikileaks aber noch nie mit gefälschten Dokumenten hereingelegt worden.
Kapitel 5: Auftritt Indien
Immer noch Dienstag Abend. Das Aussenministerium Indiens meldet sich zu Wort. Es hat, im Gegensatz zu US-Präsident Barack Obama, irgendwie das Gefühl, dass in den von Wikileaks veröffentlichten US-Spionageberichten doch etwas drin stehen könnte, also sowas hat man lange nicht gesehen. In Richtung Pakistan heisst es nun aus Neu Dehli:
„Sponsorenschaft von Terrorismus, als ein Instrument der Politik, ist gänzlich verdammenswürdig und muss unverzüglich eingestellt werden. Die Nutzung von Territorium unter Pakistans Kontrolle, um Schutzräume zur Rekrutierung und Aufrechterhaltung von terroristischen Gruppen zur Verfügung zu stellen, und terroristische Aktivitäten gegen Nachbarn zu lenken, muss aufhören.“
Kapitel 6: Analyse und Einschätzung
Damit kein falscher Eindruck entseht: meiner bescheidenen Meinung nach ist Julian Assange weder korrupt, noch ein Spion. Das wird von Quellen zur Zersetzung von Wikileaks gestreut, aus behördlichem Interesse, oder durch Konkurrenten die schlicht neidisch sind und persönlichen Erfolg als ihre höchste Priorität sehen.
Nein, was ich sagen will ist folgendes: Julian Assange liegt einfach falsch mit dieser Veröffentlichung.
Die Dokumente sind keine Fälschungen. Es ist echtes Geschwätz aus der US-Spionage. Das ist der Witz. Es ist echter Bullshit, der nichts wert ist. Aber er wurde wahrscheinlich extra zu diesem einen Zwecke produziert, um bei Wikileaks zu landen und als echter Bullshit die Welt noch blöder zu machen, als sie es jetzt schon ist, was zugegebenermaßen immerhin eine Leistung ist.
Sogar die „Welt“ (7) der Hinterwäldler, deren gesamte Redaktion irgendwann als zugewanderte Provinzpomeranzen und Saufköppe diese Stadt versauen mussten, ist aufgefallen, dass die Berichte merkwürdig gefiltert erscheinen und stets die eine Seite einer Medaille zeigen. Dass die andere Seite der Medaille die US-Regierung selbst ist, und ihre weltweite Kriegführung, darauf würde sie im Leben nicht kommen – weil das nicht ihre Welt wäre, in ihrer „Welt“, in der sie leben.
Also, liebe Leser, throw me a dime.
For the passing time..
Quellen:
(1) http://www.foxnews.com/world/2010/07/26/wikileaks-data-bolster-suspicion-iranian-ties-extremists/
(2) http://www.examiner.com/x-35976-Conservative-Examiner~y2010m7d27-WikiLeaks-Iran-armed-worked-with-with-al-Qaida-Taliban
(3) http://www.bloomberg.com/news/2010-07-27/al-qaeda-threatens-all-of-mideast-central-asia-u-s-general-mattis-says.html
(4) http://www.guardian.co.uk/world/2010/jul/27/barack-obama-afghan-war-logs1
(5) http://www.wsws.org/articles/2010/jul2010/afgh-j28.shtml
(6) http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jogPtTDaA79sn-PeZOWwA4ygEpkw
(7) http://www.welt.de/politik/ausland/article8677827/Wikileaks-Coup-zeigt-die-Ohnmacht-der-Isaf-Truppen.html
Links und Quellen aktualisiert am 10.06.2015. Der Inhalt wurde nicht verändert.