Ganz in Weiss mit einem blauem Rauch, so siehst du in meinen kühnsten Träumen aus…
… wenn es nach dem EU-Behördengigantismus geht. (Foto: Kippe, Plenz/Wikipedia)
Wie jeder in der Vergangenheit feststellen konnte, hat man als EU-Beamter den lieben langen Tag nichts Gescheites zu tun und muss mit dem Ausdenken irgendwelcher Aktivitäten – sinnlos oder nicht – sein „Brüsseler Spitzen“-Dasein begründen.
Warum man sich beim Kräftemessen ausgerechnet mit der neuesten Idee schon wieder an der Tabakindustrie versucht, bleibt wie so viele EU-Richtlinien ein nicht mit dem gesunden Menschenverstand aufzulösendes Rätsel. Die armen nichtsnutzigen europäischen Raucher wurden schon genug als qualmende willenlose Pfeifen diskriminiert mit den Werbeverboten in den Medien und dem Verbannen der Süchtigen aus den traditionellen Bierzelten (sogar aus den Festwies‘n im Oktober in München) und den schicken Cafés und Bars.
Auf der Webseite der DTV Tabakwaren-Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG konnte man am 28.Juli einen Artikel finden, in dem es heisst, dass „die vom Europäischen Parlament 2001 verabschiedete Tabakproduktrichtlinie, die in Deutschland 2003 umgesetzt wurde, seit Juni 2009 überarbeitet wird. 2012 soll sie mit Tabakwaren in Europa reinen Tisch machen, sprich: Alles wird weiß.“
Auch die Warenpräsentation im Fachgeschäft soll dann nicht mehr zulässig sein, kann man da lesen. Das könnte das Aus für die vielen kleinen Tabakläden bedeuten, denn die Besitzer können ihre Regale dann nur mit den bunten Seifenopern-Blättern der Boulevardzeitschriftenverlage flächendeckend ausschmücken. Dieser Daueranblick kann jedoch wiederum durchaus gesundheitliche Schäden bei einigen in Form der Schwächung des Immunsystems, Hustenreize oder allergische Reaktionen hervorrufen.
Die Zigarettenschachteln sollen wahrscheinlich zur Bückware werden (ehemalige Bürger der Gebiete im Osten der Republik kennen den Begriff). Bei ihnen können nostalgische Erinnerungen wach werden, indem nun die Zigarettenschachtel eine ihr nicht zustehende Werterhöhung erfährt: etwas, was es nur unter dem Ladentisch gibt und man nur bekommt, wenn der Verkäufer einen kennt.
Auch die notorischen Sammler werden nun das Jagdfieber bekommen und die bunten – bis jetzt wertlosen – Zigarettenschachteln sogar von der Strasse aufheben oder aus dem Papierkorb klauben, wenn diese bald einen heiss begehrten Sammlerobjekte-Status erlangen.
Marlboro hatte vor ein paar Jahren etwas Ähnliches im Sinn, als der Konzern zum Zwecke der Verkaufsankurbelung seine Schachteln mit romantischen Westernmotiven des Grand Canyon, wilden Mustangs und harten, wettergegerbten Cowboy-Gesichtern – zum Beispiel das von Brad Johnson, Darrel Winfield oder dem Rodeoreiter Wayne McLaren, letzterer starb dann auch noch unglücklicherweisse sehr werbeschädigend an Lungenkrebs – bedrucken liess.
In der guten alten Zeit hatte sich die Tabakindustrie mit dem Animieren zum Sammeln von Stammbildchen fürs Einkleben ins Samtalbum, die mit Motiven berühmter Schauspieler, wilder Tiere oder fremder Länder versehen waren, eine umsatzträchtige Verkaufsförderung ihrer Zigarettenschachteln versprochen und etwas für die „Bildung“ oder das Gemüt getan. Einen kleinen Einblick dieser kulturfördernden Massnahme kann man hier bekommen.
Die neuen weissen Zigarettenschachteln erschliessen jetzt jedoch ungeahntes schöpferisches Potential für den Käufer: bald wird es die ersten Grand Prix‘s um den ersten Platz im Box-Painting geben analog zum Bodypainting auf der meist weissen Haut. Die Fernseh- und Kulturindustrie ist stets sehr pfiffig beim Erfinden neuer Events.
Ein kleiner Geschäftstipp an alle Tabakshops soll an dieser Stelle verraten werden: Um den zu befürchtenden Umsatzverlust wieder auszugleichen, wäre zu empfehlen, die Schachteln kombiniert mit wasserfesten farbigen Folienschreibern und Glitzerpülverchen als Set anzubieten. Raucher, die Partner haben, die ihnen ständig mit dem Aufhören ihres Lasters in den Ohren liegen, müssen damit rechnen, dass ihnen die Aufschrift „Du sollst nicht rauchen“ mit Fettschrift entgegenprangt. Weisse Flächen haben halt schon immer dazu animiert, verschönert zu werden – das war im 9.Jahrhundert wie hier zu sehen nicht anders als heutzutage.
Eigentlich ist die Verordnung aus gesundheitlicher Sicht als hochkriminell zu bezeichnen. Weiss suggeriert Unschuld, Sauberkeit, Gesundheit. Nicht umsonst tragen Ärzte Weisskittel, um besondere Hygiene zu vermitteln im Gegensatz eben zu den Schwarzkitteln, die sich aus hygienischen Gründen im Dreck zu suhlen pflegen. Eine Zigarette wird nicht gesünder, auch wenn sie weiss verpackt ist.
Und schliesslich ist das weisse Brautkleid ein ehemaliges Symbol der Jungfrau, die frohen Mutes zum Altar schreitet und für viele zu einer Traumhochzeit dazu gehört.
Weiss ist neutral. Die EU-Beamten sind vollkommen einfaltslos. Signalrote Farbe, oder Schwarz wie die tiefste mondlose Nacht wäre die bessere Lösung gewesen. „Rauchen tötet“ soll ja die Botschaft sein, da wäre diese Variante die ehrlichere gewesen. Derartige Texte stehen inzwischen auf den Schachteln, aber diese werden gar nicht mehr registriert. Um eine symbolische Farbe kommt das Unterbewusstsein dagegen nicht so schnell drumherum.
Überhaupt ist Weiss ganz grosser Mist, denkt man nur an die giftigen Bleichen, um das Zigarettenschachtelpapier strahlend weiss zu fabrizieren. Da Konzerne gern ihre Produkte in Billiglohnländern mit niedrigen Umweltstandards und Kontrollen herstellen lassen, ist der Gedanke an ein solches Weiss geradezu kriminell und der Planet wird mit giftigen Chemikalien verpestet werden.
Wenn die EU etwas Gutes ausser Gängelei und Machtprobenprobieren mit dieser Aktion hätte bewirken wollen, dann hätte es nur eine einzige Lösung gegeben:
Zigarettenschachteln müssen aus unbehandelten Packpapier mit Öko-Siegel bestehen und dementsprechend aussehen, was sogar dem aktuellen Modetrend vieler Produzenten entgegen kommen würde, die ihre Erzeugnisse rustikal oder naturbelassen für den Endverbraucher erscheinen lassen wollen, obwohl wie zuvor nur das gleiche Industriegefertige drin ist. Zur Verbesserung des ästhetischen Aussehens kann man sogar Wellpappen-Design oder anderes Trendiges verwenden.
Nur den Befehl zur Herstellung der weissen Zigarettenschachteln zu erteilen ist inkonsequent und diskriminiert die Tabakindustrie, ohne all jene mit zu berücksichtigen, die ungesunde oder gar schädliche Produkte verkaufen. Wenn diese Erzeugnisse auch in weisser Verpackung angeboten würden, könnten die Verbraucher sofort erkennen, dass dieses Produkt nicht astrein ist und sich daraufhin in aufmerksamer Manier kundig machen, was wohl die Ursache dafür wäre.
In Frage kommt dafür im europäischen Wirtschaftsraum inzwischen so viel, dass die Geschäfte – allen voran die Apotheken und Billigschnapsläden – noch reihenweisse einen Haufen Energie bei der Beleuchtung sparen könnten – so sehr würden die Verpackungen oder Etiketten blitzen und das Licht reflektieren. Supermärkte würden auch in einem ganz neuem, kaum zu ertragenden hell strahlendem Glanz erscheinen. Ein Umstand, der nicht achtlos bei Seite geräumt werden sollte in Zeiten, in denen man etwas korpulenteren Leuten vorwirft, zu viel CO2 mit ihrer angeblichen Bequemlichkeit und enormen Nahrungsmittelverbrauch zu produzieren.
Bedacht haben die übereifrigen Beamten auch nicht das Problem der Plagiate und Markenproduktpiraterie. Die haben es einfacher, gefälschte Schachteln herzustellen.
Keiner weiss, was die für Tabak-Zeugs zusammenmixen. Eigentlich ist der Gedanke daran recht gruselig und kann als fahrlässiger Angriff auf die Gesundheit der Raucher gewertet werden.
Die EU-Tabakproduktrichtlinie sollte unter diesen Gesichtspunkten praktischerweise auf sämtliche Schadstoffe enthaltende Produkte erweitert werden – das wäre konsequent und erzeugt keine weiteren Streitereien um Kennzeichnungspflichten.
Die Forderung aller EU-Bürger muss lauten:
Weiss ist ab sofort im EU-Raum die Signalfarbe für Gefahr im Verzuge bei Produkten, die zum Verzehr zugelassen sind.
(Hinweis: da manche Zeitgenossen dazu neigen, jedes geschriebene Wort als bare Münze zu nehmen, wird an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es in diesem Artikel bei einigen, zugegebenermassen wenigen Passagen eine für sie nicht gleich deutlich zu erkennende verborgene Ironie gibt. ^^ )