Das System verkommt zum Junkie, Teil 1

Ist der internationale Drogenhandel eine schlimme Sache? Kommt darauf an, wen man fragt: Der berühmte „Mann auf der Straße“ mag ihn als Problem erachten; global agierende Großbanken gelangen zu einer gänzlich anderen Auffassung. Teil Eins: „Die Größenordnung, Heißes Geld und Liquidität in einem deflationären Umfeld“.

Am heutigen Freitag, den 3. September, erscheint Teil 1 einer gründlicheren Auseinandersetzung mit dem Drogengeschäft, „Die Größenordnung, Heißes Geld und Liquidität in einem deflationären Umfeld“. Teil 2 erscheint voraussichtlich nächsten Freitag, den 10. September 2010.

DIE GRÖSSENORDNUNG

Gehen wir zunächst einen Schritt zurück. Wie chaostheorien.de berichtete, erklärte der oberste Drogenbeauftragte der Vereinten Nationen, Antonio Maria Costa, letztes Jahr, dass er „Beweise gesehen“ habe, wonach das Finanzsystem nur unter Verwendung großer Bargeldbeträge aus dem internationalen Drogenhandel vor dem Kollaps bewahrt werden konnte.[1]

„In der zweiten Jahreshälfte 2008“, erklärte er, „war Liquidität das Hauptproblem des Bankensystems und deshalb wurde flüssiges Kapital zu einem wichtigen Faktor.”

Die Interbankausleihung funktionierte lediglich, weil Gelder herangezogen wurden, „die aus dem Drogenhandel und anderen illegalen Aktivitäten stammten. Es gibt Anzeichen, dass manche Banken auf diese Weise gerettet wurden.“

Herr Costa verlautbarte des Weiteren, dass Drogengelder „nunmehr einen Teil des offiziellen Systems” darstellten.

Wirklich neu, wie Herr Costa zunächst nahe zu legen scheint, ist diese Entwicklung allerdings keineswegs. Tatsächlich stellt das Generieren von hoch profitablem Drogengeld einen zentralen Bestandteil des Offshore-Marktes dar. So weist F. William Engdahl darauf hin, dass „Ende der 1980er-Jahre (…) allein die Einkünfte aus dem internationalen Drogenhandel, die in solchen Offshore-‚Heißgeld’-Banken gewaschen wurden, den Wert von einer Billion Dollar pro Jahr (überstiegen). Die großen Banken in New York und London hatten sichergestellt, dass sie davon den Löwenanteil einstrichen.“[2]

Bei dem von Engdahl verwendeten Begriff „heißes Geld“ geht es nicht so sehr um den illegalen Ursprung eines Teiles des Großen und Ganzen, sondern insgesamt genommen um „Summen, die rasch von einem Land in ein anderes verschoben werden können.“ Die „Zugkraft“ dieses Geldes ist in einem System, das zunehmend auf “short-term capital flow“ angewiesen und ausgerichtet ist, nicht zu unterschätzen: In einem Artikel der Business Week vom März 1995, aus der die vorangegangene Definition stammt, hieß es zum „heißen Geld“, dass es „in den Augen mancher Beobachter (…) so etwas wie eine Schatten-Weltregierung geworden ist – und die Vorstellung von der Souveränität des Nationalstaats ein für allemal ausgehöhlt hat.“[3]

Orientieren wir uns: von welcher Größenordnung sprechen wir bei illegalem Geld, das ein Teil des „heißen Geldes“ ist, insgesamt? Zahlen, die der Internationale Währungsfonds 1998 veröffentlichte, schätzten, dass es sich um 800 Milliarden bis 2 Billionen US-Dollar handelt. Das entspricht 2 bis 5 Prozent des jährlichen Weltwirtschaftswachstums.[4] Davon entfallen mindestens 600 bis 700 Milliarden US-Dollar auf den globalen Drogenhandel (Stand: 2004[5]), was mehr ist als der weltweite Textilhandel abwirft. Laut Dokumenten des US-amerikanischen Finanzministeriums und des US-Kongress sind US-Banken „zusammen die weltgrößten finanziellen Nutznießer des Drogenhandels“, wie Peter Dale Scott berichtet.[6] Die Einnahmen von US-Banken in Form von Drogen-Cash schätzte er 2009 auf 250 Milliarden US-Dollar.

Der dadurch angerichtete Schaden lässt sich ungefähr so einschätzen:

„Zwanzig Millionen Menschen in den USA konsumieren regelmäßig Drogen, damit Straßenkriminalität und Familienzerrüttungen anheizend. Narkotika kosten die US-Wirtschaft $215 Milliarden pro Jahr – genug, um die Gesundheitspflege von 30.9 Millionen Amerikanern zu bezahlen – mit überforderten Gerichten, Gefängnissen, Krankenhäusern und verlorener Produktivität.”[7]

Das kann aber schwerlich auch nur annähernd als eine neue Entwicklung gedeutet, sondern lediglich als der bisherige Höhepunkt eines länger laufenden Trends gesehen werden. In einer im Frühjahr 2001 herausgegebenen fünf-bändigen Untersuchung zum Thema der Geldwäsche durch fremde Banken innerhalb des US-amerikanischen Bankensystems, die das “Permanent Subcommittee on Investigations“ des US-Senats veröffentlichte, Titel: “Corresponding Banking: A Gateway for Money Laundering“, kam Carl Levin, ein demokratischer Senator aus Michigan, in dem Bericht “Role of US Correspondent Banking in International Money“ zu dem Schluss:

“Through the Minority Staff’s year-long investigation, its 450-page report, its close look at 10 high-risk foreign banks and its survey of 20 major US correspondent banks, and through the Subcommittee’s two days of hearings last week with experts and correspondent banking participants, we are getting a good understanding of the role of US correspondent banking in money laundering. Drug traffickers, defrauders, bribe takers, and other perpetrators of crimes can do indi- rectly — through a foreign bank’s correspondent account with a US bank — what they can’t readily do directly — have access to a US bank account. The stability of the US dollar, the services our banks perform, and the safety and soundness of our banking system make access to a US bank account an extremely attractive objective for money launderers.“[8]

Renommierte US-Banken, die bereitwillig Drogengeld anzogen, um Profite zu machen, waren u. a., wie Christian de Brie für Le Monde Diplomatique im April 2000 unter der Überschrift “Crime – The World‘s Biggest Free Enterprise“ berichtete, JPMorgan Chase, Citigroup, Bank of America und die First Union Bank.

Cash Flow und Deflation

Die herausragende Eigenschaft des Drogengeschäfts besteht darin, größtenteils bar abzulaufen. Und in einem ausgeprägten deflationären Umfeld wirkt Cash für den, der es sich in rauen Mengen steuerfrei zu beschaffen weiß, derzeit selbst wie eine Wunderdroge, das wollen uns die Worte von Herrn Costa im Grunde sagen. Ein vorläufiges Fazit: Das System verkommt immer mehr zum Junkie.

Mit diesem Eindruck konfrontierte ich den Paris lebenden Finanzjournalisten Max Keiser (http://maxkeiser.com/), um seine diesbezügliche Meinung zu erfahren. Sie lautet:

“As you’ve just mentioned, and as we know at the absolute most critical juncture of the financial crisis in 2008, the only cash available to the American banking system came from the drug cartels, namely in South America and Mexico. You have to understand that the drug money is the lubricant, that is the only real cash in the system. All the other so called cash is digital entries on digital ledgers, there is no actual cash there. The only industry with actual cash is the drug industry.

So when the market crashed in 2008, the only place for a lot of firms on Wall Street they could get cash from was from the drug cartels. Now what does this tell us? Basically, that the banking system is tied in to the drug money as is the American foreign policy, for example obviously in Afghanistan, where they want to secure the poppy fields and other drug related activity so that banks like (one of Warren Buffet’s big investments) Wells Fargo in particular – who admitted being engaged in drug money laundering and paid a multi-hundred million fine – can continue raping and pillaging America and the world.”

“So would you conclude that the financial system is in fact on drugs?”

“Well, drugs are the only real hard, liquid currency. Everything else is fiat currency or virtual currency.”

Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass illegale (Bar-)Gelder aus dem Drogenhandel teilweise lange vor der Finanzkrise in die formale Wirtschaft des Westens integriert waren. Robert Cribb schreibt in “Parapolitics, Shadow Governance and Criminal Sovereignty” beispielsweise:

„Für ein halbes Jahrhundert wurden gewaschene Profite, die aus dem Drogenhandel rührten, in amerikanische und kanadische Liegenschaften geleitet, insbesondere in Florida und Nevada. Bevor die USA Mexiko 1982 das Angebot einer finanziellen Rettungsmaßnahme machten, mit der die Zahlungsunfähigkeit überstrapazierter US-Banken verhindert werden konnte, stellte die CIA zuerst sicher, dass der Drogenhandel eine bedeutende Quelle der Devisengeschäftseinkünfte sein würde, die zur Rückzahlung notwendig sein sollten. (…) Ehe der erste Kredit 1982 gegeben wurde, war der US-Regierung von der Drug Enforcement Administration und der CIA zugesichert worden, dass die Profite von Drogenexporten aus Kolumbien und Mexiko ,wahrscheinlich 75 Prozent der Quellen für die Devisengeschäfte darstellen’ würden.“[9]

Apropos 1982. Ein wichtiges Jahr für die Genese des modernen Drogenhandels. Warum? Nun, vom 11. Februar 1982 datiert ein so genanntes “Memorandum of Understanding”, kraft dessen sich das US-Justizministerium und der Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten, die 1947 von Investment-Bankern der Wall Street gegründete Central Intelligence Agency,[10] darauf einigten, dass die C.I.A. fortan ganz legal durch ihre Angehörigen Drogen schmuggeln durfte, ohne dass dies strafrechtliche Konsequenzen haben würde. Dieser Spielraum sollte von der C.I.A. in den folgenden Jahren reichlich genutzt werden.

Eine ganze Industrie

Daraus ließ sich verstärkt in den 1990er Jahren eine Industrie aus privaten Gefängnissen aufbauen. Gebündelt las sich das 2004 dergestalt:

„Es gibt derzeit 6.6 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten, die entweder im Gefängnis, auf Bewährung oder unter Auflagen frei sind. Von ihnen sind mehr als zwei Millionen inhaftiert. Und von diesen zwei Millionen – die Hälfte von ihnen kam in den letzten zehn Jahren hinzu – sind mehr als sechzig Prozent nicht-gewaltsame Drogen-Deliquenten. Es hat in Amerika den Trend gegeben, viele dieser Inhaftierten als quasi Sklavenarbeiter für multinationale Unternehmen zu beschäftigen. Inhaftierte Arbeiter tun nunmehr alles von der Abwicklung Ihrer Kreditkartenabrechnung bis hin zur Erledigung Ihrer Flugzeugreservierung und dem Zusammensetzen Ihrer Tennisschuhe. Das Justizministerium betreibt eine Sache unter der Bezeichnung Federal Prison Industries, besser bekannt als Unicor. Das ist eine profitmachende Unternehmung, die amerikanischen Unternehmen zugute kommt. Unicor unterhält mehr als 100 Fabriken in Gefängnissen in mindestens 30 Bundesstaaten.

Laut Unicors Website:

‚One example was its [UNICOR’s] role as a supplier to the military during the 1990-91 Persian Gulf conflict. UNICOR provided Kevlar helmets, camouflage battle uniforms, lighting systems, sandbags, blankets, and night vision eyewear for the military to use during Operation Desert Shield and Operation Desert Storm. It even manufactured cables for chemical gas detection devices and for the Patriot missile systems that played a key role in defending Allied troops during the Persian Gulf War. Brigadier General John Cusick, commanding officer of the Defense Personnel Support Center, praised UNICOR for the “superb support [it] provided to America’s Fighting Forces” and for helping ensure that “we received the supplies the troops needed to win the war.‘

Ungefähr 30 Prozent aller Gefängnisse in diesem Land werden von Unternehmen betrieben, die ihre Aktien auf der Basis handeln, wie viele Menschen sie ,behausen‘. In rein ökonomischen Begriffen sind die Insaßen zum Inventar geworden. Die zwei größten Unternehmen sind Wackenhut und Corrections Corporation of America. Beide dieser Unternehmen besitzen durch ihre Vorstände und durchführendes Management direkte Verbindungen zu US-Geheimdiensten, einschließlich der CIA.

All dies bedeutet, dass die korrumpierte Wirtschaft erst Geld mit dem Verkauf von Drogen an die Leute macht, und dann damit, dass sie diese für den Gebrauch der Drogen in Gefängnisse steckt.“[11]

Die Auswirkung dieser Industrie, deren profitable Existenz gewollt ist, liest sich im Sommer 2010 wie folgt, wenn es um den Nachwuchs, die amerikanische Jugend, geht:

„Eine neue Studie behauptet, dass 27 Prozent aller Schüler öffentlicher Schulen im Alter von 12 bis 17 Jahren Schulen besuchen, die sowohl von Gangs als auch von Drogen infiziert sind. Das bedeutet, dass 5.7 Millionen Schüler auf Schulen gehen, die von Gangs und Drogen dominiert werden. Nahezu 50 Prozent aller Schüler öffentlicher Schuleinrichtungen berichten von Drogengebrauch oder -verkauf auf den Schulgeländen.“

Zu näheren Angaben dieser Studie der Columbia University und des National Center on Addiction and Substance Abuse (CASA) siehe:

http://www.myfoxny.com/dpp/news9/education/shocking-school-drug-and-gang-survey-20100819-lgf

Blättern wir zur weiteren Erkundung der Ursachen in dem bereits oben erwähnten Artikel von Christian de Brie, “Crime – The World‘s Biggest Free Enterprise“, indem wir nachfolgende längere Passage kurzerhand ins Deutsche übertragen:

„Tatsächlich ist der Motor der kapitalistischen Expansion inzwischen von den Profiten schwerer Straftaten geölt. Von Zeit zu Zeit wird etwas getan, das uns den Eindruck gibt, dass gegen die rapide anwachsenden Banken und Steueroasen der Krieg erklärt würde. Wenn die Regierungen dies wirklich wollten, könnten sie dies über Nacht begradigen. Doch trotz aller Rufe nach null Toleranz gegenüber Kleinkriminalität und Arbeitslosigkeit wird nichts gegen die Verbrechen des Big Money unternommen.

Finanzverbrechen werden zunehmend weniger sichtbar, periodisch kommt mal ein Fall in diesem oder jenem Land ans Licht in der Form von Skandalen, in denen Unternehmen beteiligt sind, oder Banken, politische Parteien, politisches Führungspersonal, Kartelle, die Mafia-Vereinigungen. Diese Flut illegaler Transaktionen – Verstöße unter nationalem Recht und gegen internationale Abmachungen – sind als zufällig auftretende Fehlerscheinungen freier Märkte und der Demokratie portraitiert worden, die durch „verantwortungsbewusste Regierungsführung“ (“good governance”) behoben werden könne. Aber die Realität sieht doch recht anders aus. Es ist ein geschlossenes System, das eng mit der Expansion des modernen Kapitalismus verbunden ist und auf der Assoziation dreier Partner basiert: Regierungen, transnationale Unternehmen und Mafia-Verbindungen. Geschäft ist Geschäft: Finanzkriminalität ist zuerst und vor allem ein Markt, florierend und strukturiert, regiert von Angebot und Nachfrage.

Das Komplizentum des Big Business und das politische Laissez faire ist der einzige Weg, auf dem es dem großangelegten Organisierten Verbrechen möglich ist, die fabelhaften Einküfte ihrer Aktivitäten zu waschen und zu recyceln. Und die transnationalen Unternehmen benötigen die Unterstützung der Regierungen und die Neutralität der staatlichen Aufsichtsbehörden, um ihre Positionen zu konsolidieren, ihre Profite zu steigern, dem Wettbewerb zu widerstehen, „den Deal des Jahrhunderts“ zu landen, und um ihre illegalen Operationen zu finanzieren. Politiker sind direkt beteiligt, und ihre Fähigkeit einzugreifen, hängt von der Deckung und Finanzierung ab, die sie jeweils an der Macht halten. Dieser Interessenkonflikt ist ein essentieller Teil der Weltwirtschaft, das Öl, das die Räder des Kapitalismus in Bewegung hält.

Besser noch, unter der Ägide des Nummer-Eins-Partners der internationalen Finanzkriminalität, den USA, sehen wir eine Rationalisierung oder eher Amerikanisierung der Korruptionstechniken, die die etwas archaischen Praktiken der Bestechung und geheimen (oder offenen) „Kommissions“-Zahlungen durch Lobbying zu ersetzen versuchen, was effektiver und präsentabler ist. Es ist eine Service-Industrie, in der die Amerikaner einen bedeutungsvollen Vorsprung vor ihren Wettbewerbern haben, nicht nur beim Know-How, sondern auch durch die enormen finanziellen und logistischen Ressourcen, die sie ihren multinationalen Unternehmen verfügbar zu machen in der Lage sind. Diese schließen die Geheimdienste des mächtigsten Staatsapparats der Welt mit ein, die sich, da der Kalte Krieg vorbei ist, auf die wirtschaftliche Kriegsführung verlegt haben.

Das einzige Ziel der Anti-Korruptionskampagnen, die von internationalen Organisationen (wie Weltbank, IWF und OECD) geführt werden, ist die „verantwortungsbewusste Regierungsführung“ einer Finanzkriminalität, die nunmehr ein fest eingebauter Teil der Marktglobalisierung unter Führung der amerikanischen Demokratie, die korrupteste auf dem Planeten.

Die Länder haben ihre Grenzen für kriminellen Handel weiter geöffnet als für irgendetwas sonst. Zweifels ohne hatten sie kaum die Wahl, da die wahren Pioniere der Globalisierung, die Drogenhändler der 1960er Jahre, offensichtlich niemand um Erlaubnis baten, bevor sie den Handel mit dem teuersten und profitabelsten Rohstoff der Welt im globalen Maßstab organisierten.“[12]

Money Offshore

Und damit zurück zur Geldwäsche, bei der es darum geht, die aus dem Drogengeschäft realisierten Gewinne in legales Kapital umzuwandeln. Abgewickelt wird sie insbesondere in Steueroasen und Offshore-Märkten, die sich über die Jahre zu „internationalen Knotenpunkten für drei Arten ‚illegaler Legalität’“ entwickelt haben, bestehend aus:

1. der ,weißen’ Wirtschaft

der Banken, Investoren und Fondsmanager;

2. der ,grauen’ Wirtschaft

der Steuerhinterziehung und Korruption; und

3. den Profiten,

die das organisierte Verbrechen zu recyceln versucht.

Die Grenzen zwischen diesen drei Domänen ist nebulös, da die illegale Aktivität vor dem Transfer der Gelder an die Offshore-Märkte erfolgt. Zusätzlich ist es meistens unmöglich zwischen Steuerhinterziehung und Verbrechensprofiten zu unterscheiden, weil die Recyclingtechniken identisch sind.“[13]

Dieses Problem unterstreicht auch Uwe Dolata, ein Sprecher des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und Experte für Wirtschaftskriminalität: „In undurchsichtigen Finanzsystemen wie etwa bei Hedge Fonds können Unsummen verschwinden, ohne den Ursprung des Geldes zu kennen.“[14]

Die Entwicklung des Offshore-Markts, der weitestgehend der rechtlichen Kontrolle entzogen ist, anhand von ein paar Vergleichszahlen: 1979 existierten nur 75 Offshore-Fonds; 1996 waren es bereits mehr als 3300; 2006 runde 9000.

FRAGEN UND ANTWORTEN

Stellen wir hierzu ein paar Fragen an Ronen Palan. Das bietet sich an, da Herr Palan, ein Professor für internationale politische Ökonomie an der Universität von Birmingham, der Verfasser/Herausgeber von Büchern ist, die sich diesem Themengebiet widmen. Hierzu zählen “The Offshore World: Sovereign Markets, Virtual Places, and Nomad Millionaires“ (Cornell University Press, 2003) und “Tax Havens. How Globalization Really Works” (zusammen mit Richard Murphy und Christian Chavagneux, Cornell University Press, 2009). Er argumentiert, dass die Offshore-Finanzwirtschaft „sicherlich nicht der einzige Grund für den Niedergang des Nationalstaats ist, aber sie muss als ein wichtiger Faktor angesehen werden, der zu diesem Niedergang beitrug.“[15]

Professor Palan, what‘s the driving force behind the enormous development of offshore-markets and tax havens since the late 1970‘s?

First, on history, I wrote a short and accessible article for an internet journal at:

http://www.historyandpolicy.org/papers/policy-paper-92.html.

I think the article will provide answers to your first question, the best I know. Basically, I see complex reasons as you will see from the article. The development of the Euromarket was possibly the most important driver of offshore; improvement in transportation and communtion are important; as indeed heavy individual and corporate taxation.

Personally, I do not believe in conspiracy theories. The whole world is not made of fools. The case of offshore can be explained perfectly well with the aid of ‚normal‘ human rationality, opportunism, attempts to avoid taxation. BIS data show that nearly half of the global stock of money goes through offshore; 1/3 of global FDI. Other data shows that there are more the 2,000,000 companies and finanical entities offshore. This cannot be explained as criminal money, money laundering or drug money — and I do not belittle the size of these markets.

Most of all the household names banks, insurance, companies etc. are operating through offshore jurisdication. It is part of daily business for everyone. Bear in mind that in the UK, for instance, the system of corporate taxation prior to 1965 was effectively nearly 60% tax on profit or even higher, good incentive to find offshore facilities.

Why are such tax havens an attractive place to launder money that is generated from drug trafficking?

The answer appears too obvious: the secrecy provided by tax havens, specialized laws that make it very difficult to trace the real owners of companies and banks. Other aspects are the ease of setting up new businesses over night, lax company laws – in many, no need to show documentations, etc.

All are boom for money launderers and drug traffickers. And yet, I am not convinced that tax havens are the centers of money laundering and drug trafficking money. The evidence that I have encountere suggest that London, Delaware are big or even bigger.

Why is it difficult to distinguish between tax evation and profits from crime, insofar the recycling techniques are the same?

I am not sufficiently familiar with the techniques of money laundering. I recommend the “International Narcotics Control Strategy Report” of the United States Department of State Bureau for International Narcotics and Law Enforcement Affairs. Two highly informative volumes and I believe they got the role offshore right in the scheme of things.

What kind of damage is caused by this kind of activities?

Depend on what sort of money is laundered. In the case of flight of capital (Russia, Ukraine, Latin America and the like), money laundering is used to avoid taxation, flight capital, and denies these countries of opportunities to use resources for development. In the case of drug money the economic effect, as opposed to social and poliical, could be “positive” in a sense that laundered money is used as invested capital.

Swiss banks for years were known for taking a far longer term view on investment than Anglo-Saxon. The latter had to show short-term profits, while criminal money once laundered tends to be more “stable” and seeks in general (apparently) more solid long term investment opportunities that are away from the lime light.

What would you say when confronted with the opinion, that “drugs are the only real hard, liquid currency. Everything else is fiat currency or virtual currency,” and that US economy looks like being desperate in need of that kind of money?

First of all, ‚cash‘ is also nothing but ‚digital entries‘, even it appears as paper in your pocket. ‚ There is a difference between two form of capital formation, and modern, non-criminal form, which are based largely on anticipated future earnings, which some people erroneously believe is ‚fictitious‘. Now, the US still has some serious businesses, including IT, large oil companies, entertainment, technology, etc. The drug business is certainly more significant than people think, 28,000 Mexicans did not die for nothing! But to reduce everything to the drug business is a mistake.

Fokus Mexiko

Ein konkretes Beispiel für die tiefe Verstrickung ins Drogengeldgeschäft weit vor den Tagen der Finanzkrise 2007/08 ist Citigroup Inc.. Der US-amerikanische Finanzanalyst J. S. Kim (SmartKnowledgeU, LLC) schilderte mir in einem Email-Wechsel, der sich dem Thema „Großbanken und Drogengeld“ widmete, einen bekannten Fall aus den 1990er-Jahren:

„Citigroup wurde 1996 schuldig befunden, Drogengelder für den Bruder eines Ex-Präsidenten Mexikos gewaschen zu haben, Raúl Salinas de Gortari. Eine Studie des US-Kongresses kam aufgrund eines ausgeklügelten Geldmanagementsystems, das eigens für die Wäsche dieses Drogengeldes eingesetzt wurde, zu dem Schluss, dass Citigroup unmöglich in dieser Angelegenheit unschuldig gehandelt haben könnte, ohne die volle Kenntnis exakt dessen besessen zu haben, was sie da taten. Veröffentlichte Citigroup-Memos enthüllten, dass Top-Verantwortliche bei Citigroup selbst dann noch die Spur dieses Drogengeldes zu verwischen suchten, anstatt zu kooperieren, als das Justizministerium bereits eine Untersuchung der Sache eingeleitet hatte.“

Weniger bekannt ist dagegen, dass die mexikanische Bank Banamex von Citigroup 2001 aufgekauft wurde, obgleich gegen ihren Vorsitzenden, Roberto Hernández-Ramírez, und die Bank selber 1998 konkrete Anschuldigungen wegen Beteiligungen an Drogengeldgeschäften mit dem Kreis um Salinas im Raume standen.[16] Zwei Klagen vor Gericht (eine in Mexiko, eine in New York City), mit denen Hernández-Ramírez seinen Namen reinzuwaschen gedachte, wurden abgewiesen. Nach dem Aufkauf von Banamex wurde Herr Hernández-Ramírez Vorstandsmitglied bei Citigroup – mit solch illustren Vertretern wie Ex-US-Finanzminister Robert Rubin und Ex-CIA-Direktor John Deutch. Hernández-Ramírez ist einer der reichsten Männer Mexikos.

Weitere US-Banken, von denen wir mit absoluter Sicherheit wissen, dass sie im Laufe der 1990er Jahre damit beschäftigt waren, mexikanisches Drogengeld zu generieren, waren u. a. die Chemical Bank (heute JP Morgan Chase), Bank of New York und American Express Bank International. Letzterer Finanzdienstleister aus Miami musste beispielsweise 1994 aufgrund des Verstoßes gegen den “Bank Secrecy Act“ 14 Millionen US-Dollar Strafe zahlen für Geldgeschäfte, die mit dem mexikanischen Drogenhändler Juan Garcia Abrego unternommen wurden. Das juristische Reglement verfährt hierbei wie folgt:

„Der Bank Secrecy Act von 1970 verpflichtet Banken, alle Bargeldtransfers von über 10.000 US-Dollar an Regulatoren zu melden und Regierungsstellen über andere verdächtige Geldwäscheaktivitäten aufzuklären. Große Banken beschäftigen Hunderte von Ermittler und geben Millionen von Dollar für Software-Programme aus, um Konten zu durchsuchen.

Keine große US-Bank (…) wurde je wegen des Verstoßes gegen den Bank Secrecy Act oder eines anderen staatlichen Gesetzes angeklagt. Stattdessen legt das Justizministerium die Strafanträge bei, indem es Vereinbarungen über die Aussetzung der Strafverfolgung vereinbart, bei denen eine Bank eine Strafe zahlt und verspricht, das Gesetz nicht wieder zu brechen.“[17]

Muss es angesichts dieser laxen Regulierung wundernehmen, wenn es erwiesen ist, dass American Express zwischen 1999 und 2004 abermals mindestens 55 Millionen US-Dollar gewaschen hat, die aus dem Drogenhandel stammten? Im August 2007 kam es zu einer erneuten Vereinbarung über die Aussetzung der Strafverfolgung: die Bank „zahlte 65 Millionen US-Dollar und versprach, das Gesetz nicht wieder zu brechen.“[18]

Noch eine US-Bank, von der wir gesichert behaupten können, dass sie Drogencash im erklecklichen Umfang wusch, war Wachovia Corp., eine der größten Bankenketten der USA, die infolge der Finanzkrise 2007/08 in den Besitz von Wells Fargo & Co. überging.

Wachovia gab zu, dass es illegale Gelder von mindestens „$378.4 Milliarden für mexikanische Währungswechsel-Häuser von 2004 bis 2007” betreut habe. „Das ist die größte Verletzung des Bank Secrecy Act (…) in der Geschichte der USA – eine Summe, die einem Drittel des derzeitigen mexikanischen Bruttoinlandsprodukts entspricht.”[19]

Der mit dem Fall beauftragte Staatsanwalt Jeffrey Sloman erklärte: „Wachovias unverhohlene Missachtung unserer Bankengesetze stellte internationalen Kokain-Kartellen einen Blanko-Cheque zur Finanzierung ihrer Operationen aus.”[20]

Michael Smith von Bloomberg rückt die Konsequenz in ein dramatisch anmutendes Licht: „Seit 2006 sind mehr als 22.000 Menschen bei Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Drogen getötet worden, die zumeist entlang der 3200 Kilometer langen Grenze auftraten, die Mexiko mit den USA teilt. In der mexikanischen Stadt Ciudad Juarez, genau gegenüber von El Paso, Texas, wurden seit Mitte Juni 700 Menschen ermordet. Sechs Polizeibeamte von Juarez wurden im April am helllichten Tage durch Maschinengewehrschüße aus dem Hinterhalt getötet.

,Es ist das Waschen der Gelder von den Kartellen durch die Banken, das diese Tragödie finanziert’, sagt Martin Woods, der von 2006 bis 2009 der Direktor der Londoner Anti-Geldwäsche-Einheit von Wachovia war. Woods sagt, er habe Wachovia in Abscheu verlassen, nachdem Führungspersonen seine Dokumentationen ignorierten, dass Drogendealer Gelder durch Wachovias Filialennetzwerk schleusen würden.

,Wenn Sie nicht den Zusammenhang zwischen der Geldwäsche durch die Banken und den 22.000 getöteten Menschen in Mexiko sehen, verstehen Sie nicht den Kern der Sache’, sagt Woods.“[21]

Hinter alledem steht „eine Industrie, die Hunderte von Tonnen an Kokain, Heroin, Marihuana und Methamphetamine an Amerikaner liefert. Die Kartelle haben ein Netzwerk von Dealern in 231 amerikanischen Städten aufgebaut, dass von Küste zu Küste reicht und laut dem Justizministerium ungefähr 39 Milliarden US-Dollar einnimmt.“[22]

Ein wesentlicher Anteil der Einnahmen geht darauf zurück, dass die mexikanischen Kartelle seit den 1990er Jahren rund ein Drittel des Kokainexports von Kolumbien in die USA kontrollieren, „und dadurch“, wie der französische Ökonom Guilhem Fabre ausrechnet, „ungefähr 3 bis 8 Milliarden US-Dollar pro Jahr repratriierten, was den Wert von Mexikos Ölexporten übersteigt.“[23]

Rund ein Drittel dieser Erlöse wird ins Bankensystem transferiert, die anderen zwei Drittel werden in Waffen investiert, um sie von den USA aus, wo sie legal erworben werden, nach Mexiko über die Grenze zu schmuggeln.

QUELLEN Teil 1:

[1] Lars Schall: „Bankenrettung durch Drogengelder“, veröffentlicht auf chaostheorien.de am 18. Dezember 2009 unter: http://www.chaostheorien.de/artikel/-/asset_publisher/haR1/content/bankenrettung-durch-drogengelder?redirect=%2Fartikel

[2] F. William Engdahl: „Der Untergang des Dollar-Imperiums. Die verborgene Geschichte des Geldes und die geheime Macht des Money Trusts“, Kopp-Verlag, Rottenburg, 2009, Seite 309.

[3] zitiert in Bernard A. Lietaer: „Das Geld der Zukunft. Über die zerstörerische Wirkung des Geldsystems und Alternativen hierzu“, Riemann Verlag, München, 1999, 2002, Seite 98.

[4] vgl. William F. Wechsler: “Follow the Money“, in Foreign Affairs, Juli/August 2001, Seite 45.

[5] vgl. Michael C. Ruppert: “Crossing the Rubicon. The Decline of the American Empire at the End of the Age of Oil“, New Society Publishers, Gabriola Island, 2004, Seite 58.

[6] Peter Dale Scott: “Drugs, Anti-communism and Extra-legal Repression in Mexico”, in Eric Wilson (Edit.): “Government of the Shadows. Parapolitics and Criminal Sovereignty”, Pluto Press, London, 2009, Seite 187.

[7] vgl. Michael Smith: “Wachovia‘s Drug Habit”, veröffentlicht auf Bloomberg am 7. Juli 2010 unter: http://www.bloomberg.com/news/2010-07-07/wachovia-s-drug-habit.html

[8] vgl. “Corresponding Banking: A Gateway for Money Laundering“, darin Carl Levin: “Role of US Correspondent Banking in International Money“. Hearings before the Permanent Subcommittee on Investigations of the Committee on Governmental Affairs, United States Senate, One Hundred Seventh Congress, first session, March 1, 2, and 6, 2001. Der Report erscheint auf Seite 273 des Ersten Bands der Anhörung, zu finden auf der GPO-Website unter: http://www.gpo.gov/congress/senate/senate12sh107.html

[9] Robert Cribb: “Parapolitics, Shadow Governance and Criminal Sovereignty”, in Eric Wilson (Edit.): “Government of the Shadows”, a.a.O., Seite 5, 9.

[10] Zur Gründung und dem beruflichen Hintergrund des Führungspersonals der CIA vgl. Michael C. Ruppert: “Crossing the Rubicon”, a.a.O., Seite 54 – 56, sowie Peter Dale Scott: “The Road to 9/11. Wealth, Empire, and the Future of America”, University of California Press, Berkeley, 2007, Seite 12.

[11] Michael C. Ruppert: “Crossing the Rubicon”, a.a.O., Seite 493-494.

[12] Christian de Brie: “Crime, the world‘s biggest free enterprise. Thick as thieves“, veröffentlicht in Le Monde Diplomatique im April 2000 unter: http://mondediplo.com/2000/04/05debrie

[13] siehe Guilhem Fabre: “Prospering on Crime: Money Laundering and Financial Crisis“, veröffentlicht 2005 unter: http://www.lu.se/images/Syd_och_sydostasienstudier/working_papers/Fabre.pdf

[14] vgl. Jürgen Roth: „UNO wirft Banken vor Drogengelder gewaschen zu haben, um zu überleben“, veröffentlicht auf „Mafialand.de“ unter: http://www.mafialand.de/Members/roth/uno-wirft-banken-vor-drogengelder-gewaschen-zu-haben-um-zu-ueberleben

[15] vgl Nick Davies: “Lawsuit lifts lid on high-stakes game of deals with taxman”, erschienen in The Guardian am 12. April 2002 unter: http://www.guardian.co.uk/uk/2002/apr/12/politics.economy

[16] vgl. Peter Dale Scott: “Drugs, Anti-communism and Extra-legal Repression in Mexico”, in Eric Wilson (Edit.): “Government of the Shadows”, a.a.O., Seite 188.

[17] Tom Burghardt: “Money Laundering and the Global Drug Trade Fueled by Capitalist Elites”, veröffentlicht auf Global Research am 21. Juli 2010 unter: http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20210

[18] ebd.

[19] ebd.

[20] ebd.

[21] Michael Smith: “Wachovia‘s Drug Habit”, 7. Juli 2010, siehe Endnote [8].

[22] ebd.

[23] siehe Guilhem Fabre: “Prospering on Crime: Money Laundering and Financial Crisis“, Endnote [13].