Intrige in Stuttgart: Staatssender Phoenix soll Exklusivrechte an Liveübertragung der Schlichtung bekommen
Im großen Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses tagt am Freitag, dem 22.Oktober um 10 Uhr die erste Verhandlungsrunde der Schlichtung zwischen Vertretern des Aktionsbündnisses gegen Programm „Stuttgart 21“ (S21) und den Betreibern von S21. Die Schlichtung tagt unter Leitung von Heiner Geißler. Nun soll entgegen allen Ankündigungen und Versprechungen die Schlichtung nicht live im Internet übertragen werden dürfen. Vielmehr sollen die Exklusivrechte für Film- und Tonaufnahmen an den Staatssender Phoenix gehen, der diese dann teuer an die Informationsindustrie weiter verkaufen kann und auch über Sendezeiten entscheidet. Der unabhängige Internetsender Flügel TV wiederum, der seit Monaten live, ehrenamtlich und kostenlos Bilder aus Stuttgart sendet, soll ausgebootet werden.
Entschieden wurde dies auf einem Treffen des „Exekutivkomitees“ von S21-Betreibern und Aktionsbündnis unter Leitung von Heiner Geißler gestern Nachmittag. Informiert vom Ausschluß wurde Flügel TV von Hannes Rockenbauch, der nach eigenen Angaben bei der Abmachung des Exekutivkomitees zugunsten des SWR selbst nicht zugegen war. Anwesend waren dem Vernehmen nach bei dem Treffen Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, des Verkehrsclub Deutschlands (VCD), sowie Gangolf Stocker, wie Rockenbauch für die Wählergruppe SÖS im Stuttgarter Stadtrat. Auf Vorschlag der S21-Betreiber seien auf dem Treffen des Exekutivkomitees Exklusivrechte für den „Südwestrundfunk“ (SWR) ins Spiel gebracht worden. Auf Seiten des Aktionsbündnisses sei daraufhin Kritik geübt worden. Von der Schlichterseite sei dann der Vorschlag gemacht worden, die Exklusivrechte an Phönix zu vergeben. Darauf habe man sich dann bei dem Treffen geeinigt, hieß es. Der Staatssender Phönix wird durch ARD und ZDF betrieben. In Baden-Württemberg ist der zuständige ARD-Sender der SWR. Die Liveübertragung von Phönix zu übernehmen soll nur gegen entsprechende Bezahlung gestattet sein.
Robert Schrem, Gründer von Flügel TV, äußerte sich am gestrigen Abend auf Parkschützer.de (1) zu dem Beschluß des Exekutivkomitees, von dem er nur über Umwege erfuhr:
„fluegel.tv hat mit viel persönlichem Einsatz dem Widerstand gegen S21 eine bundesweite und vielbeachtete Bühne geschaffen. Wir wissen, dass fast die gesamte überregionale Presse über fluegel.tv die Ereignisse in Stuttgart verfolgt. Nun hätte sich für das Bündnis gegen S21 die vermutlich einmalige Gelegenheit ergeben unsere fluegel.tv Plattform noch relevanter zu machen in dem sie darauf bestehen, dass fluegel.tv alles live überträgt. Das hätte uns allen in Zukunft noch mehr Möglichkeit gegeben unsere eigenen Positionen in die Breite der Bevölkerung zu veröffentlichen, ohne von Institutionen wie dem SWR abhängig zu sein.
Statt dessen überträgt nun also der SWR exklusiv und wir alle schauen einfach nur zu. Mich erinnert das an den Abriss des Nordflügels und das Abholzen der Bäume: Wir stehen fassungslos vor einer Absperrung und werden Zeugen einer Demontage, können aber nicht in das Geschehen eingreifen.“
Neben der SÖS, dem VCD und den Grünen sind die Linke, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Gewerkschafter gegen Stuttgart 21, Leben in Stuttgart, Pro Bahn e.V., die Stiftung Architekturforum Baden Württemberg und die Parkschützer Mitglied im Aktionsbündnis gegen Programm S21. Da die S21-Betreiber unter Leitung der Landesregierung von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) einen vollständigen Stopp der Bauarbeiten während der Schlichtung abgelehnt haben, nehmen die Parkschützer als einziges Mitglied im Aktionsbündnis nicht an den Verhandlungen teil und sind dementsprechend auch nicht im Exekutivkomitee vertreten. (Die Parkschützer brechen das Programm, 15.Oktober)
Ob der unabhängige Internet-Sender Flügel TV nun in seinem Programm die Bevölkerung live und ohne Bezahlung über die Schlichtungsgespräche informieren darf, oder ob die Verhandlungen über diesen größten gesellschaftlichen Disput seit 20 Jahren nun auch noch ein Riesengeschäft für die Informationsindustrie wird, wird wesentlich von den Protesten derjenigen abhängen, um die es hier geht und die all dies überhaupt erst in Bewegung gesetzt haben:
Die Stuttgarter.
Quelle:
(1) http://www.parkschuetzer.de/statements/37382
letzte Korrektur: 12.45 Uhr