Die neuen Krupps, Thyssens und deutschen Generäle machen wieder offen mobil

Relativ verborgen vor den Blicken der Öffentlichkeit, aber nicht mehr heimlich, wiederholen sich in Deutschland Ereignisse, die mit einem unguten Gefühl an die Kriege des 20.Jahrhunderts erinnern. Unter fürstlichem Lichterglanz der Goldlüster im Spiegelsaal fanden sich Vertreter der Rüstungsindustrie, der Kirche, der deutschen Armee und der Minister für deutsche Verteidigung für zwei Tage zu einem exklusiven zivil-militärischen Treffen in Hamburg ein, um über die künftigen Kriege zu beraten.

In stillschweigendem Einvernehmen verzichtete die gleichgeschaltete deutsche Presse bis auf geringfügige Ausnahmen des linken Spektrums auf eine Berichterstattung zur Vermeidung von zuviel Aufsehens über das, was sich von Neuem in Deutschland zusammenbraut, obwohl es als Novum ein Presseorgan war, dass zu der illustren Kriegsberatung in das Grand Elysée Hotel an der Rothenbaumchaussee am Montag, den 18.Oktober 2010 zur Konferenz „Internationale Sicherheitspolitik“ als Veranstalter eingeladen hatte oder es musste: das dicke Wochenmagazin Zeit.

Verschiedene Rüstungsunternehmen wie ThyssenKrupp Marine Systems, Atlas Elektronik, TKMS Blohm + Voss oder EADS unterstützten die Veranstaltung.

Als Referenten hatte man unter anderem Rudolf Scharping (SPD, Bundesverteidiungsminister a.D.), Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt (SPD), den Generalinspekteur der Bundeswehr General Volker Wieker und den Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) gewinnen können. Die Moderation führte der ZEIT-Herausgeber Josef Joffe durch.

Eingeladen waren ausserdem Wissenschaftler, Vertreter von Parteien und Medien, die einen Teilnahmebeitrag von 1.606,50€ pro Person hinblättern mussten, um sich als einen ganz besonderen Teil der Gesellschaft fühlen zu dürfen, der die Geschichte schreibt.

Bisher konnte man in der Online-Ausgabe der Zeit selbst nichts von Bedeutung zur Kriegskonferenz bis auf einen einzigen zweiseitigen Artikel im reinsten Boulevardblattklatsch am 19.Oktober von Hauke Friederichs mit dem Titel „Guttenberg hadert mit seiner Popularität“ über das Geziere von zu Guttenberg über die Kanzlerfrage und den darin zitierten Beiträgen von Bild, FAZ, Focus, Stern, Bunte und Spiegel zu diesem unwichtigen Thema lesen. (1)

Der Bundesverteidigungsminister gilt aufgrund seines Amtes für die Rüstungskonzerne im Augenblick als nützlicher Erfüllungsgehilfe für die Durchsetzung ihrer Interessen, maximalen Einfluss auf die Regierungsmassnahmen für den Profit zu gewinnen. Flankierend wird er dementsprechend im Augenblick in den Medien umworben mit der Aussicht auf das Kanzleramt. Ganz rein zufällig wurde sicher nicht der Altkanzler Schmidt zur Revue eingeladen, der von 1969 bis 1972 das Amt des Verteidigungsministers inne hatte.

Sind diese Ziele erreicht, wird der Freiherr nicht mehr benötigt und verschwindet in der politischen Bedeutungslosigkeit so wie Rudolf Scharping, der nach seiner Aufgabe, den ersten Bundeswehreinsatz in der Geschichte Deutschlands ausserhalb der Landesgrenzen unter Rot/Grün durchzusetzen, als dussliger Volltrottel mit Hilfe der Medienindustrie hingestellt und so schnell entsorgt wurde.

Zuvor hat Guttenberg seine Aufgaben gut zu erfüllen und versuchte überzeugend die Reform der Bundeswehr und die neue „nationale“ Sicherheitsstrategie der NATO mit dem Einsatz von Drohnen und Spezialkommandos umzusetzen. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht und der Umwandlung in eine Berufsarmee, die die Dienste privater Söldnerfirmen in Anspruch nimmt, können die zukünftigen Wirtschaftskriege effektiver durchgeführt werden. Dementsprechend wurden in dem Vortrag des Bundesverteidigungsministers sämtlich Geschütze aufgefahren, die hinlänglich durch die Presseagenturen verbreitet werden:

Asymmetrie der Bedrohungen durch internationalen Terrorismus, organisierte Kriminalität, Konflikte, die demographische Veränderungen und Ressourcenknappheit hervorrufen werden sowie das Horrorszenario eines Cyberwars. (2)

»Wir dürfen nicht mehr allein auf eine Kultur der Zurückhaltung, sondern müssen auf eine Kultur der Verantwortung setzen.«

blies Guttenberg kräftig in das Rüstungshorn. Frieden oder Krieg – etwas anderes bedeuten diese Worte nicht.

Ein ausserparlamentarisches Bündnis Hamburger Friedens- und Antikriegsorganisationen hatte vor dem Hotel nach eigenen Angaben mit einhundertsiebzig Personen gegen die Veranstaltung mit den Slogan „Kriegsminister stoppen! Keine Kriegskonferenz in Hamburg!“ und „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt!“ protestiert und auf die Verantwortung der deutschen Politik für die Kriegsverbrechen z.B. im Kosovo und in Afghanistan sowie die Transformation der Bundeswehr zu einer Einsatz- und Kriegsarmee aufmerksam gemacht. (3)

„Statt offene Kontroversen zu fördern, lässt sich ›Die Zeit‹ in die Kriegsmaschinerie einspannen“, sagte eine Sprecherin des Bündnisses von Hamburger Friedens- und Antimilitarismusgruppen und der Linksjugend.

„Hätten wir das gewusst, dann hätten wir auch Kritiker eingeladen. Wir haben schließlich nichts zu verbergen“, kommentierte Joffe die Proteste und wurde mit einem ebenso bei- wie selbstgefälligen Gelächter aus dem Publikum belohnt. (2)

Die Parallelen zu den Vorgängen in der Gesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg sind offensichtlich: weltweite Finanzkrise, Abbau der Sozialstruktur, Massenarbeitslosigkeit, Stimmung gegen „Sozialschmarotzer“, Repressalien gegen Demonstranten, Kontrolle und Überwachung der Bürger – nur dass das Feindbild des Judentums gegen das des Islams ausgetauscht wurde in Form von moslemischen Terroristen, Burkaverboten, plötzlich aufflammenden, nicht mehr enden wollenden Migrationsdebatten. Auch die Roma-Frage fehlt nicht und konnte aktuell am Beispiel Frankreichs wieder aufgeworfen werden – so wie „damals“, als Rüstungsunternehmen, Armee, Banken und Politik ihre unheilvolle Allianz schmiedeten.

Der Jenaer Historiker Norbert Frei sagte in dem Interview „Unternehmen im Nationalsozialismus“ mit dem Deutschlandfunk vom 28.Januar 2010 zu der ungenügenden Aufarbeitung der Verwicklung von Konzernen in der NS-Zeit:

„Ich glaube wir müssen einfach insgesamt die Wirtschaftsgeschichte, die jetzt durch die vielen unternehmensgeschichtlichen Einzelstudien bereichert worden ist, noch mal neu darauf befragen, wie wir das Verhältnis von Nationalsozialismus und Wirtschaft neu beschreiben können. Ob es angemessen ist gewissermaßen beides als zwei getrennte Entitäten zu verstehen, die aufeinander Bezug nehmen. Oder ob man nicht wirklich am Ende sagen muss, die Wirtschaft im Nationalsozialismus war die Wirtschaft des Nationalsozialismus.“ (4)

Nie wieder dürfen deutsche Soldaten in den Krieg geschickt und die deutschen Exporte der Rüstungsindustrie, die weltweit den dritten Rang erreichen, müssen verboten werden.

Quellen:
(1) http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-10/guttenberg-personaldebatte?page=1
(2) http://www.neues-deutschland.de/artikel/182289.kamingespraech-ohne-kamin-ueber-kriege-in-aller-welt.html
(3) http://www.scharf-links.de/47.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=12738&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=a57259375e
(4) http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/1114632/

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