Der bewegte Apparat
Heute stellt die FDP-Bundestagsfraktion ein von ihrem Vorsitzenden des Arbeitskreises Inneres und Recht Hartfrid Wolff entwickeltes Konzept für einen radikalen Umbau der „Sicherheitsarchitektur“ vor, der von der erkennbar nervösen „Welt“ (1) bereits als „provokant“ tituliert wurde. Das Papier trägt den Namen „Bundespolizei und Zoll zusammenlegen“. Konkret planen die Liberalen die Zusammenlegung von Bundeskriminalamt (BKA) und Zollkriminalamt (ZKA), sowie die Zusammenlegung der paramilitärischen Sondereinheiten Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) und Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ). Letzlich soll das Bundesinnenministerium die Befehlsgewalt über rund 15.000 Mitarbeiter des Zollfahndungsdienstes, sowie weiterer Abteilungen der Bundeszollverwaltung bekommen. Dies würde eine umfangreiche Entmachtung des Bundesfinanzministeriums darstellen, welches bisher diese ausführenden Zoll-Einheiten befehligt, sowie einen erheblichen Machtzuwachs im Bundesinnenministerium.
Doch auch der BKA-Apparat muss Veränderungen fürchten. Der konkurrierende Auslands- und Inlandsgeheimdienst, Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz-Ämter (VS), sollen umfangreich gestärkt werden. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) soll zerschlagen und seine Mitglieder BND und VS angegliedert werden. Darauf einigten sich FDP, CDU und CSU in einem „geheim tagenden Bundestagsgremium“, so die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (2). Quelle: der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt.
Wo Ahrend und die FDP stehen, war auf dem Höhepunkt der Terror-Panik-Kampagne bereits deutlich geworden. Zusammen mit FDP-Innenexpertin Gisela Piltz und Manuel Höferlin, Mitglied der FDP-Fraktion im Innen- und Rechtsausschuss des Bundestages, wandte sich Ahrend klar gegen jede Gesetzes- oder gar Verfassungsänderung im Zuge der „Terrorwarnung“ durch angebliche „Al Kaida“-Informanten von FBI und BKA. Eine Neuauflage der einst von SPD, CDU und CSU verfassungswidrig eingeführten und jetzt abermals von diesen Parteien geforderten Vorratsdatenspeicherung lehnten die Liberalen ab. Dazu die FDP-Abgeordnete Piltz (3):
„Die Behörden verfügen über eine Vielzahl wirksamer Möglichkeiten, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten.“
Piltz forderte stattdessen vom Ausführenden Staat der Exekutive, dass bereits bestehende Gesetze durch diesen endlich umgesetzt werden.
„Damit wird Sicherheit gewährleistet, nicht durch immer weiteres Drehen an der Verschärfungsschraube.“
Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, der im Zuge der „Terrorwarnung“ überraschend ebenfalls sofortige Gesetzesänderungen ausgeschlossen hatte, verfolgt eigene Pläne zum Umbau des Polizei- und Spionage-Apparates. Seit Monaten arbeitet daran die sogenannte Werthebach-Kommission. Auch diese hat die Bundespolizei (darunter das BKA) und den Zoll im Auge. Mitglieder der Kommission sind hochrangige Ex-Agenten, Spione und Juristen, wie der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm, der Ex-BKA-Präsident Ulrich Kersten, sowie der ehemalige Präsident des ZKA, Karl-Heinz Matthias. Der Vorsitzende Eckart Werthebach, ex-Präsident der Inlandsspionage Verfassungsschutz, hatte schon vorab angekündigt, dass seine Kommission bis „an die Grenzen dessen gehen“ würde, was ihrer Meinung nach „notwendig“ und „politisch vertretbar“ sei.
Beim Besuch Innenminister de Maizieres auf dem gestrigen Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin erwähnte der Minister gegenüber seinen Beamten die Werthebach-Kommission mit keinem Wort, ebenso wenig den anstehenden Umbau im Sektor von Polizei und Geheimdiensten (1). Ein recht bemerkenswerter Vorgang.
Die FDP kommt nun mit ihren heute vorgestellten Plänen der CDU und de Maiziere zuvor. Aus der CDU-CSU-Bundestagsfraktion drang bereits verdutzter Protest gegen die Liberalen-Pläne: der Militärsprecher der Union, Verteidigungsexperte, Ernst-Reinhard Beck, nannte eine Auflösung des Militärgeheimdienstes MAD „indiskutabel“ und konnte „kein überzeugendes Argument“ dafür finden (3). Ein überzeugendes Argument für die Existenz des Militärgeheimdienstes blieb aber auch Beck wieder einmal schuldig. Immerhin hat in neun Jahren Krieg mit deutschen Soldaten, in Asien, Afrika und weltweiten Operationen im Zuge von „Enduring Freedom“, noch nicht ein einziges Mal irgendjemand öffentlich nach der Verantwortung oder der operativen Funktion des MAD in dieser laufenden Kriegführung gefragt – auch nicht hinsichtlich der bislang gefallenen deutschen Soldaten.
Im heutigen, auffallend gleichzeitigen und sich auf einander beziehenden Zitatenkarussell soff eine Meldung schnell wieder ab, von der jeder schon im Frühstücksfernsehen fragte, was die eigentlich solle. Versucher der Knallcharge without a cause: Niedersachsens Innenminister-Drohne Uwe Schünemann (CDU) und der Bund der Deutschen Kriminalpolizei (BDK).
Zuerst legte BDK-Vorsitzender Klaus Jansen in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (5) vor. Man brauche doch jetzt endlich mal den Militäreinsatz im Inneren. Und die Vorratsdatenspeicherung. Und überhaupt. Und so weiter. Einzige neue Variante im per se aussichtslosen Unterfangen dafür eine verfassungsbrechende Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat zu organisieren: Jansen schlug den Einsatz von Feldjägern bei der Polizei vor. Irgendwie ginge das schon. Schliesslich sei man in der Polizei „schon heute nahe vor dem Zusammenbruch“. Der Ausnahmezustand. Der Terror-Alarm. Diese Belastung. Dafür müsse man doch Verständnis haben. Das müsse doch weiter gehen. Und dafür, so der Vorsitzende der Kriminalpolizisten, brauche man eben das Militär.
Uwe Schünemann, der in Niedersachsen beim letzten Castor-Transport immerhin schon mal den Einsatz ausländischer Polizei probte (ein paar Drohnen inklusive), versuchte in der ihm innewohnenden Eleganz eines Fettnäpfchen-Volltreffers der (deutschen) Kriminalpolizei kraftvoll zur Seite zu springen und traf dabei nur deren Füße, die bereits vor Ort standen. Dabei hatte sich Schünemann dafür heute extra die „Rheinische Post“ (6) gemietet:
„Es gibt zwei Situationen, in denen nur die Bundeswehr die Kompetenz hat – in der Luftabwehr und bei der Seesicherheit.“
Wenn das der Afghane wüsste.
„Am 11. September hätten die Terroristen Flugzeuge als Waffen benutzt. „Wir haben in Deutschland eine Sicherheitslücke, weil wir nicht festgelegt haben, was bei einem vergleichbaren Fall geschehen soll: abdrängen oder abschießen?“ „
Das könnte man bezüglich von Innenministern eigentlich auch mal festlegen.
In seinem ganzen Hauruck von Vorwärtsverteidigung übersah Uwe, der Schünemann, leider seine militärstrategisch nicht ganz runde Argumentation: man habe sich auf den gegenwärtigen „Ausnahmezustand seit langem „gut vorbereitet“. Den aktuellen Umfang der Polizeipräsenz könne der Staat durchaus
„noch über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten“.
Das passte nun überhaupt nicht zu der kriminalpolizeilichen Zusammenbruch-Theorie von BDK-Chef Jansen.
Jansens Kollegen von der einfachen Feldpolizei erschloss sich der ganze propagierte militär-polizeiliche Ansatz überhaupt nicht. Auf dem GdP-Bundeskongress in Berlin lehnte der neue Polizei-Gewerkschaftsvorsitzende Bernhard Witthaut einen Einsatz des Militärs im Inneren ab (7):
„Wir brauchen keine Feldjäger, die im Innern Aufgaben der Polizei übernehmen. Dazu sind sie nicht ausgebildet. Wir wollen keine Vermischung der bewährten und klar getrennten Zuständigkeiten von Polizei und Bundeswehr. Das ist nicht die richtige Antwort auf den eklatanten Personalababau bei der Polizei in den letzten zehn Jahren.“
Auf seinen Polizeifeldkommandeur Thomas de Maiziere angesprochen äußerte der neue GdP-Vorsitzende:
„Wir sagen, was wir für richtig halten“
Zu den Plänen rund um das BKA und eine mögliche neue „Bundeskriminalpolizei“ verlautbarte Witthaut:
„Wir benötigen keine Mammut-Behörden, sondern effiziente Strukturen.“
Nun, den von Militärminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) angekündigten radikalen Umbau im Militär-Apparat noch dazu genommen – Entmachtung der fünf Inspekteure der Teilstreitkräfte, Entmachtung der beamteten Staatssekretäre, nur noch einen statt zwei, Stärkung des Generalinspekteurs (im Range eines Staatssekretärs) und komplette Streichung des erst 2008 geschaffenen Einsatzführungsstabes im Militärministerium (8) – ergibt sich in den „Sicherheitsbehörden“ von Polizei, Spionage und Militär zur Zeit das Bild von jeder Menge Bewegung.
Man könnte sogar sagen: der Apparat ist richtig bewegt. Allerdings nicht von sich selber.
Ergänzung 18 Uhr:
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, schrieb heute zu den Plänen (9):
„Die einzelnen Forderungen nach Reformen bündeln sich zum Ruf nach einer kompletten Revision des Sicherheitsapparates. Schon bisher gehörten demokratische Standards zu den ersten Opfern des so genannten Kriegs gegen den Terror. Wird auch nur ein Teil der aktuellen Forderungen umgesetzt, entsteht ein hochgerüsteter Sicherheitsstaat, der mit der heutigen Bundesrepublik nur noch wenig zu tun hat.
Eine Absage an demokratische Prinzipien ist vor allem der jetzt erhobene Ruf nach Schaffung einer weiteren Bundessicherheitsbehörde. Denn faktisch geht es bei der Zusammenlegung von Bundeskriminalamt und Bundespolizei genau darum: Einen Apparat zu schaffen, der zentralstaatlich organisiert ist, der mit dem BKA-Gesetz bereits vor Jahren quasi-geheimdienstliche Kompetenzen erhalten hat und diese mit dem strukturellen Unterbau der Bundespolizei auch auf breiter Front anwenden könnte – demokratische Kontrolle ist bei solchen Monsterbehörden zum Scheitern verurteilt.“
Nun – schauen wir mal.
Quelle:
(1) http://www.welt.de/politik/deutschland/article11164486/Radikale-Reform-soll-vor-Terror-Ernstfall-schuetzen.html
(2) http://www.noz.de/deutschland-und-welt/politik/49312390/koalition-will-geheimdienste-umkrempeln
(3) http://www.fdp-fraktion.de/Terrorwarnung-Gesetze-nutzen-statt-verschaerfen/1614c1793i1p6/index.html
(4) http://www.tagesschau.de/inland/geheimdienstfusion100.html
(5) http://www.noz.de/deutschland-und-welt/politik/49312152/debatte-um-terrorismus-bdk-bundeswehr-einsetzen
(6) http://www.rp-online.de/politik/deutschland/Innenminister-ruft-nach-der-Bundeswehr_aid_933704.html
(7) http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_GdP-Vorsitzender_in_Kongress-Pressekonferenz_
(8) http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/verschlankung-zu-guttenberg-will-bundeswehr-radikal-umbauen;2634569
(9) http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=1766