Warum die Anklage gegen Julian Assange eine Farce ist

Werte Geschworene des Gerichtshofes der Öffentlichen Meinung,

nachdem der Anwalt des Wikileaks-Gründers Julian Assange bereits gestern angekündigt hatte, dass sich sein Klient zwecks einer Befragung selbst zur Polizei  begeben würde, tönte es nun heute nach seiner Festnahme auf einem Londoner Polizeirevier aus der Boulevard-Presse: INTERNET-ANARCHIST, NEIN, TERRORIST VERHAFTET! WEGEN VERGEWALTIGUNG! STEIIIINIGT IIIIIHN! DANN AUSLIEFERN! UND DANN GUANTANAMO! UND DANN KASTRIEREN UND DANN WATERBOARDING, BIS ER ALLES VERRÄT!

Kein einziges „Medium“ der kapital-gesteuerten Informationsindustrie, kein Staatssender, kein angesehener, liberaler, wohlsituierter ehrenwerter Journalist im deutschsprachigen Raum hat bisher darüber berichtet, um welchen konkreten Tatvorwurf gegen Julian Assange es bei der Anklage wegen Vergewaltigung überhaupt geht.

Kein Wunder. Es handelt sich um den Tatvorwurf von einvernehmlichem Sex ohne Kondom.

Eine Kurzfassung der Affäre:

Im August ist Julian Assange – bereits so etwas wie ein kleiner Popstar – auf Tour in Schweden. Er hat in der Nacht zum 14.August (heterosexuellen) Sex in Enköping und in der Nacht zum 17. (heterosexuellen) Sex in Stockholm. In der gesamten Geschichte der Menschheit von Schweden ist so etwas sicherlich noch nie vorgekommen. Als beide Frauen voneinander hören, erstatten sie am 20.August gemeinsam Anzeige. Assanges britischer Anwalt Mark Stephens (1):

„Beide Frauen haben erklärt, dass sie mit unserem Klienten einvernehmliche sexuelle Beziehungen hatten und dass sie auch nach den angeblichen Vorfällen damit fortfuhren sich um freundlichen Kontakt zu bemühen. Erst nachdem die Frauen von der jeweils anderen Beziehung mit Mr. Assange erfuhren, erhoben sie ihre Anschuldigungen gegen ihn.“

Der britische „Guardian“ berichtet (2):

„Eine Quelle, die eng involviert ist, verlautbarte, dass ursprünglich keine von beiden wollte dass der Fall vor Gericht kommt; dass Miss W. den Bericht über die angebliche Vergewaltigung der Polizei erstatten wollte, ohne dass er verfolgt wird und dass Miss A. mit ihr gegangen war um ihr moralische Unterstützung zu geben und dann verwickelt wurde durch die Polizei, die darauf bestand einen Bericht an die Staatsanwaltschaft zu schicken. Weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft haben mit Assange gesprochen und seine Version des Vorfalls aufzunehmen. Der Umstand, dass ein Haftbefehl ausgestellt worden war, wurde sofort an eine schwedische Zeitung weitergegeben.“

Beide Frauen erheben gegen Julian Assange den Vorwurf des Geschlechtsverkehrs ohne Kondom. Beide Frauen haben Julian Assange vor der Anzeige um einen „Gesundheits-Check“ ersucht, den Assange offenbar abgelehnt hatte.

Eine der beiden Frauen sagt später in einem Interview (3) aus, dass sie nie vor hatte Assange wegen Vergewaltigung anzuzeigen:

„Es ist völlig falsch, das wir Angst vor ihm hatten. Er ist nicht gewalttätig und ich fühle mich nicht durch ihn bedroht“.

Sie fügte dann den (gemessen an dem weltweiten Aufruhr wahrlich unvergesslichen) Satz hinzu:

„Die Verwantwortung dafür, was mir und dem anderen Mädchen geschah, liegt bei einem Mann, der Benimm-Probleme mit Frauen hat.“

Nach der Erstattung der Anzeige am 20.August wird eine Ermittlung gegen Julian Assange wegen Vergewaltigung eingeleitet. Der Rechtsanwalt Bjorn Hurtig, der Assange bei der Anhörung nach der kurzzeitigen Festnahme vertritt, bezeichnet die durch die örtliche Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweise als „sehr mager“ (1). Noch in der gleichen Nacht beendet die übergeordnete leitenden Staatsanwältin Stockholms, Eva Finne, dieses Ermittlungsverfahren. Die von beiden Frauen eingebrachten Vorwürfe wegen sexueller Kriminalitätsdelikte werden in Bausch und Bogen verworfen, ein kurzzeitiger Haftbefehl aufgehoben. Staatsanwältin Finne in ihrer Erklärung (3):

„Die Untersuchung zu dieser Klage ist hiermit geschlossen, da es keinen Verdacht auf ein Verbrechen gibt.“

Übrig bleibt jedoch ein Ermittlungsverfahren wegen dem Vorwurf der „Belästigung“ einer der beiden Frauen –  auch nach dem bizarren schwedischem Recht keine sexuelle Straftat. Aber was kann man darunter verstehen? Unter anderem „unangemessenen physischen Kontakt“. Soll heißen: Geschlechtsverkehr ohne Kondom.

Beide Frauen hatte Julian Assange nicht etwa in irgendeiner linken, intellektuellen, üblich verdächtigen, zivilistischen Eckbar kennengelernt. Beide waren an der Vorbereitung eines Seminars von Assange am 14. August in Stockholm beteiligt. Eine der Frauen gehört der „Sammlung christlicher Sozialdemokraten Schwedens“ an, einer Parteisektion der schwedischen sozialdemokratischen Partei SAP. Sie hatte den Wikileaks-Gründer bei sich zu Hause beherbergt und fungierte als seine Sprecherin.

Nachdem nun alle Anklagen wegen Sexualdelikten fallen gelassen worden sind, betritt der Anwalt Claes Borgström (Anwaltskanzlei: Borgström und Boström) die Bühne der Weltöffentlichkeit. Selbst SAP-Mitglied, ehemaliger Ombudsmann der schwedischen Regierung und Bruder der Journalistinnen Annette Kullenberg und Kerstin Vinterhed, übernimmt er nun sowohl die Verteidigung der belästigten Genossin, als auch die der anderen Frau und beschwert sich, dass die Stockholmer Oberstaatsanwältin die Anklagen wegen Vergewaltigung fallen gelassen habe. Borgström spricht am 25. August von

„spezifischen Details, die bisher noch nicht in den schwedischen Medien aufgetaucht sind.“ (5)

Warum diese Details bisher nicht in den Akten der Staatsanwaltschaft aufgetaucht sind, sagt Genosse Borgström nicht.

Auftritt Marianne Ny, Generalstaatsanwältin von Schweden. In diesem Fall von höchster Priorität der Staatssicherheit erhebt sie nun am 1. September erneut Anklage gegen den Wikileaks-Gründer wegen Vergewaltigung. Seltsam nur – einen Haftbefehl erlässt sie nicht (6). Ny lässt sich Zeit bis zum 18. November, um einen Haftbefehl zu erlassen. Die Generalstaatsanwältin begründet dies damit, dass

„wir nicht in der Lage waren, die Vernehmung abzuschließen.“ (1)

Bestenfalls ist diese Begründung als Witz zu bezeichnen. Bereits am 30. August war Assange verhört worden. Noch im Oktober wird ein Ersuchen Assanges nach Arbeitserlaubnis in Schweden abgelehnt. Zu jedem Zeitpunkt ist Assanges Aufenthaltsort den Behörden bekannt. Als schließlich am 20. November, zwei Tage nach dem erlassenen Haftbefehl in Schweden, der internationale Haftbefehl von Interpol gegen Assange erlassen wird (welcher wohl kaum mit einer Anklage wegen Belästigung zustande gekommen wäre) äußert sich Assanges Anwalt Stephens über das Gebaren der schwedischen Generalstaatsanwältin Marianne Ny. Der Rechtsanwalt betont, dass er und sein Klient Julian Assange sowohl in Schweden, als auch in Großbritannien mehrfach eine Vernehmung angeboten hätten, persönlich, per Telefon, per Videokonferenz oder eidesstattlicher Aussage.

„Alle diese Angebote sind durch eine Staatsanwältin brüsk zurückgewiesen worden, die ihre Macht missbraucht“,

so Stephens. Zu der angewandten Gesetzgebung, die 2005 in Schweden eingeführt wurde, äußerte sich der Anwalt Per E. Samuelsson, ein entschiedener Kritiker dieser Gesetzgebung (1):

„Schweden benutzt die Bezeichnung Vergewaltigung in einer Art und Weise wie es kein anderes Land tut. Die Gesetzemacher sind in ihrem Eifer etwas zu erreichen mit dem Unzucht-Gesetz einen Schritt zu weit gegangen.“

Was hier wirklich vor sich geht, zeigt ein heutiger Artikel der US-Abgeordneten Dianne Feinstein. Als langjährige Funktionärin der sogenannten „Demokraten“ in den USA suchte sich die Eingeweihte der „Gang of Eight“ passenderweise das „Wall Street Journal“ (7) als Megafon aus. Feinstein selbst ist als privilegierte Kongressabgeordnete Mitwisserin aller Aktionen der US-Geheimdienste, wie des Auslandsgeheimdienstes CIA, sowie der Geheimoperationen des Militärs. Sie ist mitverantwortlich für Folter, Geheimgefängnisse und Kriegsverbrechen in den letzten neun Jahren Krieg der Vereinigten Staaten von Amerika. Nun verlangt die „Demokratin“ Feinstein die Anklage gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange –

wegen einem Gesetz zur Spionageabwehr, das 1917 im Ersten Weltkrieg erlassen wurde.

Vor zwei Tagen veröffentlichte Wikileaks Dokumente des US-Außenministeriums, die belegen, dass die US-Regierung seit langem darüber informiert ist, dass aus den mit ihnen eng verbündeten Monarchien der arabischen Region, namentlich Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, organisierte (para)militärische Attentäter und Milizen (“terroristische Gruppen”) weltweit finanziert werden. Diese Gruppen, sowie die unter ihrer Flagge durchgeführten Attentate, werden seit neun Jahren als Grund für den weltweiten „Krieg gegen den Terror“ der USA und ihrer alliierten Staaten benannt. (US-Regierung: “Al Kaida” und “Taliban” aus Saudi-Arabien finanziert)

Die gesamte deutschsprachige Presse schwieg zu der Veröffentlichung dieser unleugbaren Beweise für die Mitwisserschaft der US-Regierung an genau dem, was sie angeblich seit neun Jahren durch einen Krieg bekämpft. Dazu passt, was durch die bizarr unterwürfige deutsche Presse ebenfalls verschwiegen wird:

In den neuen von Wikileaks veröffentlichten Botschaftsberichten des US-Außenministeriums findet sich das geheime Protokoll eines Abendessens letztes Jahr in Washington. Anwesende: US-Außenministerin Hillary Clinton und der damalige Ministerpräsident Australiens, Kevin Rudd. Rudd, ehemals Diplomat in Peking und fließend hochchinesisch sprechend, bekennt sich darin, ein „brutaler Realist“ zu sein und

„China effektiv in die internationale Gemeinschaft zu integrieren und ihm zu erlauben größere Verantwortung zu demonstrieren, alles während man sich bereit macht Streitkräfte in Stellung zu bringen, falls irgendetwas schief geht.“

Werte Geschworene des Gerichtshofes der Öffentlichen Meinung – Ihnen ist nun hoffentlich klar, was hier auf dem Spiel steht. Von ihrem Urteil im Fall Assange könnte nicht nur das Schicksal eines entscheidenden Unterstützers der freien Weltöffentlichkeit abhängen, nicht nur eine mögliche weitere Verschärfung der Überwachungs- und Zensur-Infrastrukturen des Weltinformationsnetzes durch Regierungen und Konzerne, sondern auch eine mögliche Eskalation genau der militärischen Bewegungen, weltdiplomatischen Winkelzüge und Intrigen der elitären Machtetagen, die machtvergessen und machtversessen, bankrott und blamiert, korrupt und verlogen an nichts anderem mehr als dem eigenen Machterhalt durch eine Fortsetzung ihres Neunjährigen Krieges interessiert sind.

Quellen:
(1) http://www.msnbc.msn.com/id/40250098/ns/world_news-europe/
(2) http://www.guardian.co.uk/media/2010/aug/24/assange-wikileaks-swedish-prosecutors-charges
(3) http://www.guardian.co.uk/media/2010/aug/22/wikileaks-julian-assange-sweden
(4) http://www.guardian.co.uk/media/2010/aug/25/julian-assange-wikileaks-sweden-investigation
(5) http://www.newsweek.com/blogs/declassified/2010/08/25/lawyer-for-women-accusing-wikileaks-founder-maintains-charges-of-sexual-misconduct.html
(6) http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-11831519
(7) http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703989004575653280626335258.html?mod=googlenews_wsj
(8) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/wikileaks/8184731/WikiLeaks-Kevin-Rudd-warned-of-need-to-be-ready-to-use-force-against-China.html