UNO-Rechtsexperte für Internationales Recht: Don‘t cry over WikiLeaks

Anstatt die Webseite wegen Spionage zu verfolgen, sollte Australien Fragen zu den potenziellen Fehlverhalten der USA stellen, sagte Ben Saul in einem Beitrag zu den Veröffentlichungen von Wikileaks, der eine Woche vor der Arrestierung Julian Assanges in London am 2.Dezember unter anderem in The Sidney Morning Herald veröffentlicht wurde und in dem er eindeutige Position für den freien Zugang von Informationen für alle Menschen einnahm, die im öffentlichen Interesse liegen.

Der Australier Ben Saul ist ausserordentlicher Professor an der University of Sydney, Co-Direktor des Sydney Centre for International Law (SCIL) und Rechtsanwalt.

Als Chefredakteur ist er für das Australian International Law Journal verantwortlich. Ben Saul ist Mitglied des International Law Association’s International Committee for the Compensation of Victims of War, Präsident von Refugee Advice and Casework Service.

Desweiteren ist er als Jurist für den UNO-Ausschuss für die unveräusserlichen Rechte des palästinensischen Volkes tätigt und nahm an vielen Aktivitäten der Organisation der Vereinten Nationen und anderen politischen oder humanitären Gremien als Berater zu Internationalem Recht, Völker- oder Menschenrechten teil.

In dem Aufsatz vom 2.Dezember 2010, der noch vor der Verhaftung Julian Assange in London erschien, hiess es:

Westliche Regierungen haben an Intensität zugelegt (Saul sagte wörtlich, sie sind nun in Overdrive gegangen), um Wikileaks und seinen Gründer, Julian Assange, wegen Gefährdung der globalen Sicherheit zu diskreditieren.

Sowohl die USA als auch Australien haben Strafverfolgungsmassnahmen wegen krimineller Enthüllungen eingeleitet – darüber, wer die Quelle war und die Informationen weitergegeben hat.

Die US-Aussenministerin Hillary Clinton bezeichnete die Lecks als „einen Angriff auf die internationale Gemeinschaft“. Das Weisse Haus nannte die Verantwortlichen „Verbrecher“ und die USA untersuchen, wie sie Anklage wegen Spionage gegen Assange erheben können. Ein prominenter US-Republikaner forderte sogar, dass Wikileaks als terroristische Organisation verboten werden muss, fasste der Professor die Ereignisse kurz zusammen.

Weiter führte der australische Rechtsexperte aus, dass „unserer eigener Generalstaatsanwalt die Bundesregierung ersuchte, Ermittlungen gegen Assange zu veranlassen“. Damit stellt sich Australien auf die gleiche Stufe mit den von der Regierung selbst kritisierten Ländern wie Iran, China und die Türkei.

Haben Assange oder Wikileaks australisches Recht gebrochen? Die kurze Antwort ist Nein.

Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung für gewöhnliche Australier – hier oder in Übersee – oder für Auftraggeber ausländischer Medien, keine Informationen offenzulegen, die möglicherweise zur Beeinträchtigung der Sicherheit Australiens oder der Sicherheit von ausländischen Regierungen führen könnten, so Ben Saul und führte weiter aus, dass es zahlreiche rechtliche Beschränkungen für die Offenlegung geschützter Informationen gibt, aber keine von diesen Bestimmungen treffen auf Assange oder Wikileaks zu. Unter das Bundesstrafrecht fallen australische staatliche Beamte und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, in deren Verträgen das Verbot des Weitergeben von geschützten Informationen festgeschrieben ist.

Unter die weiteren kriminellen Handlungen der Preisgabe von Amtsgeheimnissen fallen auch diejenigen, die vertrauliche Informationen von australischen Beamten empfangen und rechtswidrig weitergeben.

Keine dieser beiden Arten von Straftaten trifft hier zu, da die Informationen nicht von australischen Beamten offengelegt oder von ihnen Wikileaks zugespielt wurden, denn sie kamen aus US-Quellen, so Saul. Ebenso irrelevant sind Straftaten bezüglich der Offenlegung geschützter Informationen im Rahmen von Gerichtsverfahren oder ASIO Operationen. (Australian Security Intelligence Organisation)

Weitere sicherheitsrelevante Straftaten sind hier ebenfalls nicht anwendbar, erklärte der Rechtsexperte.

Die Verbrechen des Verrats und Verrat bei Unterstützung derjenigen, die gegen australische Streitkräfte kämpfen oder die ein erklärter Feind von Australien sind, treffen nur dann zu, wenn die Bekanntgabe ungesetzlich ist und die Person beabsichtigt, damit die Sicherheit eines anderen Landes zu unterstützen.

Gleicherweise ist der Tatbestand der Spionage bei der Bereitstellung von Informationen über Australiens Sicherheit aber nur dann erfüllt, wenn die Offenlegung rechtswidrig ist und die Person beabsichtigt, der Sicherheit eines anderen Land damit Vorteile zu verschaffen.

Keiner dieser drei Verbrechen würden auf Wikileaks zutreffen, weil Assange keine Sicherheitsinformationen mit der Absicht, Australiens Interessen zu schaden, freigeben wollte, aber möglicherweise im Interesse der Allgemeinheit. Jede Strafverfolgung wegen Spionage würde nach US-Recht wohl aus einem ähnlichen Grund versagen.

Ebenso trifft die Veröffentlichung der Lecks nicht auf Störungen der Arbeit der australischen Anti-Terrorismus-Bekämpfung oder Verbrechen des Aufruhrs oder die Straftat, Australier im Ausland zu schädigen, zu.

Es gibt auch keine Grundlage, Wikileaks zu einer terroristischen Vereinigung oder einer rechtswidrigen Vereinigung zu erklären.

Der einzige Bereich, in dem australisches Gesetz zu Bedenken relevant sein könnte, sind nicht die Lecks sondern Assanges persönliches Verhalten, so der Jurist.

Interpol hat für ihn einen Antrag zur Festnahme wegen Anklage zur Vergewaltigung in Schweden ausgestellt und Australien würde verpflichtet sein ihn festzunehmen, sollte er nach Australien zurückzukehren.

Auch Ecuador kann nicht mehr länger daran interessiert sein, ihm Asyl zu gewähren, wenn die Vorwürfe nachgewiesen werden.

Nach australischem Recht, wie in den meisten Ländern, ist der Schutz von gesicherten Informationen in erster Linie mit den Vorschriften zum Umgang mit den anvertrauten Informationen gegeben.

Das bedeutet, Sicherheitsüberprüfung und Überwachung des Aufsichtspersonals und Einführung abschreckender Sanktionen bei Verstössen. Die USA sind im Recht bei der Untersuchung zu der Verletzung solcher Pflichten eines ehemaligen militärischen Analytikers, meinte Saul.

Die Wahrung der Vertraulichkeit der internen diplomatischen Noten ermöglicht es den Diplomaten, eine umfassende und ehrliche Beratung an ihre Regierungen zu geben, auch wenn sie Gerüchte über die Gewohnheiten ausländischer Politiker, die trinken und tanzen, enthält.

Die Wahrung der Vertraulichkeit der Diplomatie ist notwendig, um das Vertrauen zwischen den Regierungen zu garantieren. Die Informationen würden nur ungern geteilt werden, wenn die Geheimhaltung nicht von ausländischen Staaten gewährleistet werden würde.

Gleichzeitig müssen Sanktionen gegen unrechtmässige Offenlegung mit dem Schutz von Informanten abgewogen werden.

Die Offenlegung von Informationen zielen manchmal auf das Blosslegen von unrechtmässigen Handlungsweisen durch andere in der Regierung. Diese Wege dienen der Überprüfung und Überwachung des Regierungspersonals und dienen der Aufdeckung von Verstössen.

Die Wikileaks-Enthüllungen haben detailliert über Folter durch US-Truppen im Irak, Kriegsverbrechen durch US-Piloten in Afghanistan und sogar von der US-Spionage gegen den Generalsekretär der Vereinten Nationen Auskunft gegeben.

Dies sind Fragen des globalen öffentlichen Interesses.

Ein Verbündeter – ein „Fels in der Brandung“ wie Australien – sollte gegenüber den USA über solche Untaten Protest einlegen und härter mit der Faust auf den Tisch hauen, mehr als man in den USA bisher annahm, dass wir dazu fähig sind, so Saul.

Die Undichtigkeiten zeigen, dass einige Informationen, von denen die Regierungen behaupten, dass sie der Vertraulichkeit unterliegen, wirklich im öffentlichen Interesse liegen.

Der Schutz von solchen Informationen kann gefährlich den Mantel über staatliche Illegalität legen und zu einem Schirm der offiziellen Gesetzlosigkeit werden.

Saul führte weiter aus, dass keine Notwendigkeit dazu besteht, australisches Recht zu ändern, um somit Wikileaks zu kriminalisieren.

Verbote für die gewöhnlichen Bürger oder die Medien – im Gegensatz zu den Regierungsbeamten – durchgesickerte Informationen zu veröffentlichen, würden sich zu weit in die Freiheit der Meinungsäusserung und dem öffentlichen Interesse einmischen.

Es ist vor allem die Pflicht der Regierungen, Informationen zu sichern und nicht individuelles Handeln von staatlichen Versagen.

Trotzdem haben die Medien berufliche Verpflichtungen, die Regierungen mit der Ausübung ihrer verantwortungsvollen Watchdog-Funktionen zu unterstützen. Die Medien sollten jetzt nicht ungeachtet der Konsequenzen für das menschliche Leben nur instinktiv oder provozierend Material veröffentlichen.

Die Medien benötigen hierzu, ihre Ausführungen mit sicherem Urteil zu treffen und so können sich wirkliche Fragen über die Leistung von Wikileaks ergeben.

Der Nachweis der Kriminalität, wer auch immer lügen mag, kann jedoch woanders liegen.

Die böswilligen denial-of-service-Attacken auf Wikileaks sollten von Australien als mögliche Straftaten nach australischem Recht untersucht werden, da die Angriffe versuchten, Zugriff auf die Webseite hier zu bekommen.

Australien könnte dazu das neue Cyber Security Center verwenden, um die Spur der Täter ausfindig zu machen.

Die US-Regierung ist ein offensichtlicher Verdächtiger – und ein vielversprechender Ort für einen Anfang dieser Untersuchung.

Soweit zu der juristischen Beurteilung eines vielseitigen Experten für Internationales Recht aus Australien zu den Veröffentlichungen von als „vertraulich“ oder „streng geheim“ eingestuften Dokumenten der US-Regierung durch Wikileaks. Ben Saul hat zahlreiche Publikationen, unter anderem auch über Terrorismus, verfasst.

Quelle: http://www.smh.com.au/opinion/society-and-culture/dont-cry-over-wikileaks-20101201-18glc.html

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