Der Gipfel des EU-Regierungsrates in Brüssel hat weder die Erhöhung des 440 Mrd Euro schweren Fonds der luxemburgischen Aktiengesellschaft EFSF („Euro-Rettungsschirm“), noch die direkten transstaatlichen Euro-Bonds gebracht. Damit ist ein weiteres finanzielles Ausbluten der Berliner Republik zugunsten der Finanzmonarchie von Banken und Euro-System vorerst abgewendet. Übrig geblieben ist ein neuer Lissabon-Vertrag zugunsten eines permanenten Euro-Fonds ab 2013, der von jedem einzelnen verbliebenen Rumpfparlament der Mitgliedsstaaten der „Europäischen Union“ unterschrieben werden muss. Das wird dauern, wenn es überhaupt durchkommt.
Die Verwirrung und Desorientierung der Truppenteile von EU-Zentralisten und Finanzmächten darüber, was da gestern in Brüssel überhaupt passiert war, hielt heute den ganzen Tag an. Schließlich sah sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu genötigt, eine Erklärung abzugeben. In dieser verlautbarte Merkel, die EU-Mitgliedsstaaten seien „auf dem Weg“ zu einer gemeinsamen (Wirtschafts)Regierung. Sie definierte dies als „eine bessere Absprache der Regierungen“ (1). Effektiv heisst das gar nichts, jedenfalls nicht aus der Perspektive der Supranationalisten und EU-Zentralisten, die nichts mehr wollen außer eine Entstaatlichung der EU-Mitgliedsstaaten.
Dass bereits gestern sowohl die geforderte Erhöhung des „Rettungsschirmes“ (also des EFSF-Fonds zur Ausbezahlung von Gläubiger-Banken) vom Tisch war, als auch die transstaatlichen Anleihen der Mitgliedsstaaten („Euro-Bonds“, vergleichbar mit einem Gurt der alle Hälse der Weihnachtsgänse auf dem Finanzmarkt passend zusammen schnürt), konnte sich jeder aus dem Informationsmarkt der Industrie zusammensuchen der es wollte. Gegenüber Nasdaq.com (2) plauderte ein französisches Delegationsmitglied aus, es habe bezüglich der Euro-Bonds / transstaatlichen Staatsanleihen eines nicht existierenden EU-Staates einfach „keinen Konsens“ gegeben:
„Die Führer zeigten keinen Appetit.“
Und es lag am Möchtegern-Juncker Jean-Claude zu verkünden, also das mit noch mehr Steuergeldern und staatlichen Tributen an die Banken und das Euro-System, das werde leider nichts: das Geld- / Garantie-Volumen des Fonds der luxemburgischen Aktiengesellschaft EFSF (European Financial Stability Facility, Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) werde nicht vergrößert oder vertieft. (3)
Das trifft Juncker natürlich besonders hart. Hatte er doch vor dem Gipfel wahrlich alles versucht seiner „uneuropäischen“ und unbedeutenden Nachbargemeinde Deutschland klar zu machen, also nur mit den transstaatlichen Euro-Bonds ginge das und nicht anders. Dass hier in der Tat ein Systemwechsel – also ein Staatsstreich – erzwungen werden sollte, formulierte niemand besser als Juncker selbst (4):
„Ich glaube, dass man auf die Idee zurückkommen wird. Denn auf eine systemische Krise braucht man systemische Antworten.“
Wie immer hatten die EU-Zentralisten weiter gedacht: die transstaatlichen Anleihen sollten nur der Schaffung weiterer transstaatlichen („supranationalen“) Institutionen eines (durch das deutsche Bundesverfassungsgericht verbotenen) eigenen EU-Staates führen. Konkret plante Juncker durch die Euro-Bonds die Schaffung einer „Europäischen Schuldenagentur“ über die Mitgliedsstaaten. Im Übrigen wurde, durchaus zutreffend, die Parallele zum im September / Oktober 2008 durch die Banken putschartig erpressen Soffin-Fonds in Deutschland in Höhe von einer halben Billion Euro gezogen. (4)
Ebenfalls bis auf die Knochen blamiert: die Akteure, welchen den Soffin-Fonds damals nach Vorgabe der Banken schufen – der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und der damalige Aussenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der sich bis heute seine eigene (in Euro bezahlte) Bundestagsfraktion hält. Beide hatten am Mittwoch in einem englischsprachigen Gastartikel für die „Financial Times“ sowohl die transstaatlichen Anleihen, die massive Erhöhung des Fonds der EFSF Aktiengesellschaft, als auch die „politische Integration“ Deutschlands in die „Europäische Union“ gefordert. Die Währungszone des Euro wurde, quasi im Namen von insges. 500 Millionen Menschen in Europa und (Finanz)Kolonien in Afrika und Asien, durch Steinmeier und Steinbrück zum „gemeinsamen Schicksal“ ihrer Herren erklärt. (Staatsstreich des Euro-Systems)
Einen Tag nach dem Statement von Steinmeier und Steinbrück in der „Financial Times“ wiederholte am 15. deren alte CDU-Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag dieses Mantra (6):
„Der Euro ist unser gemeinsames Schicksal“
Geht es hier wirklich noch um eine Währung oder schon um eine Religion? Oder um was geht es hier wirklich?
Mit welch surrealer, ja sektiererischer Ausblendung auch und gerade aller rechtlichen Realitäten die Währungs- und Geldpropheten der Finanzmonarchie ihre dreisten Forderungen vortrugen, liess sich auch an folgendem Interview des Staatssenders ARD mit dem „Leiter des Kompetenzbereichs Wirtschaftliche Trends am Hamburgischen WeltwirtschaftsInstituts“ Michael Bräuninger ablesen. Bräuninger erklärte die Staaten Europas als „Eurostaaten“, als angemessenes Opfer der auserlesenen Geldmesse und den Banken des Euro-Systems schlicht untergeordnet. Lesen Sie selbst (7):
„Langfristig muss jeder Euro-Staat starken Regeln unterworfen werden. Und es muss kontrolliert werden, ob sie sich daran halten. Genauso wichtig ist es aber, dass wir das Bankensystem konsolidieren und robuster machen, so dass es den Ausfall eines Eurostaates, also einen Staatsbankrott, auch überstehen würde. Denn im Augenblick können wir Staatsbankrotte nicht zulassen, weil wir das Bankensystem gefährden würden. Der Euro könnte aber durchaus mit dem Staatsbankrott eines einzelnen Landes leben. „
Diese Lehrkraft an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg (!) stand mit seinem Angriff auf die Gesellschaften und Völker in Europa nicht allein. Im Wahn der supranationalen – also antistaatlichen – Kräfte war wieder einmal Wolfgang Schäuble Spitzenreiter.
Im Vorfeld der Tagung des EU-Finanzminister-Rates Anfang Dezember hatte Schäuble in einem Interview mit der englischsprachigen „Financial Times“ auf die Frage nach der Aufgabe der Haushaltskontrolle durch den Bundestag und die Abtretung des Budgetrechtes an die EU geantwortet (8):
„Wenn Sie heute um eine Abstimmung bitten würden, bekämen Sie kein Ja als Antwort. Wenn Sie uns aber einige Monate geben, um daran zu arbeiten, wenn Sie uns auch die Hoffnung geben, dass andere EU-Mitgliedsstaaten dem zustimmen, dann sehe ich eine Chance dafür.“
Schäuble sprach vom „verloren Krieg“ der Deutschen und meinte offensichtlich genau die Generation Helmut Schmidts dabei, die uns heute von der „Europäischen Idee“ der Zweiten Weltkrieger unterrichten will.Der Stratege des Einheitsvertrages zwischen den beiden deutschen Staaten BRD und DDR im Jahre 1990 bewies dabei wieder einmal, dass für ihn eine andere Zeit stehen geblieben ist:
„Nationale Souveränität allein ist nicht das Instrument für das 21. Jahrhundert.“
Aufgabe der Souveränität also – aber für wen? Und an wen?
Am 2.Februar 2010 hatte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, in einem Interview im “Manager Magazin” klar und deutlich offengelegt, was die Banken forderten: die direkte Kontrolle über EU-Mitgliedsstaaten und die Ausschaltung ihrer demokratischen Organe (DIE GUTEN: Chronologie, Thesen und Alternativen zum Staatsstreich der Finanzindustrie):
“Wir bräuchten eine Art europäischen Währungsfonds, der Griechenland ähnlich dem Internationalen Währungsfonds Überbrückungskredite geben könnte, und zwar unter harten Sanierungsbedingungen…
Frage: Spätestens dann wäre Griechenland allerdings vom internationalen Finanzmarkt abgeschnitten, oder?
Mayer: Sollten alle Anpassungsprogramme scheitern, wäre das der Fall, ja. Deshalb müsste der gedachte europäische Währungsfonds den Besitzern griechischer Staatsanleihen anbieten können, griechische Anleihen gegen neue des europäischen Hilfsfonds einzutauschen – gegen einen deutlichen Abschlag natürlich. So sollte ein ungeordneter Staatsbankrott vermieden werden. Darüber hinaus allerdings müsste der Europa-Fonds mit dem Tauschgeschäft zugleich Rechte gegenüber Griechenland erhalten.
Frage: Um die Sanierungsbedingungen durchzusetzen?
Mayer: Ganz richtig, ja. Der Europa-Fonds erhielte im Gegenzug für seine Hilfe beispielsweise das Recht, über jede griechische Staatsausgabe anstelle der griechischen Regierung zu entscheiden.”
Nur sechs Tage später veröffentlichte Deutsche-Bank Volkswirt Mayer als Co-Autor einen Entwurf für eben diesen anvisierten “Europäischen Währungsfond” in einer der zentralen Denkfabriken Brüssels, dem “Centre for European Policy Studies” (CEPS). Der andere Autor des Papiers: CEPS-Chef Daniel Gros. Der Titel des Entwurfs lautete “How to deal with sovereign default in Europe: Towards a Euro(pean) Monetary Fund”.
Der Entwurf goss die Vorstellung einer finanzindustriellen Diktatur Europas nun in konkrete Formen. Das Schlüssel des Ganzen lag darin, den Bankrott einer Bank unter allen Umständen zu verhindern und dafür den Bankrott eines oder mehrerer Staaten nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern gezielt zu ermöglichen.
“Unser Vorschlag eines EMF (Anm.: “European Monetary Funds”, Europäischer Geldfonds) kann auch als Ergänzung zu den derzeit diskutierten Ideen angesehen werden, reguläre Pleiten von privaten Finanzinstitutionen zu erlauben und Rettungsfonds für große Banken, die von der Industrie selbst finanziert würden. Die Analogie umfasst, in mehr allgemeinen Begriffen: In der zurückliegenden Finanzkrise hat die Politik ausschliesslich eingegriffen, um das Scheitern von großen Institutionen zu verhindern. In der Zukunft jedoch muss das Schlüsselziel der Politik sein, die Marktdisziplin durch die Möglichkeit eines Scheiterns wieder herzustellen. Für die EMU (Anm.: die Eurozone) heisst das, dass das System robust genug sein sollte die Erschütterung zu minimieren, welche das Scheitern eines ihrer Mitgliedsstaaten auslöst.“
Deutsche Bank-Funktionär Mayer saß übrigens auch am 9.Dezember in der Maybrit Illner-Sendung „Ist der Euro noch zu retten?“. Dort forderte der Präsident des “Bundesverbandes der Deutschen Industrie” (BDI) die Aufgabe der Souveränität Deutschlands zugunsten des Euro-Systems. (“Ein Stückchen Souveränität aufgeben” für Brüssel und den Euro?)
Was sich gestern auf dem Gipfel des EU-Regierungsrates nun abspielte, ist das desaströse Scheitern einer großkotzigen Bande von Lobbyisten, Finanz-Putschisten und eingebildeten Erwählten, die meinen diese Republik und ihre Verfassung stürzen zu können. Das war´s. Mehr ist dort nicht passiert.
Die Strafe der Dirigenten des Geldsystems für den EU-Regierungsrat folgte auf dem Fuße: die Ratingagentur Moody´s ließ gestern den Staat Irland gleich um fünf Stufen absaufen (9). Und der unabhängige Präsident des Geldsystems in Europa, EZB-Chef Jean-Claude Trichet, verdonnerte die ungeliebten „Kollegen in der Exekutive“ (10) zum Bezahlen von mindestens 5.8 Milliarden Euro aus dem Staatssäckel – ein gerüttelt Maß davon aus Deutschland. Die Aufstockung des Grundkapitals der EZB auf 10,76 Milliarden konnte der Präsident der Frankfurter „Europäischen Zentralbank“ deshalb ohne Zustimmung irgendwelcher Regierungen (oder gar Parlamente) verkünden, weil seine Unabhängigkeit von den europäischen Demokratien seit der Schaffung der EZB durch die EU vertraglich garantiert ist. (11)
Ein Grundfehler des Euro-Systems in Europa. Ein Grundfehler jedes deratigen Geldsystems weltweit. Die Staaten, die diesen Grundfehler des Finanzsystems – die Unabhängigkeit vom Staat – nicht beseitigen, werden über kurz oder lang selbst durch das Finanzsystem beseitigt werden.
Dabei ist das chinesische Modell wahrlich kein Vorbild. Der Regen Kapitalismus darf nicht in die Traufe der staatlichen Diktatur führen. Ein demokratischer Staat kontrolliert und regelt aber zumindest die Schöpfung von Kapital, sonst schafft er eine Finanzdiktatur der Geldalchemisten und ist keine Demokratie. Ein Staat, der sich selbst verbietet Kredite zu geben (und dadurch Geld zu schöpfen) ist Spielball, nicht Spielfeld.
Warum nun die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Forderungen aus dem Geldsystem nicht vollumfänglich nachgekommen sind, mögen sie selbst erklären. Dabei werden sie genau das nicht tun, weil sie dann erklären müssten was neuerdings auf dem Spiel(feld) steht.
Sicherlich werden nun die üblichen Erklärungen, Verlautbarungen und Schönrednereien veröffentlicht werden. Und sicherlich wird das nicht der letzte dementsprechende Versuch sein die Berliner Republik abzuschaffen. Aber es gibt eben Charaktere, in deren Weltbild nur die Niederlage der Nichtprivilegierten passt.
Noch viel Zeit für die Anhänger der Finanzmonarchie dazu zu lernen.
(…)
Artikel:
15.12.2010 Staatsstreich des Euro-Systems
14.12.2010 Bilder aus der Euro-Zone Italien
14.12.2010 Auch wenn alles in Euro fällt
10.12.2010 Studenten-Proteste in London: “NEIN” zur Finanzmonarchie Großbritannien
16.11.2010 Die Banken fressen die Staaten Europas
19.10.2010 Frankreich: Generalstreik gegen die neue kapitalistische Sowjetunion
11.05.2010 Die Kollaborateure des finanziellen Blitzkriegs gegen die Republik
27.03.2010 DIE GRIECHENLAND-KRISE (III): Das “nächste Lehman Brothers” – die Entstaatlichung der Staaten
Quellen:
(1) http://de.reuters.com/article/topNews/idDEBEE6BG0CS20101217
(2) http://www.nasdaq.com/aspx/stock-market-news-story.aspx?storyid=201012161903dowjonesdjonline000697&title=eu-summitleaders-ruled-out-euro-bonds-ideafrench-official
(3) http://online.wsj.com/article/BT-CO-20101216-717033.html
(4) http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Nachrichten/NachrichtenTicker/1882582-53/juncker-beharrt-vor-eu-gipfel-auf-euro-bonds.csp
(5) http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,732852,00.html
(6) http://www.tagesschau.de/wirtschaft/merkeleugipfel102.html
(7) http://www.tagesschau.de/wirtschaft/interviewbraeuninger104.html
(8) http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article11440017/Der-Finanzminister-denkt-voraus.html
( 9) http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2010-12/18866827-aktien-europa-eroeffnung-kaum-veraendert-moody-stuft-irland-herab-016.htm
(10) http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/nachrichten/ftd/BM/50205373.html
(11) http://www.focus.de/finanzen/news/staatsverschuldung/schuldenkrisen-update-ezb-will-mehr-geld-spanien-zahlt-drauf_aid_582408.html
letzte Quellen-Korrektur: 23.30 Uhr