Ein einzelner Coffeeshop-Betreiber unterliegt mit seiner Forderung, allen volljährigen Personen legalen Zutritt in sein Geschäft in Maastricht zu erwirken – Gewinner dieses Urteils sind die illegalen Verkäufer, vor allem gerade in Deutschland – eine von der Schweizer Regierung beauftragte Expertengruppe schlug dagegen die Entkriminalisierung auch harter Drogen in der Schweiz vor.
Die Zweite Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg gab der niederländischen Stadt Maastricht in der am 16.Dezember 2010 auf der Webseite des EuGH veröffentlichten Rechtssache C?137/09 „Marc Michel Josemans gegen Burgemeester van Maastricht“ Recht, die für deutsche und alle anderen ausländische Bürger ein Verbot erlassen hatte, die zugelassenen vierzehn Coffeeshops der Stadt zu betreten und dort geringe Mengen an Haschisch und Marihuana (5 Gramm pro Tag und Person) zu kaufen. (Foto: Coffeeshop Amsterdam Rockit, Wikipedia)
Knapp vier Millionen Touristen waren der Stadtverwaltung zu viel Gedränge in den Strassen. Nur dreissig Prozent der Besucher waren Einheimische.
Josemans, der Betreiber des Coffeeshops „Easy Going“ hatte gegen das Verbot der Stadt geklagt, weil ihm vorübergehend das Geschäft geschlossen wurde. nachdem zweimal festgestellt worden war, dass er Ausländern den Zutritt gestattet hatte.
Der EuGH berief sich in dem Verfahren auf Europäisches Unionsrecht und verfügte folgendes Urteil, das unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von M. Josemans, vertreten durch A. Beckers, advocaat,
– des Burgemeester van Maastricht, vertreten durch S. A. R. Lely, advocaat,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels, M. Noort und J. Langer als Bevollmächtigte,
– der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet und L. Goossens als Bevollmächtigte,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,
– der französischen Regierung, vertreten durch E. Belliard, G. de Bergues und A. Czubinski als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch H. van Vliet und I. Rogalski als Bevollmächtigte,
und nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juli 2010 erlassen wurde:
1. Der Inhaber eines Coffeeshops kann sich im Rahmen seiner Tätigkeit des Verkaufs von Betäubungsmitteln, die nicht unter den von den zuständigen Stellen streng überwachten Handel zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke fällt, nicht auf die Art. 12 EG, 18 EG, 29 EG oder 49 EG berufen, um sich gegen eine kommunale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zu wehren, die es verbietet, nicht in den Niederlanden ansässigen Personen den Zutritt zu derartigen Einrichtungen zu gestatten. Hinsichtlich des Verkaufs von alkoholfreien Getränken und von Esswaren in diesen Einrichtungen kann er sich mit Erfolg auf die Art. 49 ff. EG berufen.
2. Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Beschränkung der im EG-Vertrag verankerten Dienstleistungsfreiheit darstellt. Diese Beschränkung ist jedoch durch das Ziel der Bekämpfung des Drogentourismus und der damit einhergehenden Belästigungen gerechtfertigt.
Die umfangreichen Erläuterungen zur Urteilsfindung unter Berücksichtigung der „Dienstleistungsfreiheit – Freier Warenverkehr – Diskriminierungsverbot – Maßnahme einer örtlichen Behörde, durch die der Zutritt zu Coffeeshops in den Niederlanden ansässigen Personen vorbehalten wird – Verkauf sogenannter ‚weicher‘ Drogen – Verkauf von alkoholfreien Getränken und von Esswaren – Ziel der Bekämpfung des Drogentourismus und der damit einhergehenden Belästigungen – Öffentliche Ordnung – Schutz der Gesundheit der Bevölkerung – Kohärenz – Verhältnismäßigkeit“ in der Rechtssache C?137/09
In der Schweiz wird über eine Entkriminalisierung des Konsums von Drogen debattiert. Das Bundesamt für Gesundheit untersucht derzeit eine mögliche Umsetzung dazu mit einem Grundlagen-Papier zum Thema „Herausforderung Sucht“.
Der Chef der Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen (EKDF), François van der Linde unterstützt diese Überlegungen und begrüsste sie als Beitrag zu einem „grundsätzlichen Nachdenken über Drogen und Süchte“. Die Gesellschaft müsse wegkommen vom Gedanken, dass es böse und gute Süchte gebe. Wenn Alkoholiker oder Tablettensüchtige nicht belangt würden, müsse dies auch für Konsumenten anderer Drogenarten gelten, so van der Linde.
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