Die neue Macht des Wissens um die eigene Macht – demokratische Weltrevolution

Fremde Länder, fremde Sitten. Von wegen. In Deutschland, Europa, Israel, Algerien, Jemen, Albanien, Tunesien, Jordanien, Mauretanien, Ägypten, Sudan, Nigeria … – in vielen Teilen der Welt kommt es kontinentübergreifend seit Tagen, Wochen und Monaten zu massiven Protestbewegungen, die alle eines gemeinsam haben: in Demonstrationszügen formieren sich die Menschen auf den Strassen und versuchen auf demokratischem Weg ihre Unterdrückerregime, die mit Terror und Korruption ihre Länder ausplünderten, durch Volksvertreter zu ersetzen, die in einer dauerhaften freien Atmosphäre gewählt werden sowie gewaltfrei Reformen durchzusetzen.

Revolutionen und Aufstände und ihre grausame Niederschlagung hat es seit Jahrtausenden gegeben. Verfeindete Herrscher kamen stets schleunigst mit Waffen und Soldaten zur „Bruderhilfe“, wenn es darum ging, die Volksmassen im Zaum zu halten und den Funken des Widerstandes nicht auf das eigene Territorium überschlagen zu lassen. Nicht selten wurden so gleich ganze Gebiete unter die Oberhoheit des stärkeren Staates einverleibt und die Unterjochung der Bevölkerung ging mit Hilfe einheimischer skrupelloser Beamtenschaft weiter, die sich ihre fetten Pfründe mit Verrat an dem eigenen Volk sicherten.

Mit der weltweiten Ausbeutung durch die Adels- und Geldmafia im Zuge der Globalisierung wurde alles noch schlimmer. Noch nie mussten so viele Menschen durch den Verlust ihres Lebensraumes, ihrer gesellschaftlichen Strukturen im dreckigsten Elend dahinsiechen, in Slums leben, an Krankheiten, Hunger und Krieg sterben. Jeder kennt die Fotos des Grauens, die um die Welt gehen.

Diese ausgeplünderte globalisierte Welt fliegt jetzt den Grossaktionären der Banken- und Konzernetagen, ihren Hintermännern und ihren willigen Staatschefs um die Ohren. Der Fluch der Globalisierung, der einige wenige auf Kosten anderer reich machte und den Rest der Milliarden von Menschen ohne Zukunftsperspektive auf ein Leben in Würde liess, richtet sich nun gegen diese obere Kaste.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten erfahren die Menschen dank den Errungenschaften des gnadenlos umkämpften, mit Handys, Breitbandanschlüssen, TV und PCs gefluteten Telekommunikationsmarktes, was sich in der Welt abspielt. Die industrielle Revolution wurde von der Informationsrevolution abgelöst, wie Gesellschaftswissenschaftler gern diesen Ausdruck formulieren – und es ist eine, die in den letzten Jahren ihren Namen endlich zu Recht verdient hat und allen zu Gute kommt.

Das allgemeine Wissen ist nicht länger einer finanzstarken elitären Klasse wie zu Urzeiten den Königshäusern und der Priesterschaft vorbehalten – „Wissen ist Macht“ bekommt eine neue Bedeutung. In einem anderen Sinne als das vermittelte Lehren in den immer noch aus dem Boden gestampften oder altehrwürdigen Kaderschmieden und Eliteuniversitäten, in denen der Nachwuchs für die Etablierten herangezogen wird, um ihren Status gegen alle nicht standesgemässen Aussenseiter zu verteidigen.

Tunesien ist zum Paradebeispiel geworden. Auch vorher gab es seit Jahren grosse Kundgebungen und Revolten gegen unerträglich gewordene Unterdrückung in einzelnen Staaten, die in den meisten Fällen brutal zerschlagen wurden. Nach dem Jahr 1989 mit dem Fall des Eisernen Vorhanges und der Beendigung des Kalten Krieges werden die kommenden Veränderungen der Machtgefüge unumkehrbare Auswirkungen auf die weitere gesellschaftliche Entwicklung haben.

Seit dem 17.Dezember 2010, dem Tag, an dem sich Mohammed Bouazizi aus Protest gegen die Diktatur der tunesischen Regierung angezündet hat, haben sich fünfzehn weitere Personen aus Verzweiflung über ihre aussichtslose Lage in verschiedenen Ländern angezündet. Der letzte tragische Fall wird aus Saudi-Arabien gemeldet. Dort starb nach Angaben des Behördensprecher Yehya Qahtani in der der Provinz Jizan ein sechzigjähriger Mann an seinen Brandverletzungen. (1)

In Algerien gingen die Menschen am Samstag, den 22.Januar 2011 trotz Demonstrationsverbot wieder auf die Strasse, um gegen politische Unterdrückung und freie Bürgerrechte zu kämpfen. In Algier wurde ihr Protestzug zum Parlamentsgebäude von der Polizei gewaltsam aufgelöst.

Demonstration am 15.Januar 2011 für mehr Demokratie

Am Freitag, den 21.1.2011 lieferten sich in Tirana, der Hauptstadt Albaniens Demonstranten blutige Auseinandersetzung mit der Polizei, in denen drei Menschen getötet wurden. Zwanzigtausend Menschen hatten gegen ihre korrupte Regierung unter Sali Berisha protestiert. (2)

In der Hauptstadt des Jemen haben am Samstag erneut die Studenten der Universität in Sanaa zu Protesten aufgerufen. Hunderte forderten den Rücktritt von Präsident Ali Abdallah Saleh. (3)

In Jordanien forderten am 21.Januar Tausende den Rücktritt der Regierung und demokratische Reformen in der konstitutionellen Monarchie. Ministerpräsident und Regierungsmitglieder sollen in freien Wahlen und nicht mehr von König Abdullah II. ernannt werden. (4)

In der vergangenen Woche demonstrierten tausende Menschen in Mauretanien. Aus Furcht vor dem abschreckenden Beispiel ihrer tunesischen Amtskollegen senkte die Regierung die Preise für einige wichtige Lebensmittel gleich um ein Drittel. (5)

Der „Tag des Zorns“ am kommenden Dienstag verspricht in Ägypten für das Regime Hosni Mubarak heiss zu werden. Der in seinem Land beliebte Ex-IAEO-Generaldirektor Mohamed ElBaradei unterstützt die Proteste seiner Landsleute:

„Ich stehe hinter jeder friedlichen Forderung nach einem Wandel. Mein Ruf nach Reformen ist beim Regime ungehört verhallt, da bleibt wohl nur der Weg auf die Straße. Es sind junge, ungeduldige Menschen, die nun ihre Entschlossenheit zeigen.

Diese Proteste sind der Schneeball, aus dem eine Lawine werden kann.“ (6)

Diese Lawine rollt schon längst um den Globus und reisst auf ihrer Fahrt immer weiter die verkrusteten Strukturen auf – talabwärts geht es dabei nur für die Verbrecher, ihre Helfershelfer und brutalen Knechte. Alle anderen können bei diesem noch nie in diesem Ausmass dagewesenen reinigenden gesellschaftlichen Urgewitter nur gewinnen.

Das Wissen um die gemeinsame Kraft der Menschen, das Ablegen der Angst, die zunehmende Weigerung, sich gegenseitig aus ethnischen oder religiösen Gründen zu zerfleischen wie zu Weihnachten 2010 die Anschläge auf die ägyptische Gemeinde der Kopten (ein Blick in die deutsche Presselandschaft lässt einen erschaudern) – diese Erkenntnis hat sich in das kollektive Gedächtnis geprägt. Je grösser und brutaler die Repressalien der autoritären Staaten noch werden um ihren Abgang zu verhindern desto schneller läuten sie ihren eigenen Untergang ein.

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15.01.2011 Arabischer Frühling

Quellen:
(1) http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2011/01/22/International/Domino-Effekt-Demonstrationen-in-Algerien-Selbstverbrennung-in-Saudi-Arabien
(2) http://www.scharf-links.de/44.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=14242&tx_ttnews[backPid]=9&cHash=6abeb7c195
(3) http://www.stern.de/news2/aktuell/demonstrationen-im-jemen-gegen-und-fuer-praesident-saleh-1646170.html
(4) http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/tausende_jordanier_fordern_den_ruecktritt_der_regierung_1.9175627.html
(5) http://www.rf-news.de/2011/kw03/21.01.11-mauretanien-senkt-lebensmittelpreise-um-30-prozent
(6) http://derstandard.at/1295570588983/ElBaradei-unterstuetzt-Proteste-gegen-Mubarak

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