Übernehmen Mubarak und Suleiman die Taktik Ben Alis in Tunesien?
Ägypten: Vor wenigen Stunden ernannte Diktator Husni Mubarak seinen Spionage-Chef Omar Suleiman zum Vize-Präsidenten. In einem Interview mit dem ehemaligen Residenten des deutschen Auslandsgeheimdienstes “Bundesnachrichtendienst” (BND) im Nahen Osten, Wilhelm Dietl, beleuchte Radio Utopie bereits im März 2009 diese umtriebige Figur des ägyptischen Polizeistaats, der beste Kontakte ins benachbarte Israel pflegt. (Ägypten: Diktator Mubarak ernennt Spionage-Chef Suleiman als Vize-Präsident).
Sofort nach der Ernennung Suleimans stiegen die Berichte über Plünderungen und Vandalismus in Ägypten und der Hauptstadt Kairo sprunghaft an. Auf Al Jazeera wurden Berichte laut, nach denen Mitglieder der Staatspartei NDP hinter den willkürlichen Zerstörungen (etwa im Nationalmuseum oder im Krankenhaus für Krebs-Erkrankungen) stehen. Das erinnert an die Endphase des Diktators von Tunesien, Zine el-Abidine Ben Ali. Vor und selbst nach seiner Flucht nach Saudi-Arabien hatten Ben Alis Präsidentengarde, die Mitglieder seiner Staatspartei RCD (zu diesem Zeitpunkt noch in der „Sozialistischen Internationalen“), sowie die Geheimpolizei in ganz Tunesien willkürlich Zerstörungen angerichtet und Bürger umgebracht, um nach der Formel „Ordo ab Chao“ ein selbst gemachtes „Chaos“ als Argument für den eigenen Machterhalt zu benutzen. Doch das tunesische Volk, besonders die Jugend, hatten die Kräfte der Diktatur in die Flucht geschlagen. Die Zeit schrieb dazu am 21.Januar (1):
„Diese Jugend (hat) ohne politische oder parteiliche Bindung sich in den einzelnen Stadtvierteln zu Bürgerkomitees zusammengeschlossen, um, unterstützt von der Armee, die Bürger zu schützen und Übergriffe und Plünderungen durch die Milizen der herrschenden RCD, die Machtbasis des gestürzten Präsidenten Ben Ali, ebenso zu verhindern wie die Aktivitäten der politischen Polizei: Mit Todesschwadronen verbreitet sie im ganzen Land Angst und Schrecken, um die Menschen glauben zu machen, dass sie allein das Chaos verhindern kann.“
Ein weiterer Punkt der auffällt: seit gestern sind sämtliche 1.4 Millionen „Sicherheitskräfte“ des ägyptischen Innenministeriums – Polizei, Geheimpolizei, Spione, Sondertruppen – vollständig abgetaucht. Gleichzeitig warnen gewisse Stimmen derzeit monoton und penetrant vor einem „Chaos“, oder gar einem „Zerfall“ Ägyptens. Das sind Kräfte der Diktatur, Seilschaften des Polizeistaats, die wieder einmal erfolglos versuchen alte Taktiken der Aufstandsbekämpfung einzusetzen, die längst überholt sind und schachmatt gesetzt worden.
Das Militär ist dabei, die Sicherheit in Ägypten zu gewährleisten. Auf das Volk schiessen werden diese Streitkräfte sicher nicht. Was die Präsidentengarde Mubaraks angeht, die wie in Tunesien einen völlig eigenständigen Strang der Streitkräfte innerhalb Ägyptens darstellt, da wird man sehen. Im Zweifel wird die Präsidentengarde verlieren, zusammen mit dem Diktator Husni Mubarak und seinem langjährigen Vertrauten Omar Suleiman, der als Spionage-Chef schon seit Jahren als der eigentliche starke Mann der nun gestürzten Diktatur über Ägypten gilt.
Die US-Regierung hat unterdessen Husni Mubarak nach der Ernennung Suleimans zum Vize-Präsidenten kritisiert: es reiche nicht, einfach das Deck umzuräumen und dann auf die Belohnung zu warten (2). Die Belohnung sind anderthalb Milliarden Dollar regulärer Finanzhilfe für die Diktatur, die Washington nun eingefroren hat.
Wenn Washington allerdings versuchen sollte, selbst ihre Figuren auf dem Schachbrett der Weltöffentlichkeit hin und her zu schieben, dann werden diese schlicht geschlagen. Suleiman ist ein alter Bekannter Washingtons. Zeit, ihm höflich bye-bye zu sagen.
Die Ägypter wollen selbst wählen, wer Präsident oder Ministerpräsident ihrer neuen, ihrer freien und souveränen Republik ist. Alte Freunde der USA haben hier nur dann etwas zu melden, wenn sie – wie Mohammed El Baradei – mit öffentlichen Karten spielen.
Quellen:
(1) http://www.zeit.de/2011/04/Tunesien-Onlinemagazin-Kalima
(2) http://www.suntimes.com/3554845-417/mubarak-egypt-president-reform-egyptian.html