Donnerstag, 10.Februar. Tag 17 im Volksaufstand in Ägypten. Vor dem nächsten Marsch von Millionen auf dem Tahrir Platz am morgigen Freitag hat sich die Erosion des Regimes von Diktator Husni Mubarak weiter fortgesetzt.
Den gestrigen Tag über begannen mehr und mehr Arbeiter Ägyptens sich dem Aufruf zum Generalstreik anzuschliessen. Wie überall und immer, wenn seit Jahrzehnten herrschende Machtarchitekturen nicht nur in Form der Sicherung durch Zwangsmittel und Repression zusammenbrechen, sondern sich auch in der Mentalität der Beherrschten selbst die innere Sicherheit der vermeintlichen Sinnlosigkeit jeden Widerstands gegen die Verhältnisse zu aktiver Reflexion der Erkenntnis von simpelsten Notwendigkeiten wandelt, geschah dies langsam, mühevoll und zäh. Man konnte es fast ein wenig knirschen hören.
Der Übersprung zur weltweit unterwürfigen, weil traditionell in Staatsparteien nahestehenden Einheitsgewerkschaften gebundenen Arbeiterschaft, markierte den unwiderruflichen Wendepunkt in dieser Verwandlung der ägyptischen Gesellschaft, die sich vor den Augen einer faszinierten Weltöffentlichkeit und einer internationalen Nomenklatura von selbsternannten „Führern“ und „Entscheidern“ abspielt, die immer noch nicht den leisesten Schimmer davon haben, was hier wirklich gerade passiert.
Es fing an mit kleinen, unabhängigen Gewerkschaften, die sich der von allen Gruppen der Gesellschaft (auch von Arbeitern) getragenen Freiheitsbewegung anschlossen. Am 30.Januar, fünf Tage nach Beginn des Aufstands, schlossen sich auf dem Tahrir Platz mehrere kleine Gewerkschaften zur „Föderation der Ägyptischen Gewerkschaften“ (Federation of Egyptian Trade Unions, FETU) zusammen.
Im Ägypten, dessen Diktator nach Artikel 73 der Verfassung die „sozialistischen Errungenschaften“ verteidigen soll und die Staatspartei NDP bis zum 31.Januar stolzes Mitglied der „Sozialistischen Internationalen“ war, hatte die Mubarak-Diktatur bisher die Arbeiter über ihren äygptischen Einheitsgewerkschaftsbund „Egyptian Trade Union Federation“ EFTU, mit 23 Einzelgewerkschaften und 2.5 Millionen Mitgliedern, dirigiert und unter Kontrolle gehalten.
Doch dann begannen sich die Arbeiter der FETU gestern gegen die Strukturen der regimenahen Einheitsgewerkschaft EFTU langsam durchzusetzen. Mehr und mehr Arbeiter begannen zu streiken, nicht alle gegen das Regime, aber für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Das Ergebnis war das Gleiche: Streik.
Und jeder Streik zählt.
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Ticker zu Tag 17 im Volksaufstand in Ägypten
Die Tage zuvor:
Donnerstag, 25.01., Live Bilder aus Ägypten: Einem Land platzt der Kragen
Freitag, 28.01., Volksaufstand in Ägypten: Ticker
Samstag, 29.01., Übernehmen Mubarak und Suleiman die Taktik Ben Alis in Tunesien?
Sonntag, 30.01., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 6
Montag, 31.01., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 7
Dienstag, 01.02., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 8
Mittwoch, 02.02., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 9
Donnerstag, 03.02., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 10
Freitag, 04.02., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 11
Samstag, 05.02., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 12
Sonntag, 06.02., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 13
Montag, 07.02., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 14
Dienstag, 08.02., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 15
Mittwoch, 09.02., Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 16
Öffentlich zugängliche Quellen:
Live TV Stream Al Jazeera: http://english.aljazeera.net/watch_now/
Twitter Al Jazeera: http://english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/01/201112523026521335.html
Ticker Al Jazeera: http://blogs.aljazeera.net/middle-east/2011/02/10/live-blog-feb-10-egypt-protests
00.00 Uhr
Der Tag beginnt. Ein Filmbericht vom Vorabend von Al Jazeera Reporter Ayman Mohyeldin, zum Status des Machtkampfes und dem Versuch des Mubarak-Regimes, über das selbsternannte „Komitee der Weisen Männer“ (wir berichteten am 4.Februar) die Opposition einzubinden und die Freiheitsbewegung zu brechen. Auch die Rolle der Arbeiterschaft wird erwähnt.
Ein Interview mit Hossam El-Hamalawy, Internet-Autor (Blogger) und Aktivist aus Kairo, über die sich ausbreitenden Streiks der Arbeiter.
Ein Filmbericht zu den Positionen der US-Regierung in Washington und der rechtsradikalen israelischen Regierung in Jerusalem, die zwar nicht zwigend ein- und dieselbe sein müssen, es aber dennoch meistens sind.
11.15 Uhr
Rund 3000 Rechtsanwälte marschieren vom Büro ihrer Vereinigung in Downtown Kairo zum Tahrir Platz.
11.42 Uhr
Der Präsident der ägyptischen Journalisten-Gewerkschaft, Makram Mohammed Ahmed, verkündet seinen Austritt. Zuvor hatten die Mitglieder wegen seiner regimetreuen Haltung über Tage seinen Rücktritt verlangt und Widerstand gegen die Gewerkschaftsführung organisiert.
12.40 Uhr
Auf dem Tahrir Platz treffen 1000 in weiss gekleidete Mediziner ein. Tosender Applaus bricht aus.
14.00 Uhr
Abermals sind Zehntausende auf dem Tahrir Platz. In Ägypten breiten sich die landesweiten Streiks langsam zu dem Generalstreik aus, den die in der FETU organisierten Arbeiter der Freiheitsbewegung gefordert haben.
Der Machtkampf zwischen der ägyptischen Gesellschaft und ihrer Diktatur geht weiter.
14.50 Uhr
Ein Interview mit der preisgekrönten Autorin Mona Eltahawy aus New York.
Unterdessen wird durch den britischen „Guardian“ öffentlich, dass das ägyptische Militär seit Ausbruch des Volksaufstands am 25.Januar heimlich Hunderte oder sogar Tausende von potentiellen Oppositionellen und verdächtigen Dissidenten in Lager verschleppt und gefoltert hat.
15.00 Uhr
In Port Said haben Einwohner in der Nacht das Gebäude der Staatssicherheit (State Security Intelligence, SSI), sowie vier weitere Regierungsgebäude gestürmt und in Brand gesetzt. Derzeit soll sich die Situation wieder beruhigt haben.
In Kairo wurde heute durch die Behörden der Körper eines vor zwei Wochen durch einen einzelnen gezielten Schuss getöteten 15-jährigen Jungen freigegeben. Der Körper wird von Einwohnern durch die Stadt getragen. Der Trauermarsch wird zur Anklage gegen das Mubarak-Regime.
15.15 Uhr
Al Jazeera Reporter berichten vom Platz der Befreiung (Tahrir Platz): die Koalition der Jugendgruppen wird in Kürze einen Forderungskatalog an die Diktatur bekannt geben.
Die Forderungen umfassen die Auflösung des Parlamentes, die Annahme einer Übergangsverfassung und die Implementation eines dreiköpfigen Präsidentschaftsrates, mit je einem Vertreter des Militärs und der Justiz, um die Vorbereitung von Wahlen des Parlamentes und des Präsidenten zu überwachen.
15.45 Uhr
Derweil in Peking: Das bei internationalen Konzernen und Banken hochbeliebte Regime von China gibt bekannt, es unterstütze das Bemühen der ägyptischen Kollegen
„die soziale Stabilität zu erhalten und die normale Ordnung wieder herzustellen„.
Bereits am 31. Januar hatte das chinesische Regime im eigenen Kontrollbereich des weltweiten Kommunikations- und Informationsnetzes („Internet“) das Suchwort „Ägypten“ aus den Suchmaschinen bannen lassen. Der Sprecher des chinesischen Aussenministeriums Hong Lei zeigte sich an Tag 6 im Volksaufstand der Ägypter für Freiheit und Demokratie besorgt darüber, dass Kollege Husni die Situation irgendwie entgleiten könnte:
„China hat die Entwicklung der Situation in Ägypten eng verfolgt. Ägypten ist ein mit China befreundetes Land und wir hoffen Ägypten kann die soziale Stabilität und normale Ordnung früh wiederherstellen.“
Kommentar: Sie schreiten schon seit langem Seit an Seit, in der internationalen Nomenklatura, im langen Marsch der Institutionen gegen die universellen Menschenrechte der Menschen und ihre Völker. Nun sind sie zum ersten Mal auf eines gestoßen, dass nicht gekniffen und sich gebeugt hat. So kann es weitergehen.
16.12 Uhr
In Ägypten bahnt sich eine Sensation, vielleicht ein Wunder an: der Oberste Rat der Streitkräfte (Supreme Council of Armed Forces) tritt zusammen. Gleichzeitig gibt der „Kommandeur der ägyptischen Armee“ bekannt, dass
„allen Forderungen der Opposition entsprochen wird“
Anmerkung: Kommandeur der Armee ist in der Militärstruktur Ägyptens Generalstabschef Sami Enan, der in der Woche zu Beginn des Aufstandes in Washington zu Besuch war.
16.20 Uhr
Bericht: Laut dem Chef der Staatspartei NDP tritt der Diktator Husni Mubarak noch heute Nacht zurück.
16.25 Uhr
Live, äygptisches Staatsfernsehen – Statement des Obersten Rates der Streitkräfte:
– Maßnahmen zur Rettung des Heimatlandes und der Umsetzung der Bestrebungen der Menschen
– ab jetzt regelmäßige Treffen des Obersten Militärrates
Liverübertragung Ende, 16.29 Uhr (17.29 Uhr ägyptischer Zeit)
16.35 Uhr
Analyse: Obwohl der Diktator Husni Mubarak immer noch im Amt ist, mehren sich überdeutliche Anzeichen dahingehend, dass der Rücktritt Mubaraks in der Tat unmittelbar bevorsteht. So war der Diktator als formeller Oberbefehlshaber beim Treffen des Obersten Militärrates nicht anwesend. Anwesend war Verteidigungsminister Mohammed Tantawi, offiziell als „Feldmarschall“ Vorgesetzter des Generalstabschefs und der äygptischen Streitkräfte.
Über den Platz der Befreiung erschallt donnernd der Ruf: „Das Volk und die Armee sind eins“.
16.45 Uhr
„NBC News“ berichtet unter Bezug von zwei Quellen, dass Diktator Mubarak zurücktritt und Vize-Präsident Omar Suleiman die Macht übernimmt.
Dem Bericht zufolge steht eine Fernsehansprache Mubaraks bevor.
17.00 Uhr
Noch ein Wunder: die CIA hat etwas mitbekommen. CIA-Chef Leon Panetta verkündet, Mubarak werden mit „höchster Wahrscheinlichkeit“ im Laufe des Abends zurücktreten.
17.10 Uhr
Bericht: Armee verhinderte zuvor eine Fernsehansprache Mubaraks, in der dieser Suleiman die Macht übertragen wollte.
Analyse: Das Militär, speziell die Armee, hat hier eingegriffen. Alles dreht sich um die Frage, ob die von der Koalition der Jugendbewegungen geforderte Übergangsverfassung durch das Militär in Kraft gesetzt wird, oder ob und wie der Übergang der Macht entsprechend der derzeitigen Verfassung erfolgt.
Wie ich bereits mehrfach schrieb, gibt es nach Artikel 82 Verfassung die Möglichkeit für den Diktator die Macht an einen Vizepräsidenten zu übertragen, ohne entsprechend Artikel 84 den Prozess zu sofortigen Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen in Gang zu setzen.
17.23 Uhr
Premierminister Ahmed Shafiq: Mubarak ist „nach wie vor Präsident und keine Entscheidungen haben das geändert.“
17.44 Uhr
Al Jazeera Reporterin Sherine Tadros berichtet von verstärkter Präsenz des Militärs in Kairo.
17.49 Uhr
Reporter Alan Fisher recheriert: der Oberste Militärrat (Supreme Council of Armed Forces) ist bisher nur dreimal überhaupt in der Geschichte Ägyptens öffentlich zusammengetreten: 1967, 1973 und heute.
18.02 Uhr
Im Weissen Haus erklärt Regierungssprecher Robert Gibbs:
„Der Präsident sieht sich das Gleiche wie sie an. Ich weiss nicht, wie der Ausgang sein wird.“
18.19 Uhr
Ein Statement des US-Außenministeriums wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Ein Sprecher der Muslimbruderschaft befürchtet einen Militärputsch.
20.00 Uhr
Unzureichende Umschreibung von Geschichte: Ganz Kairo ist elektrisch. Inmitten der Dynamo: der Platz der Befreiung, der Tahrir Platz. Nicht nur Ägypten, die ganze Welt wartet auf die Fernsehansprache von Husni Mubarak udn den Rücktritt des Diktators.
20.25 Uhr
Die Rede Mubaraks wird für 21.00 Uhr deutscher Zeit (20.00 pm GMT) angekündigt.
21.05 Uhr
Die Rede von Mubarak verspätet sich. Der Informationsminister Mubaraks hat vor Minuten verlautbart, der Diktator werde „definitiv nicht“ zurücktreten. Zuvor hatte das Weisse Haus geäußert, die Situation in Ägypten sei immer noch „in Bewegung“ („fluid“).
Spekulationen werden laut, die Rede könnte nicht live, sondern eine Aufzeichnung sein.
Auf dem Tahrir Platz fordern Hunderttausende von Ägyptern laustark den sofortigen Rücktritt des Diktators. Auch das Staatsfernsehen überträgt live.
21.20 Uhr
Das Staatsfernsehen: Rede Mubaraks beginnt „in Kürze“.
21.26 Uhr
Bemerkung eines Beobachters (das bin ich): Der Tahrir Platz ist jetzt und hier der Mittelpunkt einer Neuen Welt. Einer Neuen Welt, die nicht mehr aufzuhalten ist.
21.36 Uhr
Al Jazeera live: nach Infomationen der Redaktion könnte Mubarak ein Ende des seit 30 Jahren in Kaft befindlichen Ausnahmezustands und die Übertragung seiner Kompetenzen an Vize-Präsident Suleiman verkünden, aber im Amt bleiben.
Analyse: Das würde die Freiheitsbewegung nur weiter stärken. Die Ägypter wollen den sofortigen Rücktritt des Diktators. Alles andere ist irrelevant.
Worauf auch immer man sich dann einigen kann, es kommt danach.
21.33 Uhr
Das Staatsfernsehen zeigt Bilder von Mubarak und seinem Vize Suleiman, dass offenbar den Tag über stattfand. Es wird nicht öffentlich, was bei dem Treffen entschieden worden ist.
21.47 Uhr
Rede von Mubarak beginnt.
Er spricht alle Ägypter an, auch die Menschen auf dem Tahrir Platz an. Das Blut der Gefallenen im Volksaufstand sei nicht umsonst geflossen. Mubarak verspricht eine Strafverfolgung der Verantwortlichen für Gewalt gegen Unschuldige.
Er spricht von „Fehlern“, die in seinem Regime gemacht worden seien. Er werde sich keinen „Diktaten“ von außen beugen. Er werde wie angekündigt nicht für die nächsten Präsidentenwahl antreten. Er betont seine Verantwortung die Verfassung zu beschützen. Er werde seine Arbeit fortsetzen.
Analyse: Mubarak tritt nicht zurück.
Roadmap und Zeitplan für eine „friedliche Machtübergabe“ im September werden angekündigt.
Rufe in der Menge auf dem Tahrir Platz brechen aus. Sein Rücktritt wird gefordert.
Mubarak erklärt nach Artikel 189, dass er auf Vorschlag des Verfassungs-Komitees er sechs Verfassungszusätze erlassen werde. Artikel 179 soll aus der Verfassung gestrichen werden.
Der Ausnahmezustand wird nicht aufgehoben.
Er habe vor, Vertrauen in sein Regime wieder herzustellen. So könne es nicht weitergehen.
Alle Ägypter seien im gleichen Boot. Man solle freundlich sein zueinander. Vertrauen in die Wirtschaft, Stabilität und Sicherheit. Loyalität. Es sei an der Zeit, wieder zum normalen Leben zurückzukehren. „Ich zog in den Krieg. Ich habe Siege errungen. Es war mein glücklichster Tag als ich die Flagge Ägyptens hisste..“
„Hau ab, hau ab“. „Hau ab, hau ab“. Vom Platz der Befreiung rufen es die Hunderttausende Menschen ihrem Diktator zu.
Mubarak: Übergebe Machtbefugniss an Suleiman.
Ende der Rede 22.04 Uhr
Die Menschen auf dem Tahrir Platz rufen: „Er muss gehen, er muss gehen“.
22.09 Uhr
Analyse: Mubarak macht das, was ihm die Schlangenzungen seiner Berater geraten haben: das übliche Verhalten von Usurpatoren im „westlichen“ Einflußbereich einfach zu kopieren und auf seinem Sessel Kaugummi zu spielen. Nun gibt es morgen den nächsten Marsch der Millionen, höchstwahrscheinlich einen sich ausbreitenden Generalstreik und eine nochmalige massive Stärkung der Freiheits- und Demokratie-Bewegung in Ägypten.
Das Ganze ist auch die billige, plumpe Rache eines alten Mannes und der Kräfte hinter ihm gegenüber der Washingtoner US-Regierung. Die Blamage für alle, die jemals Mubarak unterstützt und finanziert haben, ist endlos. Was für eine peinliche Situation. Köstlich. ^^
22.37 Uhr
Rede Suleiman im Staatsfernsehen.
Tür für Dialog sei weiterhin offen. Aufruf an alle Bürger zuversichtlich in die Zukunft zu schauen. Es werde eine helle Zukunft sein. „Ihr seid ein Volk von Helden“. Es dürfe kein Chaos geben. Heimatland. Heimatland.
Jugend von Ägypten: geht nach Hause. Euer Land braucht Euch. Seht Euch kein Satellitenfernsehen an.
Suleiman appelliert an das Militär. Dann: „Lasst uns vorwärts marschieren.“
Analyst aus London auf Al Jazeera: Das ist politischer Selbstmord des Regimes. Das wird eine Revolution hervorrufen. Vielleicht die blutigste Revolution in der Geschichte der Welt.
Analyse: Jeder, der es auf ein Blutbad anlegt, wird jetzt jubeln. Und er wird wieder daneben liegen. Wieder.
Meiner Einschätzung nach ist diese Starrköpfigkeit Mubaraks und der tumbe, plumbe Betrugsversuch der Heerscharen hinter ihm, der größte Glücksfall, der größte Test, den die Menschheit in ihrer Geschichte seit dem Römischen Imperium gesehen hat. Nun wird sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit zeigen, wie gut die Menschen wirklich sind und wie abscheulich, zynisch und allein die Prediger und Nutznießer ihrer Unterwerfung.
23.25 Uhr
Ein pro-Demokratie-Aktivist berichtet, dass sich bereits Hunderte von Menschen Richtung Präsidentenpalast in Bewegung gesetzt haben. Der Dissident versichert: es werde morgen die größte Demonstration in der Geschichte Ägyptens geben.
23.50 Uhr
Analyse: Dies ist eine psychologischer Krieg, ein Nervenkrieg. Ebenfalls ist dies eine Schlacht der Philosophie und der Schlacht der Philosophen, wobei man bemerken muss, dass sich die Einen Philosophen nennen und Sophisten sind, also einfach Dummschwätzer die ihre eigen Lügen solange vor sich hinbeten, bis sie diese sogar selbst glauben. Was Sophisten (moderne Version: Neokonservative) auszeichnet, ist das gewisse Nichts und die Eigenschaft jeden fairen Wettbewerb und jede freie Wahl konsequent zu verlieren. Deshalb suchen sie stets die Nähe der Mächtigen, sowie der scheinbar oder tatsächlich Überlegenen und werden von diesen naturgemäß oft finanziert, da sie im Gegenzug das hören, was sie wollen.
Dabei ist jeder feudale Herrscher und jede feudale Schicht immer der Gefahr ausgesetzt, dass die Beherrschten merken, dass jeder Feudalismus in sich ein Paradoxon ist, da er die Herrschaft des Schwächeren (einer verschwindenden Minderheit) über einen Stärken (die überwältigende Mehrheit) darstellt. (DIE ELEMENTE DES MENSCHEN (II): Das Zweite Paradoxon Feudalismus, 28.Juni 2010)
Das Fatale an dieser Nichtphilosophie des Geschwätzes ist, dass sie mit Waffengewalt durchaus Realität werden kann, indem man den lieben Untertanen einfach befiehlt den Mist zu glauben, der einem von den lieben Beratern als Realität verkauft wird. Tun die – bisweilen renitenten – Untertanen das irgendwann nicht mehr, enden sie auf dem Scheiterhaufen oder Äquivalenten unseres modernen idiotisch-idiotischen Abendlandes.
Fazit: Mubaraks offensichtlicher Realitätsverlust ist der von Angela Merkel, Nicolas Sarkozy, Benjamin Netanjahu und auch Barack Obama, vielleicht einem der größten Versager in der Geschichte der parlamentarischen Demokratie.
Praktischer Vorschlag: Ich würde morgen nicht auf den Präsidentenpalast marschieren, da die Versager und plumpen Geister, gegen die die Ägypter zu Feld ziehen, sich bereits auf diesen Zug vorbereitet haben und ein Blutbad versuchen werden.
Ich würde auch vor dem Parlament, ich würde sicherlich auch vor jedem anderen Gebäude des Regimes (außer dem Präsidentenpalast) demonstrieren. Aber zuerst würde ich vor dem Gebäude der einzigen echten unersätzlichen Stütze des Diktators demonstrieren – und das ist das Hauptquartier des regimetreuen Einheitsgewerkschaftsbundes “Egyptian Trade Union Federation” EFTU, mit 23 Einzelgewerkschaften und 2.5 Millionen Mitgliedern.
Ein Generalstreik, ein einziger, umfassender, anhaltender Generalstreik und die Diktatur ist weg vom Fenster. Jede Diktatur ist dann weg vom Fenster. Das ist das Geheimnis.
Mitternacht
Die Nacht ist am Tiefsten. Der Tag ist am Nächsten.
Ein neuer Tag, in einer Welt, die sich verwandelt hat.