„Bébé-médicament“
In Frankreich wurde am 26.Januar 2011 im Antoine-Béclère-Krankenhaus in Clamart ein Baby geboren, das seine genau geplante Existenz auf dieser Welt einem ganz bestimmten Zweck verdankt: als passender Blutspender. (Foto: Tomen, Wikipedia)
Das Kind wurde durch In-vitro-Befruchtung gezeugt, die Embryonalzellen wurden zuvor so ausgewählt, dass sie nicht die Beta-Thalassämie-Erbkrankheit der Familie enthalten, mit der andere Familienmitglieder geboren wurden und dass die Zellspende mit dem Blut eines älteren Bruders verträglich ist.
Unabhängig von gesamtgesellschaftlichen Diskussionen zu Geburten als Organspender für andere Menschen ist das Recht auf Selbstbestimmung über seinen eigenen Körper in diesem speziellen Fall Umut – so wurde das Kind genannt – verwehrt.
Wird ihm als Kind die Blutspende entnommen, kann es sich nicht wehren, weil es diesen Eingriff nicht verstehen wird und nicht dazu in seinem Abhängigkeitsverhältnis und Vertrauen zu Erwachsenen – den Eltern – in der Lage ist. Es ist davon auszugehen, dass von den Ärzten dieser Eingriff in diesem Zeitraum geplant ist, denn achtzehn Jahre bis zur Volljährigkeit zu warten ist in diesem Fall wohl illusorisch. Möglicherweise ist geplant, Stammzellen des Rückenmarks zu transplantieren.
Als Volljähriger wird sich Umut der möglicherweisse dauerhaften Spende auch nicht entziehen können, weil der moralische Druck für diese Verpflichtung viel zu gross ist. Im besten Fall kann sich ein Verantwortungsgefühl der Notwendigkeit einstellen.
An Beta-Thalassämie Erkrankte sind lebenslang bluttransfusionsabhängig und leiden unter den Nebenwirkungen. Bei einem durchschnittlichen Transfusionsbedarf von 200 ml / kg Körpergewicht / Jahr werden einem zirka 30 kg schweren Patienten jedes Jahr zirka 6 g Eisen zugeführt. Die dadurch entstehende zunehmende Eisenvergiftung des Körpers führt zu schweren Organschäden im Bereich von Herz, Leber und Bauchspeicheldrüse.
Niemand kann jedoch die seelischen Belastungen voraussagen, wenn Umut jemals erfahren sollte, dass sein von den Eltern und Ärzten kalkuliertes Dasein als therapeutisches Objekt auf diese Weise zustande kam.
Die Motivation der Eltern ist zu verstehen, die ihren schwer erkrankten Kindern mit einem passend „designten“, jederzeit verfügbaren Blutspender helfen wollen, den sie auch in ihr Herz wie jedes ihrer Kinder schliessen werden – nicht jedoch in Hinsicht auf das Befinden und die Reaktion ihres jüngstes Familienmitgliedes, welches nicht vorhersagbar sein kann.
Der medizinische Fortschritt kann nicht dazu dienen, die Befruchtung und die Geburt von Menschen durch gezielte Auswahl ihrer Eigenschaften in die Wege zu leiten. In diesem Fall geht es „nur“ um die Entnahme von Blut, was täglich auch Tausende von Menschen, allerdings freiwillig, leisten. Es werden jedoch schleichend ethische Grenzen verwischt.
Der nächste Schritt sind schliesslich ausgewählte Babies, deren vorherbestimmtes Schicksal als Organspender für Nierentransplantationen ist – wo ist dann ein Problem für die Gesellschaft, man hat ja zwei Nieren und ist explizit dazu geboren worden, eine an den passenden Empfänger abzutreten und bleibt dabei am Leben. Die Verantwortlichen werden dafür sorgen, dass diese Notwendigkeit nicht als Organauschlachten bezeichnet werden wird sondern gesellschaftliche Akzeptanz erhalten soll.
Ethikkommissionen zur Überwachung und Kontrolle des medizinisch Machbaren einzurichten ist sinnlos, da einzelne Mitglieder nicht vorurteilsfrei entscheiden können. Zu gross sind die Einflussnahmen des biomedizinischen Industriekomplexes mit seinem Rattenschwanz an Forschungseinrichtungen und abhängigen Gutachtern.
Das ist keine Frage der „Moral“, die ist als Definitionsfrage immer vom Betrachter abhängig.
Die Zeugung und Geburt eines Menschen darf generell keinen Auswahlkriterien zu einem bestimmten Zweck unterliegen und ist genauso einzuordnen und abzulehnen wie das Klonen von Menschen oder die Vernichtung „unwerten Lebens“ in den Krankenhäusern des Dritten Reiches.
Quelle: http://derstandard.at/1296696684904/Bioethikgesetz-Geboren-um-Geschwister-zu-retten