Analyse zur UN-Resolution: Eine umfassende Kriegsvollmacht gegen Libyen
Um zu verstehen, was da gestern im Angst-Nebel der Atomaffäre von Fukushima und der humanitären Katastrophe in Japan nun tatsächlich in New York über die Weltbühne ging, ist es zunächst einmal wichtig sich zu erinnern, was die „United Nations Organisation“ (UNO) überhaupt ist. Die UNO ist keine demokratisch gewählte, sondern eine von Regierungen und Machthabern zusammengesetzte Organisation von Repräsentanten. Deshalb wird durch eben diese Repräsentanten, sowie durch die assoziierte Staatspresse und Informati0nsindustrie, gern das „O“ in UNO weggelassen. Um zu suggerieren, dass es sich bei dieser Leiche, diesem New Yorker Spielzeug, tatsächlich um Vereinte Nationen handelt und nicht etwa um Vereinte Regierungen und Machthaber.
Nun schauen wir uns den gestern von Regierungsvertretern aus 15 Staaten im New Yorker UNO/UN-Gebäude beschlossenen Text der Ermächtigung an.
UN Resolution 1973 (2011), deren Text nach den üblichen Gewohnheiten nicht auf der Webseite der UN zu finden war, ist im britischen „Guardian“ (1) dokumentiert. Sie bezieht sich im entscheidenden Passus u.a. auf die am 26.Februar im UN Sicherheitsrat unter dem Oberbegriff „Waffenembargo“ beschlossene UN Resolution 1970 (2011), deren Text ebenfalls nicht bei der UN, aber auf dipublico (2) zu finden ist.
Zuerst zu der gestern Nacht im Eilverfahren durchgepeitschten Resolution 1973.
Die Resolution beginnt, wie üblich, mit nichtssagenden und unverbindlichen Floskeln. Die eigentliche Ermächtigung beginnt dann mit einem Satz, der für sich schon einen so zynischen Bruch jedes Völkerrechtes darstellt, daß er sich – entsprechend der alten Formel faschistischer Propaganda „Je größer die Lüge, desto mehr Menschen glauben sie“ – nur noch auf die geistige Unterwerfung aller Gewohnheitsuntertanen verlassen kann. Jeder Jurist – jeder echte Jurist – muss sich dagegen mit Abscheu abwenden:
„Beschließend, dass die Situation in Libyen weiterhin eine Bedrohung für internationalen Frieden und Sicherheit darstellt“
Wie man den Bürgerkrieg in Libyen und die Rebellion gegen den Diktator Muammar el Gaddafi auch immer bewertet: eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit ist nicht der libysche Bürgerkrieg, sondern die Ermächtigung des UN Sicherheitsrates für einen internationalen Angriff auf Libyen.
Warum aber ist diese abgrundtief zynische Verdrehung des Völkerrechtes für die Resolution zwingend notwendig? Weil sich der Sicherheitsrat auf Kapitel VII der am 26.Juni 1945 beschlossenen UN Charta beruft.
Kapitel VII der UNO Charta wendet sich gegen Handlungen, die eine „Bedrohung des Friedens, Brüche des Friedens und Akte der Aggression“ darstellen. Wörtlich heisst es in Artikel 39, Kapitel VII, UN Charta:
„Der Sicherheitsrat soll die Existenz irgendeiner Bedrohung des Friedens, eines Friedensbruchs oder Aktes der Aggression feststellen und soll Empfehlungen aussprechen, oder entscheiden, welche Maßnahmen unternommen werden sollen, in Übereinstimmung mit Artikel 41 (Anm.: nichtmilitärische Maßnahmen, wie Abschaltung der Kommunikations-Infrastruktur) und 42 (Anm.: militärische Maßnahmen), um internationalen Frieden und Sicherheit wieder herzustellen oder zu erhalten.“
Wir verstehen das jetzt. Nein, dies ist nicht das Mittelalter. Nein, ich bin kein Pfaffe auf der Kanzel, der Ihnen in Latein (was sie nicht verstehen) die Bibel vorliest und behauptet, da steht drinnen dass Sie Ihr ganzes Leben lang ein blöder Ochse der Katholischen Kirche zu sein haben. Nein.
Sie verstehen das. Das ist in deutsch. Ich habe es Ihnen übersetzt. Sie können lesen, was da steht. Und wenn Sie jetzt mal ganz, ganz doll in sich gehen – und da nicht bleiben – dann können Sie auch verstehen, was da steht, in Kapital VII, in der UN Charta von 1945. Und jedem Rechtsverdreher, Lügner und Heuchler, der Ihnen erzählen will, dass Sie das nicht können – lesen, verstehen – dem können Sie immer noch sagen, wohin er sich scheren kann. Haben Sie mich verstanden? Ist das jetzt klar, Herr Sapiens?
Na bestens. Dann können wir ja weiter machen.
Der Beschlusstext von Resolution 1973 (2011):
„1. Ermahnend..
2. Betonend..
3. Ermahnend..
4. Autorisiert die Mitgliedstaaaten, die den Generalsekretär unterrichtet haben, national oder durch regionale Organisationen oder Absprachen zu handeln, und in Kooperation mit dem Generalsekretär zu handeln, um alle notwendigen Maßnahmen zu unternehmen, ungeachtet Paragraf 9 von Resolution 1970 (2011), um Zivilisten und zivil bevölkerte Gebiete in Libyen, eingeschlossen Benghazi, zu beschützen, die der Bedrohung eines Angriffs ausgesetzt sind, unter Ausschluss einer Besatzungsmacht in jeder Form in jedem Teil libyschen Territoriums…
5. Anerkennend…
6. Beschließt ein Verbot von allen Flügen im Luftraum von Libyen zu etablieren…
7. Beschließt des Weiteren… (Anm.: dass damit nur die Flüge gemeint sind, die die intervenierenden Mächte nicht für angemessen halten)
8. Autorisiert die Mitgliedsstaaten, die den Generalsekretär (der UNO) und der Arabischen Liga unterrichtet haben, national und durch regionale Organisationen und Absprachen zu handeln, um alle notwendigen Maßnahmen zu unternehmen, um die Einhaltung des durch Paragraf 6 obenstehend verhängten Flugverbotes zu erzwingen, wie es nötig ist…eingeschlossen durch die Etablierung eines angemessenen Mechanismus zur Umsetzung der Bestimmungen von Paragraf 6 und 7 obenstehend.“
Das ist eine doppelt abgesicherte Vollmacht für den Einsatz aller Streitkräfte der Mitgliedsstaaten im UN Sicherheitsrat auf libyschem Territorium, zu Lande, zu Wasser, in der Luft, sowie durch Weltraumkapazitäten.
Der in Paragraf 4 eingebaute „Ausschluss einer Besatzungsmacht in jeder Form in jedem Teil libyschen Territoriums“ besagt nicht den Ausschluss des Einsatzes von Bodentruppen der Invasionsmächte. Eine Besatzungsmacht kann man schlicht dadurch vermeiden, dass man den eigenen Proxy-Armeen zuerst den Weg freischießt und dann den Rücken freihält, um ggf. auch dort besser treffen zu können, falls diese eigene Wege einschlagen sollten.
Der zudem in Paragraf 4 eingebaute Verweis auf Resolution 1970 (2011) ist zudem eine weitere Absicherung. Bereits diese am 26.Februar in New York beschlossene erste Selbstermächtigung des Sicherheitsrates hinsichtlich Libyen, ermöglicht es den Mitgliedsstaaten in Paragraf 9 ein Embargo gegen Libyen durchzusetzen, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, betreffend die „direkte oder indirekte Versorgung“ mit „Waffen und in Bezug stehendes Material aller Art“ – und zwar durch „notwendige Maßnahmen“. (2)
In der neuen UN Resolution 1973 wird nun auch Resolution 1970 entscheident verändert. In Paragraf 13 der Resolution 1973 wird Paragraf 11 der Resolution 1970 ersetzt. Vorher und nachher im Vergleich.
Paragraf 11, Resolution 1970, bisher im Original:
„11. Calls upon all States, in particular States neighbouring the Libyan Arab Jamahiriya, to inspect, in accordance with their national authorities and legislation and consistent with international law, in particular the law of the sea and relevant international civil aviation agreements, all cargo to and from the Libyan Arab Jamahiriya, in their territory, including seaports and airports, if the State concerned has information that provides reasonable grounds to believe the cargo contains items the supply, sale, transfer, or export of which is prohibited by paragraphs 9 or 10 of this resolution for the purpose of ensuring strict implementation of those provisions;“
Paragraf 11, Resolution 1970 seit gestern:
„Calls upon all Member States, in particular States of the region, acting nationally or through regional organisations or arrangements, in order to ensure strict implementation of the arms embargo established by paragraphs 9 and 10 of resolution 1970 (2011), to inspect in their territory, including seaports and airports, and on the high seas, vessels and aircraft bound to or from the Libyan Arab Jamahiriya, if the State concerned has information that provides reasonable grounds to believe that the cargo contains items the supply, sale, transfer or export of which is prohibited by paragraphs 9 or 10 of resolution 1970 (2011) as modified by this resolution, including the provision of armed mercenary personnel, calls upon all flag States of such vessels and aircraft to cooperate with such inspections and authorises Member States to use all measures commensurate to the specific circumstances to carry out such inspections“
Haben Sie´s gemerkt? Es verschwindet, ganz unauffällig, sowohl die bindende Pflicht für die Regierungen der Nachbarstaaten Libyens – namentlich für den Militärrat Ägyptens und die Übergangsregierung Tunesiens – sich bei ihren Embargomaßnahmen einerseits an eigenen Gesetze („legislation“), als auch an das Völkerrecht („international law“) zu halten. Das dürfte besonders interessant werden, wenn es die USA und ihre Alliierten tatsächlich schaffen, den Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, zum nächsten Präsidenten Ägyptens zu machen. Dieser skrupellose Heuchler und Verräter von allem und jedem wäre als ägyptischer Präsident willfähriges Intrument Washingtons und auch das gewisser Kanaillen in Asien, wie zum Beispiel der Saudis, oder anderer Gewohnheits-Monarchisten. Moussa würde nicht eine Sekunde zögern ganze Staaten für seinen persönlichen Profit zu opfern.
US-Außenministerin Hillary Clinton war gestern in Tunesien. Was machte Sie da? Warum fragte niemand? Geht es um Aufmarschgebiete von Nichtbesatzungstruppen, Luftflotten, Marinestützpunkte? Würden Sie anstelle der USA nicht auch versuchen in das „Machtvakuum“ – im Volksmund Freiheit genannt – einzufallen, dass zwei EU-nahe Diktatoren hinterlassen haben, praktischerweise einmal östlich und einmal westlich von Libyen?
Mit dieser Vollmacht zur willkürlichen Intervention der Nachbarländer Libyens, Ägypten und Tunsesien, ist jedenfalls die Grundlage für einen permanten Krieg in Nordafrika und im Mittelmeer gelegt. Bereits gestern drohte Gaddafi mit Angriffen im Mittelmeer. Und ebenfalls gestern antwortete der Militärrat Ägyptens auf eine Äußerung Clintons, die eine „arabische Verwicklung“ („arab involvement“) in den Krieg gegen Libyen betonte. Ein Sprecher des Aussenministeriums in Kairo stellte klar (3):
„Ägypten wird nicht unter diesen Arabischen Staaten sein. Wir werden nicht in irgendeine militärische Intervention involviert sein.“
Was für ein Zufall, dass nun heute sowohl Vertreter der US-Regierung, als auch Vertreter des sogenannten „Nationalrates“ der Aufständischen in Libyen, gegenüber dem „Wall Street Journal“ (4) bekannt gaben, dass die Rebellen per Seeweg ganze Schiffsladungen voll Waffen aus Ägypten bekommen, mit Einverständnis Washingtons. Was für einen Sinn soll diese Bekanntgabe haben, außer mit aller Macht zu versuchen Ägypten in den Libyen-Krieg hinein zu ziehen?
Ach ja – Resolution 1973 läuft nicht aus. Es gibt keine zeitliche Begrenzung.
Ach ja – bereits in Resolution 1970 wurde in Paragraf 24 eine „Sanktions-Komitee“ geschaffen. Darin sitzen Regierungsvertreter der Staaten im UN Sicherheitsrat.
Ach ja – in Resolution 1973 wurde nun gestern ein achtköpfiges „Expertengremium“ geschaffen, welches dem Sanktions-Komitee unterstellt ist, die Umsetzungen der UN Resolutionen (also die Militärinterventionen gegen Libyen) überwachen, koordinieren, sowie „Informationen sammeln“ und dem Sicherheitsrat konkrete operative Vorschläge unterbreiten soll. So etwas nennt man einen Kriegsrat.
Und warum nur hören Sie darüber nichts? Nichts von irgendwelchen Journalisten, irgendwelchen Juristen, irgendwelchen Abgeordneten, 621 allein im Bundestag, die Sie bezahlen, aber von denen 24 noch nicht einmal gewählt sind, sondern durch verfassungswidrige Überhangmandate eingezogen sind.
Wo ist Ihre heile Welt geblieben? Na? Ohhh, gucken Sie gerne Helden in Fukushima. Jaaaa, das tut gut. Endlich mal Opfer. Echte Opfer. Opfer.
Wie war das? Das Auge findet, was es sucht?
Denken Sie mal darüber nach.
(…)
Artikel zum Thema:
17.03.2011 Merkel-Westerwelle-Regierung unterstützt UN-Resolution für Angriffskrieg auf Libyen
04.03.2011 Deutsche Kriegsschiffe vor Libyen: Staatsparteien, Militär und Informationsindustrie decken Vorbereitung zum Angriffskrieg
03.03.2011 Ein kleines bisschen Schweinebucht
25.02.2011 Der Große Diktator über Libyen
24.02.2011 RINGEN UM LIBYEN (I): EU aktiviert Interventions-Mechanismus
Quellen:
(1) http://www.guardian.co.uk/world/2011/mar/17/un-security-council-resolution
(2) http://www.dipublico.com.ar/english/news/full-text-of-resolution-1970-2011-libya/
(3) http://blogs.aljazeera.net/live/africa/libya-live-blog-march-17
(4) http://online.wsj.com/article/SB10001424052748704360404576206992835270906.html?mod=WSJEurope_hpp_LEFTTopStories