Kriegsrat in Paris: Rebellen brechen Flugverbot, Kampfflugzeug abgestürzt

Zur Zeit beraten in der französischen Hauptstadt eine Reihe von Staats- und Regierungschefs, sowie Vertreter internationaler Organisationen über einen Angriff auf Libyen. Anwesend sind u.a. der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UNO), Ban Ki Moon, der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa (der sich immer noch allen Ernstes Hoffnung macht zum Präsidenten Ägyptens gewählt zu werden), sowie hochrangige Führungsmitglieder der Regierungen aus den Mitgliedstaaten des „Nordatlantikpaktes“ (Nato) und der „Europäischen Union“ (EU). Des Weiteren sind natürlich auch die USA vertreten, die Premierminister Großbritanniens und Kanadas sind ebenfalls angereist. Gerade Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy drängt seit Tagen auf einen schnellen Angriff auf Libyen und die Streitkräfte von Diktator Muammar el Gaddafi.

Vorgestern Nacht hatte man eine umfassende Kriegsvollmacht gegen Libyen durch den UNO-Sicherheitsrat autorisiert bekommen. Die UN Resolution 1973 umfasste u.a. eine Flugverbotszone über Libyen (Analyse zur UN-Resolution: Eine umfassende Kriegsvollmacht gegen Libyen).

Doch heute dann – etwas sehr, sehr Peinliches.

Informationindustrie und Staatspresse der Nato-Länder waren sich heute morgen wieder einmal schnell einig – zweifellos habe Diktator Gaddafi in die Steckdose gefasst, während USA, Nato und EU über einen Militärschlag gegen Libyen und seine Truppen beraten. Durch die entsprechenden Presseorgane wurde ein Bruch des Flugverbots durch die Streitkräfte Gaddafis nahegelegt, wenn man sich auch nicht festlegte. Das Bellizisten-und Kriegsblatt Nr. (1) :

„Reporter Jonathan Stock beobachtete, wie ein Flugzeug über der Rebellenstadt abgeschossen wurde. Es könnte sich dabei um einen Kampfjet der libyschen Armee gehandelt haben, der von Luftabwehrgeschützen getroffen wurde“

Wie peinlich, dass dem ausgerechnet ein Vertreter der Rebellen in Benghazi widersprach. Ein Rebellen-Sprecher gegenüber AFP am Telefon (2):

„Ja, es war ein Flugzeug der Aufständischen. Es wurde von Gaddafis Streitkräften abgeschossen. Nach dem, was ich gehört habe, ist der Pilot tot, aber ich kann das nicht bestätigen.“

Doch auch diese Aussage ist in Zweifel zu ziehen.

Mal abgesehen davon, daß die Rebellen selbst einräumen das von der UNO verhängte Flugverbot gebrochen zu haben – wie können Gaddafis Streitkräfte einen Kampfjet über Benghazi abschiessen, wenn die Streitkräfte Gaddafis nicht in Benghazi sind? Augenzeugen berichteten nichts über einen Einschlag im Mirage-Kampfbomber, etwa durch eine Rakete oder gar ein anderes Flugzeug. Vielmehr habe der Kampfjet plötzlich am hinteren Ende Feuer gefangen und sei dann über bewohntem Gebiet abgestürzt. Der Pilot rettete sich übrigens mit dem Schleudersitz (3).

Dass jemand auch, an diesem so entscheidenden Tag, die Waffenruhe in Libyen brach, steht außer Zweifel. Nur wer? „Medien-Vertreter“ sprachen von mindestens zwei Luftangriffen und Artillerie-Feuer auf das südliche Ende von Benghazi. Wer verursachte dieses? Und wurden die Rebellen angegriffen, oder vielmehr die Truppen Gaddafis, wie das Regime in Tripolis behauptete und jeden eigenen Luftangriff dementierte (4). Zumindest „erbeuteten“ die Rebellen laut eigener Aussage in ihrer Vorwärtsverteidigung gleich vier Panzer (5).

Erbeutet? Oder im schlicht im Einsatz?

Die Glaubwürdigkeit der libyschen Rebellen und ihrer Vertreter steht generell in Zweifel.

Mustafa Abdel Jalil (Mustafa Mohammed Abud al-Dschelail) war vier Jahre lang treuer Justizminister von Gaddafi und wechselte nach Beginn der Rebellion laut eigener Aussage wegen der Brutalität des Vorgehens seines bisherigen Regimes die Seiten. Heute ist dieser saubere Herr der Vorsitzende des „Nationalrates“, der selbsternannten Übergangsregierung in Ost-Libyen, die zwar beileibe nicht von allen Aufständischen anerkannt wird, dafür aber von der französischen Regierung. Mustafa Jalil verkündete nun vor knapp zwei Wochen, daß sein ehemaliges Regime seit vielen Jahren über Senfgas und damit über Massenvernichtungswaffen verfüge. Nun fragt man sich – wo sind sie denn hin, die 3500 Gas-Granaten und 25 Tonnen Senfgas, samt 300 Scud-Raketen? (6)

Was nun, musste man sich heute auch in Paris gefragt haben. Die Verbündeten in Benghazi hatten sich den Faux Pas eines Eingeständnisses vom Bruch des eben erst verhängten UN Flugverbots erlaubt; vom spektakulären Absturz eines der eigenen Kampfflugzeuge über bewohntem Gebiet ganz zu schweigen.

Nun, es hieß plötzlich aus Paris, man sei selbst über Benghazi geflogen (7). Der Elysee-Palast ließ verkünden, französische Kampfjets hätten Überflüge über Libyen begonnen, ganz plötzlich. Der Angriff habe begonnen. (8)

In Paris muss wohl derzeit nicht nur die französische Regierung verzweifelt sein.

Ganz anders sieht da es in einer Weltstadt mit Zukunft aus.

Quellen:
(1) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,751912,00.html
(2) http://www.timesofmalta.com/articles/view/20110319/local/libyan-rebels-say-their-war-plane-downed-in-benghazi
(3) http://www.deccanchronicle.com/channels/world/africa/thousands-flee-fighting-rages-around-libyas-benghazi-169
(4) http://blogs.aljazeera.net/live/africa/libya-live-blog-march-19
(5) http://www.welt.de/politik/ausland/article12884466/Rebellen-schlagen-Militaer-zurueck-erbeuten-vier-Panzer.html
(6) http://www.bild.de/BILD/politik/2011/03/06/libyen-krise-gaddafi-bunkert-chemie-waffen/kann-der-diktator-noch-gefaehrlicher-werden.html
(7) http://www.bild.de/BILD/news/telegramm/news-ticker,rendertext=16927360.html
(8) http://www.google.com/hostednews/ap/article/ALeqM5jhUybJ7gv0xUDW1sPfR4WCzneylA?docId=6319a5627a944a4c83ed942b72b6cfe1

letzte Änderung; 18.07 Uhr

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