Imperator Obama hat da ein Problem

Er ist nämlich kein Imperator. Er ist nur ein Präsident, der die ihm übergeordnete Verfassung gebrochen hat, indem er das Parlament über den Angriff auf Libyen durch das ihm unterstehende Militär nicht einmal informierte, geschweige denn dessen Erlaubnis einholte. Nun muss sich die Washingtoner Regierung in Anhörungen vor dem Kongress erklären. Barack Obama flüchtet sich dazu morgen in eine Fernsehansprache.

„Das Haus“ ist in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht das Weiße Haus. Dieser Kosename für den Amtsitz des Präsidenten kam erst später und drängelte sich zusammen mit seinem geschmeichelten jeweiligen Amtsinhaber eitel nach vorne, um sich fortan durch die Jahrhunderte wichtiger zu machen als er ist.

Das Haus in den USA ist immer noch das Repräsentantenhaus. Und der Sprecher des Hauses, John Boehner, schrieb nun vor drei Tagen dem Präsidenten im Weißen Haus, Barack Obama, einen Brief.

„Lieber Mr. Präsident,

danke für Ihren Brief, datiert auf den 21.März 2011, in welchem Sie die Handlungen Ihrer Administration hinsichtlich Libyen und der `Operation Morgendämmerung der Odysee` darlegen…

Ich respektiere Ihre Autorität als Oberster Kommandeur und unterstütze unsere Truppen während sie ihre Mission ausführen. Aber ich und viele andere Mitglieder des Repräsentantenhauses sind beunruhigt, daß Ressourcen des U.S. Militärs dem Krieg übergeben wurden ohne für das Amerikanerische Volk, den Kongress und unsere Truppen klar zu definieren, was die Mission in Libyen ist und was Amerikas Rolle darin ist die Mission auszuführen. Vielmehr haben die dem Amerikanischen Volk von Mitgliedern Ihrer Administration vorgetragenen limitierten, manchmal widersprüchlichen Sachverhalte einige fundamentale Fragen über unser Engagement unbeantwortet gelassen. Im Gegensatz dazu scheint es, dass Ihre Administration hinsichtlich dieser gleichen Angelegenheiten zur gleichen Zeit ausgiebig ausländische Institutionen wie die Vereinten Nationen und die Arabische Liga konsultiert hat.

Es ist meine Hoffnung, dass Sie dem Amerikanischen Volk und dem Kongress eine klare und robuste Einschätzung der Reichweite, dem Ziel und dem Nutzen unserer Mission in Libyen liefern werden und wie diese erreicht werden.“ (1)

Speaker of the House John Boehner listete eine Menge Fragen auf, die weder er, noch irgendwelche anderen dafür zuständigen Parlamentarier in den kriegführenden Ländern (oder in Bananenrepubliken voller Schwachköpfe die um Haaresbreite an dieser Katastrophe vorbei schrammten) vorher gestellt hatten.

Dazu gehörte die simple Frage, wie ein Sturz des Diktators Muammar el Gaddafi gewährleistet und als Ziel genannt werden könne, wenn die im UNO Sicherheitsrat am 17.März beschlossene Kriegsresolution 1973 einen Regimewechsel in Libyen überhaupt nicht mandatiere. Boehner zählt auf:

– es fehle eine Strategie.
– wann höre der Krieg eigentlich mal auf?
– sei es akzeptabel, dass am Ende Gaddafi an der Macht verbleibe? Und wenn nicht, wie wolle man ihn überhaupt stürzen? Und habe man eigentlich irgendwelche Standards, die man an ein neues Regime durch die Aufständischen anlege, bevor man dieses in Washington anerkenne?
– wie sehe es eigentlich mit der internationalen Unterstützung für den Krieg aus? Was passiere, wenn Mitglieder der Kriegskoalition ausstiegen? Würde dann automatisch die Kriegslast Amerikas antsprechend anwachsen?
– werde man auch am Boden Krieg führen?
– und überhaupt: gäbe es eigentlich so etwas wie eine klare Kommandokette für den Kriegseinsatz? Wer führe eigentlich wen? Boehner wörtlich:

„Gibt es klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Autoritäten und eine Kommandokette?“

All diese Fragen, so der Sprecher des Hauses der Vereinigten Staaten von Amerika, mündeten in eine fundamentale Frage der Amerikaner an ihren Präsidenten:

„Was ist Ihr Maßstab für Erfolg in Libyen?“

Für den zweithöchsten Repräsentanten der USA ist das schon etwas ungewöhnlich einen so offenen Brief an den Präsidenten zu schreiben. Noch ungewöhnlicher ist es, daß er es öffentlich tat. Geradezu haarsträubend und entsetzlich ist es jedoch, wenn das Niveau eines solchen Briefes über dem der Äußerungen jedes einzelnen deutschen Parlamentsabgeordneten und Journalisten liegt, mit Ausnahme ausgerechnet der FDP-Parlamentarier und -Minister.

Wir fassen noch einmal zusammen: am 17.März beschloss die Regierung von US-Präsident Barack Obama im UNO Sicherheitsrat u.a. mit den Stimmen von Frankreich, Großbritannien und Libanon eine umfassende Kriegsvollmacht gegen den souveränen Staat Libyen. Russland und China ermöglichten diesen Angriffskrieg, indem sie kein Veto gegen die Resolution einlegten, sondern sich der Stimme enthielten. Die Resolution verbietet zwar „Besatzungstruppen“ – aber sie verbietet keine Bodentruppen. (Analyse zur UN-Resolution: Eine umfassende Kriegsvollmacht gegen Libyen, 18.März)

Am 19.März, nach der Pariser Kriegskonferenz, begann unter massiver Beteiligung und selektiven Führung der US-Streitkräfte der Angriffskrieg gegen Libyen, eine offene und offizielle Intervention durch eine Kriegskoalition, die sich unter Beteiligung der US-Regierung selbst f0rmiert hatte. (Angriffskrieg gegen Libyen beginnt: Ticker)

Aber laut dem Sprecher des Hauses John Boehner informierte der Präsident erst am 21.März darüber den Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika.

Genau darum geht es nun – einen eklatanten Verfassungsbruch Barack Obamas. In den USA ist das noch eine ernste Sache. In typischen Bananenrepubliken dagegen rangiert das unter dem Bruch der Straßenverkehrsordnung.

In den USA ist dazu nun eine laute öffentliche Diskussion ausgebrochen, die in Deutschland durch Informationsindustrie und Staatspresse totgeschwiegen wurde. Gerade rechtskonservative Medien befeuern hämisch den Kriegspräsidenten der „Demokraten“ in der Regierungszentrale, der – sogar im Gegensatz zum letzten Kriegspräsidenten der „Republikaner“, George Bush – nicht einmal mehr die fundamentalsten Regeln der Verfassung einhält.

Auch war es von Obamas Sprecher Jay Carney nicht sehr geschickt, ausgerechnet „Präzedenzfälle“ anzuführen, bei denen ein US-Präsident bereits zuvor Truppen der USA in einen Krieg geschickt hatte, ohne die Zustimmung des Kongresses einzuholen. Zu diesen Präzedenzfällen zählt nämlich der ohne Mandat der UNO erfolgte Angriff der USA und Nato auf Yugoslawien und dessen Provinz Kososvo im Jahre 1999. Dieser erfolgte unter dem damaligen Präsidenten der „Demokraten“ Bill Clinton, dem Ehemann der jetzigen Außenministerin Obamas.

Eine andere Ausrede von Obamas Sprecher war ebenfalls ein Volltreffer, allerdings ins eigene Tor: der Präsident sei einfach zu beschäftigt und der Kriegseintritt einfach zu dringend gewesen (2) – wohlgemerkt: ein Krieg, der am 19.März offiziell wurde, nach all den Wochen, seit unter dubiosen Umständen am 17.Februar der Aufstand bzw Putsch in Libyen begann.

Fox News, Haus- und Hofsender der Neokonservativen, fragte zur Mißachtung von Verfassung und Parlament durch Obama höhnisch (3):

„Eine imperiale Präsidentschaft oder ein x-beiniger Kongress?“.

The American Conservative (4) über den Libyen-Krieg und Obama:

„Schlimmer als Kosovo, schlimmer als Bush“.

„USA Today“ (5) schrieb:

„Obama Team sieht sich wegen Libyen politischem Sturm gegenüber“.

Und Bruce Ackerman schrieb im „National Public Radio“ (6):

„Indem er das Land in einen Krieg mit Libyen zog, betritt Barack Obamas Administration Neuland in ihrer Konstruktion einer imperialen Präsidentschaft – einer Exekutive, die im In- und Ausland zunehmend unabhängig vom Kongress agiert. Der Besitz einer Resolution des U.N. Sicherheitsrates hat die U.S.-Bombardierungen nach internationalem Recht legitimiert. Aber die U.N. Charta ist kein Ersatz für die U.S.-Verfassung, die dem Kongress, nicht dem Präsidenten, die Macht verleiht den `Krieg zu erklären`“.

Am Freitag dem 25.März, sechs Tage nach Kriegsbeginn, informierte Obama schließlich in einer Video- und Telefonkonferenz leitende und entscheidende Kongressrepräsentanten, Abgeordnete und Mitglieder der wichtigen Ausschüsse. Der gescheiterte Imperator wurde dabei unterstützt von seiner derzeitigen Aussenminister Hillary Clinton, dem Leiter der Vereinigten Generalstäbe des US-Militärs („Chairman of the Joint Chiefs of Staff“) Michael Mullen, seinem Nationalen Sicherheitsberater Tom Donilon, sowie dem Leiter des US-Afrikakommandos (Africom) in Stuttgart, General Carter Ham, der teilweise das Kommando über die Militärs der Angreiferstaaten im Libyen-Krieg innehat.

Die am Freitag gebrieften Kongressabgeordneten waren (7):

– aus dem Repräsentantenhaus Sprecher John Boehner, Eric Cantor (Mehrheitsführer), Nancy Pelosi (Abgeordnetenführerin der „Demokraten“ im Haus), Steny Hoyer (Einpeitscher von Pelosi), Mitch McConnell (Führer der Abgeordneten der „Republikaner“), sowie dessen Einpeitscher Jon Kyl. Des Weiteren die Ausschussmitglieder Adam Smith (Mitglied im mächtigen Streitkräfte-Ausschuss und Befürworter des Irak-Krieges), Ileana Ros-Lehtinen (Aussenausschuss), Howard Berman (Aussen- sowie Justizausschuss), Mike Rogers (Korrektur: nicht Mike Rogers aus Alabama, Streitkräfte-Ausschuss, Unterausschuss für „strategische Streitkräfte“, wie wir zuerst berichteten, sondern der gleichnamige Abgeordnete aus Michigan, Vorsitzender des permanenten Geheimdienste-Ausschusses), Dutch Ruppersberger (Streitkräfte-Ausschuss, Unterausschuss für strategische Streitkräfte und permanenter Geheimdienste-Ausschuss), Hal Rogers (Vorsitzender des mächtigen Haushaltsausschusses, bei dem Möchtegern-Imperator Obama demnächst für jeden Cent im Libyen-Krieg auf Knien angekrochen kommen muss) und Norm Dicks (ebenfalls Haushaltsausschuss).

– aus der zweiten Kammer des Kongresses, dem Senat, wurden informiert die Senatoren Carl Levin, John McCain, John Kerry, Richard Lugar, Dianne Feinstein, Saxby Chambliss, Daniel Inouye und Thad Cochran.

Bereits zum Zeitpunkt der am 25.März von der Obama-Regierung durchgeführten Telefon- und Videokonferenz zur selektiven Einweihung oben aufgeführter Abgeordneter und Senatoren war die Washingtoner Regierung unter Druck. Sowohl Haus als auch Senat hatten schon am Freitag Anhörungen für die Präsidenten-Zentrale im Weissen Haus angesetzt. Ab Montag werden sich nun hochrangige Beamte Obamas aus allen Ministerien – eingeschlossen dem Verteidigungsministerium, dem Pentagon – auf kleine Stühle vor ein großes Podium setzen müssen. Auf diesem werden die Abgeordneten des Parlamentes der Vereinigten Staaten von Amerika sitzen und von oben herab den Regierungsbeamten Obamas eine Menge Fragen stellen.

Der gescheiterte Imperator Obama flüchtet sich nun morgen in einen letzten Ausweg, den sein Amt ihm bietet; in einer Fernsehansprache „zur Lage der Nation“ versucht er am Montag die Amerikaner für seinen verfassungswidrigen Kriegseintritt gegen Libyen zu gewinnen und auf seine Seite zu ziehen, bevor die Anhörungen im Kongress seiner jetzt schon auf ganzer Linie blamierten Präsidentschaft im Vorfeld der nächsten Präsidentschaftswahlen 2012 schweren Schaden zufügen werden.

Quellen:
(1) http://www.speaker.gov/News/DocumentSingle.aspx?DocumentID=230469
(2) http://cnsnews.com/news/article/crisis-libya-too-urgent-wait-congress-wh
(3) http://www.foxnews.com/politics/2011/03/25/imperial-presidency-knock-kneed-congress/
(4) http://www.amconmag.com/larison/2011/03/25/worse-than-kosovo-worse-than-bush/
(5) http://content.usatoday.com/communities/theoval/post/2011/03/obama-team-deals-with-political-storm-over-libya/1
(6) http://www.npr.org/2011/03/25/134848072/foreign-policy-the-imperial-presidency-of-obama
(7) http://www.sfgate.com/cgi-bin/blogs/nov05election/detail?entry_id=85809
(8) http://www.bloomberg.com/news/2011-03-25/washington-day-ahead-congress-presses-obama-on-libya-plan.html

Korrektur: 31.03.