Ex Ante im Bundestag

Griechenland Situation: Der Bundestag versteckt den Beschluss über einen neuen Milliarden-Tribut an die internationalen Banken, der beim Besuch der deutschen Regierung in Washington Anfang der Woche verlangt worden war.

Heute wurde im Bundestag, höchst unauffällig, über einen Antrag abgestimmt, der auf der Tagesordnung des Parlament nicht zu finden war. Unter nicht verbindlichen Einschränkungen, wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Brüssel dies und das an freiwilligen Versprechungen der Banken erreiche, etc, wurde durch CDU, CSU und FDP mehrheitlich die Zustimmung zur geplanten Auszahlung von weiteren 90 Milliarden Steuergeldern an die internationalen Gläubiger-Banken und anderen Inhaber von Zinsschuldtiteln Griechenlands beschlossen. Wieviel von diesen 90 Milliarden Euro der deutsche Staat zahlen soll, ist noch unklar.

Dieser Beschluss wurde der deutschen Regierung nicht nur von den Banken und Finanzkonzernen aufgetragen, die nun dieses Geld bekommen werden. Ausdrücklich zur Stützung gerade auch der internationalen Banken mit Sitz in den USA, wurde dieser weitere Ausverkauf des deutschen Staates durch die US-Regierung unter Barack Obama während des vor zwei Tagen mit viel Pomp zelebrierten Besuchs fast der gesamten deutschen Regierung in Washington verlangt.

„Bloomberg“ am Mittwoch, 8.Juni (1):

„Präsident Barack Obama machte, während er Merkel diese Woche im Weissen Haus zu Gast hatte, klar, dass er von Politikern in Europas größter Wirtschaft erwartet eine „unkontrollierte Spirale von Pleiten“ in Ländern wie Griechenland zu verhindern, um einen `desaströsen` Schaden an der U.S.Wirtschaft zu vermeiden.

Bereits zu diesem Zeitpunkt konnte man hier lesen, was heute im Bundestag geschah:

„Die Gesetzemacher der Koalition bereiten eine Resolution vor, die, wenn Schäuble vor dem Unterhaus oder Bundestag spricht, am 10.Juni zu einer nicht verbindlichen Abstimmung gebracht wird, welche Merkel und Schäuble Richtlinien zu Griechenland vorgibt. Die regierenden Parteien werden vielleicht seperate Resolutionen zu Griechenland und dem permanenten ESM Rettungsfonds vorlegen.“

Einen kleinen, demütigen Hinweis auf diese Epressung Deutschlands durch Washingtoner Nomenklatura und Jahrhunderte alten Geldadel fand man in den Finanziellen Zeiten Deutschlands (2). Oder wie war das?!

“ `Deutschland ist dabei ein Schlüsselland„, sagte Obama bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Washington. „Ich vertraue darauf, dass die deutsche Führung und die Hilfe anderer uns auf den Weg bringen werden, der Griechenland wieder Wachstum bringt.´ Dafür seien aber Zeit und Geduld nötig.“

Zeit. Geduld. Da fehlen noch Hochverrat, Feigheit, sowie (ganz wichtig) Fähigkeit zu unbegrenzter Heuchelei. Und natürlich jede Menge Geld.

„Hintergrund ist das Drängen der US-Regierung, Griechenland auf jeden Fall zu helfen, weil sie nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers eine neue Finanzkrise befürchtet. „Wir sind uns unserer Verantwortung für die Weltwirtschaft bewusst“, entgegnete Merkel.

Aus Washington zurückgekehrt rannten dann am Mittwoch Abend um 18 Uhr Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel schulden-bewusst abwechselnd zu den Sondersitzungen der Bundestagsabgeordneten von CDU, CSU und  FDP. Sie machten das, was sie immer tun: Lügen, daß die Schwarte kracht. Und der Henkel des Kruges wurde beim Milliardenholen wieder einmal nass – aber er brach nicht. Noch nicht. Es war wieder einmal Rainer Brüderle, das FDP-„Wirtschaftsflügel“-Finanzfass ohne Wählerboden, der bereits am Donnerstag die Zustimmung auch der FDP-Fraktion für den heute nun verabschiedeten Entschließungsantrag bereits am Donnerstag zusicherte, als dieser noch in aller öffentlichen Stille ausgeheckt wurde. (3)

Heute nun lieferte das deutsche Parlament eine so erbärmliche Farce, daß selbst die Abgeordneten des Reichstags von 1932 dagegen noch wie eine Ansammlung von ehrenwerten Gentlemen wirkten. Hiess es damals Deutschland, Deutschland, Deutschland, wenn man die Gewaltenteilung und die parlamentarische Demokratie loswerden wollte, hiess es heute Europa, Europa, Europa. Und zwar durch alle Fraktionen und alle Redner, gerade auch den Linkskontrolleur aus der ehemaligen DDR-Staatspartei Gregor Gysi.

Europa sei von „enormer Wichtigkeit“, so Gysi. Was für eine Neuigkeit. Ohne diesen Kontinent würden, in der Tat, 739 Millionen Menschen nicht im Kapitalismus, sondern im Meer ersaufen. Aber was zur Demokratie hat das mit diesem Monster „Europäische Union“ zu tun, die 1992 als Ersatz und Auffangbecken für die 1991 zerplatzte Sowjetunion geschaffen wurde?

Es war dann Frank-Walter Steinmeier (der aus lauter Huldigung für Schäuble fast gesagt hätte, wie er es selbst gern gemacht hätte, wäre er nicht der größte Wahlverlierer der SPD aller Zeiten), der in seiner bekannt einschläfernden Einfalt zugab, daß die SPD selbst nachdrücklich für die Unabhängigkeit der bereits existierenden Finanzregierung der Währung Euro gesorgt hatte. Steinmeier, trainierter Zyniker, schaffte es dabei im gleichen Satz auch noch einen weiteren Knaller des Tages abzuliefern:

„Wir haben mit gutem Grund und ganz bewusst auf der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank bestanden, die sich bewährt hat.“

Dem politischen Laien, also rund 98 Prozent der Bevölkerung, muss man immer wieder erläutern, was eine unabhängige Regierung bedeutet. Pol Pot oder Stalin wären da ein Beispiel. Sie waren unabhängig. Genau wie die EZB mit dem Euro konnten sie machen was sie wollen und waren nicht genervt von irgendeinem Pöbel, der ihre „vernünftigen“ Handlungen durch irgendwelche Wahlen und Abstimmungen gelähmt hätte.

Genau so stellt sich das Frank-Walter Steinmeier vor. Es nervt ihn schon, wenn er reden muss (was er nicht kann) und nicht bloss müde gestikulieren.

Rainer Brüderle dagegen genoss es, zur Abwechslung endlich einmal nicht Kompetenz, sondern Emotion simulieren zu dürfen. Als Wirtschaftsminister eine Laterne, die noch in China ganze Säcke Reis umstrahlte, bekundete Brüderle immer wieder in der einzigen – der einzigen –  im Parlamentsraume stehenden Frage seine Gefolgschaft. Deutschland dürfe sich nie wieder „singularisieren“. Das sei deutsche Staatsräson. Mithin also Staatsräson eines singulären Staates. Oder wie jetzt?!

Im wissenschaftlichen Kontext der Kosmologie ist eine „Singularität“ ein schwarzes Loch, in dem nach vorherrschender Lehrmeinung alles verschwindet, was auch nur in dessen Nähe kommt. Rainer Brüderle beweist damit wieder einmal seine einzige Fähigkeit, die er zusammen mit vielen anderen Kollegen im Bundestages besitzt – die Einbildungskraft eines personeneigenen Paralleluniversums. Deutschland ist – im Gegenteil – genau die Singularität, die immer noch so blöde ist Washington, Brüssel und den Banken alles in den Rachen zu schmeissen, obwohl jeder weiss, daß es vollkommen verrückt ist. Das liegt eben daran, dass sich die Welt- und Finanzmächte Deutschland von oben nähern. Würden diese artig an der Tür klopfen, hieße aus dem Volksmund „WIR GEBEN NICHTS!“.

„Oben“, das ist eben die Dimension, welche die Deutschen leider immer noch nicht ganz begriffen haben, weil sie ständig nach unten schauen. Eigentlich logisch, weil man da ja auch ständig rumtrampeln muss. Schliesslich wurde einem beigebracht, sich immer schön zu bücken, unter wen oder was auch immer.

Whatever.

Heute nun hätte man Steinmeiers Lieblings-Bubi, den haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Carsten Schneider, eigentlich langsam fragen müssen, ob er noch ganz dicht ist. Schneider stand da, redete natürlich ebenso endlos vom Sinn und Zweck des erwähnten Kontinents und beschwerte sich dann – doch plötzlich etwas irritiert – beim Bundesfinanzminister darüber, daß dieser zur eigentlichen Frage  („Wie geht das alles weiter?“) überhaupt nichts gesagt habe.

Hat Carsten Schneider noch alle Tassen im Schrank? Oder ist der Mann wirklich so dumm wie er tut?

Schäuble selbst veröffentlichte über die Zeitung „Welt“ (8) am 7.Juni einen Brief, in welchem er eine vermeintliche „harte Auseinandersetzung“ mit genau den Parteien simulierte, mit denen er seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages als Bundesfinanzminister jede einzelne Aktion abgesprochen hat die seitdem zu staatlichen Zerfallserscheinen, brutaler Verarmung, wirkungslosen Protesten, dann wirkungslosen Demonstrationen und schliesslich zu Generalstreiks und halben Aufständen der Bevölkerungen im EU-Machtbereich geführt haben: Die Frankfurter „Europäische Zentralbank“ (EZB) mit Karlspreis-Träger Jean-Claude Trichet als Präsidenten, den Internationalen Währungsfonds (IWF) (derzeit ohne Präsidenten) und die lieben Kollegen aus den Finanzministerien der Euro-Zonen-Staaten.

In seinem Brief schilderte Schäuble also, daß man wohl auch die „privaten Banken“ am Abbau der schweren Schuldenlast Griechenlands beteiligen müsse – wohlgemerkt, in Form einer „fairen Lastenteilung“ mit dem Steuerzahler.

Griechenland zahlt Geld, was es nie erhalten hat (Schuldzinsen und Zinseszinsen) und das an die (Frankfurter) Banken, die jeden einzelnen Tag zur (Frankfurter) EZB rennen, um dort faktisch zinslose Kredite zu bekommen, mit denen sie um die Ecke an die Frankfurter Börse rennen, um damit Schuldtitel (Anleihen) Griechenlands zu kaufen, auf die sie bis zu 20 Prozent Zinsen kassieren.

Und dann schreibt Schäuble, also da müsse es eine „faire Lastenteilung“ für die deutschen Steuerzahler geben, das zusammen mit dem griechischen Steuerzahler zu bezahlen. Und dann steht Schneider da und sagt, Schäuble hätte nie erklärt, wie der griechische Steuerzahler das alles je „zurück“ zahlen solle.

Schäuble trickst. Und er trickst billig. Seine „freiwillige Abmachung“ mit den Banken aus dem Mai 2010 ist eine Farce. Natürlich halten sich diese nicht daran. Und der Anwalt Schäuble weiss das natürlich ganz genau. Haben Sie schon mal von einer freiwilligen Straßenverkehrsordnung gehört?Wie würden Sie denn fahren?

Die Banken existieren im rechtsfreiem Raum. Es sei denn, sie lassen durch ihre Anwaltskanzleien aus dem Magischen Londoner Kreis wie (Linklaters) sich Gesetze schreiben, die sie dann der deutschen Regierung vorlegen, welche die dann dem Bundestag vorlegen, der sie nicht liest, aber beschliesst. Die Banken werfen ihre griechischen Schuldtitel, mit gigantischen Gewinnen, wieder zurück auf den „Markt“ (6). Sie verscherbeln ihre Griechenland-Papiere, weil sie wissen, daß sie den Sklaven Griechenland aus Versehen totgepeitscht haben.

Genau das ist im Grunde der einzige Vorwurf, den die lieben Steigbügelhalter in den Staatsparteien den Banken mit halbhohem Zeigefinger immer wieder leise machen. Man darf die Arbeitstiere nicht umbringen und nur so quälen, daß sie noch atmen können. Alles andere wäre nicht „vernünftig„. Schliesslich müssen sie noch schuften.

Was von der „Umschuldung“ Schäubles, einer Laufzeitverlängerung der Schuldtitel gegen Griechenland, zu halten ist, müsste sich endgülitig aus diesem Zitat einer Zeitung erschliessen, die es eigentlich wissen muss, weil Schäuble regelmäßig seine Pläne über sie bekannt gibt:

„Die europäischen Banken haben bereits eine Abmachung mit der EZB keine griechischen Regierungsanleihen zu verkaufen, sie also zu bitten ihr Engagement beizubehalten, wenn existierende Anleihen fällig werden, ist eine logische Erweiterung dieses Deals, so ein leitender EZB-Vertreter.“ (7)

Natürlich ist auch diese „Abmachung“ ein Witz. Die Banken verramschen ihre griechischen Schuldpapiere, weil sie wissen, daß auch Vertreter der „Europäischen Zentralbank“ nur Banker sind die Müll erzählen, wenn sie von irgendwelchen (Staats)Kunden Geld haben wollen. Die EZB selbst sitzt auf den griechischen Schuldpapieren, die sie massenweise aufgekauft hat. Daß heisst, dieser EZB-Vertreter sprach gleichzeitig mit der Presse und sich selbst.

Wer außerdem noch griechische Schuldtitel besitzt, wie z.B. die Norddeutsche Landesbank (NordLB) in Höhe von 719 Millionen Euro, der hat sie offiziell abgeschrieben, um sich nicht strafbar zu machen (8). Auch darüber sollten die Abgeordneten im Bundestag in aller Ruhe einmal nachdenken, bevor sie noch einen einzigen Cent mehr an „Griechenland-Hilfe“ ausgeben: Strafanzeigen wegen betrügerischer Veruntreuung von staatlichen Geldern.

Es gab nur einen einzigen Satz von Bedeutung, den der Anwalt Wolfgang Schäuble heute im Bundestag von sich gab:

„Wir werden – ich sagte es – mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus für die Zukunft ein klares und ex ante bekanntes Regelwerk für den Umgang mit Staatsschuldenkrisen schaffen.“

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Josef Ackermann am 16.November 2009 auf der Euro Finance Week im Frankfurter Bankenviertel (DIE GRIECHENLAND-KRISE (VI): Der Plan der Banken von einer europäischen Soffin, 9.Mai 2010):

„Möglicherweise werden wir am Ende akzeptieren müssen, daß der Staat in systemischen Bankenkrisen der Aktionär der letzten Instanz bleibt. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lohnt es m.E., über einen Fonds nachzudenken, aus dem Banken im Notfall rekapitalisiert bzw. für eine geordnete Abwicklung gestützt werden können. Dies hätte mehrere Vorteile: Erstens, wir könnten mitternächtliche Rettungsaktionen mit all ihren Problemen vermeiden. Zweitens, die Zugangsbedingungen wären ex ante festgelegt, so daß Unsicherheit und moral hazard begrenzt würden.
Drittens ließe sich eine Lastenteilung zwischen Finanzindustrie und der öffentlichen Hand besser erreichen, wenn und insoweit der Fonds von beiden gespeist würde. Und nicht zuletzt könnte solch ein Fonds, wenn man ihn auf europäischer Ebene errichtete, ein wesentlicher Baustein zur Lösung des `ewigen` Problems der innereuropäischen Lastenteilung sein – und uns somit dem Ziel einer wahrhaft europäischen Aufsichtsstruktur näherbringen.”

Was Ackermann am 16.November 2009 forderte und Schäuble heute noch versucht irgendwie über die Ziellinie zu bringen, ist ein mit staatlichen Geldern ex ante (im Voraus) gefüllter Geldtopf (Fonds), der von den Banken jederzeit angezapft werden kann. Gleichzeitig – und das ist die strategische Einigung zwischen Schäuble, Steinmeier und allen EU-Zentristen einerseits und den Banken andererseits – soll um diesen Fonds eine ausführende, zu diktatorischen Maßnahmen ermächtigte Behörde errichtet werden (der ESM-Gouverneursrat) um ganze Staaten Europas, die bewusst in den Bankrott getrieben worden sind, als Diktatoren des Kapitals zwangszuverwalten. Im Gouverneursrat sitzen sollen nicht nur die Finanzminister der Euro-Zone (der eine reicher / gleicher als der andere) sondern auch die Banker selbst.

Bereits jetzt „berät“ die „Deutsche Bank“ die Regierung von Giorgos Papandreou dabei, den Staat Griechenland zu verkaufen (10); die Bank berät dabei genau den sauberen „Sozialisten“ Papandreou, der kurz nach seinem Amtsantritt im Dezember 2009 veranlasste im staatlichen Besitz der Aktiengesellschaft Hellenic Postbank befindliche Kredit-Ausfall-Versicherungen (CDS) in Höhe von 1.3 Milliarden Euro an Firmen zu verkaufen, an denen Papandreous Familie beteiligt ist (11, 12).

CDS steigen im Wert, wenn die zugrunde liegenden Anleigen fallen. In diesem Falle handelte es sich um die Anleihen vom Staate Griechenland. Die CDS sind mittlerweile 23 Milliarden Euro wert, weil das kranke, kapitalistische Euro-System dem Lumpen Papandreou ermöglicht, als Premierminister auf den Bankrott des eigenen Staates zu wetten, dadurch Milliardär zu werden und dann anderen Lumpen an der deutschen Regierung ermöglicht, dafür den deutschen Staat für die Banken ausbluten zu lassen, um dadurch auch noch die mit den Banken ausgeheckten Pläne zur Diktatur des Kapitals umzusetzen.

Daß es hier nicht nur um einen finanziellen, sonder auch einen politischen Staatsstreich gegen diese Republik, die der Griechen und aller anderen Staaten im EU-Machtbereich geht, daß haben nicht irgendwelche Abgeordneten, Staatsparteien, Staatsjournalisten oder andere Berufslügner, sondern das haben wir immer gesagt. (7.Mai 2010, DIE GRIECHENLAND-KRISE (IV): Machtergreifung einer neuen kapitalistischen Sowjetunion)

Nun kommt das sogar langsam im Paralleluniversum Bundestag an. Und das ist der Grund dafür, daß nicht nur Schäuble und Merkel ihre Pläne vor dem Bundestag, sondern mittlerweile der Bundestag seine Beschlüsse vor der Bevölkerung verheimlichen muss.

In einem an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ weitergegebenem Fünf-Punkte-Memo (immerhin) sprach CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt diese Woche von einer „Entdemokratisierung und einer Entsouveränisierung der europäischen Staaten“. Anlass war die Rede von Trichet bei der Karlspreis-Verleihung, in der der EZB-Präsident eine „europäische Finanzregierung“ über ein „europäisches Finanzministerium“ verlangt hatte.

Nochmal für den Geografie-Feind: solange Norwegen oder die Schweiz noch nicht von Ostasien erobert wurden, heisst es immer noch „EU-Finanzregierung“ und „EU-Finanzministerium“.

Dobrindt, der sich offenbar zum ersten Mal seit Jahren nicht alles vorlesen lassen, sondern selbst die Brille aufgesetzt hatte, verfiel in beschämten Rhetorik-Patriotismus und verlangte – unter Bruch aller heiligen Dogmen des deutschen historischen schulden-bewussten Bückens vor Autoritäten aller Art – gar eine Rückübertragung von an Brüssel und Frankfurt abgegebene Kompetenzen an das deutsche Parlament. (4)

„Die Macht der EU ist nach jeder Krise größer geworden, die darauf folgende Krise nicht kleiner. Wir müssen deshalb den Automatismus, der zu einer fortschreitenden Machtverschiebung in Richtung Brüssel führt, auf den Prüfstand stellen.

„Falls die Analyse ergibt, dass die Finalität bereits überschritten ist, müssen Kompetenzen zurück verlagert werden.“

Der CSU-Generalsekretär sprach von einem „Ende des europäischen Integrationsprozesses“.(Nochmal: das ist das Ende eines „Integrationsprozesses“ unter Brüssel und seine Räte und Kommissare. Europa steht nachher immer noch und schickt sich emails. Wollen wir wetten?)

Trichet hat mit seiner Forderung nach einer EU-Regierung – und damit nach einem eigenen EU-Staat – nur das ausgesprochen, was Schäuble erfolglos versucht hat, dem Bundestag unterzujubeln. In dem von Schäuble monatelang vor dem Parlament verheimlichten ESM-Vertrag, den der Bundestag abnicken soll, steht die Schaffung eines eigenen EU-Steuersystems drin. Der Anwalt Schäuble ging zwar wieder nach der üblichen Salamitaktik vor. Aber eben auch ein Stück Salami ist immer noch Salami. Dies begriffen nun auch die Abgeordneten des Bundestages (für diese schon eine reife Leistung.)

Aus dem ESM-Vertragsentwurf (5):

„Das Personal des ESM unterliegt für die vom ESM gezahlten Gehälter und Bezüge nach Maßgabe der vom Gouverneursrat zu beschließenden Regeln einer internen Steuer zugunsten des ESM. Ab dem Tag der Erhebung dieser Steuer sind diese Gehälter und Bezüge von der staatlichen Einkommensteuer befreit.“

EU-Parlamentarier Alexander Alvaro (FDP) nannte dies abstrus, der CDU-Rechtsexperte Prof. Patrick Sensburg „auf jeden Fall ungewöhnlich“.

„Auf jeden Fall ungewöhnlich“.

Man stelle sich vor, irgendjemand würde sich auf den deutschen Bundestag stellen und eine andere Flagge als die deutsche hissen, ohne daß auch nur ein Parlamentsbeschluss, geschweige denn eine Abstimmung des obersten Souverän, des deutschen Volkes ergangen wäre. Auch dies wäre „auf jeden Fall ungewöhnlich“, finden Sie nicht auch? Genau das ist am 10.Mai geschehen. (Gleicher als gleich: “Dem Europäischen Volke”)

Sie, liebe Leserinnen und Leser (und ich weiss, ein paar von ihnen sind auch staatliche Transferleistungsempfänger in Regierung, Ämtern und Parlament), müssen sich immer vor Augen halten, daß das schlechteste Parlament immer noch eines ohne Macht ist. Selbst die größten Idioten und Feiglinge auf Gottes Erdboden (Sammlungsbegriff: „Deutscher Bundestag“) ist es also immer noch wert, daß man ihn gegen seinen Willen verteidigt – nach innen und nach Washington. Selbst wenn man selbst genau von diesen Halunken ein Leben lang betrogen und ausgeraubt wurde und sie noch teuer dafür bezahlt hat.

So irre ist die Welt geworden.

Quellen:
(1) http://www.bloomberg.com/news/2011-06-08/merkel-gets-backing-from-german-lawmakers-on-plan-for-second-greek-bailout.html
(2) http://www.ftd.de/politik/international/:merkel-in-washington-obama-will-starke-deutsche-fuehrung-in-der-euro-krise/60062518.html
(3) http://www.welt.de/wirtschaft/article13420386/Merkel-und-Schaeuble-werben-fuer-weiteres-Hilfspaket.html
(4) http://www.faz.net/artikel/C31147/fuenf-punkte-memorandum-fortschreitende-machtverschiebung-in-richtung-bruessel-30432514.html
(5) http://www.express.de/news/politik-wirtschaft/eigene-steuerregeln–aerger-um-euro-behoerde/-/2184/8498744/-/
(6) http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:schuldenkrise-deutsche-banken-lassen-griechen-doch-haengen/60063057.html
(7) http://online.wsj.com/article/SB10001424052702304432304576371692380143806.html
(8) http://www.welt.de/wirtschaft/article13417986/Schaeuble-warnt-vor-Staatspleite-Griechenlands.html
(9) http://www.bullion-investor.net/2011/06/landesbank-schreibt-griechenlandanleihen-ab/
(10) http://de.reuters.com/article/economicsNews/idDEBEE74H0A920110518
(11) http://www.der-klare-blick.com/2011/05/papandreou-klaut-23-milliarden/
(12) http://coveringdelta.wordpress.com/2011/05/29/accusations-of-treason-in-the-greek-parliament/