Schuldenkrise ohne Ende: Ein Erklärungs- und Lösungsansatz

Es gibt kaum noch andere Nachrichten als die aus dem Kontext der internationalen Schuldenkrise: Die Ratingagentur Moody´s stuft Irland-Anleihen auf „Ramschniveau“ herab, auch Italien ist ins Visier der Ratingagenturen und Spekulanten geraten und die USA stehen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Gründe, warum die Bonität vieler – in der Regel sehr kleiner – EU-Staaten inzwischen nahezu im Tagesabstand heruntergestuft wird, obwohl hinter diesen als Garant die größte Wirtschaftsmacht der Welt, die EU, steht, und warum eine solche Herabstufung bei den USA unterbleibt, deren Schuldenstand die astronomische Größe von 14,3 Billionen Dollar erreicht hat und deren momentanes, also nur ein Jahr betreffendes Haushaltsdefizit fast fünf Mal größer ist als die gesamten Staatsschulden Griechenlands – nun, diese Gründe habe ich in einem etwas längeren Kommentar zur neuesten Meldung in meiner „Chronik des (nicht nur) neoliberalen Irrsinns“ darzustellen versucht.

Tagesschau.de, 13. Juni:

„Drohende Zahlungsunfähigkeit der USA. Woher kommt Washingtons Schul­den­berg? Im Streit um eine höhere Schuldenobergrenze in den USA sind Demokraten und oppositionelle Republikaner weiter uneins. Gibt es keine Einigung, droht der Regierung ab 2. August die Zahlungsunfähigkeit. Doch wie haben es die USA geschafft, binnen zehn Jahren vom Plus ins Rekord-Minus zu rutschen? … Ausgaben für Rüstung ver­doppelt… Steuergeschenke für die Reichen… Programme zur Rettung der Wirt­schaft (auch Bankenrettungsschirm genannt; E.S)… der Schuldenberg (ist) auf die gigan­ti­sche Summe von 14,3 Billionen Dollar angewachsen.“

Spricht irgendjemand von einer Dollar-Krise analog zur reihum halluzinierten Euro-Krise, die exis­tiere, weil ein paar europäische Popelstaaten – im Vergleich mit dem Schuldenberg der USA – lächerlich kleine Popelschulden haben, hinter denen als Zahlungsgarant sogar noch die größte Wirtschaftsmacht der Erde, die EU, steht? Wurde die Bonität der US-Anleihen von den (ame­ri­ka­ni­schen…) Ratingagenturen auf Ramschniveau gesenkt? Der Grund, warum die ei­gent­lich gebotene Abstufung der Bonität der US-Anleihen auf Ramschniveau unterbleibt, ist der, dass man mit den USA nicht das Spiel treiben kann, das mit den europäischen Popelstaa­ten getrieben wird. Wenn diese Popelstaaten aufgrund der durch die Abstufungen der Rating­agen­tu­ren ins Absurde getriebenen Zinsen, die sie für neue Kredite zahlen müssen, irgendwann un­ter den Euro-Rettungsschirm kriechen und als Nachfrager von Krediten auf den inter­na­tionalen Finanzmärkten ausfallen, schert das Letz­tere recht wenig – weil es sich eben um Po­pel­summen handelt, gemessen an dem, was die USA an Schul­den aufgehäuft haben und re­gel­mäßig an neuen Krediten nachfragen, um alte abzu­lö­sen.

Wür­den es die Ratingagenturen mit den USA treiben wie mit den europäischen Popel­staaten, be­stün­de die Gefahr, dass die USA ihren Kapi­tal­bedarf nur noch (wie jetzt schon – vernünfti­ger­weise – in erheblichem Maße) über Zentral­bank­geld finanzieren – also als mit Abstand größter Kreditnachfrager auf den inter­na­tionalen Finanzmärkten ausfallen würden. Das hätte einen dramatischen Zinsverfall zur Folge, weil das Anlage und höchste Zinsen und Profite suchende Kapital plötzlich ohne seinen größten Nach­fra­ger dastünde. Genau das gilt es, aus Sicht des Finanzkapitals, zu verhindern. Das Spiel der Ausbeutung der europäischen Popel­staa­ten wird so lange weiter getrieben (erst Grie­chen­land, dann Irland, dann…), bis die euro­päischen politischen Ham­pelfrauen und -männer des Kapitals sich auf die Reste ihrer Souveränität be­sin­nen und tun, was zu tun ist: die vollständige Entkop­pe­lung der Staatsfinanzen von den inter­nationalen Finanzmärkten in Form der schrittweisen Um­schul­dung hin zu gering verzinsten Zentralbankkrediten, deren Ausgabe, solange sie im Rah­men ei­ner al­lein von der EZB zu verantwortenden stabilitätsorientierten Geld­mengenpolitik verliefe, auch kei­ner­lei Inflationsgefahr beschwören würde.

Mittel- und langfristig muss der Geld­schöp­fungs­me­chanismus, der heute in Form der Ausgabe von Zentralbankkrediten an die Geschäfts­banken verläuft, durch die Schöpfung von Vollgeld abgelöst werden, das nicht als Kredit, also als neue Schulden, ins Leben tritt, sondern das einfach als neues, nicht rück­zahl­bares Geld dem Staat zur weiteren Ver­wen­dung über­wiesen wird – um infrastrukturelle, bil­dungs-, gesundheits-, umwelt- oder sozialpolitische Maßnahmen zu finanzieren. Wird dann noch eine kräftige Kapital­um­satzsteuer (Tobinsteuer) erhoben und wer­den die Ein­kommens-, Körperschafts-, Vermögens- und Erbschaftssteuern ordentlich er­höht, um bei den Reichen das Geld direkt abzuholen, das sich der Staat bislang bei ihnen leiht und für das er Multimilliarden an Zinsen zahlt, wer­den also die Quellen größtenteils trockengelegt, die regelmäßig die sich aufblähenden Finanzmärkte spei­sen – nun, dann werden internationale Finanzmarktkrisen und Staatsver­schul­dungs­krisen endgültig der Vergan­gen­heit angehören.

Weil das Finanzkapital aber gerade aus Letzteren höchste Profite zieht, wird das alles größtenteils unterbleiben – von der Durch­setzung einiger vernünftiger Maß­nah­men in homöopathischen Größenordnungen ab­ge­sehen, damit es nicht bald in allen europäi­schen Metropolen so hergeht wie auf dem Syntag­ma-Platz in Athen.

(…)

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