DER VERFALL DER „EUROPÄISCHEN UNION“ (I) : Aufprall am Grundgesetz und radikaler Strategiewechsel

Von EU zur „Euro-Zone“, von „Union“ zu „Föderation“, von „Europa“ zu „Kerneuropa“: die „Europäische Union“ wird aufgegeben. Artikelserie zur orwellschen Wende der imperialen Nomenklatura und ihrer Geostrategen.

Nachdem das Konzept einer Entstaatlichung der europäischen Demokratien und „Verschmelzung“ zu einem geostrategischen Block durch die 1992 als Parallel-Organisation zur alten „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ EWG gegründeten „Europäischen Union“ gegen die Wand der deutschen Verfassung und Demokratie gefahren ist und gestoppt wurde, versucht nun die gleiche imperiale Nomenklatura, deren Geostrategen schon während des Zusammenbruch der Sowjetunion bis Ende 1991 die EU auf dem Reißbrett entwarfen, eine neue Parallelorganisation zur „Union“ vorzubereiten – eine „Europäische Föderation“ aus den Staaten im Währungsgebiet „Euro“.

Für die geplante Institutionalisierung der seit 1991 andauernden Phase weltweiter Kriegführung, Entstaatlichung, Verarmung der Völker und Ausbreitung des kapitalistischen Geldsystems soll nun ein Hoher Staat aus 17 Staaten der „Euro-Zone“ den ersehnten Baustein liefern. Die „Europäische Union“ wird aufgegeben.

Die 20 Jahre alte Agenda der „Neuen Weltordnung“ und die Privilegien der Generation welche ihr folgte, stehen vor dem Zusammenbruch.

SEPTEMBER 2011: AUFPRALL AM GRUNDGESETZ UND RADIKALER RICHTUNGSWECHSEL

Als Kreise in Berlin und anderen Weltstädten aus dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht heraus über das drei Tage später offiziell verkündete Urteil 2 BvR 987/10 offensichtlich bereits vorab informiert worden sind, treten am 4.September die Führer zweier Parteien, welche 2005 ihren kurzen Zwist während der Vorbereitung und Durchführung der Irak-Invasion begraben und eine „großen Koalition“ in Berlin installiert hatten, vor die Presse. Ex-Kanzler Gerhard Schröder und die amtierende Kanzlerin Angela Merkel verkünden einer, wie üblich mehrheitlich passiven und teilnahmslosen Öffentlichkeit in Deutschland, die „Europäische Union“ werde in ihrer jetzigen Form begraben (1):

„Nach Spiegel-Informationen ist die Kanzlerin bereit, die Idee von der einen EU aller 27 Mitgliedsländer hinter sich zu lassen, um die Euro-Zone zu stärken. Der richtige Plan, findet Schröder. Denn es sei „ein schwieriges Geschäft, im Europa der 27 voranzukommen“. Der Altkanzler glaubt: „Wir sollten jetzt nicht länger fackeln, sondern ernst machen mit Kern-Europa.“

„Eine Art eigener Vertrag“ sei „denkbar“, als Parallel-Ebene zum Lissabon-Vertrag der „Europäischen Union“. Die „Koordination des Kern-Europas“ solle, nach „Merkels Willen“,  der blasse und machtlose Präsident des „Europäischen Rates“ Hermann Van Rompuy werden.

Randnotiz: Van Rompuy und Catherine Ashton waren bereits bei ihrer Installation die kleinsten gemeinsamen Nenner und der größte anzunehmende Unfall für die Akteure der Agenda „Vereinigten Staaten von Europa“. Der Ex-Kanzler Deutschlands Gerhard Schröder und sein grüner Parteiführer Joschka Fischer hatten sich selbst Hoffnungen auf das Amt des Ratspräsidenten und des „Außen-Beauftragten“ der EU gemacht. (20.November 2009, EU: Die Spitze ist gebrochen)

In der Berliner Republik konfrontiert mit einer zumindest formal weiterhin intakten parlamentarischen Demokratie, einer Haushaltshoheit des Bundestages über die Staatsfinanzen und dem – trotz eines seit 2005 forcierten politischen Angriffskrieges – immer noch stehenden Grundgesetz, propagieren Schröder und die von seiner Partei im Bundestag mitgewählte Nachfolgerin im Kanzleramt nun im medialen Flaggschiff der Antidemokraten ein neues radikales „politisches Konzept“. Zweifellos, so der „Spiegel“ , wäre dessen Resultat „eine Art doppelter EU“ und „ein Europa der zwei Geschwindigkeiten“.

Auch benennt das deutschsprachige Megafon der Antidemokraten und Neokonservativen diejenigen Strukturen, aus denen auf „europäischer Ebene“ Widerstände gegen eine solche Entwicklung zu erwarten seien: aus dem seit Inkrafttreten der Maastricht-Verträge 1993 gewaltig angewachsenen Brüsseler Apparat und aus den zehn EU-Mitgliedsländern mit eigener Währung.

„Auf europäischer Ebene sind es einmal die Nicht-Euro-Länder, die gar nichts von dieser Idee halten. Genausowenig wie die EU-Kommission, die damit massiv an Einfluss verlieren würde.“

Die Parteiführer von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen sind sich zu diesem Zeitpunkt lediglich nicht einig, wie sie die „Vereinigten Staaten“ von „Kern-Europa“ nun erreichen wollen und ob es richtig sei, sich dabei auch gegen die Kommission zu stellen. Während Frank-Walter Steinmeier – Schröders ex-Kanzleramtsleiter, Joschka Fischers Nachfolger als Außenminister und nach seiner vernichtenden Wahlniederlage bei der Bundestagswahl am 27.Septembers 2009 keine 30 Minuten nach der ersten Wahlprognose per Eigendeklaration flux zum SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden ernannt – den Kurs von Merkel stützte, kommentierte Schröders alter Umweltminister, Bündnis 90/Die Grünen-Fraktionsvorsitzender Jürgen Trittin:

„Wie immer, wenn Frau Merkel einen richtigen Schritt tut, macht sie ihn falsch.“

In diesem Konzert der bislang so unterschätzten Seifenoper „Des Kaisers neuer Kontinent“ klingt ausgerechnet aus dem Hinterwald des Berliner Establishments ein demokratischer Bariton durch: „Nationale Souveränitätsrechte an eine europäische Wirtschafts- und Fiskalunion“ werde die CSU nicht mitmachen. Horst Seehofer spricht in den „Spiegel“:

„Wir wollen keinen europäischen Superstaat.“

Zwei Tage später, einen Tag vor Verkündung des Urteils in Karlsruhe, steht dann am 6.September Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Bundestag und formuliert gewohnt nebulös:

„“Natürlich müssen wir die jetzige Krise auf der Basis der geltenden Verträge bewältigen; wir haben keine anderen. Das ist auch möglich. Die zum EFSF verabredeten Maßnahmen sind dazu geeignet. Ich will aber auch klar sagen: Für eine dauerhafte Lösung für die gemeinsame Währung und die wirtschaftliche Integration müssen wir zu einer Weiterentwicklung durch institutionelle Reformen kommen.”

In einem Gastartikel für die „Financial Times Deutschland“ äußert sich Schäuble präziser.

Für die Stärkung der Architektur der Eurozone bedarf es tiefgreifender Vertragsänderungen„.

In der „Bild“-Zeitung lässt der fleißige (und europaweit bekanntermaßen so überaus erfolgreiche) Finanzminister von Deutschland wissen, die weitere Übertragung von Kompetenzen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik nach Brüssel sei unumgänglich:

„Auch wenn wir wissen, wie schwer eine Vertragsänderung ist.“

Jean-Claude Trichet, zu diesem Zeitpunkt noch amtierender Präsident des unabhängigen Frankfurter Euro-Währungsdiktators EZB, spricht von einer “neuartigen Konföderation souveräner Staaten” und einer “föderaler Regierung mit einem föderalen Finanzminister”, der eine Gesamtsteuerung garantieren und Entscheidungen “vom Zentrum der Euro-Zone” treffen könne.

In den Tagen danach treten dann Verfassungsrichter Peter Michael Huber, der ehemalige Präsident von Republik und Verfassungsgericht Roman Herzog, der derzeitige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Vosskuhle und der SPD-Bundesvorsitzende der SPD Sigmar Gabriel im Gänsemarsch vor die Öffentlichkeit und konstatieren, daß vor einem neuen EU-Vertrag und der Abgabe der Souveränität erst das Grundgesetz gestürzt und eine neue Verfassung beschlossen werden müsse. Das wiederum ginge nur durch eine Volksabstimmung. (25.September, Nomenklatura akzeptiert Verfassung: Volksabstimmung vor neuem EU-Vertrag)

Der bekannte und beliebte Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Vosskuhle dazu in einem Interview am 25.September erschienenen Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (2):

Frage: Könnte man die Budgethoheit des Bundestags teilweise europäischen Institutionen übertragen?

Vosskuhle: Für eine Abgabe weiterer Kernkompetenzen an die Europäische Union dürfte nicht mehr viel Spielraum bestehen. Wollte man diese Grenze überschreiten, was politisch ja durchaus richtig und gewollt sein kann, müsste Deutschland sich eine neue Verfassung geben. Dafür wäre ein Volksentscheid nötig. Ohne das Volk geht es nicht!”

Am gleichen Tage (sicherlich ein Zufall, wie überhaupt alles in den letzten 20 Jahren nur Zufall war) erscheint in der „Bild“-Zeitung (3) ein Interview mit dem ebenfalls sonst so termingeplagten, hart arbeitenden Vorsitzenden der SPD, Sigmar Gabriel. Und schon wieder ein Zufall: es geht um das gleiche Thema.

“Bild-Zeitung: Alt-Bundespräsident Roman Herzog fordert Volksabstimmungen über die Zukunft der EU. Hat er recht?

Sigmar Gabriel: Das gilt sicher nicht für die aktuellen Rettungsschirme, denn die brauchen wir schnell. Aber Roman Herzog ist ein kluger Mann und ich gebe ihm ausdrücklich recht: Über grundsätzliche Fragen der Europapolitik sollte das Volk in Zukunft direkt entscheiden. Auch in Deutschland.“

Im gleichen Zeitraum der so demokratisch daher kommenden Einsicht mancher „Entscheidungsträger“ Deutschlands, am 20.September, kündigt auch die zum ausführenden Prokonsul der „Troika“ aus EZB, „Internationalem Währungsfonds“ IWF und EU-Kommission degradierte Regierung Griechenlands eine Volksabstimmung “über eine grundlegende Änderung der Verfassung” an. Die Pasok-Regierung tut dies explizit mit der Begründung, für die Durchsetzung der von „Troika“, den Regierungen in Berlin und Paris, sowie letztinstanzlich von den „Märkten“ des Weltkapitalismus diktierten Entstaatlichungs-Maßnahmen und Armuts-Programme im eigenen Lande vom Volk dafür eine Legitimation zu erhalten. (Hintergrund: Volksabstimmung in Griechenland soll neue Verfassung zugunsten des Euro-Systems erpressen)

Im November wird dies noch eine Rolle spielen.

DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (II) : Gänsemarsch der Tontauben

Quellen:
(1) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,784283,00.html
(2) http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/im-gespraech-andreas-vosskuhle-mehr-europa-laesst-das-grundgesetz-kaum-zu-11369184.html
(3) http://www.bild.de/politik/inland/sigmar-gabriel/wir-muessen-die-eu-reformieren-die-buerger-abstimmen-lassen-teil-1-20133030.bild.html

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