Dokumentation: Die Rede von Ingmar Grosch bei der heutigen 107. Montagsdemonstration gegen das regionale und verkehrsindustrielle Umbauprogramm “Stuttgart 21″ (S21):
Falschspielerei bei den Kosten
Schaut man sich die Projektplanung für S21 im Rückblick an, stößt man immer wieder auf Taschenspielertricks und Mauscheleien. Ich will heute das Thema Kosten beleuchten, und hier aus Zeitgründen nur auf ein paar aktuelle Punkte eingehen.
Mitglieder der Gruppe „Juristen zu S21“ haben am 20.09.2011 Strafanzeige gegen Verantwortliche der Deutschen Bahn wegen des Verdachts des besonders schweren Betruges erstattet.
Der Anzeige liegen Recherchen des ARD-Magazins “Report Mainz” zugrunde, gemäß denen die Bahn bereits vor Abschluss der Finanzierungsvereinbarung am 2. April 2009 über höhere Kosten Bescheid wusste. Konkret werden für den Tiefbahnhof erwartete Kostensteigerungen in Höhe von 185 Millionen Euro, für den Fildertunnel gar 455 Millionen Euro genannt. Insgesamt ergeben sich nach den „Report Mainz“-Recherchen Kostensteigerungen von fast einer Milliarde Euro, die in der Finanzierungsvereinbarung verschwiegen wurden.
Auch im Rahmen der Volksabstimmung hat die Bahn mit gezinkten Karten gespielt. Das ist der Grund, wieso ich mich als guter Demokrat trotz verlorener Volksabstimmung legitimiert fühle, weiterhin gegen das Projekt zu demonstrieren.
Die Bahn weigerte sich, vor der Volksabstimmung aktuelle Zahlen offenzulegen, welche es dem Wähler ermöglicht hätten, sich selbst ein Bild von dem zu machen, worüber er abstimmt.
Am 19.12.2011 berichtet die Stuttgarter Zeitung in einem Artikel wie folgt:
‚Der Technikvorstand der Deutschen Bahn, Volker Kefer, hat am 14. Dezember, nur zwei Wochen nach der Volksabstimmung, seinen Aufsichtsrat über eine Erhöhung des „Gesamtwertumfangs“ von Stuttgart 21 und eine Neuordnung des Risikofonds informiert. Das geht aus einer Präsentation hervor, die der StZ vorliegt. Die Bau- und Planungskosten von 4,088 Milliarden Euro betragen „aufgrund konkreter Risiken und Vergaben“ nun 4,33 Milliarden Euro. Diese Kostenhöhe entspricht in etwa den Aussagen des Verkehrsministeriums vor der Volksabstimmung; diesen war aber widersprochen worden‘. Zitat Ende.
Am 16.09. findet man in der gleichen Zeitung einen Artikel über wahrscheinliche Kostenerhöhungen beim Grundwassermanagement, weil nun 6,8 Millionen Kubikmeter anstelle von bisher 3 Millionen abgepumpt werden müssen. Das von der Bahn bezifferte Risiko liegt bei 80 Mio.€.
Laut Artikel vom 13.01.2012, ebenfalls in der Stuttgarter Zeitung, soll ein zweites GWM dort errichtet werden, wo bisher der Südflügel steht. Man kann also davon ausgehen, dass die Entnahmemenge erneut angehoben werden soll – was wiederum Mehrkosten nach sich ziehen würde.
Anderes Thema: In der Filder-Zeitung vom 5.01.2012 findet man einen Artikel, gemäß dem der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold Bahn und Land auffordert, den Kostendeckel für S21 anzuheben. Begründung:
„Wenn die beiden Bahnhöfe, wie derzeit geplant, 200 Meter voneinander
entfernt und dann auch noch auf unterschiedlichen Ebenen liegen würden, ist ein möglicher Zeitvorteil für die Bahnfahrer aus dem Raum Nürtingen/Reutlingen/Tübingen schnell vervespert.
Diese Fehlplanung muss schnellstens in den Papierkorb“.
Genau das prangern wir Projektgegner seit Langem an; ganz zu schweigen davon, dass die Bahn für diesen Bauabschnitt (PFA 1.3) seit 2002 mehrfach Pläne beim Eisenbahnbundesamt (EBA) eingereicht hat und zuletzt im Frühjahr 2011 damit scheiterte. Dabei sollte dieses Planfeststellungsverfahren gemäß der DB-Planung Ende 2009 abgeschlossen sein.
Allen Beteiligten, insbesondere aber der Bahn und den Befürwortern in der SPD, muss bereits vor der VA bewusst gewesen sein, dass im Rahmen des Kostendeckels hier nur Murks zustande kommen kann. Aber genau diese Erkenntnis behielt man für sich und ließ das Stimmvieh im Glauben, der Kostendeckel sei heilig.
Ich fühle mich hier betrogen und werde nicht schweigend zuschauen, wie einmal mehr Wahlversprechen sich innerhalb kürzester Zeit in Luft auflösen. Vielmehr werde ich die Politiker an selbige erinnern; wenn es nicht möglich ist, das Projekt unter Einhaltung dieser Wahlversprechen durchzuziehen, sollte man die Konsequenzen ziehen und aussteigen.
OBEN BLEIBEN!