Das Schweigen des arabischen Richters beim Nationallied war ein Protestlied
Am Dienstag war es in der Residenz des Präsidenten so bewegend und so würdevoll; eine weitere Feier von Israels Demokratie, die sich so gerne überschwänglich selbst preist.
Die ehrenhaften Richter des Obersten Gerichtshofes standen für eine Gruppenaufnahme zusammen; die in den Ruhestand gehende Gerichtspräsidentin nahm mit Tränen Abschied; der neue Gerichtspräsident hielt eine bewegende Rede, jeder machte jedem ein Kompliment und jeder pries unsere erhabene Demokratie.
Und dann lief plötzlich etwas falsch. Wer war der Mann, dessen Lippen verschlossen blieben, während alle andern die Hatikva ( israelische Nationalhymne) sangen? Warum blieben ihm die Worte in der Kehle stecken? Und wie – um Gottes willen – konnte er es wagen?
Der Richter Salim Joubran, der erste Araber, der eine permanente Berufung zum Obersten Gerichtshof erhalten hat, sang nicht mit: „Die Seele eines Juden sehnt sich“ und nicht mal die Worte: „Wir haben unsere Hoffung nicht verloren … ein freies Volk auf unserm Land von Zion und Jerusalem zu sein“, weigerte er sich zu singen.
Ein heiliger (rechter) Tumult brach aus. „Richterliche Quellen“ kritisierten ihn anonym; Knessetmitglied David Rotem (Yisrael Beitenu) bat um seine Entfernung, wie auch die KM Zipi Hotovely (Likud) und das MK Michael Ben Ari von der Nationalen Union schlug einen Gesetzesentwurf vor: nur die, die im IDF dienten, können Richter beim Obersten Gericht werden. Das ist es, was dem Mann geschieht, der sich weigert, zu singen: Wir werden ihm das Singen schon beibringen oder er kann nach Gaza gehen und dort leben.
Mit einem Mal war das Feigenblatt, die Täuschungsmaske, abgerissen, und unsere Schande für alle aufgedeckt. So handeln Sie also, Herr Joubran? Das ist nicht sehr nett Euer Ehren. Schließlich wurden Sie zu dieser hohen Position ernannt, um unsere Nacktheit zu verbergen, und nun beißen Sie in die Hand, die Sie ernährt? So behandeln Sie ihre Wohltäter, die Ihnen aus reiner Herzensgüte zu dieser großen Ehre verhalfen?
Aber Joubran tat es auf seine eigene Weise. Er war nicht darauf vorbereitet, die Hymne der Heuchelei zu singen. Er gab uns am Dienstag nicht nur eine Lektion einer originalen Stimme – und bewies damit, dass manchmal das Nichtsingen mehr aussagt, als das kräftige Mitsingen – er gab uns damit auch eine lehrreiche Lektion in Demokratie.
Joubran machte am Dienstag mit uns einen Test, und die viel gepriesene Demokratie scheiterte kläglich. Unter all den Reden bei der Einführung des neuen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, war es Joubrans Schweigen, das uns eine wichtige Lektion erteilte: dass die israelische Demokratie sehr dünn und zerbrechlich ist. Sie braucht nur einen Richter, der sich weigert, im Chor mit zu singen.
Man höre nur auf die heftigen Antworten seiner Kollegen, keiner von ihnen verteidigte ihn. Nur der Knessetsprecher Reuven Rivlin und der Minister Moshe Ya’alon verteidigten ihn.
Dafür haben sie alle Achtung verdient. Aber es wäre die Aufgabe des Gerichts gewesen, eine Erklärung zu geben, dass Joubran nicht gesungen habe, weil es gegen sein Gewissen war. Das müssen wir akzeptieren und respektieren.
1.März 2012
(dt. Ellen Rohlfs)