US-Demokraten auf Kriegskurs

der Vertreter des „stay the course“-Flügels wird gegen John Murtha als Fraktionssprecher im Repräsentantenhaus gewählt / Weißes Haus plante 2003 mit Atomkrieg gegen IrakWashington: für die gerade frisch gewählte linke Sprecherin der Parlamentskammer des US-Kongresses Nancy Pelosi ist es eine furchtbare Niederlage, für den ex-Vietnam-Veteran John Murtha eine unverdiente Demütigung und für den Weltfrieden ist es eine Gefahr, was da heute in den USA geschah – der rechte Steny Hoyer, ein Vertreter des typischen Washingtoner Parteiklüngels und Gegner eines absehbaren Abzugs der US-Besatzungstruppen im Irak (1), wurde mit 149 zu 86 zum Fraktionssprecher der US-Demokraten im Repräsentantenhaus gewählt (2).
Nicht nur die Höhe des Sieges, auch die Tatsache, daß Pelosi sich stark für Murtha eingesetzt hatte, zeigt, daß die US-Demokraten keineswegs eine Alternative zu den Republikanern darstellen wollen, im Gegenteil.
„Aus ihr wurde Kleinholz gemacht“, so ein Mitglied der Demokraten über Pelosi.
„Vielleicht wird das Nancy den Nutzen der Macht beibringen, ebenso den Zeitpunkt und den Ort dafür“, so ein offenbar ehemals hochrangiger Demokrat („senior Demokrat“)mit engen Verbindungen zum Kongreß über die Niederlage der von den US-Republikanern im Wahlkampf scharf angegriffenen Pelosi(2).

Senator Bill Nelson (D), Vertreter im Streikräfteausschuss (vor dem gestern DIA-Chef Maples und CIA-Chef Hayden „al-Qaeda“ als entscheidenes Bindeglied zwischen Irak und Afghanistan beschrieben und ankündigten hatten, die „Unterstützung“ für das Karzai-Regime werde noch mindestens 10 Jahre weiter nötig sein (3)) verlautbarte, ein „Erfolg“ im Irak sei weiter notwendig.
„Die Alternative dazu wäre, ihn den Terroristen zu übergeben, und wenn die den Irak in die Finger bekommen und auf dem ganzen Öl sitzen, wohin gehen die dann? Die sehen nach Süden, die nehmen sich die Saudi-Königsfamilie vor; und wenn sie die haben, sitzen die auf den Welt-Erdölreserven…“
Mehrere neu gewählte Vertreter der demokratischen Fraktion bestätigten die Einschätzung, daß die letzte Wahl vor allem eins klar gezeigt habe – daß der Wähler nicht wolle, daß man Bush dazu zwinge, die Truppen nach Hause zu holen (1).
Bestenfalls ein bemerkenswerter Akt der Selbsthypnose, schlimmstenfalls eine offene Kollaboration mit dem Kriegspräsidenten und ein typisch US-demokratischer Versuch, mit allen Mitteln zu verlieren, selbst wenn man gerade wider Willen und vom Wähler gezwungen, gewonnen hat.

Dabei war es der dekorierte Vietnamveteran John Murtha, welcher die US-Demokraten (deren selbstgewähltes Symbol übrigens der Esel ist) ausgerechnet heute vor einem Jahr, am 17.November 2005, mit einem fullminantem Statement überhaupt wieder bemerkbar machte:

„Unser Militär leidet. Die Zukunft unseres Landes steht auf dem Spiel. Es ist klar, daß eine weiteres militärisches Engagement nicht im besten Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika, der irakischen Bevölkerung oder der Region des Persischen Golfs wäre..Unser Militär und seine Familien sind ausgeblutet. Manche sagen, die Army ist gebrochen..weil wir im Kongreß den Oberbefehl haben, um unsere Söhne und Töchter in die Schlacht zu schicken, ist es unsere Verantwortung, unsere Pflicht für sie einzustehen. Und deshalb stehe ich heute hier.
Unser Militär hat alles getan, was von ihm verlangt wurde, die U.S können militärisch im Irak nichts mehr erreichen.
Es ist Zeit, sie nach Hause zu bringen.“(4)

Man stelle sich nur mal vor, jemand hätte jemals im Bundestag den Mumm gehabt.. aber lassen wir das.
John Murtha ist aber noch ein weiterer Verdienst hoch anzurechnen.
Von der Weltöffentlichkeit seltsamerweise unbemerkt, brachte er am 17.Dezember letzten Jahres eine Ungeheuerlichkeit ans Tageslicht.
In einer Antwort auf eines der üblichen Durchhalte-Statements der Bush/Rumsfeld-Administration sagte Murtha vor Dutzenden anwesenden Journalisten in freier Rede zum Irak folgendes:
„Ich würde jemanden feuern. Ich würde 2 oder 3 Leute feuern. Ich würde eine ganze Reihe von Leuten feuern die in diese Sache verwickelt sind. Und dann würde ich verhandeln mit der internationalen Gemeinschaft um an diplomatische Unterstützung zu gelangen und unsere Leute da unten raus zu bekommen.“
Und dann Murtha weiter:
„Nun, warum glaube ich denen nichts wenn sie irgendetwas sagen? Sie sagten es gäbe (im Irak) Massenvernichtungswaffen. Sie sagten es gäbe eine Verbindung zu Al Qaida. Sie sagten es gäbe Nuklearwaffen. Sie sagten, wenn wir diese rote Linie um Bagdad überschreiten, hätten wir einen Krieg damit (´war with them`)“ (5)
So John Murtha, am 17.Dezember letzten Jahres…

In der Tat hatte US-Präsident Bush laut der Washington Times vom 31.01.03 im geheimen „National Security Presidential Directive (NSPD) 17“ Dokument vom 14.September 2002 den Einsatz von Atomwaffen genehmigt, und zwar auch als Antwort auf chemische und biologische Attacken (6).
Die Tagesschau hat noch heute in ihrer Chronik des US-Einmarsches in den Irak für den 3.April folgenden Vermerk:
„Britische und amerikanische Truppen nähern sich der „roten Linie“ um Bagdad in Schutzanzügen. Nach Informationen von US-Geheimdiensten müssen US-Truppen mit dem Einsatz von Giftgas durch die irakische Armee rechnen, sollte die „rote Linie“ überschritten werden.“(7)
Die Tagesthemen vom 03.04.2003 berichteten (mit Grafik) von einer „roten Zone“ um Bagdad, die nun betreten werde. Laut US-Angaben seien Giftgasangriffe der Iraker nicht ausgeschlossen(8).
Am folgendem Tag, der internationale Flughafen Bagdads war zu diesem Zeitpunkt schon durch US-Truppen eingenommen, drohte der irakische Informationsminister Sahhaf mit einem nichtkonventionellem Angriff. Außerdem behaupteten US-Truppen, Spuren chemischer Waffen des Irak in der Umgebung Bagdads gefunden zu haben (9).
Abends dann, in den Tagesthemen des 4.April 2003, sagte Tom Buhrow in einer Live-Schaltung aus Washington, die US-Regierung würde „im Groben auch“ mit dem Einsatz von chemischen Waffen durch den Irak rechnen (9).

Im Klartext: das Bushregime rechnete laut eigenen Beschlüssen, nachprüfbaren Presseberichten und nach Angaben des denkbar glaubwürdigen Zeugen John Murtha mit einem Atomkrieg gegen den Irak.
Wobei sich natürlich im Nachhinein die Frage stellt: warum passierte dann nichts Derartiges? Und wo sind die angeblich gefundenen Spuren von Massenvernichtungswaffen des Irak?
Denn wenn sie niemals existierten, wovon mittlerweile auszugehen ist, dann bleibt nur eine andere, schaurige Alternative:
Im Rahmen ihrer „Shock and Awe“-Strategie wollte die US-Regierung den Einsatz von Atomwaffen gegen den Irak…

Quellen:
(1)
http://www.msnbc.msn.com/id/15705250/
(2)
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2006/11/16/AR2006111600514.html
(3)
http://radio-utopie.de/archiv.php?themenID=173&JAHR_AKTUELL=2006&MON_AKTUELL=11
(4)
http://www.house.gov/apps/list/press/pa12_murtha/pr051117iraq.html
(5)
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2005/12/07/AR2005120701588_pf.html
(6)
http://radio-utopie.de/archiv.php?themenID=110&JAHR_AKTUELL=2006&MON_AKTUELL=7
(7)
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID1780950_REF1_NAVSPM1,00.html
(8)
http://www.tagesschau.de/sendungen/0,1196,OID1706388_VID1706458_OIT1706394_RESms256_PLYinternal_NAV_OUV1,00.html
(9)
http://www.tagesschau.de/video/0,1315,OID1709390_RESms256_PLYinternal_NAV_BAB_OUV1,00.html

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