New York, Frankfurt, Paris, usw: China nutzte am Montag die Gunst der Stunde und erhöhte die verbindliche Reservequote („reserve ratio“) für Kapitalgesellschaften um 0.5% auf 10% und kündigte drei weitere Erhöhungen für dieses Jahr an (1).In Kurzform heisst das folgendes:
Wenn eine Bank, ein Fond, ein Kreditderivat oder sonstige Schurken 100 $ Dollar besitzen, können sie nur 90 $ davon verspekulieren oder verleihen oder sonst einen Unfug damit anstellen. Sie müssen 10 $ davon behalten. Der, der 90 $ bekommt, kann davon wiederum nur 81 % ausgeben, weil er 9 $ als Sicherheit behalten muß, usw (2).
Letzten Endes bremst das also die Geldwirtschaft, zwingt die Kapitalisten ihre ungeheuren Schulden zu bezahlen, von denen sie gut leben können, reduziert die Geldmenge drastisch (die letzte leichte Erhöhung nahm 23 Milliarden Dollar vom Markt) und setzt vor die allem die Gelddruckereien in den „Hedge Fonds“, „Future-Markets“, Währungsspekulations-Instituten und aus den Kreditderivaten massiv unter Druck. Jede einzelne dieser Branchen ist eine Ansammlung von Finanzverbrechern, die mit einem Anruf mehr verdienen (ohne irgendetwas davon verdient zu haben) als ein sich die Knochen abarbeitendnehmender DGB-Beitragszahler in 2007 Jahren. Das ganze läuft dann unter dem Motto „Gleicher Lohn für gleiche Leistung“.
Grundbedingung hierfür: man hat erstmal nichts, aber man leiht sich was, legt es irgendwo an was nicht existiert sondern erst noch gebaut werden muß um dann auf den zukünftigen Gewinn daraus zu wetten. Wenn man Schlips trägt und die entsprechenden Leute kennt (und auch so drauf ist wie die) kriegt man für soetwas Milliarden, die der andere auch nicht hat und findet bestimmt einen „Sozialdemokraten“, der einem dafür auf irgendeinem Ball eine bank-dankbare Rede hält.
Anders ausgedrückt, in China fragt man nun das Kapital aus dem Westen, „Sag mal, wo kommst Du eigentlich her?“
Das donnert, schwer beleidigt, „NIIIIIIIEEEEEEE SOLLST DU MICH BEFRAAAAAAAAAGEN…“ und löst sich in Luft auf, und zwar weltweit.
Begonnen hatte der Ausverkauf der Luftwerte am Dienstag in Shanghai (der Börsentag beginnt in Asien.) Wohlgemerkt, die chinesische Zentralbank achtete darauf, daß die eigenen Werte relativ stabil blieben, es trifft vor allem die sogenannten „A-Werte“ chinesischer Anleger, wobei die im Jahre 2006 um 160 % gestiegen waren und ein kurzes Absinken für die Wirtschaft China`s also nicht wirklich ein Problem, sondern eher eine Lösung darstellt, da man ja versucht die eigene Ökonomie vor einer Überhitzung zu bewahren.
Es geht der chinesischen Regierung, die über ihr autoritäres politisches System immer noch die Kontrolle über die Wirtschaft ausübt, vor allem darum, die Spekulation in China abzubremsen und zu verhindern.
Auch das Gerücht einer Gewinnsteuer auf Wertpapiere und das von drohenden Regulierungsmassnahmen wurde geschickt gestreut.
Allgemein kann man sagen, daß China selbst von dem ganzen Prozess wenig bis überhaupt nicht betroffen sein wird.(3)
Inzwischen erholte sich die Börse in Shanghai auch wieder, während heute morgen die Talfahrt in Tokio weiterging (4).
Aber der Impuls, der Schreck, die „Psychologie“, von der der Kapitalismus elementar abhängt (schliesslich geht es letzten Endes um die Religion, an kleine bedruckte Fetzen Papier zu glauben), die verlagerte gestern sich weiter, überall manifestiert in dieser fürchterlichen, apokalyptischen entsetzlichen Frage an den Lohengrin unserer Zeit, „Sag mal, wo kommst Du eigentlich her?“
Paris („CAC“) runter um 3%, Frankfurt („DAX“) runter um fast 3%, Grossbritannien („FTSE 100“) runter um 2.3 %, bis es dann zum „brutalen Tag an der Wall Street“ kam, der „Dow Jones“ verlor 416 Punkte, soviel wie noch nie seit dem 11.September 2001.
Wie gesagt, das war gestern. Heute setzte sich die Talfahrt in Europa munter fort.
Selbst wenn es durch die üblichen Tricks heute wieder ein Schönwettergetue an der „Wall Street“ am Nachmittag (MEZ) geben sollte, bleiben die fundamentalen Werte des „Westens“ ein Graus. Was da passiert war abzusehen.
Die USA haben Staatsschulden in Höhe von 8.5 Billionen $ Dollar. Der Dollar nähert sich durch die systematische Manipulation der Geldmenge durch die U.S. dem Status von kleinen bunten Zetteln (9), Witzwerte werden künstlich geschaffen, eine weltweite Deflation bewußt riskiert und völlig am Rad gedreht, während die hochbezahlten Schlipsträger in Europa nichts dagegen unternehmen.
Originalton Jean Claude Trichet, Vorsitzender der europäischen Zentralbank (EZB) dieses Jahr in Davos:
„Es gibt heute eine solche Kreativität neuer und noch ausgeklügelterer Finanzinstrumente, dass wir nicht mehr ganz genau wissen, wo das Risiko liegt“, sagt er. Und:
„wir versuchen zu begreifen, was gerade vor sich geht – aber das ist eine sehr, sehr große Herausforderung.“ (10)
Vor noch einigen hundert Jahren wäre der Mann nicht aus der Bastille befreit worden, soviel ist sicher…
„Die Krux ist nicht die Dynamik der einzelnen Problembereiche, die isoliert vielleicht noch kontrollierbar wären, sondern die beschleunigende Wirkung, die sie aufeinander ausüben. Jedes Problem, das sich verschärft, verschlimmert die Situation in einem oder mehreren der anderen Bereiche. Die lenkenden Kräfte dieser Welt sind wie ein Jongleur, der gleichzeitig Bälle, Teller, Keulen, Fackeln und Messer in der Luft halten muss. Ständig kommen neue hinzu, und irgendwann ist Schluss“, so Christoph Pfluger am 3.Januar dieses Jahres im Schweizer „Zeitpunkt“, als gute Zustandsbeschreibung einer unvermeidbaren Entwicklung aus dem Jetzigen (11).
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Allein der US-Präsident Ronald Reagan erhöhte während den 8 Jahren unter seinem Vize-Präsidenten Bush die Staatsschulden der USA um fast 2 Billionen Dollar.
Beraten wurde „Reagan“, also de facto Bush, von Milton Friedman. Dieser nutzte die Tatsache aus, daß die Bewohner des Westens zu dumm sind, um ihre Wirtschaftsordnung zu begreifen, sowie die Nicht-Existenz einer parlamentarischen Linken im Westen seit den 80ern.
Friedman behauptete einfach, der Kapitalismus bestehe aus Angebot und Angebot, und löste die fehlende Nachfrage einfach dadurch, daß der von den „Bürgern“ (also letzten Endes vom Proletariat) bezahlte Staat geplündert wurde, wobei die „Bürger“ zu blöde waren zu begreifen, daß um nur eine Ecke gedacht SIE es waren, die da gepündert wurden.
Der Staat machte immer mehr Schulden (bei den Banken), subventionierte die Banken ausserdem noch mit „Steuererleichterungen“, die Banken wiederum erpressten und ruinierten im Westen die Gewerkschaftsbanken und -holdings, und kauften ein, wen oder was sie nicht fertig machen konnten.
Seitdem sitzt in den Talkshows der westlichen Welt in westlichen Fernsehsendern westlicher Moral eine westlichen Bande von Quatschdrohnen und labert uns die Hucke voll, und zwar so lange, bis alle „Ja, ich liebe das Grosse Kapital“ sagen.
Es gibt in Deutschland (West) seit den 70ern keine parlamentarische Partei, die das in Frage stellt.
Die sogenannte „Linke“, wie sie sich selbst nennt, mitsamt ihrem angedockten beinkorruptem Gewerkschaftsapparat aus dem westlichen Westen, ist der beste Freund des Kapitals, weil sie beständig erklärt, warum es nunmal nicht anders geht als mit dem Kapitalismus, da müsse man doch vernüüünftig sein, und die „gemeiiinsame Linke“ und so weiter.
Der DGB wird seit Jahr und Tag durch die zusammengebrochene „AHBR“-Bank erpresst (8) und jeder weiss es, der österreichische Gewerkschaftsbund durch die ebenfalls zur selben Zeit, rein zufällig, in Turbulenzen geratene „BAWAG“.
Und überall wird geschwätzt und geschwätzt, daß es jeden Funktionär satt macht bis es oben rauskomt, und NICHTS passiert.
Bis heute jedenfalls.
Man kann darüber spekulieren, warum die Chinesen ausgerechnet jetzt die Lohengrin-Frage stellen. Auch aggressive Töne der politischen Banken-Exekutive gegenüber China sowie westliche Medienkampagnen gegen den gelben Konkurrenten von den hinten-fern-unten werden eine Rolle gespielt haben.
Ein Grund wäre aber auch, den Krieg gegen den Iran oder den Sudan zu verhindern, bzw in letzter Sekunde abzuwürgen. Denn die hohen Kurse weltweit waren auch eine Spekulation auf den besten Freund vom „Lohengrin“ Kapitalismus, dem Krieg.
Das die Kurse jetzt fallen, ist ein gutes Zeichen für die Zukunft.
Man sagt ja, „war is good for business, bad for the people“. Der Umkehrschluss liegt auf der Hand.
Was hier gerade passiert, wird später einmal in den Geschichtsbüchern stehn, also geniessen wir es.
Es ist das Ende der Welt wie wir sie kennen, aber ganz anders, als sich das so manche hohen Herren dieser Welt gedacht haben.
Man kann sagen, lieber Lohengrin, die fetten Jahre sind vorbei.
Ach übrigens – wo kommst Du eigentlich her?
Quellen:
(1)
http://www.chinadaily.com.cn/china/2007-02/26/content_813529.htm
(2)
http://en.wikipedia.org/wiki/Reserve_ratio
(3)
http://at.e-fundresearch.com/newscenter.php?aID=8124
(4)
http://www.kurier.at/nachrichten/wirtschaft/60241.php
(5)
http://www.businessweek.com/investor/content/feb2007/pi20070227_608084.htm
(6)
http://money.cnn.com/2007/02/27/markets/markets_0405/index.htm?cnn=yes
(7)
http://www.sgipt.org/politpsy/finanz/schuldp/usa/usa0.htm#Friedman,%20Milton
(8)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=116&JAHR_AKTUELL=2006&MON_AKTUELL=6
(9)
http://www.nowandfutures.com/key_stats.html#m3b
(10)
http://www.goldseiten.de/content/diverses/artikel.php?storyid=3900
(11)
http://www.zeitpunkt.ch/schwerpunkt_aktuell_02.htm