Washington: „James B. Comey, die pfeilgenaue ehemalige Nr.2 des Justizministeriums, offenbarte gestern dem Justizauschuss des Senats einen so schockierenden Bericht über die Gesetzlosigkeit der Bush Administration, der unglaublich wäre, wenn er aus einer weniger glaubwürdigen Quelle stammte,“
so heute die eingermassen bürgerliche „Washington Post“ (1) über das, was ihr all die Jahre wieder einmal entgangen war.
Gestern hatte James Comey vor dem „Senate Judiciary Committee“ von einem Geschehen berichtet, wie es einfach nur die Realität abgibt und nie einen Fim, weil der einfach zu fantastisch wirken würde.
März 2004:
Das heimliche Abhör- und Spionageprogramm der Bush-Regierung gegen die eigene Bevölkerung ohne Gerichtsbeschluss wird auf Anordnung von James Comey, damals geschäftsführender Justizminister und Generalstaatsanwalt der USA, ausgesetzt.
Der Chef von Comey, John Ashcroft, liegt zu dieser Zeit schwer krank im George Washington Hospital und hat James Comey die Amtsgeschäfte übertragen.
Dieser ist damit oberste ausführende Instanz der Judikative in den Vereinigten Staaten (die oberste Kontrollinstanz ist der Supreme Court, das Bundesverfassungsgericht der USA).
Zu dieser Zeit ist der heutige Justizminister Alberto Gonzales noch Berater des Weissen Hauses.
Dann passiert folgendes: James Comey hört in seinem Auto, das Gonzales und Andrew Card, der damalige Stabschef von Bush, auf dem Weg ins Krankenhaus sind, um vom schwerkranken Ashcroft eine Änderung seines Beschlusses und eine Wiederaufnahme des heimlichen Überwachungsprogrammes ohne Gerichtsbeschluss zu verlangen.
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COMEY: Ich fuhr so gegen 8 Uhr an diesem Abend nach Hause, meine Sicherheitsleute fuhren mich. Und ich erinnere mich genau, wo ich war – auf der Allee der Verfassung („Constitution Avenue“) – und bekam einen Anruf vom Stabschef von Generalstaatsanwalt Ashcroft, der mir sagte, dass er einen Anruf bekommen habe…und das als Resultat dieses Anrufs Mr. Card und Mr.Gonzales auf dem Weg ins Krankenhaus zu Mr.Ashcroft seien.
Also legte ich auf, rief sofort meinen Stabschef an, sagte ihm, er solle soviele Leute wie möglich beim Krankenhaus zusammentrommeln.
Ich legte auf, rief (FBI-Chef) Director Mueller an – mit dem ich die ganze Sache schon diskutiert hatte und der mir über die Woche bereits eine grosse Hilfe gewesen war – und erzählte ihm, was ablief. Er sagte, ich treff Dich sofort beim Krankenhaus.
Ich sagte meinen Sicherheitsleuten, dass ich sofort zum George Washington Hospital müsse. Die schalteten die Sirene ein und und fuhren ziemlich schnell zum Krankenhaus.
Ich verliess den Wagen und rannte hoch – rannte im wahrsten Sinne des Wortes, mit meinen Sicherheitsleuten.
SENATOR SCHUMER: Was war ihre Befürchtung? Sie waren offenbar in grösster Eile.
COMEY: Ich hatte die Befürchtung, angesichts dessen wie krank der Generalstaatsanwalt war, dass es da vielleicht einen Versuch geben könnte mich zu überstimmen, während dieser gar nicht in der Verfassung dazu wäre.
Ich raste zum Krankenzimmer, lief rein. Und Mrs.Ashcroft stand neben dem Krankenbett, Mr.Ashcroft lag ausgestreckt auf ihm, der Raum war abgedunkelt.
Und ich begann sofort zu ihm zu sprechen, ihm begreiflich zu machen wo und wann er sich befand und wollte wissen, ob er sich darauf konzentrieren konnte was passierte und es war mir nicht klar, ob er das konnte. Es schien ihm richtig schlecht zu gehen.
(..)
Ich ging raus auf den Flur. Sprach mit (FBI-Chef) Direktor Mueller. Er war unterwegs. Ich gab das Telefon dem Chef meiner Sicherheitsleute und Direktor Mueller gab den anwesenden FBI Agenten die Anweisung unter keinen Umständen zuzulassen, dass ich aus dem Raum entfernt würde. Und ich ging zurück in den Raum
(..)
Und innerhalb von Minuten öffnete sich die Tür und Mr.Gonzales kam rein, einen Umschlag in der Hand, und Mr.Card. Sie grüssten den Generalstaatsanwalt sehr kurzangebunden. Und dann begann Mr.Gonzales darüber zu diskutieren, warum sie hier seien – um seinen Vorschlag für eine bestimmte Sache darzulegen und um zu erklären was diese Sache sei – was ich jetzt nicht tun werde.
Und dann haute mich Generalstaatsanwalt Ashcroft schlicht um.
Er hob den Kopf vom Kissen und erklärte in sehr deutlichen Worten was er von der Sache hielt, inhaltlich und fachlich sehr präzise, das überwältigte mich – noch unter dem Eindruck des mehrstündigen Treffens welches wir letzte Woche gehabt hatten – er drückte sich sehr deutlich aus und legte dann seinen Kopf wieder auf das Kissen, wirkte verausgabt, und sagte dann zu ihnen: Aber das ist jetzt egal, weil ich nicht der Generalstaatsanwalt bin… und zeigte auf mich, der direkt links neben ihm stand.
Die beiden Männer haben mich nicht angesehen. Sie drehten sich um und verliessen den Raum.
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Dann beschreibt James Comey die weiteren Ereignisse.
Kurz danach rief ihn Andrew Card an (der Stabschef von US-Präsident Bush). Dieser wollte ihn alleine treffen.
Comey bestand aber auf einem Zeugen, nach dem was er im Krankenhaus gesehen hatte. Card behauptete daraufhin, man habe Ashcroft nur Genesungswünsche überbringen wollen.
Comey bestand aber auf den Vize-Generalstaatsanwalt Ted Olson als Zeugen.
Daraufhin kommt ein Treffen mit Card zustande, zuerst beide allein, dann mit Gonzales und mit Olson.
Er erfährt, dass die Überwachungen wie geplant wieder aufgenommen werden sollen, auch ohne seine Unterschrift als geschäftsführender Justizminister und Generalstaatsanwalt.
Er beschliesst daraufhin seinen Rücktritt. Er berichtet, das FBI-Chef Mueller ebenfalls plant zurückzutreten, genau wie sein kranker Vorgesetzter, Justizminister John Ashcroft und die Stabschefs im Justizministerium ebenfalls.
Am Morgen des 12.März, bei dem täglichem Briefing des US-Präsidenten über den Stand der Dinge beim Counterterrorismus (freundliche Übersetzung: Terrorabwehr), lädt Bush zuerst Comey, dann FBI-Chef Mueller zu einem 4-Augen-Gespräch.
Danach wird der Versuch, das Überwachungsprogramm in der geplanten Form ohne Zustimmung des Justizministeriums wieder aufzunehmen, fallen gelassen.(2)
Zur Zeit stehen Rücktrittsforderungen gegen den nun amtierenden Justizminister und Generalstaatsanwalt Alberto Gonzales im Raum.
Die Justizausschüsse des US-Kongress ermitteln, u.a. wegen Entlassung von Bundesanwälten aus politischen Motiven und Korruption.
(1)
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/05/15/AR2007051501945.html?nav=rss_opinion
(2)
http://thinkprogress.org/2007/05/15/comey-silence/